Die Westdeutsche Linke und ihr Verhältnis zur DDR
ID 91337
"Geh doch nach drüben", das bekamen viele Linke und 68er-Aktivist*innen in Westdeutschland regelmäßig zu hören. Hatte sie auch wirklich Sympathien für den realexistierenden Sozialismus? Wurde die DDR verklärt, weil man die Bunderepublik ablehnte? Ein Spurensuche mit drei Zeitzeug*innen: Ulrike Heider, Renate Hürtgen und Hannes Heer.
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23:24 min, 40 MB, mp3
mp3, 239 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 02.10.2018 / 18:52
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Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Musik: JAHZZAR - Riots (2011) (cc-by und cc-sa) https://www.jamendo.com/track/876539/rio...
Die Westdeutsche Linke und ihr Verhältnis zur DDR.
In den 60er Jahren entsteht in der Bundesrepublik eine linksgerichtete, gesellschaftskritische politische Bewegung. Sie wird heute als 68er-Bewegung bezeichnet. Sie bestand aus einer vielzahl von Strömungen, Untergruppen und erlebte verschiedene Phasen. Gleichzeitig gab es im deutschen Sprachraum einen vermeintlich linken Staat, den realexistierenden Sozialismus, die DDR.
Wie wurde die DDR von den Westdeutschen Linken gesehen? War Kritik an der Bundesrepublik nur mit einem positiven Bezug auf die Deutsche Demokratische Republik möglich?
Nachgefragt bei drei Zeitzeugen.
In diesem Beitrag kommen zu Wort: Ulrike Heider: (EINSPIELER)
Hannes Heer (EINSPIELER)
und Renate Hürtgen (EINSPIELER)
Ulrike Heider – Jahrgang 1947 – hat in Frankfurt am Main studiert. Dieses Jahr erschien ihre Autobiografie „Keine Ruhe nach dem Sturm“, in der sie sich insbesondere mit 1968 und der Zeit danach beschäftigt.
In Frankfurt politisierte sich Ulrike Heider im Umfeld des SDS – des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes. Der SDS war bis 1961 der Hochschulverband der SPD gewesen, bis er von der Mutterpartei ausgeschlossen wurde.
„Was sich mehr und mehr durchsetzte war die antiautoritäre Fraktion mit einem Marx-Verständnis und einer Zukunftsvision jenseits von Sozialdemokratie und realexistierendem Sozialismus.“
Bei der Zeitschrift konkret in Berlin hatte es bis 1964 finanzielle Hilfen durch die SED gegeben. In Frankfurt am Main waren die DDR-Sympathisant*innen innerhalb des SDS in der Minderheit, wie sich Ulrike Heider erinnert:
„In Frankfurt gab es nur sehr wenige, die sich links an der UdSSR oder DDR orientiert haben im SDS. Die nannte man die ‚Traditionalisten.‘“
Einer dieser damaligen Traditionalisten im SDS heißt Hannes Heer. Er gehörte allerdings nicht dem Frankfurter SDS an. Der Historiker und Publizist, Jahrgang 1941, studierte in Bonn.
„Ich wurde dann zum Sprecher auf unseren Delegiertenkonferenzen dieser Traditionalistischen, KP-nahen Fraktion. Ich bin dann sehr oft in der DDR gewesen, für mich war die DDR damals wirklich das bessere Deutschland.“
Mit dieser Position gehörte Hannes Heer aber nie einer Mehrheit im Sozialistischen Deutschen Studentenbund an.
„Insofern waren diejenigen, die die DDR unterstützten und politisch auch in der Öffentlichkeit als ein fortschrittliches System vertraten, waren eine absolute Minortität im SDS und entsprechend auch in der Studentenschaft“
Die Neuen Linken in Westdeutschland wurden immer wieder dazu aufgefordert, doch einfach „ nach Drüben zu gehen.“ Ulrike Heider erinnert sich an Diskussionen mit Passant*innen bei Demonstrationen oder in der Familie. Da habe man stets entgegen gehalten:
„dass die DDR nicht besser sei als die BRD. Wir haben dann auf mangelnde Demokratie, diktatorische Parteiherrschaft und Bevormundung der Menschen von der Wiege zur Bahre hingewiesen. Gleichzeitig haben wir aber auch immer die BRD kritisiert und gesagt, dass die auch nicht besser sei. Also mit dem Hinweis auf ungerechte Verteilung des Reichtums, auf die rechte Propaganda der BILD-Zeitung, auch auf Bespitzelung der Neuen Linken durch das BKA und andere Repressionsmaßnahmen. In internenen Diskussionen über uns Marxismus-Verständnis oder unsere sozialrevolutionären Zielvorstellungen, spielte der realexistierende Sozialismus einschließlich DDR kaum eine Rolle. Wir haben da weder die Theorie noch die Praxis für emanzipatorisch gehalten.“
Hannes Heers DDR-Kontakte hielten bis ins Jahr 1968, bis zum Prager Frühling:
„Ich hatte mich mit Teilen der SDS-Gruppe sehr stark mit Dubcek und den Neueren auseinandergesetzt, schien mir ein tragbarer Weg zu sein zu einer freien Form von Sozialismus. Als dieser Einmarsch passierte war für mich ein bestimmter Teil der linken Geschichte dann erledigt und dann hörten auch die Kontakte zur DDR schlagartig auf.“
Ab 1969 spaltete sich die außerparlamentarische Opposition in der Bundesrepublik in einen autoritären und einen antiautoritären Flügel, in K-Gruppen und Spontis. Die Autorin Ulrike Heider selbst gehörte weiterhin dem antiautoritären Flügel an.
