Steuern - die Herrschaftsausübung über Abgaben (Moneycracy #17)
ID 131426
Es ist die Zeit der Steuerschätzung, die Herrschenden lassen prüfen, wie viel sie im kommenden Jahr von ihren Untertanen abschöpfen können. Je nach politischer Ausrichtung darf es dann gerne noch etwas mehr sein oder man will Steuervergünstigungen, am besten für diejenigen, die mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen. Obwohl letztlich PolitikerInnen aller Couleur treuherzig versichern, uns in jedem Fall nicht mehr belasten zu wollen, ist das Gegenteil der Fall.
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30:13 min, 26 MB, mp3
mp3, 122 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 27.10.2024 / 09:33
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Klassifizierung
tipo: Gebauter Beitrag
lingua: deutsch
settore/i di redazione: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
serie: Moneycracy
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Es ist die Zeit der Steuerschätzung, die Herrschenden lassen prüfen, wie viel sie im kommenden Jahr von ihren Untertanen abschöpfen können. Je nach politischer Ausrichtung darf es dann gerne noch etwas mehr sein oder man will Steuervergünstigungen, am besten für diejenigen, die mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen. Obwohl letztlich PolitikerInnen aller Couleur treuherzig versichern, uns in jedem Fall nicht mehr belasten zu wollen, ist das Gegenteil der Fall.
833 Milliarden Euro haben wir alles zusammen letztes Jahr Steuern bezahlt, im Schnitt also rein rechnerisch 100.000 Euro pro BürgerIn vom Säugling bis zur GreisIn. Diese Durchschnittszahl gibt, wie so oft beim sogenannten arithmetischen Mittel, jedoch keinen guten oder korrekten Eindruck vom Sachverhalt. In diesem Fall sind vor allem die Umstände bedeutsam, dass die Unternehmenssteuern schlecht pro Kopf dargestellt werden können und einige Bevölkerungsgruppen, wie beispielsweise Kinder, gar keine direkten Steuern zahlen. Allgemein werden Durchschnittswerte in ihrer Aussagekraft stark überschätzt, das haben wir hier im Podcast an verschiedenen Themen gesehen.
Zurück zu den Steuern, ein komplexes Thema, dem wir uns nun schrittweise nähern wollen. Die Schwierigkeiten beginnen damit, dass es nicht weniger als 22 verschiedene offizielle Steuerarten in der Bundesrepublik gibt. Steuern und Steuerrecht bilden mit die komplexesten gesellschaftlichen Konstrukte in einem modernen Staat – und das mit gutem Grund: denn über Steuern wird die Herrschaft, die Herrschaft des Geldes, in Reinform ausgeübt.
Schon in der Antike gab es in Hochkulturen ausgefeilte Steuersysteme, um den Herrschenden ihre Machtausübung zu ermöglichen. Im Mittelalter sank diese Komplexität wieder, viele von euch kennen vielleicht die wiederkehrende Figur in Hägar-Comics, die mit schwarzer Kopfhaube, großer Keule und allerlei Folterwerkzeugen die Steuern eintreibt. Das Comicmotiv verdeutlicht die Tatsache, dass Steuern keineswegs freiwillig bezahlt werden und in den dunklen harten Zeiten unserer Vorfahren kamen dann gerne die Daumenschrauben zum Einsatz, bis Zahlung geleistet wurde. Heute sind die Methoden etwas feiner, ins Gefängnis wandern kann mensch wegen Steuervergehen immer noch und auch Steuerschulden können immer noch über Erzwingungshaft eingetrieben werden.
Die Herrschenden wollen unser Geld und verstehen daher keinen Spaß, wenn ihr Medium zur Herrschaftsausübung nicht ausreichend sprudelt. Viele der Steuern werden daher automatisch eingezogen und es besteht für normale BürgerInnen meist gar keine Möglichkeit, die Steuerzahlung zu umgehen. In den letzten Jahrzehnten sind über die Digitalisierung der meisten Wirtschaftsprozesse so viele Kontroll- und Zugriffsmöglichkeiten entstanden, dass der Staat in der Regel unmittelbar zugreift und Steuern bezahlt werden, bevor wir überhaupt die Ware in der Hand oder den Lohn auf dem Konto haben.
Und diese Zugriffsmöglichkeiten sind mannigfaltig. Wir haben vorhin schon den Begriff der indirekten Steuer erwähnt. Damit ist sind Verbrauchssteuern gemeint, die wichtigsten sind die Mehrwert-, Umsatz oder Mineralölsteuer. Sie heißen indirekte Steuern, weil der Lieferant, z.B. der Tankstellenbetreiber, die Steuer an das Finanzamt abführt, die AutofahrerInnen jedoch faktisch die Steuern bezahlen, weil der Betrag auf die Rechnung aufgeschlagen wird.
Direkte Steuern sind dagegen beispielsweise Lohnsteuer oder die KFZ-Steuer, hier bezahlt die steuerpflichtige Person selbst den Steuerbetrag.
Wie bereits erwähnt, werden die allermeisten Abgaben heutzutage automatisch erhoben und eingezogen. Ausnahmen sind beispielsweise Erbschaftsteuern oder Grundsteuern, für die es tatsächlich noch einen Steuerbescheid gibt, welcher von den Steuerpflichtigen dann zu bezahlen ist.
Sehen wir uns nun die wichtigsten Steuern an:
Welche Steuer glaubt ihr, hat den größten Anteil am Füllen des Staatssäckels zur Herrschaftsausübung?
Wir hatten nach der größten Einzelsteuer gefragt. Mit Lohnsteuer habt ihr richtig gelegen. Das heißt, die NormalbürgerInnen werden bei ihren Einkommen besonders stark zur Kasse gebeten. Mit rund 230 Milliarden ist das Aufkommen der Lohnsteuer rund drei mal so groß, wie das der Einkommenssteuer, mit der nicht lohnabhängige Einkünfte besteuert werden. Das sagt dann auch viel über die viel zitierte und bemühte Steuergerechtigkeit aus. Wenn man bedenkt, dass die fünf reichsten Familien der Republik, die alle nicht der Lohnsteuer sondern der Einkommenssteuer unterliegen, mehr besitzen aus die unteren 50 Prozent der Bevölkerung, dann kann schon an den im Vergleich geringe Steuerzahlungen der Superreichen abgelesen werden, dass es mit der sogenannten Steuergerechtigkeit nicht weit her sein kann.
