Ostermarsch 2024 - Rede "pax christi", Fr. Wiltrud Rösch-Metzler

ID 128204
 
AnhörenDownload
Wiltrud Rösch-Metzler, Stuttgart
Redebeitrag für den Ostermarsch BaWü 2024 in Stuttgart am 30. März 2024

https://www.friedenskooperative.de/oster...
Audio
17:32 min, 26 MB, mp3
mp3, 210 kbit/s, Stereo (48000 kHz)
Upload vom 21.04.2024 / 13:08

Dateizugriffe: 338

Entstehung

AutorInnen: Antikriegsradio im Querfunk, Karlsruhe
Kontakt: antikriegsradio_R(at)querfunk.de
Radio: Querfunk, Karlsruhe im www
Produktionsdatum: 21.04.2024
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,

die Ostermärsche machen sichtbar, dass unsere Hoffnung auf eine Welt ohne Krieg Bestand hat. Wir wollen viele mit dieser Hoffnung anstecken, in Freundeskreisen und Familien, in Gewerkschaften, Parteien, Sportvereinen, in Kultureinrichtungen und Kirchen.

Was hat die Friedensbewegung in letzter Zeit erreicht?

Wir haben erreicht, dass der 500 Kilometer reichende Taurus-Marschflugkörper nicht geliefert wird und diese Eskalationsmöglichkeit des Krieges aus dem Spiel genommen ist.

Wir haben erreicht, dass die Regierungspartei SPD über ein Ende des Krieges gegen die Ukraine nachdenkt.

Wir haben erreicht, dass nach sechs Monaten Bombardierungen in Gaza, die Bundesregierung einen Waffenstillstand fordert.

Das ist wenig. Anderen ist das schon zu viel. Es ist denen zu viel, die derzeit an militärische Aufrüstung glauben und daran, dass Waffen unsere Lebensweise schützen können. Wie es uns eingetrichtert wird von Medienleuten, von Teilen der Wissenschaft, sogar der Friedensforschung, der Kultur und der Politik. Von Habeck bis Campino äußern bereits viele stolz, sie seien einst Kriegsdienstverweigerer gewesen, aber heute würden sie sich anders entscheiden. Noch lautere Stimmen fordern, Waffenfabriken aufzubauen, mehr Waffen an befreundete Staaten zu exportieren, Atombomben zu bauen und Nato-Soldaten gegen Russland einzusetzen. Das ist nicht die Zukunft , die wir wollen. Deshalb sind wir hier

Damit viele diesen Kurs mitmachen, müssen Feindbilder geschaffen, Ängste geschürt werden. Der Feind ist, wie beim jetzigen Nato-Manöver: Russland. Der Feind ist abgewirtschaftet, korrupt, böse. Gleichzeitig aber ist er mächtig, bedroht Europa und die ganze Welt. Der übernächste Feind ist China.

Ist es nicht ein Irrglaube, dass Gewalt gegen Gewalt hilft, sie ausschaltet und das Böse besiegt? Was ist denn das Ergebnis von 20 Jahren Militärintervention der Bundeswehr in Afghanistan? Tote Soldaten, tote Zivilisten, ein Land, in dem die Mehrheit der Menschen hungert und das wie vor der Besetzung wieder von den Taliban regiert wird. Fehler am Afghanistan-Krieg räumt inzwischen auch die Enquetekommission des Bundestages ein, die die 20 Jahre Militäreinsatz bis Juli aufarbeiten soll.

Unsere Zivilisation hat vieles geschafft. Sie hat Sklaverei und Prügelstrafe abgeschafft. Warum nicht Kriege? Warum hören wir Wuttiraden, Schmähungen, Distanzierungen sobald jemand das Töten beenden möchte, etwa als Papst Franziskus sagte, wer den ersten Schritt zum Verhandeln wähle ist mutiger als der andere. Und ermutigte: „Schämen Sie sich nicht, zu verhandeln… Verhandeln ist niemals Kapitulation.“ Aber das wollen die Kommentatoren und Moderatorinnen nicht hören. Sie haben ihn bewusst missinterpretiert. Von Anfang an hat Papst Franziskus seine Vermittlung angeboten, auch der russischen Seite. Gegenüber Patriarch Kyrill von der russisch-orthodoxen Kirche hat er klargestellt: „Bruder, wir sind keine Staatskleriker und dürfen nicht die Sprache der Politik, sondern müssen die Sprache Jesu sprechen.“