Die K-Gruppen orientierten sich weg von der Kritischen Theorie, weg von der Verbindung von Marx und Freud, weg von Antiautoritarismus und Nonkonformismus, weg vom Ziel eines demokratischem Sozialismus. Sie bewegten sich inhaltlich hin zu Zentralismus, straffer Organisation hin zu dogmatisch leninistischer Marx-Interpretation. Hauptziel der K-Gruppen war der Aufbau einer Partei, der Nachfolgepartei der KPD vor 1933.
„Diese K-Gruppen haben die DDR auch nicht gemocht, viel weniger als die Antiautoritären. Ihre Kritik bezog sich aber nicht auf mangelnde Demokratie, Parteidiktatur und so weiter. Sondern auf den Abfall von der reinen Lehre seit der Ära Chruschtschow, der Distanzierung von Stalin und den Zerwürfnissen mit China. Das nannten sie ‚Revisionismus‘. Die Hauptfeinde dieser K-Gruppen, waren jetzt als die Revis, der Kapitalismus, der US-Imperialismus und der so genannte sowjetische Sozialimperialismus.“
Die Neue Linke war also gespalten, aber auch innerhalb des autoritären Flügels. So gab es auch dort Strömungen, die die mit der DDR sympathisierten. Wie zum Beispiel bei der 1968 neu gegründeten DKP.
„Also die meinten dann, die DDR sei vielleicht nicht perfekt aber das bessere Deutschland und die müsse man unterstützen.“
Auch die Trotzkisten formierten sich nach 68 neu. Ulrike Heider erzählt von der GIM – Gruppe Internationaler Marxisten.
„Die waren weniger autoritär und hierarchisch ausgerichtet als die K-Gruppen. Die waren auch toleranter Andersdenkenden gegenüber. Und was die DDR anging hatten sie diese typische Trotzkistische Position, dass man die vorläufig unterstützen müsse. Und eines haben die dann in Diskussionen immer gesagt: ‚Ein bisschen Sozialismus ist besser als gar kein Sozialismus‘“
So skizziert Ulrike Heider – eine Westdeutsche 68er Studentin die Positionen der Westdeutschen Linken zur DDR. Nachgefragt auch bei einer Ostdeutschen.
"Es gab wirklich ein ausgesprochen geringes Interesse der Westdeutschen Linken an der DDR"
Das sagt Renate Hürtgen. Sie ist genau wie Ulrike Heider Jahrgang 1947. Geboren ist Renate Hürtgen in Ostberlin. Die Historikerin und Philosophin war in den 80er Jahren in der DDR-Opposition, unter anderem als Mitbegründerin der Initiative für Unabhängige Gewerkschaften. Damit stellte sie sich gegen den FDGB, den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund. Bis 1989 hatte sie keinen Kontakt zu Linken aus Westdeutschland. Das Desinteresse am Osten sieht sie so begründet:
„Es hat für sie in der DDR einfach nichts spannendes stattgefunden. Da gabs keine Arbeiterkämpfe und im Fall Polen war die Linke auch ein bisschen gespalten. Wie auch immer: im Ergebnis gab es eine totale Entfremdung oder ein Nicht-Kennen von Linken in Ost und West.“
In Westdeutschland war man in den Siebziger und Achtziger Jahren schlicht mit anderen Themen beschäftigt, sagt Hannes Heer.
„Nachdem der westdeutsche Herbst abgeschlossen war und nachdem sich die Bürgerinitiativen, die antimilitaristisch, friedensbewegt und ökologisch waren gegründet hatten, da spielte die nationale Frage überhaupt keine Rolle mehr. Mich interessierte das, was in der DDR passierte dann wenig.“
Für Renate Hürtgen ergaben sich durch die Gewerkschaftsarbeit neue Kontakte. Die Initiative für unabhängige Gewerkschaften gab es bereits vor dem Mauerfall.
„Wir haben uns so eingesetzt für eine basisdemokratische Gewerkschaft und waren ganz deutlich gegen den FDGB gerichtet. Und diese politische Praxis hat viele Linke schnell angezogen. Weil die gehofft haben: ‚Da ist jetzt die Arbeiterklasse und die wollen wir ja erreichen.‘ Deswegen würde ich behaupten, dass alle Westdeutschen linken Gruppen mal zu uns Kontakt hatten.“
Diese ersten Begegnungen mit Westdeutschen Linken waren für Renate Hürtgen so unterschiedlich wie die verschiedenen Gruppen selbst. Kritik gab es aber natürlich auch: Keine Gewerkschaft sollte gegründet werden, sondern lieber eine gut organisierte Partei. Denn einer Gewerkschaft müsse sowieso eine ordentliche Partei vorgeordnet sein. Auch das Engagement gegen den FDGB als zentrale Gewerkschaft wurde von einigen Linken teilweise kritisiert. Wie auch die DDR in den Augen einiger besser als die BRD sei, sei der FDGB auch besser als der Westdeutsche DGB.
