Gewalt ist kein Naturgesetz - Gewaltfreiheit funktioniert
ID 69724
Wenn Anfang Februar in München die "Sicherheitskonferenz" der Politiker und Militärs stattfindet, gibt es auch immer eine Alternativ-Veranstaltung der Friedensbewegung: Die Internationale Münchner Friedenskonferenz. In der Sendung sind Ausschnitte aus zwei Vorträgen zu hören, die am 6. Februar beim internationalen Forum der Münchner Friedenskonferenz gehalten wurden.
Der erste hieß: „Gewaltfreier Widerstand ist erfolgreich“ und informierte über eine wissenschaftliche Studie zum Thema. Der zweite Vortrag hatte den Titel: "Gewalt ist kein Naturgesetz". Hier wurde über neurobiologische Erkenntnise berichtet, die belegen, dass es keinen "Aggressionstrieb" gibt.
Der erste hieß: „Gewaltfreier Widerstand ist erfolgreich“ und informierte über eine wissenschaftliche Studie zum Thema. Der zweite Vortrag hatte den Titel: "Gewalt ist kein Naturgesetz". Hier wurde über neurobiologische Erkenntnise berichtet, die belegen, dass es keinen "Aggressionstrieb" gibt.
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41:17 min, 38 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 31.03.2015 / 18:18
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Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Mod.:
Bei uns geht es heute um zwei Themen, die Anfang Februar im Mittelpunkt der internationalen Münchner Friedenskonferenz standen: Gewalt und Gewaltfreiheit.
Zuspielung
Mod.:
Im Friedensforum senden wir heute Ausschnitte aus zwei Vorträgen, die am 6. Februar beim internationalen Forum der Münchner Friedenskonferenz gehalten wurden.
Der erste der beiden Vorträge hieß: „Gewaltfreier Widerstand ist erfolgreich“. Der Titel zielte auf ein weitverbreitetes Vorurteil – nämlich dass gewaltfreie Methoden angeblich unwirksam sind. Oft genug heißt es ja: Gewaltfreiheit schön un d gut, die mag ja ethisch besser zu vertreten sein. Aber wenn es hart auf hart kommt, z.B. wenn es darum geht, eine diktatorische Regierung zu stürzen, dann hilft nur Gewalt wirklich weiter.
Wer das nicht akzeptieren will, gilt schnell als naiv. Doch die gängige Vorstellung, dass ein repressives System nur mit Gewalt wirksam zu bekämpfen ist, erweist sich als Mythos. Das belegt eine empirische Studie, die die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Erica Chenoweth erarbeitet hat. Eigentlich wollte Erica Chenoweth zur internationalen Friedenskonferenz in München kommen. Sie musste aber wegen Krankheit kurzfristig absagen. Die Aufgabe, die Ergebnisse ihrer Studie vorzutragen, übernahm dafür Susanne Luithlen, Leiterin der Akademie für Konflikttransformation in Köln. Sie hat sich mit der Studie zu den Erfolgen des gewaltfreien Widerstands eingehend befasst.
Zuspielung
Mod.:
Um es noch einmal klar zu machen: Die Studie, die wir heute vorstellen, belegt eindeutig: Gewaltfreie Kampagnen sind beinahe doppelt so häufig erfolgreich wie bewaffnete. Erfolg, das bedeutet: Die Wahrscheinlichkeit, mit Hilfe von gewaltfreien Mitteln demokratische Verhältnisse zu erreichen, ist wesentlich größer als bei bewaffneten Aufständen. Für gewaltfreie Kampagnen spricht aber nicht nur die größere Erfolgswahrscheinlichkeit. Mindestens ebenso wichtig: Zwar werden im Verlauf von gewaltfreien Kampagnen oft auch Menschen getötet, verletzt und traumatisiert. Aber ihre Zahl ist wesentlich geringer als bei bewaffneten Kämpfen. Und noch etwas: Wer sich gewaltfrei gegen ein repressives System wehrt, kann unter Umständen auch die Unterstützer dieses Systems wie etwa Polizei und Militär für sich gewinnen. Das funktioniert z.B., wenn deutlich ist, dass der gewaltfreie Widerstand von einer großen Zahl von Menschen getragen wird. Polizisten und Soldaten fragen sich dann oft, ob sie noch auf der richtigen Seite stehen, wenn sie weiter loyal die Regierung unterstützen. Sehr wichtig für gewaltfreie Kampagnen ist also ein breiter Rückhalt in der Bevölkerung. Susanne Luithlen, die Leiterin der Akademie für Konflikttransformation in Köln:
Zuspielung
Mod:
Gewaltfreier Widerstand ist erfolgreich. - ein Thema bei der Internationalen Münchner Friedenskonferenz. Die Referentin war Susanne Luithlen, Leiterin der Akademie für Konflikttransformation im „Forum ziviler Friedensdienst“.
