Eine Welt voller Dorian Grays - Der Film "Surrogates"
ID 31645
In 17 Jahren werden die Menschen nur noch durch ihre Roboteravatare die Welt erleben. Das zumindest ist die Science Fiction Vision des Films "Surrogates" der jetzt in den Kinos startet.
Audio
07:46 min, 7285 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 18.01.2010 / 14:35
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Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Eine Welt voller Dorian Grays
Oscar Wildes 1890 veröffentlichter Roman „Das Bildnis des Dorain Gray“ galt im viktorianischen England als ein Skandalbuch welches den bestehenden Zeitgeist ironisch überhöhte und damit den damaligen Hedonismus der oberen Zehntausend den Spiegel vorsetzte. Der Hauptcharakter Dorian Gray ist darin ein angesehener junger Mann der englischen Gesellschaft. Als eines Tages ein berühmter Maler ein Porträt von ihm anfertigt, stellt Dorian kurze Zeit später fest, dass dieses an seiner Stelle altert. Voller Lebenslust wirft sich Dorian Gray nun in das Leben. Immer ausschweifender werden seine Exzesse, immer dunkler seine Taten. Doch er selbst bleibt der schöne Jüngling von einst. Während um ihn herum alles altert und verfällt scheint Gray die Unsterblichkeit gefunden zu haben. Doch natürlich zeichnet das Leben nicht nur das Aussehen eines Menschen…
Der Film „Surrogates“ von Jonathan Mostow adaptiert diese Vision in die nahe Zukunft. Jeder Menschen besitzt dort einen Roboter, genannt Surrogate, der durch die eigenen Gedanken gesteuert wird. Die Menschen sitzen zuhause in ihren Sesseln und steuern ihr zweites ich durch die Gegend. Alles scheint perfekt, keiner muss mehr altern und sogar die Kriminialitätsrate sinkt. Nur wenige Menschen wollen bewusst als Menschen leben und lehnen die elektronischen Puppen ab. Diese leben als Rebellen in umzäumten Reservaten. Doch eines Tages kommt es zum ersten Mord seit vielen Jahren. Ausgerechnet der Sohn des Surrogates-Erfinders wird tot aufgefunden. Das Außergewöhnliche sind jedoch die Umstände seines Todes. Der Sohn wurde durch die Verbindung zu seinem Surrogate ermordet. Der FBI-Agent Tom Greer nimmt die Ermittlungen auf, muss jedoch bald feststellen, dass es bei diesem Fall um viel mehr geht als ein paar defekte Schaltkreise.
Die Liste der kulturellen Vorbilder für Surrogates ist lang. Von der Legende des Golems in Prag über E.T.A. Hoffmans „Sandmann“ bis hin zu Second Life und World of Warcraft. Die Kulturgeschichte ist voll von Werken und Gedanken zum künstlichen Menschen. Warum auch nicht. Nicht nur der moderne Mensch wünscht sich den Verfall aufzuhalten. In fast allen Kulturen dieses Planeten finden wir diese Suche nach der ewigen Jugend. Und schließlich ist auch der Film nur eine weitere Form der Konservierung der aktuellen Gesellschaftsverhältnisse und damit auch ein stückweit der in ihr lebenden Menschen.
Doch Surrogates macht den Fehler den die meisten amerikanischen Filme bereits seit vielen Jahren machen. Anstatt aus den neugewonnenen technologischen Neuerungen eine bessere, weil gerechtere Gesellschaft zu bauen, verfällt der Film wieder in alte Muster. So kommt es zum Beispiel, dass es nach wie vor Menschen gibt, die Briefe austragen. Welche Ironie, möchte man rufen! Da steht ein Mensch morgens auf, setzt sich in den Sessel und sein Computer-Ich trägt dann stundenlang Briefe aus. Die Liste dieser idiotischen, weil entfremdeten, Arbeit ließe sich endlos fortsetzen. In einer hochtechnologisierten Welt wird also wieder nur ein Werkzeug zwischengeschaltet, ohne die Arbeit an sich zu verbessern. Wer jetzt jedoch meint, in den Rebellen liege die Aussage für ein menschlicheres Dasein der sieht sich getäuscht. Denn die Menschen, die die Surrogates ablehnen sind die bedrohlichsten Subjekte des amerikanischen Traums: hässlich, wütend und arbeitslos. Von ihnen kommt keine Untermauerung warum es gut sein sollte ein echter Mensch zu sein. Diese Aufgabe muss schließlich auch noch Titelheld Bruce Willis als geläuterter Puppenspieler übernehmen.
