¿Ministermund tut Wahrheit kund?

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¿MINISTERMUND TUT WAHRHEIT KUND?

Ein Porträt von Mariano Rajoy, der in Kürze wohl zum spanischen Ministerpräsidenten gewählt wird. Komentare, Kritik und Vorschläge wie immer an: zculj@yahoo.es
Audio
13:12 min, 12 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 14.02.2004 / 00:57

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Zwischen Ceuta und La Jonquera
Entstehung

AutorInnen: Johannes Mahn
Radio: WW-TÜ, Tübingen im www
Produktionsdatum: 14.02.2004
keine Linzenz
Skript
Gefragt nach dem wahrscheinlich wichtigsten Ereignis des Jahres 2004 nennt eine Mehrheit der Spanierinnen und Spanier angeblich die im Mai stattfindende Vermählung von Prinz Philipp mit Letizia Ortiz. Doch wird diese Hochzeit wohl vor allem die Regenbogenpresse und den Tourismussektor interessieren. Die politische Bedeutung hält sich in sehr engen Grenzen.
Wichtiger sind da schon die Parlamentswahlen, die in Kürze stattfinden werden: am 14. März sind die spanischen StaatsbürgerInnen dazu aufgerufen, die Zusammensetzung der so genannten Cortes neu zu bestimmen und somit auch eine neue Regierung zu wählen. Überraschungen sind dabei allerdings nicht zu erwarten. Es müßte schon mit seltsamen Dingen zugehen, wenn die derzeitige Regierungspartei PP nicht wieder gewählt würde. Eher stellt sich die Frage, ob sie wieder eine absolute oder nur eine einfache Mehrheit erreichen wird.


Einen neuen Regierungschef wird Spanien dennoch bekommen. José María Aznar, der seit nunmehr acht Jahren Spaniens Premierminister ist, hat schon zu Beginn der jetzt abgelaufenen Legislaturperiode erklärt, für eine dritte Kandidatur nicht zu Verfügung zu stehen - ein geschickter Schachzug, der nicht nur eine Portion Selbstbeherrschung verrät, sondern vor allem einen auf mittelfristige Zeiträume ausgelegten politischen Instinkt. Anders nämlich als etwa Helmut Kohl, vermeidet Aznar so ein unrühmliches Ende seiner Laufbahn und erhält der eigenen Partei die Macht. Auf diese Weise kann er sich selbst ein Denkmal als rundum erfolgreicher Premierminister setzen.
Schon jetzt ergehen sich die staatlichen und die der Regierung nahe stehenden Medien in Lobhudeleien. Spaniens internationale Bedeutung sei unter der Regierung Aznar gewachsen, die baskischen Seperatisten der ETA stünden kurz vor dem endgültigen Aus, vor allem aber sei die Arbeitslosigkeit gesunken und erlebe Spaniens Wirtschaft eine noch nie da gewesene Blüte. Kein Wort jedoch davon, dass der Rückgang der Arbeitslosigkeit vor allem auf so genannten Müll-Verträgen beruht, Verträgen also, die nach dem Prinzip Hire and Fire eine größt mögliche Ausbeutung der Arbeitskraft bei miesen Arbeitsbedingungen und zu einem windigen Lohn zulassen - ganz zu schweigen von den illegalisierten ArbeiterInnen im Gemüseanbau, deren Arbeitsbedingungen denen von Sklaven ähneln. Kein Wort davon, dass Spaniens Wirtschaft im EU-Vergleich Nachholbedarf hatte und es daher nur normal ist, dass das Wachstum über dem EU-Durchschnitt liegt. Kein Wort davon, dass… die Liste ließe sich lange fortsetzen.


Die sozialdemokratische Opposition dagegen betont die wunden Punkte der Regierung Aznar, das katastrophale Krisenmanagement beim Unglück des Öltankers Prestige etwa. Oder den Irakkrieg. Nachdem nun immer offensichtlicher wird, dass es im Irak definitiv keine Massenvernichtungswaffen gab, versucht der sozialdemokratische Spitzenkandidat José Luis Rodríguez Zapatero die Regierung Aznar in die Enge zu treiben und der Lüge zu überführen. Bisher jedoch behält die PP in den Schlammschlachten und Scheingefechten des Wahlkampfs das Heft in der Hand.
Und dass mit Themen wie dem Tankerunglück oder dem Irakkrieg keine Wahlen zu gewinnen sind, belegen zwei Tatsachen besonders deutlich: schon bei den im Mai 2003 durchgeführten Regional- und Kommunalwahlen hatten diese Themen keinerlei Einfluss auf die Wahlergebnisse, obwohl die Ereignisse damals erst sehr kurz zurück lagen. Der zweite Beleg ist der PP-Spitzenkandidat selbst: Mariano Rajoy heißt der Mann, der demnächst wohl Spaniens Premierminister sein wird. Er wurde Ende August von Aznar zur Nachfolge ausgewählt - die Parteiorgane nickten Aznars Entschluss nur noch ab. Und die entscheidenden Punkte, um schließlich für die Nachfolge nominiert zu werden, gewann Rajoy, seinerzeit Regierungssprecher, ausgerechnet beim Tankerunglück der Prestige. Da Aznar selbst sich nie näher zu der Tankerhavarie äußerte, musste Rajoy die Drecksarbeit erledigen und das Handeln - oder besser das Nicht-Handeln - der Regierung bestmöglich verkaufen. Seine Medienpräsenz war in den Wochen nach dem Untergang des Öltankers ungemein groß. Und das scheint ihm den Bekanntheitsgrad - sprich die Popularität eingebracht zu haben, die für die Nachfolgenominierung letztendlich mit entscheidend gewesen sein dürfte.