Die Sprache Jesu findet sich beispielsweise in der Osterbotschaft. Als Jesus am Gründonnerstag von der römischen Besatzungsmacht verhaftet wird, will ihn sein Jünger Petrus mit dem Schwert verteidigen. Jesus befiehlt ihm das Schwert wegzustecken. Und er sagt: „Wer zum Schwert greift, kommt durch das Schwert um.“ Denn der Weg, den Jesus ging, war gewaltlos. Dafür ist er gestorben. Er führte über die Kreuzigung, derer wir gestern auf dem Monte Scherbelino gedacht haben, in seine Auferstehung und in ein Leben in Frieden. Diese Hoffnung auf eine friedliche und gerechte Welt ist die Osterbotschaft. Diese Hoffnung tragen wir Menschheitsgeschwister in uns. Sie ist Ansporn, sich für Menschen, die unter Krieg leiden, einzusetzen und Gewalt abzulehnen.

Der Einsatz gegen Krieg hat im Vatikan Tradition. So hatte der polnische Papst Johannes Paul II. heftig vor dem Irak-Krieg gewarnt. In Berlin fand damals, 2003, die bislang größte deutsche Anti-Kriegsdemo mit einer halben Million Teilnehmenden statt. Die USA mit einer Koalition der Willigen bombardierten den Irak trotzdem.

Mitten im Ersten Weltkrieg hatte der damalige Papst Benedikt XV. einen eindringlichen Friedensappell an die kriegführenden Nationen gerichtet. Der Papst schlug eine Regelung mithilfe des Völkerrechts vor. Doch seine Initiative wurde verspottet und auch von Bischöfen, besonders in Deutschland und Frankreich, zurückgewiesen. Das Töten ging weiter. Erst am 11. November 1918 beendete ein Waffenstillstand den Krieg. Papst Franziskus bewegt sich in dieser Linie der Päpste.

Ein Hauch davon steckt im neuen Friedenswort „Friede diesem Haus“ der katholischen deutschen Bischöfe vom Februar 2024. Darin heißt es zur gerechten Verteidigung: Sie müsse Wege zu Verständigung und Frieden offenhalten oder öffnen, sie dürfe keinen Weg bewusst verschließen. Zitat „Das Ziel jedes Militäreinsatzes, sofern er aus christlicher Sicht legitim sein soll, ist nicht der Sieg, sondern ein gerechter Friede. Waffen können keinen Frieden schaffen, Frieden muss gestiftet werden – und zwar in erster Linie durch Gerechtigkeit, die auch den Feind im Krieg einschließt. Kein Einsatz militärischer Gewalt darf deswegen die Bedingungen eines künftigen Friedens zerstören, vor allem nicht das Minimum an gegenseitigem Vertrauen, ohne das es weder aussichtsreiche Friedensverhandlungen noch einen tragfähigen Friedensschluss geben kann.“ Soweit das neue Friedenswort der Bischöfe

Frieden schaffen ist anstrengend. Drittparteien wie Deutschland sind heute schon verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Völkerrecht eingehalten wird. Eine bedingungslose Unterstützung einer kriegführenden Seite wie sie die Bundesregierung im Gaza-Krieg nach dem 7. Oktober 2023 praktizierte, führt in die Sackgasse.

Wir trauern um die Toten des Hamas-Massakers vom 7. Oktober in Israel. Wir fordern, dass die Verantwortlichen dem Internationalen Strafgerichtshof überstellt werden und die Geiseln frei gelassen werden. Wir fordern ein sofortiges Ende des Gaza-Krieges mit mittlerweile über 32.000 Toten, darunter 14.000 Kinder und die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen. Das Leid muss für alle enden.

Nicht einverstanden sind wir damit, dass die Regierung weiter Waffen an Israel liefert. Mit ihrer militärischen Zusammenarbeit unterstützt sie eine rechte israelische Regierung, die offen sagt, dass sie das ganze Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer beansprucht, from the river to the sea.

Nicht einverstanden sind wir, dass die Bundesregierung Zuwendungen an das UN-Flüchtlingshilfswerk für die Palästinenser UNRWA in Gaza gestoppt hat. Trotz Hungersnot. Am 7. März wurde der Tod von bereits 17 Kindern gemeldet, die an Unterernährung gestorben sind. Laut UNICEF ist jedes dritte Kind unter zwei Jahren akut mangelernährt. Hunger als Kriegswaffe muss sofort aufhören!

Lassen wir uns von den medienwirksamen Airdrops/Hilfs-Tropfen aus deutschen Tornados auf Gaza nicht täuschen. Statt weiterhin Lebensmittel über der hungernden Bevölkerung in Nord-Gaza abzuwerfen, könnte diese leicht erreicht werden, wenn di e Lastwagen durchgelassen werden. Die Besatzungsmacht Israel hat die Pflicht, die Zivilbevölkerung vor dem Verhungern zu bewahren..