Wir halten fest: der größte Steuerbatzen wird auf den Lohn und das Einkommen der BürgerInnen erhoben. Obwohl dabei eine Steuerprogression besteht, also Menschen mit höherem Einkommen auch einen höheren prozentualen Anteil bezahlen, ist die Schieflage zu Ungunsten der einkommensschwächeren Hälfte schwer zu übersehen. Das hat eine seit Jahrtausenden bestehende Tradition, wie wir später noch ausführen werden.
Wie sieht die berühmte Steuerprogression aktuell konkret aus?
Bis 10.908 Euro Jahreseinkommen, werden keine Lohnsteuern erhoben. Von 10909 bis 16000 Euro steigt der Steuersatz gleichmäßig und recht stark von 14 bis 24 Prozent. Von 16.000 bis 62809 gibt es einen etwas weniger steilen Anstieg von 24 bis 42 Prozent. Dann ist der Spitzensteuersatz erreicht, also 42 Prozent, der bis 278.000 Euro konstant bleibt. Darüber gibt es einen sogenannten Reichensteuersatz von 45 Prozent. Also für alle Einkommensmillionäre, auch wenn sie mehr als 10 Millionen pro Jahr verdienen, bleibt der Satz gleich.
Übrigens bewegt sich Deutschland mit diesen Steuersätzen im internationalen Vergleich im Mittelfeld – es gibt jedoch zahlreiche Staaten, die über eine stärkere Progression ihre einkommensstarken BürgerInnen deutlicher zur Kasse bitten.
Nach den einkommensbezogenen Steuern ist die Umsatz- oder Mehrwertsteuer der nächst größere Posten, er liefert aktuell 198 Milliarden Euro. Die Mehrwertsteuer ist eine geniale Erfindung, um die den BürgerInnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Jede wirtschaftliche Transaktion wird mit einem staatlichen Aufschlag belegt. Sie zählt daher zu den Verbrauchssteuern, denn je mehr Biotomaten ich im freundlichen Ökoladen kaufe, desto mehr Steuern bezahle ich.
In früheren Ausformungen dieser Steuer wurde tatsächlich jede wirtschaftliche Transaktion besteuert, was vor allem bei umfangreichen Herstellungs- und Bereitstellungsprozessen die Waren sehr verteuerte. Beispiel: Der Bauer produziert Tomaten und verkauft sie an die lokale Genossenschaft, diese weiter an den Großhändler, welcher über Zwischenhändler die Supermarktkette beliefert und dann kommt der Endkunde. Bei jeder der vorgelagerten Kaufaktionen wurde die Transaktionssteuer erhoben und auf das Produkt aufgeschlagen, weil es ja eine indirekte Steuer ist. Das war, bei aller staatlichen Geldgier, dann doch überzogen, weshalb man international dazu übergegangen, den Betrieben die Umsatzsteuer für ihren Kauf wieder zu erstatten, beziehungsweise erst gar nicht zu erheben. Das ist das Geheimnis hinter den Brutto- und Nettopreisen, wenn ihr beispielsweise eine neue Grafikkarte für euren Rechner braucht und beim großen Internethändler die Karte 600 Euro netto und 714 Euro brutto kostet. Neto ist ohne die Umsatzsteuer. Wenn ihr einen Computerhandel betreibt, und die Grafikkarte für einen Kunden-PC bestellt, dann müsst ihr nur diese 600 Euro zahlen. Als normaler Endkunde ist eben der Bruttopreis zu löhnen. Der Mehrwertsteuersatz liegt aktuell für die meisten Waren bei 19 Prozent.
Es gibt auch einen erniedrigten Steuersatz von 7 Prozent, der gilt für Grundnahrungsmittel und Bücher.
Im internationalen Vergleich ist in Deutschland diese wichtigste Verbrauchssteuer übrigens recht niedrig, viele Staaten erheben zwischen 20 und 25 Prozent.
Der nächste Posten ist die sogenannte Körperschaftssteuer, welche die Unternehmen und juristischen Personen auf ihre Gewinne bezahlen. Sie liegt unabhängig von der Höhe des Gewinns bei 15 Prozent. Es kommen für die Unternehmen jedoch noch die von der lokalen Gemeinde erhobenen Gewerbesteuern hinzu, sodass die Gesamtsteuerbelastung der Unternehmen im internationalen Vergleich eher hoch ist.
Die Gewerbesteuersätze variieren von Kommune zu Kommune. Oft versuchen Landkreise die Firmen mit niedrigen Steuersätzen anzulocken, davon habt ihr sicher schon gehört.
Auf internationaler Ebene hat es beispielsweise Irland in den letzten 25 Jahren geschafft, sehr viele Weltkonzerne hinsichtlich ihrer EU-Geschäfte bei sich anzusiedeln, weil die Insel vorteilhafte Steuertarife, wenig Regulierung und lockerer Bilanzvorschriften bietet. Gerade diese Bilanzregelungen ermöglichen es Firmen übrigens, oft nur sehr wenig Steuern zu zahlen. Die tatsächlich gemachten Gewinne können bei international agierenden Konzernen so hin und her geschoben werden, dass sie steuerlich formal in einer günstigen Steueroase anfallen und daher hochprofitable Unternehmen wie Google oder Microsoft in der EU kaum Gewinne versteuern müssen.
In Deutschland ist der Fall des Automobilherstellers Opel bekannt, der seit 1928 zu General Motors, also einem amerikanischen Konzern gehörte. Von 1993 bis zum Verkauf 2017 machte Opel formal nie Gewinn, weil die Gewinne in die USA bilanziert wurden. Seit Opel zum Konglomerat Stellantis und damit faktisch zum französischen Peugeot Konzern gehört, erzielt die Firma auch wieder Gewinne, die auch hier versteuert werden.