„Bis dahin, dass man, wenn man wie ich da gearbeitet habe, also gegen den FDGB und die DDR als Diktatur bezeichnete, ganz schnell in eine rechte Ecke gestellt wurde von Linken Das war teilweise schon frustrierend und ich hatte auch nicht damit gerechnet.“
Hürtgen sagt, dass nicht viele Westdeutsche Linke die DDR wollten. Gleichzeitig, hätten sie den diktatorischen Charakter des Landes immer wieder herunter gespielt. Sie seien in der BRD ja ständig damit beschäftigt gewesen
„sich gegen die Rechten zu wenden, die dann gesagt haben: Geh doch nach drüben. Das hat dann eine eigenartige DDR-Solidarität hervorgebracht. Deswegen haben die dann sehr selten über die Verfolgungen und Gefängnisse und die Rolle der Staatssicherheit und so weiter gesprochen.“
Ähnliche Erfahrungen der Nicht-Anerkennung schildert auch der Religionssoziologe Detlef Pollack. Er beschrieb Begegnungen mit Westdeutschen Linken in einem Aufsatz im Jahr 1998:
„Es ist klar, dass den 68ern die DDR als Unrechtsstaat, als Diktatur und totalitäres System erscheint. Die DDR war in ihren Augen durch autoritäre Strukturen gekennzeichnet. Aber nicht darauf liegt der Akzent. Wichtiger ist den 68ern, dass es in der DDR trotz der autoritären Verhältnisse keinen ernsthaften Widerstand gegeben hat, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung angepasst verhalten und gegen die Repressivität des politischen Systems nicht aufbegehrt hat. […]
Den Mangel an Zivilcourage während der Zeit der DDR führen die 68er weniger auf die autoritären Strukturen des DDR-Systems zurück als auf den Mief und Muff jener Obrigkeitshörigkeit, die sie als typisch deutsch ansehen.“
Detlef Pollack hält in dem Aufsatz dagegen, dass nicht obwohl, sondern, weil das DDR-System repressiv war, der Widerstand ausblieb.
Das mangelnde Verständnis von West-Linken für die reformorientierte Oppositionsarbeit und das anprangern der Ungerechtigkeit in der DDR, sieht auch Renate Hürtgen
„Das ist so ein Dilemma dann auch für die Einheit gewesen, dass auf so einer Basis des Nicht-Verstehens es dann auch nicht zu einer produktiven Einheit von Linken aus Ost und West gekommen ist. Ein Ursache liegt sicher darin, dass man sich schon im Herbst 89/90 überhaupt nicht solidarisch begegnet ist.“
Für diese Nicht-Solidariät gab es natürlich Gründe für Westdeutsche Linke. Für Ulrike Heider beispielsweise:
„Meiner Sozialisation in einem linksliberalen Elternhaus entsprechend habe ich mit Wiedervereinigung das politische Ziel alternder deutscher Militaristen und Nazis verbunden, die weder die kommunistische DDR, noch die Oder-Neiße-Grenze anerkennen wollten. Alle die das Wort Wiedervereinigung im Munde führten waren Reaktionäre in der BRD, das kann man glaube ich generell sagen. Die einzig progrressiven Deutschen, die ich jemals positiv von einer deutschen Einheit habe sprechen hören, waren dann K-Gruppler in den 70er Jahren, die den Patriotismus mit sozialistischen Vorzeichen wieder reingeschleppt haben, was die Antiautoritären ablehnten.“
Die unkritsch-positiven Reaktionen von linken Intellektuellen auf die nahende Einheit waren für Ulrike Heider größtenteils erschreckend, wie sie sagt. Hinzu kamen die Montagsdemonstrant*innen, die irgendwann von Wir-sind-das-Volk über Wir-sind-ein-Volk bis zu Deutschland-Einig-Vaterland umgeschwenkt seien.
