Wirtschaft - welche Wirtschaft?

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In Deutschland ist die Regierungskoalition zerbrochen, weil es Finanzminister Lindner und den knapp 1.900 Beschäftigten seines Ministeriums nicht gelungen ist, die Einnahmen zu generieren, damit ein solider Haushalt aufgestellt werden konnte. Nach Lindners Ansicht lag das an der fehlenden Ausgabendisziplin der anderen Ressorts, aber vor allem auch daran, dass es ‚der Wirtschaft‘ schlecht geht. Herr Lindner hat sich daher stets um das Wohlergehen ‚der Wirtschaft‘ bemüht, obwohl das eigentlich der Job von Hernn Habeck war. Aber der ist ja von den Grünen und die verstehen nichts von ‚der Wirtschaft‘, während Liberale bekanntlich entsprechende Fähigkeiten mit der Muttermilch einsaugen.
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Upload vom 16.11.2024 / 09:56

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Klassifizierung

Genre: Gebauter Beitrag
Langue: deutsch
rubrique: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Series: Moneycracy
Entstehung

Auteur: F. Libeatout und Moneycracy Team
Radio: corax, Halle im www
Date de production: 16.11.2024
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Wirtschaft – welche Wirschaft? Willkommen zu einer neuen Folge von Moneycracy!
In Deutschland ist die Regierungskoalition zerbrochen, weil es Finanzminister Lindner und den knapp 1.900 Beschäftigten seines Ministeriums nicht gelungen ist, die Einnahmen zu generieren, damit ein solider Haushalt aufgestellt werden konnte. Nach Lindners Ansicht lag das an der fehlenden Ausgabendisziplin der anderen Tessorts aber vor allem auch daran, dass es ‚der Wirtschaft‘ schlecht geht. Herr Lindner hat sich daher stets um das Wohlergehen ‚der Wirtschaft‘ bemüht, obwohl das eigentlich der Job von Hernn Habeck war. Aber der ist ja von den Grünen und die verstehen nichts von ‚der Wirtschaft‘, während Liberale bekanntlich entsprechende Fähigkeiten mit der Muttermilch einsaugen.
Was ist eigentlich ‚Diese Wirtschaft‘? Damit und vor allem mit eher unbekannten, exotischen und schmutzigen Nischen der Wirtschaft wollen wir uns heute beschäftigen und hoffen, wir können euch wieder einige interessante Einsichten vermitteln.
Wenn von Wirtschaft die Rede ist, oder besser darüber geschrieben oder im Fernsehen berichtet wird, kommt als Hintergrundbild meist eine Ansicht von rauchenden Fabrikschloten oder riesigen Werkhallen. Wer Wirtschaft sagt, meint, oder besser gesagt meinte lange Zeit, Industrie oder allgemeiner formuliert: produzierendes Gewerbe.
Was meint ihr, wie viel Prozent des Bruttosozialprodukts werden in Deutschland über die produzierende Industrie gemacht? Über legt mal kurz.
Kurze Musik

