Die elektronische Gesundheitskarte

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Die Planungen laufen schon seit Jahren. Und nun wird es allmählich ernst. Die Krankenkassen haben im Oktober begonnen ihre Versicherten anzuschreiben. Alle sollen neue Versicherungskarten bekommen. Ganz Modern und total sicher: mit Foto und einem les- und beschreibbaren Speicherchip.
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Upload vom 06.11.2011 / 18:32

Dateizugriffe: 476

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Entstehung

AutorInnen: Radio Brennessel
Kontakt: radio(at)nrdpl.org
Radio: Radio Nordpol DO, Dortmund im www
Produktionsdatum: 06.11.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Haben Sie auch schon Post von Ihrer Krankenkasse bekommen? Bei uns ist jedenfalls im Oktober ein Schreiben von der Krankenkasse angekommen. Es geht dabei um die neuen Krankenversicherungsausweise. Die Plastikkarten sollen nicht nur im Orwellschen Sinne in Gesundheitskarten umbenannt werden. Die anstehenden Änderungen sind viel einschneidender - und erinnern ebenfalls an Orwells 1984. Mehr dazu im nächsten Beitrag.

Die Planungen laufen schon seit Jahren. Und nun wird es allmählich ernst. Die Krankenkassen haben im Oktober begonnen ihre Versicherten anzuschreiben. Alle sollen neue Versicherungskarten bekommen. Ganz Modern und total sicher: mit Foto und einem les- und beschreibbaren Speicherchip.

Das Foto müssen die Versicherten selber bezahlen. Dafür soll die neue Karte ganz besonders gut vor Missbrauch geschützt sein. Wie ein Missbrauch der Krankenversicherungskarte aussehen soll ist uns allerdings schleierhaft.

Mittlerweile ist hierzulande jede und jeder bei einer Krankenkasse zwangsweise versichert. Unabhängig davon ob er oder sie das überhaupt bezahlen kann. Im Zweifelsfall laufen halt ordentlich Schulden auf – aber versichert ist Mensch trotzdem. Ob man will oder nicht. Die wenigen die hierzulande tatsächlich ohne Krankenversicherung sind und möglicherweise mit einer fremden Karte zum Arzt gehen rechtfertigen den Aufwand jedenfalls in keinster Weise.

Es geht hier immerhin um Beträge im Milliardenbereich, welche die Einführung dieser neuen Karte kosten soll. Von den zusätzlich anfallenden Kosten für den Betrieb des neuen Systems einmal ganz abgesehen. Seit Jahren werden wegen angeblich leerer Kassen im Gesundheitsbereich Leistungen gestrichen. Für die neue Plastikkarte scheinen keine Kosten zu hoch.

Der angeblich verbesserte Schutz vor Missbrauch kann als Argument für die neue Karte nicht ernst genommen werden. Aber da ist ja auch noch dieser neue Speicherchip.

Zunächst soll auf diesem Chip – wie bisher auch schon – nur Name, Adresse und Geburtsdatum der Versicherten gespeichert werden. Also dass was bisher auch schon darauf gespeichert ist. Später soll die Karte dann aber mit der „Elektronischen Krankenakte“ verknüpft werden. Ärztliche Diagnosen, verschriebene Medikamente, Krankenhausaufenthalte, Arztbesuche all das soll für alle Versicherten zusammengefasst in einem bundesweit abrufbaren Datennetz abgespeichert werden.

Und da kommen wir zum Kern der Sache. Eine derartig umfangreiche Datenbank mit den persönlichsten Daten überhaupt ist sicherlich für manch Einen höchst Interessant – nicht nur für die IT-Firmen die sich an diesem Soft- und Hardwareprojekt eine goldene Nase verdienen.

Die Zugriffsrechte sollen auf Beschäftigte von Arztpraxen, Krankenhäusern und Krankenkassen beschränkt sein. Aber allein damit geht die Zahl derjenigen die Zugriff auf diese Daten haben locker in die Hunderttausende. Die ärztliche Schweigepflicht – die z.B. auch gegenüber anderen Ärzten gilt - hat sich mit dieser Datensammlung dann so nebenbei auch erledigt. Und wie sollen die Daten vor unberechtigtem Zugriff sicher sein? Es ist doch längst eine Binsenweisheit, dass selbst die ausgefeiltesten Sicherungsvorkehrungen nicht vollständig vor unberechtigtem Zugriff schützen können.

Aber zum Glück ist dieses Mammutprojekt noch weit von seiner tatsächlichen Realisierung entfernt. Die neuen Karten werden zwar schon unter die Leute gebracht, aber ob und wann alle geplanten Anwendungen – wie z.B. die elektronische Krankenakte – tatsächlich funktionieren ist noch nicht absehbar.

Es ist auch noch nicht klar, was passiert wenn mensch sich weigert der Krankenkasse ein Foto für die Karte zu schicken. Denn das ist vom Gesetzgeber gar nicht vorgesehen. Jede und Jeder Versicherte soll die Karte bis Ende 2013 bekommen – und dafür halt ein Foto zur Verfügung stellen. Widerspruch ist nicht vorgesehen. - Aber trotzdem möglich – der Versicherungsschutz entfällt jedenfalls nicht so ohne weiteres wenn Sie kein Foto an ihre Krankenkasse schicken. Verschiedene Gruppen rufen mittlerweile zum Boykott der neuen Karte auf. Darunter sind übrigens auch Vertreter der niedergelassenen Ärzte. Für diese bedeutet die neue Karte nämlich noch mehr Verwaltungsarbeit und Kosten für neue Lesegeräte und die Anbindung an die zentralen Server.

Datenschützer wie z.B. der AK-Vorrat rufen die Versicherten dazu auf, den Kassen kein Foto zu schicken. Statt dessen sollen die Versicherten ihrer Krankenkasse schreiben, dass sie die Karte nicht benutzen wollen. Die Krankenkassen haben zwar viele Leute beschäftigt, aber dann doch nicht so viele um eine massenhafte politische und rechtliche Diskussion mit ihren Mitgliedern führen. Wenn nur ein Prozent der Betroffenen mit Widerspruch und Klage gegen die neue Karte vorgeht, wird allein dadurch bei den Verantwortlichen ein Umdenken stattfinden. So die Hoffnung der Datenschützer.

Denkbar wäre auch, dass die Elektronische Versichertenkarte genauso scheitert wie der Elektronische Lohn- und Einkommensnachweis - ELENA. Dieses steuerliche Datenerfassungssystem wurde wegen seiner umständlichen und nutzerfeindlichen Ausgestaltung wieder gestoppt. Noch bevor das Bundesverfassungsgericht dazu kam die Rechtmäßigkeit des Systems zu beurteilen.


Abmod.:
Die Krankenkassen prüfen übrigens nicht ob die eingesandten Fotos wirklich die versicherte Person zeigen.

Kommentare
09.11.2011 / 11:33 kmm, Radio Dreyeckland, Freiburg
THX
im Mora bei RDL am 9.11.
 
09.11.2011 / 18:08 erich, LORA München
wird am 9.11. bei Radio Lora München gesendet.
Vielen Dank!
 
10.11.2011 / 21:17 R., bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
wurde am 10.11. bei sonar gesendet
Vielen Dank!
 
05.03.2012 / 08:48 hikE, Radio Unerhört Marburg (RUM)
und gleich noch mal in Fruehschicht 5.3.2012
gesendet. Danke! Die "Gesundheits"kassen schreiben schliesslich immer noch Leute um Fotos fuer die "Gesundheits"karte an.