Kommentar zu den Pressemitteilungen betr. Räumung der Augenklinik

ID 57431
 
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am 22.7. gab es von der Uni Marburg eine Pressemitteilung betr. Räumung der Augenklinik, auf diese gab es am 25.7. eine Richtigstellung der Besetzer*innen. hikE fielen ein paar Unstimmigkeiten auf.
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09:26 min, 13 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 29.07.2013 / 08:49

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales, Andere
Entstehung

AutorInnen: hikE
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 29.07.2013
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Sicherlich haben einige HörerInnen von Radio Unerhört Marburg mit Interesse die Geschehnisse der letzten Woche rund um die "Traumklinik" verfolgt, wo es nach der Besetzung der leerstehenden ehemaligen Augenklinik am Freitag 22 Uhr, ab Montag mittag zu einer Art Showdown kam; die gesamte Marburger Nordstadt hatte schließlich verkehrstechnisch was von der großräumigen Polizei-Absperrung der Bahnhofstraße, Bunsenstraße, Emil-Mannkopff-Straße und so weiter, und sowohl die neuesten Polizeimoden als auch Wiesbadener Automodelle konnten ab 13:30 Uhr in aller Ausführlichkeit betrachtet werden, sodenn mensch sich zu Fuß in die für Kraftfahrzeuge unpassierbar gewordenen Bereiche aufmachte. Es gab dann auch an Accessoires viel zu sehen vom Schlagstock mit Seitengriff bis zum kaffeekannengroßen Pfefferspray-Döschen; die Modenschau der Polizei-Helme fand allerdings unter Ausschluss der Presse im Inneren der ehemaligen Augenklinik statt, sowohl von Seiten der Unileitung als auch der Polizei war die Anwesenheit der Presse ausdrücklich unerwünscht, selbst die Unterhändler der Besetzer*innen wurden nach ihrer Information an die Presse nicht mehr ins Gebäude gelassen trotz anders lautender Zusagen.
[O-Ton]

Im Gefolge der Montag stattfindenden Räumung, die durch die Universitäts-Leitung bereits am Sonntag mittelst einer Strafanzeige veranlasst wurde, gab es auch einige Pressemitteilungen von der Universität Marburg, die besonders durch die Häufung der Vokabel "bedauern" auffallen, und am 25.7. folgte eine Richtigstellung der Besetzer*innen der Raumklinik, welche sich explizit auf die letzte Pressemitteilung der Uni vom Montag den 22.7. bezieht.

Die Universitäts-Pressemitteilungen können nachgelesen werden auf der Homepage der Uni, www.uni-marburg.de; die Richtigstellung der Besetzer*innen kann nachgelesen werden auf raumklinik.wordpress.com.

Für die Universität Marburg war die ganze Sache offenbar schon am Samstag mittag komplett klar: Unikanzler Nonne traf persönlich in Begleitung einiger Polizisten im Innenhof der besetzten Augenklinik ein und unterbreitete im Schutze seiner Polizeibegleitung ein Angebot, knüpfte daran zwei Bedingungen und stellte ein zeitliches Ultimatum welches eine Annahme dieses Gesamtpakets bis 23 Uhr abends bedeute - oder eben Räumung.

Das Angebot lautete, die Räumlichkeiten eine Woche lang für eine Veranstaltungsreihe nutzen zu dürfen.
Die daran fest geknüpften Bedingungen lauteten, am Freitag abend dann das Gebäude zu räumen und jederzeit Universitätsangestellten ein Betreten des Hauses zuzusichern.

Da es den Besetzer*innen ausdrücklich um hierarchiefreie Kommunikation auf Augenhöhe ging, nahmen sie weder das Angebot noch die daran unabänderlich geknüpften Bedingungen an, sondern formulierten 23:23 ihrerseits ein konkretes Gesprächsangebot. Dieses wurde von der Universitätspräsidentin Krause in der Pressemitteilung vom Sonntag den 21.7. als "fehlende Vehandlungsbereitschaft der Besetzer" "bedauert".

Hiernach nahmen die Besetzer*innen noch einmal von sich aus telefonisch Kontakt zum Unikanzler Nonne auf und handelten mit diesem "in gegenseitigem Einvernehmen" aus, ihm Sonntag abend per Mail mitzuteilen, wie sie sich konkrete Gespräche vorstellen.

Auch Herr Nonne "bedauerte" in seiner Pressemitteilung am Montag den 22.7. nach der Räumung das "scheitern des Dialogs mit den Besetzern". Dies veranlasste die Besetzer*innen zu einer ausführlichen Richtigtellung, in der sie unter anderem klar machten, dass sie sich unter Dialog was anderes als Jasagen zu Forderungen unter dem Druck eines Ultimatums vorstellen; des weiteren tauchen ein paar Widersprüchlichkeiten in der Pressemitteilung der Universität auf, die ich jetzt ein bisschen näher beleuchten möchte, da sie mit dem Zeitpunkt der Räumung und dem Zeitpunkt der Stellung der Strafanzeige zu tun haben.