Wahrscheinlich lagt ihr mit euren Schätzungen zu hoch. Die berühmten Fabriken sind gar nicht mehr so wichtig, nur noch 28 Prozent der Wirtschaftsleistung gehen auf das Konto der Industrie und des produzierenden Gewerbes. Dieser Wert ist seit rund 2 Jahrzehnten konstant. Damit liegt Deutschland sogar noch recht weit vorne, in Ländern wie Frankreich oder England macht die Produktion sogar nur noch 17 Prozent der Wertschöpfung aus.
Also entgegen dem Klischee ist Wirtschaft also nicht das, was es im Ruhrgebiet oder in Manchester früher mal gab.
Was hält unsere Wirtschaft also laufen? Zwei Drittel des Bruttosozialprodukts wird im sogenannten Dienstleistungssektor erzielt, weitere 4 Prozent in der Landwirtschaft.
Der sogenannte Dienstleistungssektor dominiert also erheblich, aber was ist das eigentlich? Dieser Sektor umfasst alle Wirtschaftsleistungen, die nicht auf Güterproduktion oder Agrarproduktion ausgerichtet ist. Also fast alles vom Gesundheitswesen, über Presse, Beratungen, Verwaltung, Bankwesen, Polizei und vieles weitere mehr. Eigentlich ist die klassische Dreiteilung in Industrie, Dienstleistung und Agrarwirtschaft schon länger nicht mehr sinnvoll. Sie stammt aus einer Zeit, in der in vielen europäischen Gesellschaften jeder dieser Sektoren tatsächlich etwa ein Drittel der Wirtschaftsleistung erbrachte. Dies liegt sehr lange zurück und es wäre sinnvoll, den großen Dienstleistungsblock in aussagekräftige weitere Sparten zu unterteilen, um ein besseres Bild zu erhalten, welche Leistungen da eigentlich erbracht werden.
Denn vieles was im Dienstleistungsbereich zur sogenannten Wirtschaftsleistung beiträgt, ist tatsächlich eher erzeugter Aufwand. Ein Beispiel: Wenn sich die Zahl der Verwaltungsangestellten und Polizeibeamten seit 1960 vervielfacht hat und gleichzeitig der Anteil der Industrieproduktion und des Agrarsektors gefallen sind, bedeutet das nichts anderes: statt Waren und Nahrungsmittel zu produzieren, lassen wir als Gesellschaft uns nun aufwändig überwachen, reglementieren und verwalten. Die Kosten, die der riesige staatliche Verwaltungsapparat erzeugt, müssen wir, die BürgerInnen tragen.
Fast 50 Prozent des Bruttosozialprodukts Deutschlands wird mittlerweile über die sogenannte Staatsquote erwirtschaftet. Anders ausgedrückt besteht also die Hälfte der Gesamtwirtschaft in staatlichen Aktivitäten. Im Jahr 1960, das wir in diesem Podcast als Vergleichsjahr gewählt haben, betrug diese Staatsquote übrigen 23 Prozent, war also nur halb so hoch. Ob die Menschen damals nur halb so sicher und halb so gut verwaltet waren, kann bezweifelt werden. Dies gilt um so mehr, als dass viele konkrete staatlichen Aufgaben der allgemeinen Daseinsvorsorge in den letzten Jahren privatisiert wurden, man denke nur an das Fernmeldewesen, die Post, die Bahn, die kommunalen Krankenhäuser und weiteres.
Die Hälfte unserer sogenannten Wirtschaftsleistung sind also Ausgaben des Staates. Wir haben im letzten Satz den Terminus sogenannt vor die Wirtschaftsleistung gesetzt, weil deren Maßzahl, das Bruttosozialprodukt, ebenfalls eine reformbedürftige Größe ist. Zu den Schwierigkeiten und der begrenzten Aussagekraft des vielfach verwendeten Bruttosozialprodukts haben wir eine eigene Sendung gemacht, die ihr bei Bedarf gerne hier auf dem Portal nachhören könnt. Da wird auch erläutert, warum es so schwer ist, eine bessere Kennzahl als das Bruttosozialprodukt zu finden, weshalb wir auch in der heutigen Fragestellung darauf zurückgegriffen haben.