Insgesamt kann festgehalten werden: während die NormalbürgerInnen kaum Möglichkeiten haben, Steuern zu vermeiden, gibt es für die Unternehmen zahlreiche Schlupflöcher, die umso besser funktionieren, je größer und internationaler die Firma ist.
Von den Verbrauchssteuern ist inzwischen nach der allgemeinen Mehrwertsteuer die Energiesteuer der größte Batzen, wozu auch die gestiegenen Energiepreise beigetragen haben. Durch die prozentuale Erhebung nimmt der Staat um so mehr ein, je teurer das Gas, Öl oder der Treibstoff ist.
Ein Besonderheit und aus unserer Sicht auch Peinlichkeit des deutschen Steuersystems ist die Kirchensteuer, die wir der Form des direkten Geldabzugs vom Lohn den Nazis zu verdanken haben. Der Kirchensteuersatz liegt bei 9 Prozent eures Lohnsteuersatzes und wird von Mitgliedern der evangelischen oder katholischen Kirchen erhoben. Andere Glaubensgemeinschaften sind nicht betroffen. Warum in einem säkularen Staat mit inzwischen doch recht diversem Glaubens- und Philosophieverständnis eine solche überkommene Skurrilität – vergleichbares gibt es nirgendwo internationalen Umfeld – weiter Bestand hat, bleibt unverständlich.
Der Zentralregierung in Berlin bleiben von den 833 eingetriebenen Milliarden, 356 Milliarden. Der Rest geht, nach einem festgelegtem Verteilungsschlüssel an Kommunen und Länder zur Bewältigung ihrer Aufgaben. Der Bund verfügt noch über weitere Einnahmequelle außer Steuern hat, hier sind vor allem die Gebühren und Beiträge wichtig. Das verschafft Herrn Lindner 2023 für den Bundeshaushalt insgesamt die enorme Summe von 430 Milliarden Euro. Genug Geld, sollte man meinen, aber es waren noch höhere Ausgaben vorgesehen, nämlich 476 Milliarden. Die dadurch entstehende Lücke wird mit Krediten geschlossen, ursprünglich waren 45 Milliarden geplant. Das ist schon heftig: 10 Prozent eines Rekordhaushalts sollen über Kredit finanziert werden, obwohl die Einnahmen so hoch wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren?
Nun hatte bekanntlich auch das Bundesverfassungsgericht etwas gegen diesen Haushalt einzuwenden, genauer gegen die kreativen Kreditumschichtungen, um formal die Schuldengrenze einzuhalten. Hat nicht funktioniert und daher müssen jetzt 15 Milliarden gespart werden:
Damit stehen den Herrschenden also nur noch 461 Milliarden zur Verfügung und sie müssen Ausgaben einschränken.
Die Streichliste erzeugte Unmut, zum Zeitpunkt der Podcasterstellung am sichtbarsten bei den LandwirtInnen. Denn auch das gehört zum Steuerwesen und zur Machtausübung: Abgaben können nicht nur erhoben werden, sie können auch gesenkt, ausgesetzt oder erstattet werden, wenn das der Regierung geeignet erscheint. So gab es seit Jahrzehnten eine Erstattung der Mineralölsteuer auf Diesel, welche LandwirtInnen in ihren Traktoren und Maschinen verwendeten.
Die ursprüngliche Regelung stellt eine Subvention dar, sie sollte die Betriebskosten der LandwirtInnen niedriger halten. Die Grundzielsetzung der Stützung der heimischen Landwirtschaft hat sich über die Jahrzehnte wahrscheinlich nicht geändert, dafür aber das gesamtgesellschaftliche Umfeld und die Kernziele der Regierung. In Zeiten des Klimawandels und der CO2 Einsparungen sind Subventionen auf Treibstoffe kaum eine vernünftige oder plausible Maßnahme. Die LandwirtInnen sehen das erwartbar anders. Hier gilt die schon im römischen Reich bekannte Regel: Alte Steuern sind gute Steuern, und einmal gewährte Vergünstigungen sind schwer wieder einzukassieren.
Interessanter Fakt: diese Steuerbegünstigung auf Agrardiesel gibt es in den meisten Nachbarländern ebenfalls. Wir wollen an dieser Stelle nicht das Diskussionsfeld aufmachen, ob der notwendige Einstieg in eine nachhaltige, klimagerechte und postfossile Landwirtschaft nun sinnvoll mit dieser einen Streichmaßnahme eingeläutet wird oder ob es nicht vielmehr an einem übergeordneten Konzept für den zukunftssicheren Umbau dieses Sektors fehlt.
Wie bleiben bei den Steuern und damit bei dem grundlegenden System, wie unser Gesellschaftssystem funktioniert und beherrscht wird. Historisch trieben die Herrschenden seit der frühen Antike bestimmte Abgaben von ihren Untertanen ein. Ursprünglich waren dies vor allem landwirtschaftliche Güter wie bestimmte Ernteanteile oder Schlachtprodukte. Mit der Weiterentwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft wurde bereits in den frühen Hochkulturen der Antike nicht nur Naturalien sondern auch Geld eingefordert.
Das römische Recht kannte in der Hochphase schon über ein Dutzend Steuern, darunter so kreative wie eine Pinkelsteuer auf Urin. Neben solche Skurrilitäten bevorzugte das auf Militär beruhende Imperium aber Abgaben, die in Form von Pferden, Ausrüstung, Rekruten und Waffen zu leisten waren.