„Ich sah bedrohlich neue deutsche Patrioten auf beiden Seiten. Dann gab es die andere Fraktion. Die Vereinigungsgegner, die ähnlich Bedenken hatten wie ich. Intellektuelle wie Hermann Gremliza, Oskar Lafontaine, Günter Grass, Martin Walser, Jutta Ditfurth, ein paar Grüne und der Publizist Wolfgang Pohrt. Die haben dann eine Demo in Berlin organisiert, ‚Nie wieder Deutschland‘, das war die Keimzelle der Antideutschen. Da kamen so viel ich weiß 20.000. Diese Vereinigungsgegner befürchteten wie ich, neuen deutschen Nationalismus deutsche Großmachtsansprüche, Rassismus, Xenophobie und eine aggressive Ostpolitik. Das mit der Xenophobie habe ich glaube ich noch deutlicher gesehen als andere. Weil ich wusste, dass die Neonazis in Westdeutschland, Ost wusste ich nicht, schon in den Startlöchern waren.“
Renate Hürtgen hält dagegen:
„Was passierte dann als die Einheit vor der Tür stand? Dann hat ein großer Teil der Linken – ich habe nicht dazu gehört – ‚Nie wieder Deutschland‘ gerufen. Das war natürlich in erster Linie ein Affront gegen die gutgläubigen Ostler, die meinten, jetzt würde alles besser. Dann ist recht schnell die Antideutsche Bewegung stark geworden, was ich für verheerend gehalten habe, weil es historisch daneben war und die Kluft zwischen Linken und dem ‚gemeinem Mann‘ noch weiter verschärfte.“
Renate Hürtgen, ermahnt zu einer historisch-differenzierten Betrachtung der Wendezeit und der Demos:
„Schon früh im Dezember wurden auf den Demos rechte, nationalistische Losungen gerufen. Dann gab es auch den Umschwung von ‚Wir sind das Volk‘ zu ‚Wir sind ein Volk‘. Aber: Man muss wirklich aufpassen, denn die Schreihälse sieht man natürlich. Aber es waren noch lange lange Zeit, nicht die Mehrheiten. Dieses Kippen, dass auch Mehrheiten die deutsche Einheit wollten, ist wirklich erst später erfolgt.“
Wie war das noch gleich mit diesem Kippen? Hannes Heer, wie Renate Hürtgen Historiker, zeichnet die Ereignisse des Herbst 1989 noch einmal nach:
„Die ursprünglich für April vorgesehene Volkskammerwahl wurde vorgezogen und mittlerweile hatten sich die Merhheitsverhältnisse verschoben. Im November waren noch 79% gegen eine Wiedervereinigung und wählten eher diesen dritten Weg. Das hatte sich verändert, jetzt war ungefähr die gleich große Zahl für die Wiedervereinigung. Die Volkskammerwahlen sind dann mit einem klaren Sieg der CDU und dem zum Bündnis gehörenden Demokratischen Aufbau ausgegangen. Währenddessen kamen die SPD nur mit 20 % und die PDS mit 16 % davon.“
„Diese Rechte Entwicklungen mit den Jagden auf Vietnamesen und andere rassistischen Vorgänge mit Mord in einigen Städten von Ostdeutschland: Das war damals noch eine Situation, wo nicht größere Gruppen der Bevölkerung dahinter standen. Das ist anders als heute. Jetzt ist das viel breiter geworden. Ich will die Erfahrungen derjenigen, die da mit Hitlergruß standen nicht relativieren, selbstverständlich gab es das. Aber das gibt nicht die Stiummung in der gesamten Gesellschaft wieder. Sonst würde man den Unterschied zu heute nicht begreifen. Denn heute sind wir in einer ganz anderen Entwicklung, wo Europaweit die Rchte auf dem Vormarsch ist. Das war 90/ 91 so noch nicht.“
Zurück zu den Anti-Nationalen Demonstrationen: Ulrike Heider fügt da noch hinzu:
„Mir haben die Antinationlaen Parolen gut gefallen. Was mir aber missfiel, war wie sich auf eine unangenehme Art auf den Demos über Ostdeutsche lustig gemacht wurde. Die wurden auf mit Schafsmasken gezeigt oder man machte sich über ihre Freude an Bananen lustig.“
Wie sich die Linke in den 90ern hätte anders verhalten sollen, wird wohl noch weiterhin Gegenstand von Debatten bleiben. Die unterschiedlichen Standpunkte können hier nun nicht weiter ausgeführt werden.
Bleibt noch die Frage an Ulrike Heider: Was wurde denn nach der Wende eigentlich aus den DDR-Sympathisant*innen des autoritären Flügels der West-Linken?
„Vor allem für DKP-Anhänger bedeutete der Zusammenbruch des realexisitierenden Sozialismus natürlich das Ende ihrer politischen Identität Man hörte da von Depressionen, Nervenzusammenbrüchen, Selbstmordversuchen bis hin zu Selbstmorden.
Die einstigen K-Gruppler haben die DDR ja auch nicht gemocht. Aber da fiel mir auf, dass es für die viel schockierender war als für mich und andere antiautoritär gebliebene. Sie müssen der DDR doch näher gestanden haben. Ihr eigenes Ziel war schließlich auch der Aufbau einer straff organisierten Partei und danach ein Staat nach Lenins Modell. Mit dem Versagen der Konkurrenz rückte dieses Ziel in weite Ferne.“
Allen drei Zeitzeug*innen, Ulrike Heider, Hannes Heer und Renate Hürtgen sind sich einig: So wie die deutsche Einheit abgelaufen ist war das suboptimal bis katastrophal. Nun ist der 3. Oktober der Tag der deutschen Einheit, der deutsche Nationalfeiertag. Wie sollte die deutsche Linke mit diesem Tag ihrer Meinung nach umgehen?
Ulrike Heider:
„Das wären Demos und Veranstaltungen gegen Nationalismus, aber gegen jeden Nationalismus, nicht nur den deutschen, sonst holt man den nationalen Aspekt wieder rein. Es müsste also für Internationalismus sein.“
Hannes Heer:
„Das könnte heute ein Tag sein, an dem man die absolute Gefährdung der die demokratischen Systeme in Europa ausgesetzt sind ins Zentrum rückt. Damals wurde der Tag ja im Zeichen der Demokratie gefeiert, das war schon falsch und verlogen. Heute ginge es dann darum, das ins Zentrum zu stellen: Ist diese Demokratie nicht heute ungeheuer bedroht? Das müsste ein Tag zum Nachdenken über Demokratie und deren Gefährdung sein.“
Renate Hürtgen:
„Könnte das ein Tag sein um gegen ein nationalistisches Deutschland auf die Straße zu gehen? Warum nicht?“
Die Westdeutsche Linke und ihr Verhältnis zur DDR.