Also noch mal zusammengefasst: ein Problem in unserer Gesellschaft und ihrer Wirtschaftsleistung besteht darin, dass wir immer weniger produzieren oder herstellen und ein immer größer werdender Anteil der Gesamtleistung in Verwaltungs– und Reglementierungsstätigkeiten erbracht wird.
Auch im sogenannten Dienstleistungssektor selbst kann ein immer weiter wachsender Verwaltungsanteil festgestellt werden. Gesundheitsberufe sind bereits seit der Antike klassische Bestandteile dieses Teils der Wirtschaft. Allerdings werden in Deutschland nur 75 Prozent der Gesundheitsausgaben für die eigentliche Behandlung aufgewendet, rund ein Viertel frisst die Administration. Pflegekräfte beklagen seit Jahren, dass sie sogar nur rund 50 Prozent ihrer Zeit mit den PatientInnen verbringen, weil die andere Hälfte für Dokumentation und Verwaltung gebraucht wird.
Insgesamt beschäftigt sich Wirtschaft schon lange nicht mehr hauptsächlich in der Produktion von Nahrungsmitteln oder nützlichen Produkten – wir beschäftigen uns mehr und mehr damit, uns gegenseitig zu verwalten, überwachen oder die Arbeit anderer zu organisieren.
Das wird nicht ewig weitergehen, denn durch das ausufernde Verwalten, Regulieren, und Überwachen wird anders als das Bruttosozialprodukt vorgaukelt, eben kein realer Wert, keine echte Wirtschaftsleistung geschaffen. Durch die hohe Staatsquote wird die Leistungszahl des Bruttosozialprodukts aufgebläht, wobei oftmals kein wirklicher Wertzuwachs erzielt wird.
Beispiel: wenn eine Brücke über einen Fluss gebaut wird, so hat diese Verbindung einen Nutzen, sie spart Zeit und Geld für Menschen, Güter und Unternehmungen, sie verbindet Personen. Durch den Bau, durch Arbeit und Investitionen ist ein bleibender Mehrwert geschaffen worden – so etwas drückt sich dann zurecht in einem entsprechenden Bruttosozialproduktanteil aus.
In Deutschland geschieht aber oft folgendes: Dutzende von Staatsbediensteten planen, überlegen, prozessieren über Jahre, warum die Brücke nicht gebaut werden kann. Der Aufwand im Sinne von Kosten ist fast der gleiche – das Bruttosozialprodukt steigt also in beiden Fällen, nur das es im zweiten Fall eben keinen echten Mehrwert, keine Brücke gibt.

