Normales Serbien? (für zip-fm)
ID 5346
Anmoderation: In Belgrad läuft derzeit vieles gegen die regierende DOS-Koalition. Das Zweckbündnis zum Sturz von Slobodan Milosevic wird auf der Straße und im Parlament zum Rücktritt aufgerufen. Aus Serbien berichtet Stefan Tenner
Audio
05:20 min, 2499 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Stereo (22050 kHz)
Upload vom 04.11.2003 / 08:41
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Klassifizierung
Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: interaudio.org
keine Linzenz
Skript
Sendetext:
Beginn: O-Ton1: Atmo von der Demo
Die Wut stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Mehr als 10.000 Arbeiter waren am vergangenen Mittwoch nach Belgrad geströmt. Der Besuch von Bundeskanzler Schröder und die beginnende Misstrauensdebatte im Parlament, war der Auftakt für drei Tage währende Demonstrationen. Der Bund unabhängiger Gewerkschaften hatte dazu aufgerufen. Die Arbeiter forderten die serbische Regierung zum Rücktritt auf, sie forderten Neuwahlen des Parlaments und die Beendigung der Privatisierungen. Einige Demonstranten fühlten sich an die Ereignisse vor drei Jahren erinnert. Am 5. Oktober 2000 hatten die Massendemonstrationen gegen die Vorgängerregierung unter Milosevic, die politische Wende in Serbien eingeleitet.
O-Ton2: Atmo von der Demo
„Wo warst Du am 5. Oktober, hast Du Dich auch hier verteidigt? Ja aber Du warst hier…“ Die Emotionen kochten hoch. Denn es demonstrierten diejenigen, die wie so viele andere nicht von der politischen Wende in Serbien profitiert hatten. Schon am Donnerstag, waren es nur noch mehrere Hunderte Demonstranten gekommen und es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei. Sieben Arbeiter wurden verletzt als sie versuchten am Parlamentsgebäude vorbei zu ziehen. Das war ihnen jedoch verboten. Die Polizei versperrte ihnen den Weg. Die Arbeiter durchbrachen zwar die Sperren, wurden aber immer wieder zurückgedrängt. Auch im Parlament ging es zur gleichen Zeit hoch her. Die Debatte um den Misstrauensantrag gegen die serbische Regierung erhöhte Emotionen und den Lärmpegel. Premier Zoran Zivkovic präsentierte zuvor einen Bericht über die 1000tägige Amtszeit der Regierung und bezeichnete Serbien als normales Land. Die Opposition erwiderte darauf:
O-Ton3: Rede im Parlament
„Wenn es hier für die Mehrheit der Abgeordneten die diese Regierung unterstützen, ein normales Serbien ist. Wenn nur einige hundert Meter von diesem Parlament, in dem Ihr unbesorgt arbeitet, die Bevölkerung geschlagen wird, nur weil sie begonnen hat zu protestieren. Und die Polizei sie sie zum ersten Mal seit dem 5. Oktober davon abhält, obwohl sie nicht die öffentliche Sicherheit gefährden. Dann ist das allein Ihre Sache.
Die Mitglieder der DSS und anderer Parteien, überlassen es dann ihnen Serbien aufzubauen. Ein Serbien in welchem jeder der etwas gegen die Regierung sagt, geschlagen wird. Wo Polizeiketten die Demokratie verteidigen. Bis die Polizeiabsperrungen nicht aufgehoben werden und die Arbeiter nicht friedvoll demonstrieren können, werden wir Mitglieder der DSS nicht mit Euch zusammenarbeiten. Wir können hier nicht mit Euch sitzen und darüber diskutieren, was für Euch ein normales Serbien ist.“
So Dejan Mihaljov, von der derzeit stärksten oppositionellen Kraft, der konservativen DSS, mit Vojislav Kostunica an der Spitze. Sie wie auch andere Oppositionsparteien unterstützten die Proteste. Premier Zivkovic wiederum bedauerte die Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten und kündigte eine Untersuchung der Ereignisse an.
Die Diskussionen im Parlament gingen dann emotional weiter, hatte die Regierung doch schon bereits Mitte Oktober ihre Mehrheit verloren. Bei der Eröffnung der parlamentarischen Herbstsitzungen überstimmte die Opposition die brüchige Regierungskoalition und setzte den Misstrauensantrag so auf die Tagesordnung. Seit dem wird das Parlament immer wieder hingehalten. Die noch immer unter dem alten Namen regierende Demokratische Opposition Serbiens, kurz DOS, könnte nun über die Anträge ihrer eigenen Opposition stolpern.