In den 60er Jahren entsteht in der Bundesrepublik eine linksgerichtete, gesellschaftskritische politische Bewegung. Sie wird heute als 68er-Bewegung bezeichnet. Sie bestand aus einer vielzahl von Strömungen, Untergruppen und erlebte verschiedene Phasen. Gleichzeitig gab es im deutschen Sprachraum einen vermeintlich linken Staat, den realexistierenden Sozialismus, die DDR.
Wie wurde die DDR von den Westdeutschen Linken gesehen? War Kritik an der Bundesrepublik nur mit einem positiven Bezug auf die Deutsche Demokratische Republik möglich?
Nachgefragt bei drei Zeitzeugen.
In diesem Beitrag kommen zu Wort: Ulrike Heider: (EINSPIELER)
Hannes Heer (EINSPIELER)
und Renate Hürtgen (EINSPIELER)
Ulrike Heider – Jahrgang 1947 – hat in Frankfurt am Main studiert. Dieses Jahr erschien ihre Autobiografie „Keine Ruhe nach dem Sturm“, in der sie sich insbesondere mit 1968 und der Zeit danach beschäftigt.
In Frankfurt politisierte sich Ulrike Heider im Umfeld des SDS – des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes. Der SDS war bis 1961 der Hochschulverband der SPD gewesen, bis er von der Mutterpartei ausgeschlossen wurde.
„Was sich mehr und mehr durchsetzte war die antiautoritäre Fraktion mit einem Marx-Verständnis und einer Zukunftsvision jenseits von Sozialdemokratie und realexistierendem Sozialismus.“
Bei der Zeitschrift konkret in Berlin hatte es bis 1964 finanzielle Hilfen durch die SED gegeben. In Frankfurt am Main waren die DDR-Sympathisant*innen innerhalb des SDS in der Minderheit, wie sich Ulrike Heider erinnert:
„In Frankfurt gab es nur sehr wenige, die sich links an der UdSSR oder DDR orientiert haben im SDS. Die nannte man die ‚Traditionalisten.‘“
Einer dieser damaligen Traditionalisten im SDS heißt Hannes Heer. Er gehörte allerdings nicht dem Frankfurter SDS an. Der Historiker und Publizist, Jahrgang 1941, studierte in Bonn.
„Ich wurde dann zum Sprecher auf unseren Delegiertenkonferenzen dieser Traditionalistischen, KP-nahen Fraktion. Ich bin dann sehr oft in der DDR gewesen, für mich war die DDR damals wirklich das bessere Deutschland.“
Mit dieser Position gehörte Hannes Heer aber nie einer Mehrheit im Sozialistischen Deutschen Studentenbund an.
„Insofern waren diejenigen, die die DDR unterstützten und politisch auch in der Öffentlichkeit als ein fortschrittliches System vertraten, waren eine absolute Minortität im SDS und entsprechend auch in der Studentenschaft“
Die Neuen Linken in Westdeutschland wurden immer wieder dazu aufgefordert, doch einfach „ nach Drüben zu gehen.“ Ulrike Heider erinnert sich an Diskussionen mit Passant*innen bei Demonstrationen oder in der Familie. Da habe man stets entgegen gehalten:
„dass die DDR nicht besser sei als die BRD. Wir haben dann auf mangelnde Demokratie, diktatorische Parteiherrschaft und Bevormundung der Menschen von der Wiege zur Bahre hingewiesen. Gleichzeitig haben wir aber auch immer die BRD kritisiert und gesagt, dass die auch nicht besser sei. Also mit dem Hinweis auf ungerechte Verteilung des Reichtums, auf die rechte Propaganda der BILD-Zeitung, auch auf Bespitzelung der Neuen Linken durch das BKA und andere Repressionsmaßnahmen. In internenen Diskussionen über uns Marxismus-Verständnis oder unsere sozialrevolutionären Zielvorstellungen, spielte der realexistierende Sozialismus einschließlich DDR kaum eine Rolle. Wir haben da weder die Theorie noch die Praxis für emanzipatorisch gehalten.“
Hannes Heers DDR-Kontakte hielten bis ins Jahr 1968, bis zum Prager Frühling:
„Ich hatte mich mit Teilen der SDS-Gruppe sehr stark mit Dubcek und den Neueren auseinandergesetzt, schien mir ein tragbarer Weg zu sein zu einer freien Form von Sozialismus. Als dieser Einmarsch passierte war für mich ein bestimmter Teil der linken Geschichte dann erledigt und dann hörten auch die Kontakte zur DDR schlagartig auf.“
Ab 1969 spaltete sich die außerparlamentarische Opposition in der Bundesrepublik in einen autoritären und einen antiautoritären Flügel, in K-Gruppen und Spontis. Die Autorin Ulrike Heider selbst gehörte weiterhin dem antiautoritären Flügel an.