Wir sehen, Wirtschaft und Wirtschaftsleistung kann merkwürdige Formen annehmen.
Um das zu weiter zu vertiefen machen wir zeitlich und thematisch einen großen Sprung ins
England des beginnenden 18. Jahrhundert. Eine neue Mode, ein neuer Genuss erobert die Insel im Sturm, das Teetrinken. Tee stammt, wie die meisten wissen, ursprünglich aus Ostasien. Dort hatten sich die Briten, nachdem sie die konkurrierenden Kolonialmächte Spanien und Portugal aus dem Rennen geworfen hatten, zahlreiche Handelsniederlassungen errichtet, um diesen Raum wirtschaftlich auszubeuten. Der Teegenuss breitete sich auf der Heimatinsel so stark aus, dass dieses Genussmittel innerhalb weniger Jahre tatsächlich zum wichtigsten Handelsgut wurde. Das klingt erstmal kaum glaublich, aber oft werden Waren in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung falsch eingeschätzt. Wer würde erwarten dass heutzutage Kaffee nach Erdöl der wertmäßig größte Rohstoff oder das zweitwichtigste unverarbeitete Handelsgut darstellt?
Die Briten gierten also in steigenden Maße nach Tee, der damals hauptsächlich aus China kam. Während als die berühmten Teeclipper entwickelt wurden, um das begehrte Gut möglichst rasch um die halbe Welt zu transportieren, ergab sich auf der Seite der Wirtschaft, genauer gesagt bei der Handelsbilanz ein großes Problem. Die Briten mussten für ihr neu entdecktes Nationalgetränk große Summen bezahlen, immer mehr Geld floss nach China ab. Umgekehrt importierte das abgeschottete chinesische Kaiserreich so gut wie keine Waren aus England. Es kam also kein zyklischer Handelsstrom in Gang. In anderen Weltgegenden gelang den Briten gut, preisgünstige Rohstoffe zu importieren und teure Fertigwaren aus ihren Manufakturen zu exportieren. China war, zusammen mit Japan, ein Sonderfall: die immer noch vergleichsweise mächtigen Reiche wehrten sich erfolgreich gegen die westlichen Produkte, das Grundmuster kolonialer Ausbeutung funktionierte nicht. Nun hätte das die Briten mit ihren stetig wachsenden Besitzungen überall auf der Welt nicht weiter gestört und sie hätten sich ihr Luxusgut trotz gewisser Geldabflüsse weiter gegönnt, wenn dies im Falle des Tees nicht zu einer echten volkswirtschaftlichen Schieflage geführt hätte. Die negative Handelsbilanz mit China bedrohte, so unwahrscheinlich dies angesichts des Handelsprodukts Tee klingt, tatsächlich die den Wohlstand der Herrschenden im Inselreich, es floss zu viel Gold in den Fernen Osten ab.
Die Überlegungen, wie das zu ändern sei, führten zu einem ziemlich unethischen Plan. Opium wurde seit Jahrhunderten in Nordindien angebaut, es war ein Bestandteil der dortigen religiösen Kulte und der Medizin. Massenkonsum von Opium existierte in diesen Regionen nicht, der private, hedonistische Gebrauch war durch gesellschaftliche Tabus effektiv geächtet. Dennoch gab es auch Missbrauch und den Briten war die stark suchterzeugende Wirkung nicht verborgen geblieben. Während sie selbst also mit chinesischem Tee angefixt waren, wollten sie im Gegenzug die Chinesen mit Opium abhängig machen und so ihre Handelsbilanz ausgleichen. Dazu errichtete britischen Handelsgesellschaften industriell aufgezogenen Plantagen und auch die Weiterverarbeitung erfolgte fabrikmäßig. Das Opium wurde nach China verkauft und erzeugte, wie erwünscht, rasch eine hohe Zahl an Abhängigen.
Die kaiserliche Regierung in China versuchte dem Opiumhandel entgegenzuwirken, war jedoch wenig erfolgreich. Es handelt sich bei diesem Geschehen um den ersten bekannten Versuch in der Weltgeschichte, eine Droge als großräumiges, bedeutendes Wirtschaftsgut von staatlicher Seite zu etablieren.
Die europäischen Kolonialmächte hatten auch zuvor schon die Droge Alkohol eingesetzt, um speziell in den beiden Amerikas die dortige indigene Bevölkerung, welche rasch abhängig wurde und aufgrund genetischer Bedingungen stark anfällig für die negativen Folgewirkungen war, zu unterwerfen. Dabei war der Alkohol auch ein Handelsgut, das aber nur eine begrenzte wirtschaftliche Bedeutung hatte. Der Hauptaspekt lag in seiner desaströsen Wirkung für die dort lebenden Menschen und ihre Gesellschaft. Tatsächlich wurde der us-amerikanische Westen oder die argentinische Pampa genauso stark mit Alkohol wie mit Kugeln erobert.

