Back Up - Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt

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Letztes Jahr im November hat in Dortmund die Beratungsstelle Back Up die Arbeit aufgenommen. Back Up ist die erste Beratungsstelle für Opfer Rechter Gewalt in Westdeutschland. Im April lieferte die Beratungsstelle eine erste Bilanz. Und die ist gar nicht schön.
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06:30 min, 6091 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 06.05.2012 / 15:15

Dateizugriffe: 1184

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Antifa Medienzentrum Dortmund
Kontakt: radio(at)nrdpl.org
Radio: Radio Nordpol DO, Dortmund im www
Produktionsdatum: 06.05.2012
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Immerhin - es gibt mittlerweile diese eine Beratungsstelle in Westdeutschland. Im Herbst 2010 war das Innenministerium noch der Ansicht, dass es in NRW keinen Bedarf für so eine Beratungsstelle gibt.

„Schließlich seien Opferschutz und Opferhilfe feste Bestandteile polizeilicher Arbeit. Die Einrichtung weiterer Beratungsstellen speziell für Opfer rechtsextremistischer Gewalt ist angesichts des breiten Hilfsangebotes, das in Nordrhein-Westfalen auf allen Ebenen zur Verfügung steht, nicht notwendig.“ So die Ansicht der Landesregierung noch Ende 2010.

Glücklicherweise erfolgte im Laufe des Jahres 2011 bei den Verantwortlichen ein Umdenken. Zumindest scheinbar. Denn ein halbes Jahr nach der Eröffnung der Beratungsstelle ist absehbar, dass die zugesagten Gelder bald aufgebraucht sein werden.

Mit großem Pressewirbel wurde im November die Gründung der Beratungsstelle Back Up bekannt gegeben. 150 000 Euro sagte das Land zu. 50 000 Euro gab es von der Stadt Dortmund. Das hört sich erst mal nach einem Haufen Geld an. Tatsächlich ist die Finanzierung damit aber nur bis September 2012 gesichert. Dann laufen auch die Arbeitsverträge der MitarbeiterInnen schon wieder aus.

So begrüßenswert wie die Einrichtung der Beratungsstelle ist, die Arbeitsbedingungen für die MitarbeiterInnen sind – wie so oft im sozialen Bereich – katastrophal. Laut Arbeitsvertrag sind die Beraterinnen halbtags beschäftigt. Tatsächlich arbeiten sie ganztags. Sie sind auch nicht nur in Dortmund unterwegs, sondern in ganz Westfalen und bis ins Rheinland hinein. Einen PKW gibt es für sie nicht - dafür aber Arbeit bis zum umfallen.

Zu wenig Zeit für zu viele Opfer – so lautet dann auch das Fazit der Beratungsstelle nach dem ersten halben Jahr. 42 Fälle werden aktuell in ganz NRW betreut – und noch mehr warten auf Hilfe. Wie groß der Bedarf ist zeigte sich schon im letzten Jahr. Bereits vor dem offiziellen Start im November suchten 10 von rechter Gewalt betroffene Familien Hilfe bei der Beratungsstelle.

Von Euskirchen bis Porta Westfalica sind die BeraterInnen derzeit unterwegs. Back Up leistet aufsuchende Hilfe. Das heißt die 6 TeilzeitmitarbeiterInnen besuchen die Opfer und deren Angehörige. Denn die Hilfe für die teils stark traumatisierten Menschen funktioniert nicht wie ein Behördengang. Nach einem Angriff sind die BeraterInnen von Backup oft als erste vor Ort, lassen die Betroffenen erzählen und nehmen sie ernst.

Die Hilfe ist kostenlos und beinhaltet juristische Beratung, Begleitung bei Aussagen bei der Polizei, Formalkram wie z.B. Anträge auf Entschädigung, Prozessbegleitung und psychosoziale Betreuung. Die Betreuer fahren gemeinsam mit den Opfern zur Polizei und achten darauf, dass Anzeigen richtig aufgenommen werden. Rechtsanwälte stehen den Betroffenen bei, wenn sie als Nebenkläger am Prozess teilnehmen können. Und bei Übersetzungs-Schwierigkeiten werden Dolmetscher besorgt. Wenn die Opfer es möchten übernimmt backup auch Öffentlichkeitsarbeit um die Isolation der Opfer zu durchbrechen. Das alles ist aber abhängig von dem Willen der Betroffenen, die sich auch anonym melden können.