Die K-Gruppen orientierten sich weg von der Kritischen Theorie, weg von der Verbindung von Marx und Freud, weg von Antiautoritarismus und Nonkonformismus, weg vom Ziel eines demokratischem Sozialismus. Sie bewegten sich inhaltlich hin zu Zentralismus, straffer Organisation hin zu dogmatisch leninistischer Marx-Interpretation. Hauptziel der K-Gruppen war der Aufbau einer Partei, der Nachfolgepartei der KPD vor 1933.
„Diese K-Gruppen haben die DDR auch nicht gemocht, viel weniger als die Antiautoritären. Ihre Kritik bezog sich aber nicht auf mangelnde Demokratie, Parteidiktatur und so weiter. Sondern auf den Abfall von der reinen Lehre seit der Ära Chruschtschow, der Distanzierung von Stalin und den Zerwürfnissen mit China. Das nannten sie ‚Revisionismus‘. Die Hauptfeinde dieser K-Gruppen, waren jetzt als die Revis, der Kapitalismus, der US-Imperialismus und der so genannte sowjetische Sozialimperialismus.“
Die Neue Linke war also gespalten, aber auch innerhalb des autoritären Flügels. So gab es auch dort Strömungen, die die mit der DDR sympathisierten. Wie zum Beispiel bei der 1968 neu gegründeten DKP.
„Also die meinten dann, die DDR sei vielleicht nicht perfekt aber das bessere Deutschland und die müsse man unterstützen.“
Auch die Trotzkisten formierten sich nach 68 neu. Ulrike Heider erzählt von der GIM – Gruppe Internationaler Marxisten.
„Die waren weniger autoritär und hierarchisch ausgerichtet als die K-Gruppen. Die waren auch toleranter Andersdenkenden gegenüber. Und was die DDR anging hatten sie diese typische Trotzkistische Position, dass man die vorläufig unterstützen müsse. Und eines haben die dann in Diskussionen immer gesagt: ‚Ein bisschen Sozialismus ist besser als gar kein Sozialismus‘“
So skizziert Ulrike Heider – eine Westdeutsche 68er Studentin die Positionen der Westdeutschen Linken zur DDR. Nachgefragt auch bei einer Ostdeutschen.
"Es gab wirklich ein ausgesprochen geringes Interesse der Westdeutschen Linken an der DDR"
Das sagt Renate Hürtgen. Sie ist genau wie Ulrike Heider Jahrgang 1947. Geboren ist Renate Hürtgen in Ostberlin. Die Historikerin und Philosophin war in den 80er Jahren in der DDR-Opposition, unter anderem als Mitbegründerin der Initiative für Unabhängige Gewerkschaften. Damit stellte sie sich gegen den FDGB, den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund. Bis 1989 hatte sie keinen Kontakt zu Linken aus Westdeutschland. Das Desinteresse am Osten sieht sie so begründet:
„Es hat für sie in der DDR einfach nichts spannendes stattgefunden. Da gabs keine Arbeiterkämpfe und im Fall Polen war die Linke auch ein bisschen gespalten. Wie auch immer: im Ergebnis gab es eine totale Entfremdung oder ein Nicht-Kennen von Linken in Ost und West.“
In Westdeutschland war man in den Siebziger und Achtziger Jahren schlicht mit anderen Themen beschäftigt, sagt Hannes Heer.
„Nachdem der westdeutsche Herbst abgeschlossen war und nachdem sich die Bürgerinitiativen, die antimilitaristisch, friedensbewegt und ökologisch waren gegründet hatten, da spielte die nationale Frage überhaupt keine Rolle mehr. Mich interessierte das, was in der DDR passierte dann wenig.“
Für Renate Hürtgen ergaben sich durch die Gewerkschaftsarbeit neue Kontakte. Die Initiative für unabhängige Gewerkschaften gab es bereits vor dem Mauerfall.
„Wir haben uns so eingesetzt für eine basisdemokratische Gewerkschaft und waren ganz deutlich gegen den FDGB gerichtet. Und diese politische Praxis hat viele Linke schnell angezogen. Weil die gehofft haben: ‚Da ist jetzt die Arbeiterklasse und die wollen wir ja erreichen.‘ Deswegen würde ich behaupten, dass alle Westdeutschen linken Gruppen mal zu uns Kontakt hatten.“
Diese ersten Begegnungen mit Westdeutschen Linken waren für Renate Hürtgen so unterschiedlich wie die verschiedenen Gruppen selbst. Kritik gab es aber natürlich auch: Keine Gewerkschaft sollte gegründet werden, sondern lieber eine gut organisierte Partei. Denn einer Gewerkschaft müsse sowieso eine ordentliche Partei vorgeordnet sein. Auch das Engagement gegen den FDGB als zentrale Gewerkschaft wurde von einigen Linken teilweise kritisiert. Wie auch die DDR in den Augen einiger besser als die BRD sei, sei der FDGB auch besser als der Westdeutsche DGB.