Über viele Jahrhunderte beruhte die Ausbeutung der Bevölkerung entweder auf vollkommener Entrechtung wie bei der Sklaverei oder der Leibeigenschaft, oder auf der Abpressung wichtiger Naturalien und Geld bei den freieren Schichten. Ihr alle kennt die klassischen Gesellschaftspyramiden, mit einer breiten Basis von Leibeigenen, Sklaven und Abhängigen, einer schmäler werdenden Schicht von freien Bauern und Handwerkern und darüber noch schmäler weitere Spezialisten, schließlich Adel und Klerus und ganze oben die winzige Herrschaftsspitze. Dabei nahm die steuerliche Belastung, also die prozentuale Ausbeutung, von unten nach oben beständig ab – dieses Phänomen ist konstant in allen Epochen zu beobachten und besteht in Teilbereichen, wie wir gesehen haben, bis heute.
In den komplexer werdenden Gesellschaften übernahm der Staat oder die Herrschaftsclique im Verlauf tatsächlich auch allgemeine Aufgaben, für die Steuermittel gebraucht wurden. Je weiter sich eine Gesellschaft von der basalen Landwirtschaft fortentwickelte, desto mehr Aufgaben wurden staatlichen Strukturen übertragen.
Anders ausgedrückt: Ab einem bestimmten Entwicklungsstand der Gesellschaft wurden Steuern nicht mehr nur dazu erhoben, der Führungselite ein angenehmes Leben in Luxus zu finanzieren. Im steigenden Ausmaß übernahm der Staat auch gesellschaftliche Aufgaben, weshalb der Bedarf an Steuergeldern und damit auch die Steuerquote permanent anstieg.
Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert formulierte der deutsche Wirtschaftwissenschaftler Adolph Wagner das Gesetz von den beständig steigenden Staatsausgaben. Wagener stellte fest: „ In Kulturvölkern erfolgt regelmäßig eine Ausdehnung der Staatstätigkeit“. Dieser Befund wird empirisch durch die Tatsache belegt, dass die Staatsausgaben in der Bundesrepublik seit ihrem Bestehen nur eine Entwicklung kennen: sie steigen fortwährend von Jahr zu Jahr. Entsprechend steigt auch die Summe der eingetriebenen Steuern beständig,
Eine andere Erkenntnis in diesem Zusammenhang stammt von dem deutschen Politiker und Widerständler gegen den Nationalsozialismus Johannes Popitz. Er stellte vor 100 Jahren im sogenannten Popitzschen Gesetz fest, dass mit der steigenden Staatsquote parallel auch immer mehr Zuständigkeiten von Kommunen und Ländern auf den Zentralstaat verlagert werden. Dieser Befund wird durch die gesamte Entwicklung der Bundesrepublik bestätigt.
Letztlich ist in diesem Kontext folgende Beobachtung wichtig: der Staatsapparat, insbesondere in Form seiner Bediensteten, also der staatlich Angestellten zur Verwaltung, Überwachung und Repression, neigt zur beständigen Aufblähung. Schön und plakativ hat das der britischen Wissenschaftler Cyril Parkinson beschrieben, weshalb wir euch seine Erkenntnisse nicht vorenthalten wollen:
„ Arbeit in einer Verwaltung dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht“
In einer Untersuchung über das britische Marineministerium vor 100 Jahren kam er zu der Erkenntnis, dass auf Grund von Beförderungswünschen, sowie dem Bedürfnis nach Untergebenen und den Laufbahncharakteristika des Ministeriums, die Zahl der Beschäftigten unweigerlich jedes Jahr um 5 Prozent steigt, völlig unabhängig vom Arbeitsanfall.
Weil die ständig steigende Zahl an staatlichen Aufsehern und Verwaltern nun auch beschäftigt sein will, steigt die Bürokratie auch in der Wirtschaft und in allen anderen Lebensbereichen ständig an. Im Gesundheitswesen wird inzwischen genauso viel Zeit für Bürokratie aufgebracht, wie für die eigentliche Gesundheitstätigkeit.
Aber kommen wir wieder zu den Steuern zurück. Ein sich ständig weiter aufblähender Staat, der Kontrolle, Überwachung und Steuerung bis in den letzten Winkel der Gesellschaft ausüben will, braucht viele, viele Angestellte, die dann auch zu bezahlen sind, mit unseren Steuern!
Wir befinden uns in einer wenig wünschenswerten Situation: Seit Jahrzehnten steigt der Finanzbedarf des Staates und es gibt keine anderen Quellen, als das notwendige Geld von uns, den BürgerInnen und der Wirtschaft einzutreiben. Das Problem wird sich in den nächsten Jahren noch drastisch verschärfen. Die beitragsfinanzierte Rente ist wegen des demografischen Wandels kaum in bisheriger Form aufrecht zu erhalten, daher wird ein immer größerer Teil der Renten staatsfinanziert, also steuerfinanziert sein. Der kluge Gedanke eines großen Rentenfonds, den andere Länder erfolgreich praktizieren, kommt in der staatsorientierten deutschen Politik nicht so recht an. Hinzu kommen die Kosten der angestrebten klimaneutralen Wirtschaftsweise und die steigenden Militärkosten, die sich wegen der veränderten Sicherheitslage auch kaum vermeiden lassen.
Wir dürfen daher sicher damit rechnen, dass wir in Zukunft mehr und mehr Geld an die Herrschenden in Berlin abdrücken müssen. Die von 30 auf 45 Euro pro Tonne CO2 gestiegenen Energiesteuer zeigt hier seit dem 1. Januar, wohin die Reise geht. Dies verteuert nicht nur Gas, Öl, Strom und Treibstoff für alle BürgerInnen in deutlichem Maße, auch nahezu alle Produkte des täglichen Lebens werden teurer.
Man mag diesen erhöhten CO2 Preis als sinnvolles Steuerungsinstrument für die Klimawende begreifen, in hohem Maße unsozial ist er dennoch. Die meisten Menschen, und gerade die ärmere Hälfte, hat so gut wie keine Möglichkeiten, sich über alternative Verhaltensweisen die Mehrkosten zu ersparen. Sie müssen zahlen oder verzichten, während die Wohlhabenden für ihre Flugreisen, Kreuzfahrten und SUV-Träume stirnrunzelnd eben ein bisschen mehr bezahlen und weiter genießen.
