Das Virus "und wir"
ID 106469
Welchen Reim macht sich eine Gesellschaft, die immerhin keinen Begriff von sich selbst hat, auf ihre Krise in der derzeitigen Pandemie?
Zu hören sind vier essayistische Beiträge:
> Georg Seeßlen: "Nach der Krise, vor der Katastrophe" (Mai 2020; ca. 25 Minuten)
> Sara Rukaj, Magnus Klaue: "Autosuggestiver Gemeinsinn" (April 2020; ca. 20 Minuten)
> Magnus Klaue: "Tauschverbot. Zum Strukturwandel der Intimität in der Präventionsgesellschaft" (Sommer 2020; ca. 45 Minuten)
> Georg Seeßlen: "Liebe in Zeiten der Pandemie" (Juni 2020; ca. 20 Minuten)
"Die paradoxe Begeisterung, mit der Positive Psychologen und Zukunftsforscher die im Notstand verhängte Quarantäne – das Verbot, Gruppen und Versammlungen zu bilden – als Stärkung des Gemeinschaftsgefühls verherrlichen, führt das Deprimierende solcher Positivität vor Augen. Ihr Kern ist die Glorifizierung der Banalität. [...] Tatsächlich laufen die Einschwörung auf Positivität und die Vereidigung auf die Zukunft auf ein Training hinaus, durch das die Menschen sich als präventionstüchtige Konformisten vor Gott und einander angenehm machen sollen."
"Der Krisenmodus kann auf absehbare Zeit gar nicht abgeschaltet oder überwunden werden, denn die ursprüngliche, durch die Pandemie ausgelöste Krise ist nur Verstärkung und Transformation anderer, längerfristiger Krisen – und zugleich initial für neue Krisen, die aus der Latenz in die akute Phase versetzt werden. Der Verteilungskampf um die Folgekosten hat längst begonnen, im wesentlichen stehen die Hauptergebnisse bereits fest."
"Wenn die Corona-Pandemie tatsächlich einen derart schroffen entwicklungsgeschichtlichen Bruch darstellt, wie durch die beliebte Behauptung nahegelegt wird, 'nach Corona' sei nichts mehr wie zuvor, so wohl am ehesten deshalb, weil die Pandemie einen massenpsychologischen Rückfall in magische oder eigentlich neomagische Praktiken und Denkweisen markiert hat."
"Daß die gesundheitspolitisch begründeten Maßnahmen zur 'Kontaktreduktion', die Ethik des 'Abstandhaltens' usw. von ihren Apologeten nicht so sehr wegen ihrer pragmatischen Rationalität, sondern wegen ihres Zusammenklangs mit der allgemeinen Tendenz zu einer 'Entkörperlichung' der Ökonomie, der Kommunikation und des alltäglichen Menschenverkehrs begrüßt werden, diese Einsicht müßte den Ausgangspunkt für eine Kritik des aktuellen Begriffs gesundheitlicher Prävention bilden." "Nur wem das gelingt, der kann unter hedonistischen Partykämpfern und puritanischen Gesundheitspolizisten bei Vernunft bleiben."
Dauer: 120 Minuten
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Zu hören sind vier essayistische Beiträge:
> Georg Seeßlen: "Nach der Krise, vor der Katastrophe" (Mai 2020; ca. 25 Minuten)
> Sara Rukaj, Magnus Klaue: "Autosuggestiver Gemeinsinn" (April 2020; ca. 20 Minuten)
> Magnus Klaue: "Tauschverbot. Zum Strukturwandel der Intimität in der Präventionsgesellschaft" (Sommer 2020; ca. 45 Minuten)
> Georg Seeßlen: "Liebe in Zeiten der Pandemie" (Juni 2020; ca. 20 Minuten)
"Die paradoxe Begeisterung, mit der Positive Psychologen und Zukunftsforscher die im Notstand verhängte Quarantäne – das Verbot, Gruppen und Versammlungen zu bilden – als Stärkung des Gemeinschaftsgefühls verherrlichen, führt das Deprimierende solcher Positivität vor Augen. Ihr Kern ist die Glorifizierung der Banalität. [...] Tatsächlich laufen die Einschwörung auf Positivität und die Vereidigung auf die Zukunft auf ein Training hinaus, durch das die Menschen sich als präventionstüchtige Konformisten vor Gott und einander angenehm machen sollen."