„Bis dahin, dass man, wenn man wie ich da gearbeitet habe, also gegen den FDGB und die DDR als Diktatur bezeichnete, ganz schnell in eine rechte Ecke gestellt wurde von Linken Das war teilweise schon frustrierend und ich hatte auch nicht damit gerechnet.“
Hürtgen sagt, dass nicht viele Westdeutsche Linke die DDR wollten. Gleichzeitig, hätten sie den diktatorischen Charakter des Landes immer wieder herunter gespielt. Sie seien in der BRD ja ständig damit beschäftigt gewesen
„sich gegen die Rechten zu wenden, die dann gesagt haben: Geh doch nach drüben. Das hat dann eine eigenartige DDR-Solidarität hervorgebracht. Deswegen haben die dann sehr selten über die Verfolgungen und Gefängnisse und die Rolle der Staatssicherheit und so weiter gesprochen.“
Ähnliche Erfahrungen der Nicht-Anerkennung schildert auch der Religionssoziologe Detlef Pollack. Er beschrieb Begegnungen mit Westdeutschen Linken in einem Aufsatz im Jahr 1998:
„Es ist klar, dass den 68ern die DDR als Unrechtsstaat, als Diktatur und totalitäres System erscheint. Die DDR war in ihren Augen durch autoritäre Strukturen gekennzeichnet. Aber nicht darauf liegt der Akzent. Wichtiger ist den 68ern, dass es in der DDR trotz der autoritären Verhältnisse keinen ernsthaften Widerstand gegeben hat, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung angepasst verhalten und gegen die Repressivität des politischen Systems nicht aufbegehrt hat. […]
Den Mangel an Zivilcourage während der Zeit der DDR führen die 68er weniger auf die autoritären Strukturen des DDR-Systems zurück als auf den Mief und Muff jener Obrigkeitshörigkeit, die sie als typisch deutsch ansehen.“
Detlef Pollack hält in dem Aufsatz dagegen, dass nicht obwohl, sondern, weil das DDR-System repressiv war, der Widerstand ausblieb.
Das mangelnde Verständnis von West-Linken für die reformorientierte Oppositionsarbeit und das anprangern der Ungerechtigkeit in der DDR, sieht auch Renate Hürtgen
„Das ist so ein Dilemma dann auch für die Einheit gewesen, dass auf so einer Basis des Nicht-Verstehens es dann auch nicht zu einer produktiven Einheit von Linken aus Ost und West gekommen ist. Ein Ursache liegt sicher darin, dass man sich schon im Herbst 89/90 überhaupt nicht solidarisch begegnet ist.“
Für diese Nicht-Solidariät gab es natürlich Gründe für Westdeutsche Linke. Für Ulrike Heider beispielsweise:
„Meiner Sozialisation in einem linksliberalen Elternhaus entsprechend habe ich mit Wiedervereinigung das politische Ziel alternder deutscher Militaristen und Nazis verbunden, die weder die kommunistische DDR, noch die Oder-Neiße-Grenze anerkennen wollten. Alle die das Wort Wiedervereinigung im Munde führten waren Reaktionäre in der BRD, das kann man glaube ich generell sagen. Die einzig progrressiven Deutschen, die ich jemals positiv von einer deutschen Einheit habe sprechen hören, waren dann K-Gruppler in den 70er Jahren, die den Patriotismus mit sozialistischen Vorzeichen wieder reingeschleppt haben, was die Antiautoritären ablehnten.“
Die unkritsch-positiven Reaktionen von linken Intellektuellen auf die nahende Einheit waren für Ulrike Heider größtenteils erschreckend, wie sie sagt. Hinzu kamen die Montagsdemonstrant*innen, die irgendwann von Wir-sind-das-Volk über Wir-sind-ein-Volk bis zu Deutschland-Einig-Vaterland umgeschwenkt seien.
„Ich sah bedrohlich neue deutsche Patrioten auf beiden Seiten. Dann gab es die andere Fraktion. Die Vereinigungsgegner, die ähnlich Bedenken hatten wie ich. Intellektuelle wie Hermann Gremliza, Oskar Lafontaine, Günter Grass, Martin Walser, Jutta Ditfurth, ein paar Grüne und der Publizist Wolfgang Pohrt. Die haben dann eine Demo in Berlin organisiert, ‚Nie wieder Deutschland‘, das war die Keimzelle der Antideutschen. Da kamen so viel ich weiß 20.000. Diese Vereinigungsgegner befürchteten wie ich, neuen deutschen Nationalismus deutsche Großmachtsansprüche, Rassismus, Xenophobie und eine aggressive Ostpolitik. Das mit der Xenophobie habe ich glaube ich noch deutlicher gesehen als andere. Weil ich wusste, dass die Neonazis in Westdeutschland, Ost wusste ich nicht, schon in den Startlöchern waren.“
Renate Hürtgen hält dagegen:
„Was passierte dann als die Einheit vor der Tür stand? Dann hat ein großer Teil der Linken – ich habe nicht dazu gehört – ‚Nie wieder Deutschland‘ gerufen. Das war natürlich in erster Linie ein Affront gegen die gutgläubigen Ostler, die meinten, jetzt würde alles besser. Dann ist recht schnell die Antideutsche Bewegung stark geworden, was ich für verheerend gehalten habe, weil es historisch daneben war und die Kluft zwischen Linken und dem ‚gemeinem Mann‘ noch weiter verschärfte.“
Renate Hürtgen, ermahnt zu einer historisch-differenzierten Betrachtung der Wendezeit und der Demos:
„Schon früh im Dezember wurden auf den Demos rechte, nationalistische Losungen gerufen. Dann gab es auch den Umschwung von ‚Wir sind das Volk‘ zu ‚Wir sind ein Volk‘. Aber: Man muss wirklich aufpassen, denn die Schreihälse sieht man natürlich. Aber es waren noch lange lange Zeit, nicht die Mehrheiten. Dieses Kippen, dass auch Mehrheiten die deutsche Einheit wollten, ist wirklich erst später erfolgt.“
Wie war das noch gleich mit diesem Kippen? Hannes Heer, wie Renate Hürtgen Historiker, zeichnet die Ereignisse des Herbst 1989 noch einmal nach:
„Die ursprünglich für April vorgesehene Volkskammerwahl wurde vorgezogen und mittlerweile hatten sich die Merhheitsverhältnisse verschoben. Im November waren noch 79% gegen eine Wiedervereinigung und wählten eher diesen dritten Weg. Das hatte sich verändert, jetzt war ungefähr die gleich große Zahl für die Wiedervereinigung. Die Volkskammerwahlen sind dann mit einem klaren Sieg der CDU und dem zum Bündnis gehörenden Demokratischen Aufbau ausgegangen. Währenddessen kamen die SPD nur mit 20 % und die PDS mit 16 % davon.“
„Diese Rechte Entwicklungen mit den Jagden auf Vietnamesen und andere rassistischen Vorgänge mit Mord in einigen Städten von Ostdeutschland: Das war damals noch eine Situation, wo nicht größere Gruppen der Bevölkerung dahinter standen. Das ist anders als heute. Jetzt ist das viel breiter geworden. Ich will die Erfahrungen derjenigen, die da mit Hitlergruß standen nicht relativieren, selbstverständlich gab es das. Aber das gibt nicht die Stiummung in der gesamten Gesellschaft wieder. Sonst würde man den Unterschied zu heute nicht begreifen. Denn heute sind wir in einer ganz anderen Entwicklung, wo Europaweit die Rchte auf dem Vormarsch ist. Das war 90/ 91 so noch nicht.“
Zurück zu den Anti-Nationalen Demonstrationen: Ulrike Heider fügt da noch hinzu:
„Mir haben die Antinationlaen Parolen gut gefallen. Was mir aber missfiel, war wie sich auf eine unangenehme Art auf den Demos über Ostdeutsche lustig gemacht wurde. Die wurden auf mit Schafsmasken gezeigt oder man machte sich über ihre Freude an Bananen lustig.“
Wie sich die Linke in den 90ern hätte anders verhalten sollen, wird wohl noch weiterhin Gegenstand von Debatten bleiben. Die unterschiedlichen Standpunkte können hier nun nicht weiter ausgeführt werden.
Bleibt noch die Frage an Ulrike Heider: Was wurde denn nach der Wende eigentlich aus den DDR-Sympathisant*innen des autoritären Flügels der West-Linken?
„Vor allem für DKP-Anhänger bedeutete der Zusammenbruch des realexisitierenden Sozialismus natürlich das Ende ihrer politischen Identität Man hörte da von Depressionen, Nervenzusammenbrüchen, Selbstmordversuchen bis hin zu Selbstmorden.
Die einstigen K-Gruppler haben die DDR ja auch nicht gemocht. Aber da fiel mir auf, dass es für die viel schockierender war als für mich und andere antiautoritär gebliebene. Sie müssen der DDR doch näher gestanden haben. Ihr eigenes Ziel war schließlich auch der Aufbau einer straff organisierten Partei und danach ein Staat nach Lenins Modell. Mit dem Versagen der Konkurrenz rückte dieses Ziel in weite Ferne.“
Allen drei Zeitzeug*innen, Ulrike Heider, Hannes Heer und Renate Hürtgen sind sich einig: So wie die deutsche Einheit abgelaufen ist war das suboptimal bis katastrophal. Nun ist der 3. Oktober der Tag der deutschen Einheit, der deutsche Nationalfeiertag. Wie sollte die deutsche Linke mit diesem Tag ihrer Meinung nach umgehen?
Ulrike Heider:
„Das wären Demos und Veranstaltungen gegen Nationalismus, aber gegen jeden Nationalismus, nicht nur den deutschen, sonst holt man den nationalen Aspekt wieder rein. Es müsste also für Internationalismus sein.“
Hannes Heer:
„Das könnte heute ein Tag sein, an dem man die absolute Gefährdung der die demokratischen Systeme in Europa ausgesetzt sind ins Zentrum rückt. Damals wurde der Tag ja im Zeichen der Demokratie gefeiert, das war schon falsch und verlogen. Heute ginge es dann darum, das ins Zentrum zu stellen: Ist diese Demokratie nicht heute ungeheuer bedroht? Das müsste ein Tag zum Nachdenken über Demokratie und deren Gefährdung sein.“
Renate Hürtgen:
„Könnte das ein Tag sein um gegen ein nationalistisches Deutschland auf die Straße zu gehen? Warum nicht?“
Kommentare
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04.10.2018 / 17:26 | Tagesaktuelle Redaktion, Radio Corax, Halle |
gesendet im Morgen- & Mittagsmagazin am 3.Okt.
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vielen Dank für den sehr gut recherchierten und gebauten Beitrag! | |
05.10.2018 / 18:57 | Kai J., Radio T |
Gesendet am 07.10.18 um 20 Uhr im Radio T Chemnitz UKW 102,70 MHz
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Vielen Dank! | |