Die Steuergesetzgebung ist so unsozial wie eh und je und die Herrschaft des Geldes funktionierte selten so weitreichend und effektiv wie heute.
Mit diesem leider negativen Fazit beenden wir den heutigen Podcast und danken für eure Aufmerksamkeit. Wenn euch weitere Themen interessieren oder ihr etwas noch genauer wissen wollt – schreibt uns doch an moneycracy@riseup.net! Für Kritik und Anregungen sind wir stets dankbar.
Episode und Musik von Frederick Liberatout.
Anregung und Kritik an moneycracy@riseup.net
This podcast features music created by F. Liberatout using Groovepad. Free available on Google Play and Apple Store,
833 Milliarden Euro haben wir alles zusammen letztes Jahr Steuern bezahlt, im Schnitt also rein rechnerisch 100.000 Euro pro BürgerIn vom Säugling bis zur GreisIn. Diese Durchschnittszahl gibt, wie so oft beim sogenannten arithmetischen Mittel, jedoch keinen guten oder korrekten Eindruck vom Sachverhalt. In diesem Fall sind vor allem die Umstände bedeutsam, dass die Unternehmenssteuern schlecht pro Kopf dargestellt werden können und einige Bevölkerungsgruppen, wie beispielsweise Kinder, gar keine direkten Steuern zahlen. Allgemein werden Durchschnittswerte in ihrer Aussagekraft stark überschätzt, das haben wir hier im Podcast an verschiedenen Themen gesehen.
Zurück zu den Steuern, ein komplexes Thema, dem wir uns nun schrittweise nähern wollen. Die Schwierigkeiten beginnen damit, dass es nicht weniger als 22 verschiedene offizielle Steuerarten in der Bundesrepublik gibt. Steuern und Steuerrecht bilden mit die komplexesten gesellschaftlichen Konstrukte in einem modernen Staat – und das mit gutem Grund: denn über Steuern wird die Herrschaft, die Herrschaft des Geldes, in Reinform ausgeübt.
Schon in der Antike gab es in Hochkulturen ausgefeilte Steuersysteme, um den Herrschenden ihre Machtausübung zu ermöglichen. Im Mittelalter sank diese Komplexität wieder, viele von euch kennen vielleicht die wiederkehrende Figur in Hägar-Comics, die mit schwarzer Kopfhaube, großer Keule und allerlei Folterwerkzeugen die Steuern eintreibt. Das Comicmotiv verdeutlicht die Tatsache, dass Steuern keineswegs freiwillig bezahlt werden und in den dunklen harten Zeiten unserer Vorfahren kamen dann gerne die Daumenschrauben zum Einsatz, bis Zahlung geleistet wurde. Heute sind die Methoden etwas feiner, ins Gefängnis wandern kann mensch wegen Steuervergehen immer noch und auch Steuerschulden können immer noch über Erzwingungshaft eingetrieben werden.
Die Herrschenden wollen unser Geld und verstehen daher keinen Spaß, wenn ihr Medium zur Herrschaftsausübung nicht ausreichend sprudelt. Viele der Steuern werden daher automatisch eingezogen und es besteht für normale BürgerInnen meist gar keine Möglichkeit, die Steuerzahlung zu umgehen. In den letzten Jahrzehnten sind über die Digitalisierung der meisten Wirtschaftsprozesse so viele Kontroll- und Zugriffsmöglichkeiten entstanden, dass der Staat in der Regel unmittelbar zugreift und Steuern bezahlt werden, bevor wir überhaupt die Ware in der Hand oder den Lohn auf dem Konto haben.
Und diese Zugriffsmöglichkeiten sind mannigfaltig. Wir haben vorhin schon den Begriff der indirekten Steuer erwähnt. Damit ist sind Verbrauchssteuern gemeint, die wichtigsten sind die Mehrwert-, Umsatz oder Mineralölsteuer. Sie heißen indirekte Steuern, weil der Lieferant, z.B. der Tankstellenbetreiber, die Steuer an das Finanzamt abführt, die AutofahrerInnen jedoch faktisch die Steuern bezahlen, weil der Betrag auf die Rechnung aufgeschlagen wird.
Direkte Steuern sind dagegen beispielsweise Lohnsteuer oder die KFZ-Steuer, hier bezahlt die steuerpflichtige Person selbst den Steuerbetrag.
Wie bereits erwähnt, werden die allermeisten Abgaben heutzutage automatisch erhoben und eingezogen. Ausnahmen sind beispielsweise Erbschaftsteuern oder Grundsteuern, für die es tatsächlich noch einen Steuerbescheid gibt, welcher von den Steuerpflichtigen dann zu bezahlen ist.
Sehen wir uns nun die wichtigsten Steuern an:
Welche Steuer glaubt ihr, hat den größten Anteil am Füllen des Staatssäckels zur Herrschaftsausübung?
Wir hatten nach der größten Einzelsteuer gefragt. Mit Lohnsteuer habt ihr richtig gelegen. Das heißt, die NormalbürgerInnen werden bei ihren Einkommen besonders stark zur Kasse gebeten. Mit rund 230 Milliarden ist das Aufkommen der Lohnsteuer rund drei mal so groß, wie das der Einkommenssteuer, mit der nicht lohnabhängige Einkünfte besteuert werden. Das sagt dann auch viel über die viel zitierte und bemühte Steuergerechtigkeit aus. Wenn man bedenkt, dass die fünf reichsten Familien der Republik, die alle nicht der Lohnsteuer sondern der Einkommenssteuer unterliegen, mehr besitzen aus die unteren 50 Prozent der Bevölkerung, dann kann schon an den im Vergleich geringe Steuerzahlungen der Superreichen abgelesen werden, dass es mit der sogenannten Steuergerechtigkeit nicht weit her sein kann.