"Der Krisenmodus kann auf absehbare Zeit gar nicht abgeschaltet oder überwunden werden, denn die ursprüngliche, durch die Pandemie ausgelöste Krise ist nur Verstärkung und Transformation anderer, längerfristiger Krisen – und zugleich initial für neue Krisen, die aus der Latenz in die akute Phase versetzt werden. Der Verteilungskampf um die Folgekosten hat längst begonnen, im wesentlichen stehen die Hauptergebnisse bereits fest."
"Wenn die Corona-Pandemie tatsächlich einen derart schroffen entwicklungsgeschichtlichen Bruch darstellt, wie durch die beliebte Behauptung nahegelegt wird, 'nach Corona' sei nichts mehr wie zuvor, so wohl am ehesten deshalb, weil die Pandemie einen massenpsychologischen Rückfall in magische oder eigentlich neomagische Praktiken und Denkweisen markiert hat."
"Daß die gesundheitspolitisch begründeten Maßnahmen zur 'Kontaktreduktion', die Ethik des 'Abstandhaltens' usw. von ihren Apologeten nicht so sehr wegen ihrer pragmatischen Rationalität, sondern wegen ihres Zusammenklangs mit der allgemeinen Tendenz zu einer 'Entkörperlichung' der Ökonomie, der Kommunikation und des alltäglichen Menschenverkehrs begrüßt werden, diese Einsicht müßte den Ausgangspunkt für eine Kritik des aktuellen Begriffs gesundheitlicher Prävention bilden." "Nur wem das gelingt, der kann unter hedonistischen Partykämpfern und puritanischen Gesundheitspolizisten bei Vernunft bleiben."
Dauer: 120 Minuten
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![](/portal/images/audio_wikimedia.png)
Audio
01:59:56 h, 69 MB, mp3
mp3, 80 kbit/s, Mono (48000 kHz)
Upload vom 18.01.2021 / 20:58
01:59:56 h, 69 MB, mp3
mp3, 80 kbit/s, Mono (48000 kHz)
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Dateizugriffe: 24
Klassifizierung
Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Andere, SeniorInnen, Kultur, Politik/Info
Serie: Sachzwang FM
Creative Commons BY-ND-NC
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Beitrag Nr.1 aus Jungle World #20/2020
Beitrag Nr.2 aus Jungle World #18/2020
Beitrag Nr.3 aus bahamas #85
Beitrag Nr.4 aus Jungle World #25/2020
Musik:
zu Beitrag Nr.1: "Cinderland" (High Plains)
zu Beitrag Nr.2: "Stack Music" (Konrad Sprenger)
zu Beitrag Nr.3: "A Stable Reference" (Labradford)
zu Beitrag Nr.4: "We Have Amnesia Sometimes" (Yo La Tengo)
Intro/Outro:
"Harmony Corruption" (Napalm Death)
Intermezzi:
drei Covid-Coverversionen/Persiflagen
Beitrag Nr.2 aus Jungle World #18/2020
Beitrag Nr.3 aus bahamas #85
Beitrag Nr.4 aus Jungle World #25/2020
Musik:
zu Beitrag Nr.1: "Cinderland" (High Plains)
zu Beitrag Nr.2: "Stack Music" (Konrad Sprenger)
zu Beitrag Nr.3: "A Stable Reference" (Labradford)
zu Beitrag Nr.4: "We Have Amnesia Sometimes" (Yo La Tengo)
Intro/Outro:
"Harmony Corruption" (Napalm Death)
Intermezzi:
drei Covid-Coverversionen/Persiflagen
Kommentare
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19.01.2021 / 18:05 | Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar |
in sonar
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am 19.1.. Herzlichen Dank! | |
06.04.2021 / 15:40 | Frau Mann, Wüste Welle, Tübingen |
gesendet
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in MANNCherlei Austauschbeitraege am 20.2.2021 - vielen Dank! | |