Es kommt also nicht darauf an, womit man bekannt wird, sondern dass man bekannt wird. Denn mit Ruhm hat sich Rajoy in den Tagen der Tankerkatastrophe wahrlich nicht bekleckert. Seine Aufgabe war es, erst einmal grundsätzlich alles zu dementieren. Und falls die Beweise so erdrückend waren, dass sich nichts mehr dementieren ließ, spielte Rajoy alles herunter. In Anlehnung an den Herrn der Ringe, der auf Spanisch Señor de los Anillos heißt, erwarb sich Rajoy den Spitznamen Señor de los Hilillos - Herr der dünnen Fäden. Als nämlich die ersten Beweise auftauchten, dass aus dem bereits auf Grund liegenden Tanker nach wie vor Öl austrat, spielte Rajoy herunter und behauptete, es träten nur dünne Fäden aus. Kurz darauf ließ sich dann nicht mehr verbergen, dass die angeblich dünnen Fäden mehrere Tonnen pro Tag waren. Doch da hatte Rajoy schon unter Beweis gestellt, dass er absolut loyal war und notfalls auch nicht davor zurückschreckte, die Unwahrheit zu sagen - ein Umstand, den Aznar sicher schätzte, als er sich seinen Nachfolger aussuchte.



Loyalität ist ohnehin eine der Stärken Rajoys. Bei einem Blick auf seinen Werdegang wird klar, dass es sich um einen klassischen Parteisoldaten handelt. Der studierte Jurist begann seine politische Karriere1981 im Alter von 26 Jahren. Ein politisches Motiv, eine Vision oder ein Projekt hatte er dabei nicht. Er ließ sich eben einfach mal auf die Wahlliste der Alianza Popular setzen, einer Partei übrigens, die maßgeblich von treuen Weggefährten Francisco Francos aufgebaut wurde. Bei den galicischen Landtagswahlen 1981 wurde Rajoy dann auf Anhieb ins Regionalparlament gewählt. Ab diesem Augenblick kletterte er Sprosse um Sprosse der politischen Karriereleiter nach oben, besetzte Posten um Posten innerhalb der Partei und innerhalb der Regierung. Zuerst auf der regionalen Ebene Galicien, schließlich auf spanischer Ebene in Madrid. Spätestens 1989 als die Alianza Popular ihren Namen in Partido Popular änderte und Aznar zum Parteichef wählte, bekleidete Rajoy wichtige Ämter in den Parteigremien. Seitdem hat er auch einen Sitz im spanischen Parlament. Im März 1996 war er für den PP-Wahlkampf der Parlamentswahl verantwortlich, aus der die PP als Sieger hervorging. In den acht Regierungsjahren Aznar bekleidete er nacheinander die Ministerämter für öffentliche Verwaltung, Erziehung und Kultur, Inneres sowie das spanische Äquivalent zum Kanzleramtsminister. Außerdem ist er seit 2000 Vizepremierminister. Nun also hat er die Nachfolge des zwei Jahre älteren Aznar als Parteichef angetreten und - demnächst wohl als Spaniens Premier.
Böse Zungen behaupten, der Schlüssel für Rajoys Erfolg liege darin, dass er fast nichts tue und daher auch nicht in Fettnäpfchen trete.


Bekannt ist Rajoy vor allem dafür, lange und kunstvoll um den heißen Brei herumreden zu können, ohne dabei viel zu sagen. Berühmt-berüchtigt ist auch sein Verhältnis zu Meinungsfreiheit: Als im Februar 2003 auf einer Wahlkampf-Veranstaltung mit Aznar ein Jugendlicher vom Publikum geschlagen wurde, weil er "Nein zum Krieg" skandierte, rechtfertigte Rajoy die Gewaltanwendung mit den Worten: "Dieser Junge verletzte die Meinungsfreiheit des Herrn Aznar, welcher in diesem Moment das Wort hatte."
Generell scheint Toleranz nicht gerade eine Stärke von Mariano Rajoy zu sein. Während seiner Zeit als Innenminister verschärfte er das Ausländergesetz. Vor dem Parlament erklärte er im Oktober 2001: "Es gibt eine Zahl, die sich nicht beseitigen lässt, nämlich dass 45 Prozent der dieses Jahr in Madrid Festgenommenen Ausländer sind. Das will nichts bedeuten, außer dass es Ausländer sind und dass wir den Ausweisungsverfahren die größtmögliche Schnelligkeit zukommen lassen müssen."
Als Hardliner profilierte er sich auch auf einem anderen Feld: gegen die vor allem im Sommer gängige Praxis des so genannten Botellóns, dem Konsum mitgebrachter Alkoholika auf öffentlichen Plätzen, um so die hohen Getränkepreise der Bars zu umgehen. Gegen diesen Botellón also erließ Innenminister Rajoy das "Gesetz zur Vermeidung ungehörigen Konsums alkoholischer Getränke". Seitdem ist es in Spanien verboten, auf offener Straße Alkohol zu trinken.


Dass er Aznars Politik in all ihren Details genauso fortführen möchte, hat Rajoy bereits am Tag seiner Ernennung zum Nachfolger angekündigt: "Ich bin nicht voller Komplexe, ich habe es nicht nötig, Unterschiede zu erfinden." Letztendlich wird in Spanien also doch alles beim Alten bleiben.
So bleibt dem Land immerhin das erspart, was sich als Modell Schröder bezeichnen ließe: eine sozialdemokratische Regierung, die neoliberale, rechte Politik macht und von einer noch rechteren Opposition getrieben wird. Denn in Fragen der so genannten inneren Sicherheit etwa oder der Abschottung gegen MigrantInnen stimmen Spaniens Sozialdemokraten längst mit der Regierung überein und würden - kämen sie an die Regierung - keine Änderungen vornehmen.