Mod:
Unser zweites Thema in dieser Sendung lautet: „Gewalt ist kein Naturgesetz.“
Dazu erst einmal ein Blick zurück: Im Jahr 1930 erhielt der berühmte Physiker Albert Einstein vom Völkerbund, der Vorgängerorganisation der Vereinten Nationen, einen Auftrag: Er sollte eruieren, was gegen die Gefahr eines neuen Weltkrieges zu tun sei, den der Völkerbund damals heraufziehen sah. Einstein schrieb an die großen Intellektuellen seiner Zeit und bat sie um Rat. Unter anderem wandte er sich auch an den Psychoanalytiker Sigmund Freud. Die Antwort, die Einstein von Freud bekam, fiel deprimierend aus: Freud legte in dieser Antwort nämlich seine Hypothese vom so genannten Aggressionstrieb dar, die er schon 1920 unter dem Eindruck des 1. Weltkrieges formuliert hatte. Wörtlich schrieb Freud: „Warum empören wir uns so sehr gegen den Krieg, er scheint doch naturgemäß biologisch wohl begründet“ Und weiter: „Die Tötung des Feindes befriedigt eine triebhafte Neigung, wir glauben an die Existenz eines Triebes zum Hassen und Vernichten“. Zitat Ende. Wissenschaftlich haltbar ist die These vom Aggressionstrieb allerdings nicht, wie man heute weiß. Das lässt sich auch eindeutig nachweisen, wie der Neurobiologe Professor Joachim Bauer aus Freiburg in seinem Referat bei der Friedenskonferenz darlegte.
Zuspielung
Mod.:
Die These vom Aggressionstrieb ist unhaltbar, haben wir vorhin gehört. Soweit, so gut. Das heißt freilich nicht, dass Menschen frei von Aggressionen wären. Im Gegenteil: die Aggression lebt – in jedem von uns. Das zeigt schon die banale Alltagserfahrung, etwa wenn wir uns über jemand ärgern. Und Aggression kann schlimme Folgen haben – sie kann zu Gewalt führen, die sich dann gegen Mitmenschen richtet. Aber Gewalt wird nicht nur im persönlichen Umfeld ausgeübt, in der Form von Terrorismus und Kriegen ist sie weltweit an der Tagesordnung. Umso wichtiger ist es, die Gesetzmäßigkeiten zu verstehen, nach denen Gewalt entsteht, betont der Neurobiologe Professor Joachim Bauer. In seinem Referat bei der Friedenskonferenz ging Bauer auf diese Gesetzmäßigkeiten ein. Dazu beschäftigte er sich zunächst noch einmal mit den so genannten Motivations-Systemen im Gehirn des Menschen.
Zuspielung
Mod.:
Wir haben gelernt: Es gibt so etwas wie eine Schmerzgrenze im Gehirn. Wird sie überschritten, etwa weil wir körperlich angegriffen werden und dadurch Schmerz erleiden, reagieren wir mit Aggression. Das passiert aber nicht nur bei körperlichen Angriffen, sondern auch bei Demütigung und sozialer Ausgrenzung - weil das menschliche Gehirn diese Erfahrungen wie Schmerz erlebt. Der Neurobiologe Professor Joachim Bauer spricht von einem „Gesetz der Schmerzgrenze“. Es gilt nach den Erkenntnissen der Neurobiologie im übrigen auch, wenn wir gar nicht selbst betroffen sind. Es genügt, wenn wir wahrnehmen, dass ein anderer Mensch einer Demütigung ausgesetzt ist oder sozial ausgegrenzt wird. Das Schmerz-System im Gehirn reagiert dann. Professor Bauer:
Zuspielung
Mod.:
Soweit der Neurobiologe Professor Joachim Bauer. Das Thema seines Vortrages bei der Münchner internationalen Friedenskonferenz: Gewalt ist kein Naturgesetz.