Wir halten fest: der größte Steuerbatzen wird auf den Lohn und das Einkommen der BürgerInnen erhoben. Obwohl dabei eine Steuerprogression besteht, also Menschen mit höherem Einkommen auch einen höheren prozentualen Anteil bezahlen, ist die Schieflage zu Ungunsten der einkommensschwächeren Hälfte schwer zu übersehen. Das hat eine seit Jahrtausenden bestehende Tradition, wie wir später noch ausführen werden.
Wie sieht die berühmte Steuerprogression aktuell konkret aus?
Bis 10.908 Euro Jahreseinkommen, werden keine Lohnsteuern erhoben. Von 10909 bis 16000 Euro steigt der Steuersatz gleichmäßig und recht stark von 14 bis 24 Prozent. Von 16.000 bis 62809 gibt es einen etwas weniger steilen Anstieg von 24 bis 42 Prozent. Dann ist der Spitzensteuersatz erreicht, also 42 Prozent, der bis 278.000 Euro konstant bleibt. Darüber gibt es einen sogenannten Reichensteuersatz von 45 Prozent. Also für alle Einkommensmillionäre, auch wenn sie mehr als 10 Millionen pro Jahr verdienen, bleibt der Satz gleich.
Übrigens bewegt sich Deutschland mit diesen Steuersätzen im internationalen Vergleich im Mittelfeld – es gibt jedoch zahlreiche Staaten, die über eine stärkere Progression ihre einkommensstarken BürgerInnen deutlicher zur Kasse bitten.
Nach den einkommensbezogenen Steuern ist die Umsatz- oder Mehrwertsteuer der nächst größere Posten, er liefert aktuell 198 Milliarden Euro. Die Mehrwertsteuer ist eine geniale Erfindung, um die den BürgerInnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Jede wirtschaftliche Transaktion wird mit einem staatlichen Aufschlag belegt. Sie zählt daher zu den Verbrauchssteuern, denn je mehr Biotomaten ich im freundlichen Ökoladen kaufe, desto mehr Steuern bezahle ich.
In früheren Ausformungen dieser Steuer wurde tatsächlich jede wirtschaftliche Transaktion besteuert, was vor allem bei umfangreichen Herstellungs- und Bereitstellungsprozessen die Waren sehr verteuerte. Beispiel: Der Bauer produziert Tomaten und verkauft sie an die lokale Genossenschaft, diese weiter an den Großhändler, welcher über Zwischenhändler die Supermarktkette beliefert und dann kommt der Endkunde. Bei jeder der vorgelagerten Kaufaktionen wurde die Transaktionssteuer erhoben und auf das Produkt aufgeschlagen, weil es ja eine indirekte Steuer ist. Das war, bei aller staatlichen Geldgier, dann doch überzogen, weshalb man international dazu übergegangen, den Betrieben die Umsatzsteuer für ihren Kauf wieder zu erstatten, beziehungsweise erst gar nicht zu erheben. Das ist das Geheimnis hinter den Brutto- und Nettopreisen, wenn ihr beispielsweise eine neue Grafikkarte für euren Rechner braucht und beim großen Internethändler die Karte 600 Euro netto und 714 Euro brutto kostet. Neto ist ohne die Umsatzsteuer. Wenn ihr einen Computerhandel betreibt, und die Grafikkarte für einen Kunden-PC bestellt, dann müsst ihr nur diese 600 Euro zahlen. Als normaler Endkunde ist eben der Bruttopreis zu löhnen. Der Mehrwertsteuersatz liegt aktuell für die meisten Waren bei 19 Prozent.
Es gibt auch einen erniedrigten Steuersatz von 7 Prozent, der gilt für Grundnahrungsmittel und Bücher.
Im internationalen Vergleich ist in Deutschland diese wichtigste Verbrauchssteuer übrigens recht niedrig, viele Staaten erheben zwischen 20 und 25 Prozent.
Der nächste Posten ist die sogenannte Körperschaftssteuer, welche die Unternehmen und juristischen Personen auf ihre Gewinne bezahlen. Sie liegt unabhängig von der Höhe des Gewinns bei 15 Prozent. Es kommen für die Unternehmen jedoch noch die von der lokalen Gemeinde erhobenen Gewerbesteuern hinzu, sodass die Gesamtsteuerbelastung der Unternehmen im internationalen Vergleich eher hoch ist.
Die Gewerbesteuersätze variieren von Kommune zu Kommune. Oft versuchen Landkreise die Firmen mit niedrigen Steuersätzen anzulocken, davon habt ihr sicher schon gehört.
Auf internationaler Ebene hat es beispielsweise Irland in den letzten 25 Jahren geschafft, sehr viele Weltkonzerne hinsichtlich ihrer EU-Geschäfte bei sich anzusiedeln, weil die Insel vorteilhafte Steuertarife, wenig Regulierung und lockerer Bilanzvorschriften bietet. Gerade diese Bilanzregelungen ermöglichen es Firmen übrigens, oft nur sehr wenig Steuern zu zahlen. Die tatsächlich gemachten Gewinne können bei international agierenden Konzernen so hin und her geschoben werden, dass sie steuerlich formal in einer günstigen Steueroase anfallen und daher hochprofitable Unternehmen wie Google oder Microsoft in der EU kaum Gewinne versteuern müssen.
In Deutschland ist der Fall des Automobilherstellers Opel bekannt, der seit 1928 zu General Motors, also einem amerikanischen Konzern gehörte. Von 1993 bis zum Verkauf 2017 machte Opel formal nie Gewinn, weil die Gewinne in die USA bilanziert wurden. Seit Opel zum Konglomerat Stellantis und damit faktisch zum französischen Peugeot Konzern gehört, erzielt die Firma auch wieder Gewinne, die auch hier versteuert werden.
Insgesamt kann festgehalten werden: während die NormalbürgerInnen kaum Möglichkeiten haben, Steuern zu vermeiden, gibt es für die Unternehmen zahlreiche Schlupflöcher, die umso besser funktionieren, je größer und internationaler die Firma ist.