Uni-Kanzler Nonne behauptet in der Pressemitteilung vom 22.7.:
"Daher sah sich die Universität am Montagmorgen gezwungen, Strafantrag zu stellen und die Räumung zu fordern“
Hieraus schließe ich als Leser*in, dass die Strafanzeige am Montag morgen gestellt wurde.
Diesem konträr entgegen steht die Aussage der Besetzer*innen in ihrer Richtigstellung vom 25.7.,
"dass bereits am Sonntag Strafanzeige gestellt wurde, von welcher wir erstens nichts wussten und zweitens Herr Nonne noch zugesagt hat unsere Vorstellung, wie wir Gespräche führen würden, entgegen zunehmen".
An dieser Stelle gibt es also bereits zweiVersionen des Geschehens.
Eine zweite Sache die mich sehr stutzig macht, ist folgende Behauptung in der Pressemitteilung der Uni:
"Doch habe man den Besetzerinnen und Besetzern Zeit gegeben, das Gebäude bis mittags zu räumen, ohne mit juristischen Konsequenzen rechnen zu müssen. Dieser Aufforderung sei ein Großteil der vorwiegend jungen Leute nachgekommen. Beim nachmittäglichen Eintreffen der Polizei sei nur eine kleine Gruppe noch im Gebäude verblieben".
Ganz langsam. Die Polizei kam nicht erst, nachdem die meisten Leute schon aus dem Haus waren, wie das Zitat von Unikanzler Nonne in der Pressemitteilung der Uni suggeriert. Die Polizei war nach einem Anruf hier im Radio bereits um 13:30 Uhr vor Ort und hatte das Gebäude zu diesem Zeitpunkt auch betreten und mit polizeilichen Maßnahmen begonnen, wovon ich mich ab 13:40 auch persönlich überzeugen konnte.
Die Polizei selbst formuliert das in ihrer Pressemitteilung von 22.7. 16:01 Uhr wie folgt:
"Am Montagnachmittag, 22. Juli schritt die Marburger Polizei, unterstützt von Bereitschaftspolizei, auf Veranlassung des Eigentümers des Gebäudes ein. Mehrere Personen verließen gleich zu Beginn der polizeilichen Maßnahmen freiwillig das Innere und konnten unbehelligt gehen."
Die Einzigen die zu einem Zeitpunkt eintrafen als nur noch eine kleine Gruppe im Haus war, waren Unikanzler Nonne selbst, und seine Begleiter*innen.
In der Richtigstellung der Besetzer*innen vom 25.7. wird das Eintreffen der Uni-Delegation folgendermaßen wiedergegeben:
"Die Umsetzung der überraschenden Räumung am Montagmittag verlief aus unserer Sicht katastrophal! Wir haben für das Verhalten der Universität und Herrn Nonne kein Verständnis! Dabei haben wir viele Punkte zu kritisieren.
Nur auf politischen Druck hin sicherte Herr Nonne uns zu, noch vor der Räumung bei der Raumklinik vorbei zu kommen, um mit uns zu sprechen. Doch bevor sich Herr Nonne auf dem Gelände zeigte, waren wir im Haus bereits von Spezialeinheiten der Polizei umstellt und wurden in einem Raum festgehalten. Nur mit Nachdruck konnten wir die sofortige Räumung verhindern und die Polizei überzeugen, auf Herrn Nonne zu warten. Das Kommando des Zugriffs war also schon lange vorher erteilt worden."
Die Presse wurde von der Polizei nicht ins Haus gelassen und konnte das Geschehen daher nur von außen verfolgen. Auf Anordnung der Polizei hatten die Fenster des Raumes, in dem die verbliebenen Besetzer*innen sich befanden und wo sie umstellt waren von behelmten Polizist*innen, geschlossen zu bleiben. Auch ein Walkietalkie welches sich im Raum befand, wurde durch die Polizei konfisziert, so dass keine Informationen nach außen dringen konnten.
Herr Nonne bot an, dass er anstelle der Presse die Räumung beobachtet. Hierzu die schreiben die Besetzer*innen:
"Ab dem Zeitpunkt des Eindringens der Polizei ins Haus, wurde jeglicher Presse der Zutritt zum Haus verwehrt. Stattdessen bot sich ironischer weise Herr Nonne an, die Räumung im Haus zu beobachten. Wir setzen Herrn Nonnes Anwesenheit nicht mit der Öffentlichkeit der Presse gleich und wundern uns darüber, dass er dies tut."
Angesichts der mindestens grob verkürzten Darstellung von Tatsachen vor Ort in der Uni-Pressemitteilung vom 22.7. teile ich diese Verwunderung.
Zum Schluss lasse ich noch mal die Besetzer*innen zu Wort kommen mit einem Punkt, der ihnen während der Räumung so wichtig war, dass sie ihn mehrfach betonten, und dass er auch draußen dem gesamten Publikum bekannt war:
"Wir wurden über eine Stunde von der Polizei in einem Raum festgehalten. In dieser Zeit wurde mehrmals und mit Nachdruck von den weiblichen Besetzerinnen gefordert, dass sie nur von Polizistinnen aus dem Haus getragen und folglich berührt werden möchten. Diese Forderung wurde ignoriert und stellenweise hämisch abgetan."
Beobachtet habe ich dann mit vielen anderen Leuten zusammen, dass weibliche Besetzer*innen von je einem weiblichen und einem männlichen Polizisten hinausgetragen wurden.
Soweit der kurzeVergleich der verschiedenen Pressemitteilungen zum Thema der Räumung der ehemaligen Augenklinik mit eigenen Beobachtungen, soweit sie mir möglich waren.

Kommentare
29.07.2013 / 12:20 nora, Radio Unerhört Marburg (RUM)
wird gespielt
...auch im gleis16, am 29.7.2013