Die Briten erkannten diese die Gesellschaft und die Widerstandskraft zersetzende Wirkung auch bei dem von ihnen verkauften Opium. Als starke und die Persönlichkeit negativ verändernde Droge hatte es bei massenhafter Verbreitung sehr gut die Potenz, die Widerstandskraft einer Bevölkerung zu brechen. So geschah es auch, und Nordindien und Südchina konnte den britischen Ausbeutungsgelüsten wenig entgegensetzen. Die chinesische Regierung erkannte die Gefahr und schränkte den Opiumhandel ein, beschlagnahmte britische Opiumlieferungen und ließ Händler verhaften. Darauf reagierten die Briten mit dem ersten Opiumkrieg 1839 bis 1842, der mit einem klaren Sieg der Europäer endete. China war gezwungen, Häfen für britische Güter, vor allem auch für das Opium zu öffnen. Die Abhängigkeit weiter Bevölkerungsschichten von der die Lebenskraft zerstörenden Droge beschleunigte den Niedergang des chinesischen Kaiserreichs, das noch hundert Jahre zuvor als eines der drei mächtigsten Reiche der Erde gelten konnte. Wir wollen jedoch die an dieser Stelle die Untaten der Kolonialmächte nicht weiter verfolgen, da uns in diesem Podcast die Wirtschaftsaspekte interessieren. Um noch einmal die Größenordnung zu verdeutlichen, in der der Opiumhandel das britische Riesenreich finanzierte: letzter Auslöser des 1. Opiumkrieges war die Beschlagnahmung von 20.000 Kisten britischen Opiums in Kanton, dem damaligen Haupthafen Chinas. Diese 20.000 Kisten sollten den Händlern von der britischen Regierung ersetzt werden, was eine Summe erforderte, die dem damaligen jährlichen Staatshaushalt der englischen Krone entsprach. Dies verdeutlicht, dass der Opiumhandel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer der zentralen Faktoren der britischen Kolonialwirtschaft darstellte und Wohlstand und Dominanz des britischen Weltreichs wesentlich auf diesem Drogenhandel beruhten.
Etwas später suchte die Droge dann allerdings die britische Insel selbst heim. Denn 1853 bis 56 wurde mit dem Krimkrieg der erste moderne Krieg der Geschichte ausgefochten. Entgegen der Bezeichnung, wurde nicht nur um die Halbinsel im Schwarzen Meer gekämpft, sondern es handelte sich um eine europäische, in gewisser Weise sogar weltweite Auseinandersetzung. Die zahlreichen Verwundeten wurden mit dem Schmerzmittel Morphium behandelt, einer Weiterentwicklung des Opium. Nach dem Krieg fegte die erste Welle Drogensüchtiger durch Europa, denn die ehemaligen Soldaten kamen von dem Suchtststoff nicht mehr los. Gerade Großbritannien hatte besonders mit der Sucht zu kämpfen, die rasch auch ganz unsoldatische Künstlerkreise und die bürgerliche Elite erfasste.

Wir kommen aber zur Wirtschaft zurück und hier hatte eine andere Folge des Krimkrieges weit mehr Einfluss. Denn nicht nur Morphium kam zum Einsatz, sondern auch erstmals und systematisch Tabak. Der wurde als effektives Beruhigungsmittel für die in großer Zahl eingesetzten nicht professionellen Soldaten verteilt. Dies führte zu einer sprunghaften europaweiten Ausbreitung der Tabaksucht und entsprechende Importe stiegen innerhalb weniger Jahre zu einem bedeutsamen Wirtschaftsfaktor auf. Seither finanzierten sich zahlreiche Regionen der Welt sich mit dieser meist legalen aber dennoch krankmachenden und vielfach tödlichen Sucht.
Kuba erwirtschaftet bis heute mindestens ein Viertel seiner Exporterlöse mit Tabak, ohne diese Ausfuhren wäre die Insel seit langem Pleite. Die Rauchwaren machen seit mehr als 150 Jahre deutlich, dass über die Produktion und den Handel mit Suchtstoffen sich ganze Staatshaushalte finanzieren lassen.
Aber auch durch Verbrauchssteuern auf die schädlichen Waren lassen sich notwendige Einnahmen für die Herrschenden generieren. Deutschland war um 1930 Weltmeister - im Rauchen! Der Pro-Kopf Verbrauch lag höher als in jedem anderen Land der Welt. Dem entschiedenen Nichtraucher Hitler und seinen Nazis passten die qualmenden Deutschen überhaupt nicht ins Weltbild. Trotzdem wurde bis auf einige verbale Attacken im diktatorischen Staat nichts dagegen unternommen. Im Gegenteil stellten die Nazis während ihrer gesamten Herrschaft mit viel Aufwand die Versorgung mit schädlichen Zigaretten sicher. Den Grund habt ihr wahrscheinlich euch bereits selbst erschlossen: Mehr als ein Drittel aller Steuereinnahmen auf Verbrauch ergaben sich aus der massiven Tabaksucht der Bevölkerung. Hitler finanzierte sein drittes Reich und die Aufrüstung für den geplanten Krieg nicht unerheblich über die rauchende Bevölkerung.
Zurück in die Gegenwart: In Syrien wird der Staatshaushalt seit über zehn Jahren zum großen Teil durch die staatlich initiierte industrielle Herstellung des Amphetaminpräperats Captagon sichergestellt, andere Einnahmequelle hat der marode Bürgerkriegsstaat praktisch nicht mehr.
Wir sehen, eine Volkswirtschaft kann sich über sehr unterschiedliche Wegen finanzieren und nicht wenige davon sind ethisch fragwürdig oder insgesamt wenig nachhaltig und zielführend.