Von den Verbrauchssteuern ist inzwischen nach der allgemeinen Mehrwertsteuer die Energiesteuer der größte Batzen, wozu auch die gestiegenen Energiepreise beigetragen haben. Durch die prozentuale Erhebung nimmt der Staat um so mehr ein, je teurer das Gas, Öl oder der Treibstoff ist.
Ein Besonderheit und aus unserer Sicht auch Peinlichkeit des deutschen Steuersystems ist die Kirchensteuer, die wir der Form des direkten Geldabzugs vom Lohn den Nazis zu verdanken haben. Der Kirchensteuersatz liegt bei 9 Prozent eures Lohnsteuersatzes und wird von Mitgliedern der evangelischen oder katholischen Kirchen erhoben. Andere Glaubensgemeinschaften sind nicht betroffen. Warum in einem säkularen Staat mit inzwischen doch recht diversem Glaubens- und Philosophieverständnis eine solche überkommene Skurrilität – vergleichbares gibt es nirgendwo internationalen Umfeld – weiter Bestand hat, bleibt unverständlich.
Der Zentralregierung in Berlin bleiben von den 833 eingetriebenen Milliarden, 356 Milliarden. Der Rest geht, nach einem festgelegtem Verteilungsschlüssel an Kommunen und Länder zur Bewältigung ihrer Aufgaben. Der Bund verfügt noch über weitere Einnahmequelle außer Steuern hat, hier sind vor allem die Gebühren und Beiträge wichtig. Das verschafft Herrn Lindner 2023 für den Bundeshaushalt insgesamt die enorme Summe von 430 Milliarden Euro. Genug Geld, sollte man meinen, aber es waren noch höhere Ausgaben vorgesehen, nämlich 476 Milliarden. Die dadurch entstehende Lücke wird mit Krediten geschlossen, ursprünglich waren 45 Milliarden geplant. Das ist schon heftig: 10 Prozent eines Rekordhaushalts sollen über Kredit finanziert werden, obwohl die Einnahmen so hoch wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren?
Nun hatte bekanntlich auch das Bundesverfassungsgericht etwas gegen diesen Haushalt einzuwenden, genauer gegen die kreativen Kreditumschichtungen, um formal die Schuldengrenze einzuhalten. Hat nicht funktioniert und daher müssen jetzt 15 Milliarden gespart werden:
Damit stehen den Herrschenden also nur noch 461 Milliarden zur Verfügung und sie müssen Ausgaben einschränken.
Die Streichliste erzeugte Unmut, zum Zeitpunkt der Podcasterstellung am sichtbarsten bei den LandwirtInnen. Denn auch das gehört zum Steuerwesen und zur Machtausübung: Abgaben können nicht nur erhoben werden, sie können auch gesenkt, ausgesetzt oder erstattet werden, wenn das der Regierung geeignet erscheint. So gab es seit Jahrzehnten eine Erstattung der Mineralölsteuer auf Diesel, welche LandwirtInnen in ihren Traktoren und Maschinen verwendeten.
Die ursprüngliche Regelung stellt eine Subvention dar, sie sollte die Betriebskosten der LandwirtInnen niedriger halten. Die Grundzielsetzung der Stützung der heimischen Landwirtschaft hat sich über die Jahrzehnte wahrscheinlich nicht geändert, dafür aber das gesamtgesellschaftliche Umfeld und die Kernziele der Regierung. In Zeiten des Klimawandels und der CO2 Einsparungen sind Subventionen auf Treibstoffe kaum eine vernünftige oder plausible Maßnahme. Die LandwirtInnen sehen das erwartbar anders. Hier gilt die schon im römischen Reich bekannte Regel: Alte Steuern sind gute Steuern, und einmal gewährte Vergünstigungen sind schwer wieder einzukassieren.
Interessanter Fakt: diese Steuerbegünstigung auf Agrardiesel gibt es in den meisten Nachbarländern ebenfalls. Wir wollen an dieser Stelle nicht das Diskussionsfeld aufmachen, ob der notwendige Einstieg in eine nachhaltige, klimagerechte und postfossile Landwirtschaft nun sinnvoll mit dieser einen Streichmaßnahme eingeläutet wird oder ob es nicht vielmehr an einem übergeordneten Konzept für den zukunftssicheren Umbau dieses Sektors fehlt.
Wie bleiben bei den Steuern und damit bei dem grundlegenden System, wie unser Gesellschaftssystem funktioniert und beherrscht wird. Historisch trieben die Herrschenden seit der frühen Antike bestimmte Abgaben von ihren Untertanen ein. Ursprünglich waren dies vor allem landwirtschaftliche Güter wie bestimmte Ernteanteile oder Schlachtprodukte. Mit der Weiterentwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft wurde bereits in den frühen Hochkulturen der Antike nicht nur Naturalien sondern auch Geld eingefordert.
Das römische Recht kannte in der Hochphase schon über ein Dutzend Steuern, darunter so kreative wie eine Pinkelsteuer auf Urin. Neben solche Skurrilitäten bevorzugte das auf Militär beruhende Imperium aber Abgaben, die in Form von Pferden, Ausrüstung, Rekruten und Waffen zu leisten waren.
Über viele Jahrhunderte beruhte die Ausbeutung der Bevölkerung entweder auf vollkommener Entrechtung wie bei der Sklaverei oder der Leibeigenschaft, oder auf der Abpressung wichtiger Naturalien und Geld bei den freieren Schichten. Ihr alle kennt die klassischen Gesellschaftspyramiden, mit einer breiten Basis von Leibeigenen, Sklaven und Abhängigen, einer schmäler werdenden Schicht von freien Bauern und Handwerkern und darüber noch schmäler weitere Spezialisten, schließlich Adel und Klerus und ganze oben die winzige Herrschaftsspitze. Dabei nahm die steuerliche Belastung, also die prozentuale Ausbeutung, von unten nach oben beständig ab – dieses Phänomen ist konstant in allen Epochen zu beobachten und besteht in Teilbereichen, wie wir gesehen haben, bis heute.