Gründe für ein Misstrauen in die serbische Regierung sind dabei zahlreich: eine verfehlte Innen- und Wirtschaftspolitik gelten als Hauptursachen. Wohl aber auch die nicht enden wollenden Skandale, die weiterhin grassierende Korruption oder die Unfähigkeit Reformen durchzusetzen. Seit dem Ausstieg der DSS und den damit ersten Bruch der DOS-Koalition nach der Auslieferung Milosevic nach Den Haag vor zwei Jahren, steht die Politik in Serbien still.
Sollte der Regierung nun das Misstrauen ausgesprochen werden oder kommt die Regierung dem durch Neuwahlen zuvor, würde sich die künftige parlamentarische Zusammensetzung erheblich verändern. Und das zu Ungunsten der derzeit stärksten Partei DS, des im März ermordeten Premier Zoran Djindjic. Die neue Partei G17 Plus unter Labus würde nach jüngsten Umfragen auf Anhieb auf 13 Prozent kommen. Kostunicas DSS wäre demnach stärkste Kraft, die zur Zeit auf 18 Prozent kommen würden. Die Demokratische Partei DS würden nur noch 15 Prozent wählen. Diese drei Parteien wären auch künftige mögliche Koalitionspartner.
Sollte es der Regierung dennoch gelingen weiter zu bestehen, kommt schon das nächste Desaster auf sie zu. Für den 16. November wurden die Wähler zum nunmehr vierten Urnengang aufgerufen, um einen serbischen Präsidenten zu wählen. Vor genau einem Jahr waren diese Wahlen immer wieder wegen zu geringer Wahlbeteiligung gescheitert. Auch dieses Mal könnte es wieder so kommen. Die Klausel für eine Mindestbeteiligung von 50% wurde immer noch nicht aufgehoben und in diesem Jahr boykottieren Labus und Kostunica, die beiden Spitzenkandidaten vom letzten Jahren die Wahlen.
Die politische Landschaft in Serbien steht vor einer Veränderung, die die amtierende Regierung bisher verzögert. Bis dahin werden die Arbeiter weiter demonstrieren, für ein normales Serbien. Sie wollen auf der Straße sein bis diese Regierung abtritt.
O-Ton4: Atmo von der Demo
Beginn: O-Ton1: Atmo von der Demo
Die Wut stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Mehr als 10.000 Arbeiter waren am vergangenen Mittwoch nach Belgrad geströmt. Der Besuch von Bundeskanzler Schröder und die beginnende Misstrauensdebatte im Parlament, war der Auftakt für drei Tage währende Demonstrationen. Der Bund unabhängiger Gewerkschaften hatte dazu aufgerufen. Die Arbeiter forderten die serbische Regierung zum Rücktritt auf, sie forderten Neuwahlen des Parlaments und die Beendigung der Privatisierungen. Einige Demonstranten fühlten sich an die Ereignisse vor drei Jahren erinnert. Am 5. Oktober 2000 hatten die Massendemonstrationen gegen die Vorgängerregierung unter Milosevic, die politische Wende in Serbien eingeleitet.
O-Ton2: Atmo von der Demo
„Wo warst Du am 5. Oktober, hast Du Dich auch hier verteidigt? Ja aber Du warst hier…“ Die Emotionen kochten hoch. Denn es demonstrierten diejenigen, die wie so viele andere nicht von der politischen Wende in Serbien profitiert hatten. Schon am Donnerstag, waren es nur noch mehrere Hunderte Demonstranten gekommen und es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei. Sieben Arbeiter wurden verletzt als sie versuchten am Parlamentsgebäude vorbei zu ziehen. Das war ihnen jedoch verboten. Die Polizei versperrte ihnen den Weg. Die Arbeiter durchbrachen zwar die Sperren, wurden aber immer wieder zurückgedrängt. Auch im Parlament ging es zur gleichen Zeit hoch her. Die Debatte um den Misstrauensantrag gegen die serbische Regierung erhöhte Emotionen und den Lärmpegel. Premier Zoran Zivkovic präsentierte zuvor einen Bericht über die 1000tägige Amtszeit der Regierung und bezeichnete Serbien als normales Land. Die Opposition erwiderte darauf:
O-Ton3: Rede im Parlament
„Wenn es hier für die Mehrheit der Abgeordneten die diese Regierung unterstützen, ein normales Serbien ist. Wenn nur einige hundert Meter von diesem Parlament, in dem Ihr unbesorgt arbeitet, die Bevölkerung geschlagen wird, nur weil sie begonnen hat zu protestieren. Und die Polizei sie sie zum ersten Mal seit dem 5. Oktober davon abhält, obwohl sie nicht die öffentliche Sicherheit gefährden. Dann ist das allein Ihre Sache.