Im Deutschland der Jetztzeit haben wir es aktuell mit einer anderen sehr fragwürdigen Spielart der Finanzierung des Staatshaushalts zu tun, nämlich der Geldentwertung. Zwar beteuern die Herrschenden treuherzig, die Bekämpfung der Inflation habe oberste Priorität, aber eigentlich sind sie sehr zufrieden mit der Entwicklung. Sieben Prozent Inflation bedeutet, dass ihre angehäuften Schulden sieben Prozent günstiger zurückgezahlt oder in diesem Fall eher weitergerollt werden können. Sieben Prozent höhere Preise bedeuten sieben Prozent mehr Verbrauchssteuern, also deutlich mehr Geld in der Haushaltskasse. Es ist kaum eine realistisch durchsetzbare Steuererhöhung oder neue Steuer vorstellbar, die eine auch nur annähernd so große Summe in Lindners Kasse spülen würde, wie diese Sieben Prozent Inflation.
Nun lässt die Inflation gerade ein wenig nach – Grund genug für die Herrschenden, nochmals nachzufeuern. Mit der Zielsetzung der Senkung des CO2 Ausstoßes erhöhen sich jährlich die CO2 Abgaben, was Energie teurer macht. Imt Januar 2024 ist die CO2 Abgabe um 50 Prozent gestiegen. Die höhere Energiesteuer bringt der Regierung 2 Milliarden zusätzlich, diese sind allerdings zweckgebunden für Klimaausgaben. Viel entscheidender für die Haushaltslage ist aber der generelle Effekt. Da Treibstoffen und Energie teurer werden, steigen auch die Mehrwertsteuereinahnen entsprechend. Da nahezu alle Produktionsprozesse und Transportnotwendigkeiten energieabhängig sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Preise für fast alle Waren ebenfalls ansteigen müssen. Dadurch erhält der Staat – Richtig, wieder mehr Mehrwertsteuer.
Dabei werden wir aus berufenem Politkermund beruhigt. Es sei gar nicht mehr so schlimm, die Inflation sei ja schon zurückgegangen, es seien nur noch 3.7 Prozent, also nicht mehr so schlimm. Was sie verschweigen, es sind 3.7 Prozent mehr auf die massiven Steigerung der letzten Jahren on Top! Die offiziellen Inflationsraten, welche den Effekt für die Normalbürger übrigens systematisch unterschätzen, lagen 2022 bei 2022 bei 6.9 und 2023 bei 5.9 Prozent. Zusammengefasst sind unsere täglichen Einkäufe und nahezu all unsere Kosten in zwei Jahren um 13 Prozent gestiegen, auf diese Niveau kommen nun die fast 4 Prozent noch oben drauf. Kaum jemand wird in den letzten 3 Jahren 17,5 Prozent mehr bekommen haben – doch einer schon, der Finanzminister! Die Steuereinnahmen sind so hoch wie nie und werden 2024, wie die Steuerschätzungen bereits versprechen, weiter steigen.
Wenn ihr näheres zur Inflation erfahren wollt, dann verweisen wir gerne auf unseren Podcast, der dieses Thema ausführlich erörtert, ihr findet die Folge hier auf dem Portal.

Wir sind für heute am Ende angelangt und konnten euch hoffentlich über die ungewöhnlichen oder fragwürdigen Formen des Wirtschaftens und der Staatsfinanzen informieren.

Episode und Musik von Frederick Liberatout.
Anregung und Kritik an moneycracy@riseup.net

This podcast features music created by F. Liberatout using Groovepad. Free available on Google Play and Apple Store,