Die Hilfesuchenden sind von ganz unterschiedlichen Anfeindungen durch Rechte betroffen. Das können im Namen der Opfer bestellte Pizza oder Zeitungen sein, nächtliche Anrufe, zerkratze Autos oder Schmierereien am Wohnhaus. Viele Menschen müssen zum Teil seit Jahren den alltäglichen Terror durch Neonazis ertragen. Drohungen, Einschüchterungen, Anschläge sind an der Tagesordnung. Was bleibt, ist oft nur ein Leben in Angst: „Was passiert wohl als Nächstes?“ Rechtlich ist dieser alltägliche Terror nur schwer zu verfolgen. Die Polizei kann oft nicht viel machen. Das wissen die Rechten.

Die meisten Opfer, die von Back Up betreut werden, sind entweder Migranten, die aus rassistischen Motiven angegriffen wurden. Oder es sind politische Gegner von Neonazis, zu denen neben antifaschistischen Aktivisten auch viele Akteure aus demokratischen Parteien und Zusammenschlüssen gehören. Außerdem werden Wohnungslose und Menschen jüdischen Glaubens angegriffen.

Aber nur ein Bruchteil der Betroffenen meldet sich überhaupt bei Back Up. Viele sind verängstigt und haben kein Vertrauen in staatliche Stellen. Das ist auch kein Wunder. Immer wieder berichten Betroffene, dass die Polizei sich weigert Anzeigen wegen rechtsextremistischer Taten aufzunehmen. Geschädigte müssen sich von Polizistinnen sagen lassen, dass sie ja selber schuld sind. Wer öffentlich Position gegen Rechts bezieht – muss halt damit rechnen von Rechten angegriffen zu werden. Selber schuld – so sagen viele Polizeibeamte.

Lange Zeit wurde das Thema Gewalt von Rechtsextremen in den Osten abgeschoben. Es wurde als ein Jugendproblem abgehakt, nie die Dimension an Gewalt dahinter gesehen. Die Betroffenen wurden im Stich gelassen – und das oft über viele Jahre hinweg.
Das hat sich immerhin geändert. Opferberatung wird mittlerweile als eine Säule im Kampf gegen Rechts anerkannt.

Die Opferberatungsstelle „Back Up“ wird von Claudia Luzar geleitet und auch wissenschaftlich betreut. Sie ist auch Mitarbeiterin des Bielefelder Gewaltforschers Wilhelm Heitmeyer. Sie hat in ihrer Doktorarbeit über die Autonomen Nationalisten geschrieben. Sie will herausfinden, wie die Hilfe für Opfer rechter Gewalt in Westdeutschland gestaltet sein muss. Im Osten gibt es bereits seit Längerem mehrere Hilfsstellen für Betroffene.

Auch dort war Claudia Luzar Ende der 90er Jahre verantwortlich für den Aufbau der „Opferperspektive Brandenburg“. Das Problem sei auch im Osten zunächst klein geredet worden. Auch dort habe man versucht die Einrichtung einer Beratungsstelle in Frage zu stellen.
Die Beratungsstelle Back Up soll keine Eintagsfliege werden, sondern eine langfristig angelegte Einrichtung. So jedenfalls der Wunsch der in der Beratungsstelle tätigen.

Auch alle demokratischen Parteien haben dies mittlerweile erkannt, das eine solche Beratungsstelle nötig ist. Jetzt fehlt nur noch die dauerhafte und ausreichende Finanzierung. Und zwar so, dass die MitarbeiterInnen auch ein angemessenes Gehalt bekommen. Vollzeit arbeiten – Teilzeit bezahlt bekommen – geht doch gar nicht.

Kommentare
08.05.2012 / 11:55 Andreas Reimann (RDL), Radio Dreyeckland, Freiburg
Im zip am Dienstag 8. Mai 2012
Danke!