Die Mitglieder der DSS und anderer Parteien, überlassen es dann ihnen Serbien aufzubauen. Ein Serbien in welchem jeder der etwas gegen die Regierung sagt, geschlagen wird. Wo Polizeiketten die Demokratie verteidigen. Bis die Polizeiabsperrungen nicht aufgehoben werden und die Arbeiter nicht friedvoll demonstrieren können, werden wir Mitglieder der DSS nicht mit Euch zusammenarbeiten. Wir können hier nicht mit Euch sitzen und darüber diskutieren, was für Euch ein normales Serbien ist.“
So Dejan Mihaljov, von der derzeit stärksten oppositionellen Kraft, der konservativen DSS, mit Vojislav Kostunica an der Spitze. Sie wie auch andere Oppositionsparteien unterstützten die Proteste. Premier Zivkovic wiederum bedauerte die Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten und kündigte eine Untersuchung der Ereignisse an.
Die Diskussionen im Parlament gingen dann emotional weiter, hatte die Regierung doch schon bereits Mitte Oktober ihre Mehrheit verloren. Bei der Eröffnung der parlamentarischen Herbstsitzungen überstimmte die Opposition die brüchige Regierungskoalition und setzte den Misstrauensantrag so auf die Tagesordnung. Seit dem wird das Parlament immer wieder hingehalten. Die noch immer unter dem alten Namen regierende Demokratische Opposition Serbiens, kurz DOS, könnte nun über die Anträge ihrer eigenen Opposition stolpern.
Gründe für ein Misstrauen in die serbische Regierung sind dabei zahlreich: eine verfehlte Innen- und Wirtschaftspolitik gelten als Hauptursachen. Wohl aber auch die nicht enden wollenden Skandale, die weiterhin grassierende Korruption oder die Unfähigkeit Reformen durchzusetzen. Seit dem Ausstieg der DSS und den damit ersten Bruch der DOS-Koalition nach der Auslieferung Milosevic nach Den Haag vor zwei Jahren, steht die Politik in Serbien still.
Sollte der Regierung nun das Misstrauen ausgesprochen werden oder kommt die Regierung dem durch Neuwahlen zuvor, würde sich die künftige parlamentarische Zusammensetzung erheblich verändern. Und das zu Ungunsten der derzeit stärksten Partei DS, des im März ermordeten Premier Zoran Djindjic. Die neue Partei G17 Plus unter Labus würde nach jüngsten Umfragen auf Anhieb auf 13 Prozent kommen. Kostunicas DSS wäre demnach stärkste Kraft, die zur Zeit auf 18 Prozent kommen würden. Die Demokratische Partei DS würden nur noch 15 Prozent wählen. Diese drei Parteien wären auch künftige mögliche Koalitionspartner.
Sollte es der Regierung dennoch gelingen weiter zu bestehen, kommt schon das nächste Desaster auf sie zu. Für den 16. November wurden die Wähler zum nunmehr vierten Urnengang aufgerufen, um einen serbischen Präsidenten zu wählen. Vor genau einem Jahr waren diese Wahlen immer wieder wegen zu geringer Wahlbeteiligung gescheitert. Auch dieses Mal könnte es wieder so kommen. Die Klausel für eine Mindestbeteiligung von 50% wurde immer noch nicht aufgehoben und in diesem Jahr boykottieren Labus und Kostunica, die beiden Spitzenkandidaten vom letzten Jahren die Wahlen.
Die politische Landschaft in Serbien steht vor einer Veränderung, die die amtierende Regierung bisher verzögert. Bis dahin werden die Arbeiter weiter demonstrieren, für ein normales Serbien. Sie wollen auf der Straße sein bis diese Regierung abtritt.
O-Ton4: Atmo von der Demo
Kommentare
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05.11.2003 / 10:59 | georg, Radiofabrik, Salzburg |
Übernahme
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hallo, wir haben euren Beitrag (leicht gekürzt) übernommen. Sehr gute gute Qualität, muchas gracias | |