Und das war das Friedensforum, heute von der Deutschen Friedensgesellschaft- Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, DFG-VK.
Verantwortlich für die Sendung und am Mikrofon: HW
Bei uns geht es heute um zwei Themen, die Anfang Februar im Mittelpunkt der internationalen Münchner Friedenskonferenz standen: Gewalt und Gewaltfreiheit.
Zuspielung
Mod.:
Im Friedensforum senden wir heute Ausschnitte aus zwei Vorträgen, die am 6. Februar beim internationalen Forum der Münchner Friedenskonferenz gehalten wurden.
Der erste der beiden Vorträge hieß: „Gewaltfreier Widerstand ist erfolgreich“. Der Titel zielte auf ein weitverbreitetes Vorurteil – nämlich dass gewaltfreie Methoden angeblich unwirksam sind. Oft genug heißt es ja: Gewaltfreiheit schön un d gut, die mag ja ethisch besser zu vertreten sein. Aber wenn es hart auf hart kommt, z.B. wenn es darum geht, eine diktatorische Regierung zu stürzen, dann hilft nur Gewalt wirklich weiter.
Wer das nicht akzeptieren will, gilt schnell als naiv. Doch die gängige Vorstellung, dass ein repressives System nur mit Gewalt wirksam zu bekämpfen ist, erweist sich als Mythos. Das belegt eine empirische Studie, die die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Erica Chenoweth erarbeitet hat. Eigentlich wollte Erica Chenoweth zur internationalen Friedenskonferenz in München kommen. Sie musste aber wegen Krankheit kurzfristig absagen. Die Aufgabe, die Ergebnisse ihrer Studie vorzutragen, übernahm dafür Susanne Luithlen, Leiterin der Akademie für Konflikttransformation in Köln. Sie hat sich mit der Studie zu den Erfolgen des gewaltfreien Widerstands eingehend befasst.
Zuspielung
Mod.:
Um es noch einmal klar zu machen: Die Studie, die wir heute vorstellen, belegt eindeutig: Gewaltfreie Kampagnen sind beinahe doppelt so häufig erfolgreich wie bewaffnete. Erfolg, das bedeutet: Die Wahrscheinlichkeit, mit Hilfe von gewaltfreien Mitteln demokratische Verhältnisse zu erreichen, ist wesentlich größer als bei bewaffneten Aufständen. Für gewaltfreie Kampagnen spricht aber nicht nur die größere Erfolgswahrscheinlichkeit. Mindestens ebenso wichtig: Zwar werden im Verlauf von gewaltfreien Kampagnen oft auch Menschen getötet, verletzt und traumatisiert. Aber ihre Zahl ist wesentlich geringer als bei bewaffneten Kämpfen. Und noch etwas: Wer sich gewaltfrei gegen ein repressives System wehrt, kann unter Umständen auch die Unterstützer dieses Systems wie etwa Polizei und Militär für sich gewinnen. Das funktioniert z.B., wenn deutlich ist, dass der gewaltfreie Widerstand von einer großen Zahl von Menschen getragen wird. Polizisten und Soldaten fragen sich dann oft, ob sie noch auf der richtigen Seite stehen, wenn sie weiter loyal die Regierung unterstützen. Sehr wichtig für gewaltfreie Kampagnen ist also ein breiter Rückhalt in der Bevölkerung. Susanne Luithlen, die Leiterin der Akademie für Konflikttransformation in Köln:
Zuspielung
Mod:
Gewaltfreier Widerstand ist erfolgreich. - ein Thema bei der Internationalen Münchner Friedenskonferenz. Die Referentin war Susanne Luithlen, Leiterin der Akademie für Konflikttransformation im „Forum ziviler Friedensdienst“.