Schon vor einem Jahr hat die Bundesregierung die Zuschüsse an mutige unabhängige palästinensische zivilgesellschaftliche Organisationen eingestellt: darunter Al Haq, die Menschenrechtsverletzungen in Israel und Palästina aufdeckt, Defense for Children International, das sich für Kinderrechte stark macht, die Union der Landarbeiterkomitees, Addameer, das sich für die Rechte von Gefangenen einsetzt und die Union der Frauenkomitees, die Frauenrechte in Palästina durchsetzt. Die Bundesregierung folgt der israelischen Erzählung, dass diese Organisationen „terroristisch“ seien. All diese Organisationen sammeln Fakten für die Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof und dem internationalen Strafgerichtshof. Ist es das, was sie nicht tun sollen? Haben sie nach Ansicht der Bundesregierung schon zu viel über Menschenrecht und internationales Recht gelernt? Es ist zu beobachten, dass die Bundesregierung massiv der rechten israelischen Regierung vor diesen internationalen Gerichten beispringt.

So mobilisiert die Bundesregierung gegen die Genozid-Klage Südafrikas, statt den Internationalen Strafgerichtshof darüber entscheiden zu lassen. Die Bundesregierung instrumentalisiert auch deutsche Nichtregierungsorganisationen. Diese müssen angeben, ob sie mit Menschenrechtsorganisationen in arabischen und afrikanischen Ländern zu tun haben, die sich an die UNO gewandt haben und die Genozid-Klage Südafrikas unterstützen. Diese Organisationen sollen in Zukunft von Entwicklungshilfegeldern ausgeschlossen werden.

Was die Bundesregierung erreicht hat, ist peinlich: Die Mehrheit der Länder der Welt hat die Achtung vor Deutschland verloren zuletzt wegen seiner bedingungslosen Solidarität mit der israelischen Besatzung und Kriegführung. Die Wählerinnen und Wähler in Deutschland möchten eine andere Nahost-Politik. So halten 69 Prozent der Bevölkerung in Deutschland laut ZDF Politbarometer das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen für nicht gerechtfertigt. Was ist das nur für eine Staatsräson, der neben der Sicherheit für jüdische Israelis die Sicherheit der Palästinenser egal ist?

Alles Antisemiten? Im vergangenen Jahr galt noch derjenige als Antisemit, der einen Waffenstillstand für Gaza forderte, weil er angeblich das Selbstverteidigungsrecht Israels verneinte. Heute diejenige, die von Apartheid spricht. Vielleicht gehört auch der ehemaliger Mossad-Chef Tamir Pardo dazu. Er sagte: „Wir haben hier einen Apartheid-Staat. In einem Gebiet, in dem zwei Menschen nach zwei Rechtssystemen beurteilt werden, ist das ein Apartheidstaat.“ Die Antisemitismusbehörden in Bund, Ländern, der evangelischen Kirche etc. sind fleißig dabei, Kritik an israelischer Regierungspolitik als antisemitisch abzustempeln. Da fällt dann auch die jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost darunter, die für einen Palästina Kongress die Tagungsgebühren einsammelte. Die Berliner Sparkasse hat daraufhin diesem jüdischen deutschen Verein das Konto gekündigt, das Guthaben eingefroren und verlangt eine Adressenliste sämtlicher Vereinsmitglieder. Wo sind wir denn? Wäre die jüdische Stimme für Krieg, würde eine Bank, die ihr das Konto streicht, als antisemitisch beschimpft.

Friedensbewegung braucht es, damit zwischen Antisemitismus und Kritik an israelischer Regierungspolitik unterschieden wird.

Friedensbewegung braucht es, damit Kriegspropaganda aufgedeckt wird

Friedensbewegung braucht es, damit jemand auf ein Ende des Krieges drängt

Friedensbewegung braucht es, damit jemand überlegt, wie Krieg beendet werden kann.

Friedensbewegung braucht es, damit Steuergeld nicht in den Tod investiert wird

Friedensbewegung braucht es, damit jemand auf Verteilungsgerechtigkeit pocht

Friedensbewegung braucht es, damit nach dem Krieg noch jemand da ist, der die Hand zur Versöhnung ausstreckt.

Ich danke euch!

Wiltrud Rösch-Metzler ist pax christi Diözesanvorsitzende Rottenburg-Stuttgart.
Quelle: https://www.friedenskooperative.de/oster...