In den komplexer werdenden Gesellschaften übernahm der Staat oder die Herrschaftsclique im Verlauf tatsächlich auch allgemeine Aufgaben, für die Steuermittel gebraucht wurden. Je weiter sich eine Gesellschaft von der basalen Landwirtschaft fortentwickelte, desto mehr Aufgaben wurden staatlichen Strukturen übertragen.
Anders ausgedrückt: Ab einem bestimmten Entwicklungsstand der Gesellschaft wurden Steuern nicht mehr nur dazu erhoben, der Führungselite ein angenehmes Leben in Luxus zu finanzieren. Im steigenden Ausmaß übernahm der Staat auch gesellschaftliche Aufgaben, weshalb der Bedarf an Steuergeldern und damit auch die Steuerquote permanent anstieg.
Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert formulierte der deutsche Wirtschaftwissenschaftler Adolph Wagner das Gesetz von den beständig steigenden Staatsausgaben. Wagener stellte fest: „ In Kulturvölkern erfolgt regelmäßig eine Ausdehnung der Staatstätigkeit“. Dieser Befund wird empirisch durch die Tatsache belegt, dass die Staatsausgaben in der Bundesrepublik seit ihrem Bestehen nur eine Entwicklung kennen: sie steigen fortwährend von Jahr zu Jahr. Entsprechend steigt auch die Summe der eingetriebenen Steuern beständig,
Eine andere Erkenntnis in diesem Zusammenhang stammt von dem deutschen Politiker und Widerständler gegen den Nationalsozialismus Johannes Popitz. Er stellte vor 100 Jahren im sogenannten Popitzschen Gesetz fest, dass mit der steigenden Staatsquote parallel auch immer mehr Zuständigkeiten von Kommunen und Ländern auf den Zentralstaat verlagert werden. Dieser Befund wird durch die gesamte Entwicklung der Bundesrepublik bestätigt.
Letztlich ist in diesem Kontext folgende Beobachtung wichtig: der Staatsapparat, insbesondere in Form seiner Bediensteten, also der staatlich Angestellten zur Verwaltung, Überwachung und Repression, neigt zur beständigen Aufblähung. Schön und plakativ hat das der britischen Wissenschaftler Cyril Parkinson beschrieben, weshalb wir euch seine Erkenntnisse nicht vorenthalten wollen:
„ Arbeit in einer Verwaltung dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht“
In einer Untersuchung über das britische Marineministerium vor 100 Jahren kam er zu der Erkenntnis, dass auf Grund von Beförderungswünschen, sowie dem Bedürfnis nach Untergebenen und den Laufbahncharakteristika des Ministeriums, die Zahl der Beschäftigten unweigerlich jedes Jahr um 5 Prozent steigt, völlig unabhängig vom Arbeitsanfall.
Weil die ständig steigende Zahl an staatlichen Aufsehern und Verwaltern nun auch beschäftigt sein will, steigt die Bürokratie auch in der Wirtschaft und in allen anderen Lebensbereichen ständig an. Im Gesundheitswesen wird inzwischen genauso viel Zeit für Bürokratie aufgebracht, wie für die eigentliche Gesundheitstätigkeit.
Aber kommen wir wieder zu den Steuern zurück. Ein sich ständig weiter aufblähender Staat, der Kontrolle, Überwachung und Steuerung bis in den letzten Winkel der Gesellschaft ausüben will, braucht viele, viele Angestellte, die dann auch zu bezahlen sind, mit unseren Steuern!
Wir befinden uns in einer wenig wünschenswerten Situation: Seit Jahrzehnten steigt der Finanzbedarf des Staates und es gibt keine anderen Quellen, als das notwendige Geld von uns, den BürgerInnen und der Wirtschaft einzutreiben. Das Problem wird sich in den nächsten Jahren noch drastisch verschärfen. Die beitragsfinanzierte Rente ist wegen des demografischen Wandels kaum in bisheriger Form aufrecht zu erhalten, daher wird ein immer größerer Teil der Renten staatsfinanziert, also steuerfinanziert sein. Der kluge Gedanke eines großen Rentenfonds, den andere Länder erfolgreich praktizieren, kommt in der staatsorientierten deutschen Politik nicht so recht an. Hinzu kommen die Kosten der angestrebten klimaneutralen Wirtschaftsweise und die steigenden Militärkosten, die sich wegen der veränderten Sicherheitslage auch kaum vermeiden lassen.
Wir dürfen daher sicher damit rechnen, dass wir in Zukunft mehr und mehr Geld an die Herrschenden in Berlin abdrücken müssen. Die von 30 auf 45 Euro pro Tonne CO2 gestiegenen Energiesteuer zeigt hier seit dem 1. Januar, wohin die Reise geht. Dies verteuert nicht nur Gas, Öl, Strom und Treibstoff für alle BürgerInnen in deutlichem Maße, auch nahezu alle Produkte des täglichen Lebens werden teurer.
Man mag diesen erhöhten CO2 Preis als sinnvolles Steuerungsinstrument für die Klimawende begreifen, in hohem Maße unsozial ist er dennoch. Die meisten Menschen, und gerade die ärmere Hälfte, hat so gut wie keine Möglichkeiten, sich über alternative Verhaltensweisen die Mehrkosten zu ersparen. Sie müssen zahlen oder verzichten, während die Wohlhabenden für ihre Flugreisen, Kreuzfahrten und SUV-Träume stirnrunzelnd eben ein bisschen mehr bezahlen und weiter genießen.
Die Steuergesetzgebung ist so unsozial wie eh und je und die Herrschaft des Geldes funktionierte selten so weitreichend und effektiv wie heute.
Mit diesem leider negativen Fazit beenden wir den heutigen Podcast und danken für eure Aufmerksamkeit. Wenn euch weitere Themen interessieren oder ihr etwas noch genauer wissen wollt – schreibt uns doch an moneycracy@riseup.net! Für Kritik und Anregungen sind wir stets dankbar.
Episode und Musik von Frederick Liberatout.
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