Mod:
Unser zweites Thema in dieser Sendung lautet: „Gewalt ist kein Naturgesetz.“
Dazu erst einmal ein Blick zurück: Im Jahr 1930 erhielt der berühmte Physiker Albert Einstein vom Völkerbund, der Vorgängerorganisation der Vereinten Nationen, einen Auftrag: Er sollte eruieren, was gegen die Gefahr eines neuen Weltkrieges zu tun sei, den der Völkerbund damals heraufziehen sah. Einstein schrieb an die großen Intellektuellen seiner Zeit und bat sie um Rat. Unter anderem wandte er sich auch an den Psychoanalytiker Sigmund Freud. Die Antwort, die Einstein von Freud bekam, fiel deprimierend aus: Freud legte in dieser Antwort nämlich seine Hypothese vom so genannten Aggressionstrieb dar, die er schon 1920 unter dem Eindruck des 1. Weltkrieges formuliert hatte. Wörtlich schrieb Freud: „Warum empören wir uns so sehr gegen den Krieg, er scheint doch naturgemäß biologisch wohl begründet“ Und weiter: „Die Tötung des Feindes befriedigt eine triebhafte Neigung, wir glauben an die Existenz eines Triebes zum Hassen und Vernichten“. Zitat Ende. Wissenschaftlich haltbar ist die These vom Aggressionstrieb allerdings nicht, wie man heute weiß. Das lässt sich auch eindeutig nachweisen, wie der Neurobiologe Professor Joachim Bauer aus Freiburg in seinem Referat bei der Friedenskonferenz darlegte.
Zuspielung
Mod.:
Die These vom Aggressionstrieb ist unhaltbar, haben wir vorhin gehört. Soweit, so gut. Das heißt freilich nicht, dass Menschen frei von Aggressionen wären. Im Gegenteil: die Aggression lebt – in jedem von uns. Das zeigt schon die banale Alltagserfahrung, etwa wenn wir uns über jemand ärgern. Und Aggression kann schlimme Folgen haben – sie kann zu Gewalt führen, die sich dann gegen Mitmenschen richtet. Aber Gewalt wird nicht nur im persönlichen Umfeld ausgeübt, in der Form von Terrorismus und Kriegen ist sie weltweit an der Tagesordnung. Umso wichtiger ist es, die Gesetzmäßigkeiten zu verstehen, nach denen Gewalt entsteht, betont der Neurobiologe Professor Joachim Bauer. In seinem Referat bei der Friedenskonferenz ging Bauer auf diese Gesetzmäßigkeiten ein. Dazu beschäftigte er sich zunächst noch einmal mit den so genannten Motivations-Systemen im Gehirn des Menschen.
Zuspielung
Mod.:
Wir haben gelernt: Es gibt so etwas wie eine Schmerzgrenze im Gehirn. Wird sie überschritten, etwa weil wir körperlich angegriffen werden und dadurch Schmerz erleiden, reagieren wir mit Aggression. Das passiert aber nicht nur bei körperlichen Angriffen, sondern auch bei Demütigung und sozialer Ausgrenzung - weil das menschliche Gehirn diese Erfahrungen wie Schmerz erlebt. Der Neurobiologe Professor Joachim Bauer spricht von einem „Gesetz der Schmerzgrenze“. Es gilt nach den Erkenntnissen der Neurobiologie im übrigen auch, wenn wir gar nicht selbst betroffen sind. Es genügt, wenn wir wahrnehmen, dass ein anderer Mensch einer Demütigung ausgesetzt ist oder sozial ausgegrenzt wird. Das Schmerz-System im Gehirn reagiert dann. Professor Bauer:
Zuspielung
Mod.:
Soweit der Neurobiologe Professor Joachim Bauer. Das Thema seines Vortrages bei der Münchner internationalen Friedenskonferenz: Gewalt ist kein Naturgesetz.
Und das war das Friedensforum, heute von der Deutschen Friedensgesellschaft- Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, DFG-VK.
Verantwortlich für die Sendung und am Mikrofon: HW
Kommentare
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01.04.2015 / 15:14 | Thorsten, Querfunk, Karlsruhe |
Querfunk
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Läuft am 01.04. in der Infoschiene. Danke! | |