Dieser Film bleibt wie so viele Science Fiction Filme hinter seinen Möglichkeiten. Die Überlegung eine neue Gesellschaft zu bauen in der alle gleich sind aber jeder Mensch seine Individualität behält wäre hier verwirklichbar gewesen. Aber durch die schwachbrüstige Krimierzählung bleibt der Film eine Adaption von Stirb Langsam in das digitale Zeitalter. Und vielleicht liegt genau darin der einzige Reiz von Surrogates, denn das Fehlen einer eigene Zukunftsvision kann durch keine technische Spielerei ausgeglichen werden. Doch anstatt dieser Herausforderung zu begegnen macht Surrogates denselben Fehler den Oscar Wilde seine Romanfigur Dorian Gray machen lässt. Beide stellen weder die eigene Existenz in Frage noch überdenken sie ihre Werte neu oder suchen nach anderen Gesellschaftsformen.
Lieber zerstören sie ihr selbsterschaffenes Werkzeug. Oscar Wilde hinterfragt diese Zerstörung dann jedoch auf der Metaebene. Seine Figur ist zerfressen von der eigenen Schuld und erlangt das ewige Leben durch die Zerstörung des Abbilds die die eigene Existenz bedeutet. Doch Bruce Willis schafft diese Form der Selbstreflexion nicht. Die Zerstörung der Surrogates läutet nur ein Aufwachen der Menschheit ein. Ein Aufwachen in dieselben alten Strukturen. Und so muss einmal mehr ein unschuldiger Haufen Metall im Film zerstört werden, damit die Menschheit in ihrem Selbstbetrug weiterexistieren kann.
Surrogates bleibt also ein müde Zukunftsvision der sich seiner Perspektivlosigkeit bewusst ist und diese mit vielen Explosionen zu übertünchen versucht.
Oscar Wildes 1890 veröffentlichter Roman „Das Bildnis des Dorain Gray“ galt im viktorianischen England als ein Skandalbuch welches den bestehenden Zeitgeist ironisch überhöhte und damit den damaligen Hedonismus der oberen Zehntausend den Spiegel vorsetzte. Der Hauptcharakter Dorian Gray ist darin ein angesehener junger Mann der englischen Gesellschaft. Als eines Tages ein berühmter Maler ein Porträt von ihm anfertigt, stellt Dorian kurze Zeit später fest, dass dieses an seiner Stelle altert. Voller Lebenslust wirft sich Dorian Gray nun in das Leben. Immer ausschweifender werden seine Exzesse, immer dunkler seine Taten. Doch er selbst bleibt der schöne Jüngling von einst. Während um ihn herum alles altert und verfällt scheint Gray die Unsterblichkeit gefunden zu haben. Doch natürlich zeichnet das Leben nicht nur das Aussehen eines Menschen…
Der Film „Surrogates“ von Jonathan Mostow adaptiert diese Vision in die nahe Zukunft. Jeder Menschen besitzt dort einen Roboter, genannt Surrogate, der durch die eigenen Gedanken gesteuert wird. Die Menschen sitzen zuhause in ihren Sesseln und steuern ihr zweites ich durch die Gegend. Alles scheint perfekt, keiner muss mehr altern und sogar die Kriminialitätsrate sinkt. Nur wenige Menschen wollen bewusst als Menschen leben und lehnen die elektronischen Puppen ab. Diese leben als Rebellen in umzäumten Reservaten. Doch eines Tages kommt es zum ersten Mord seit vielen Jahren. Ausgerechnet der Sohn des Surrogates-Erfinders wird tot aufgefunden. Das Außergewöhnliche sind jedoch die Umstände seines Todes. Der Sohn wurde durch die Verbindung zu seinem Surrogate ermordet. Der FBI-Agent Tom Greer nimmt die Ermittlungen auf, muss jedoch bald feststellen, dass es bei diesem Fall um viel mehr geht als ein paar defekte Schaltkreise.
Die Liste der kulturellen Vorbilder für Surrogates ist lang. Von der Legende des Golems in Prag über E.T.A. Hoffmans „Sandmann“ bis hin zu Second Life und World of Warcraft. Die Kulturgeschichte ist voll von Werken und Gedanken zum künstlichen Menschen. Warum auch nicht. Nicht nur der moderne Mensch wünscht sich den Verfall aufzuhalten. In fast allen Kulturen dieses Planeten finden wir diese Suche nach der ewigen Jugend. Und schließlich ist auch der Film nur eine weitere Form der Konservierung der aktuellen Gesellschaftsverhältnisse und damit auch ein stückweit der in ihr lebenden Menschen.
Doch Surrogates macht den Fehler den die meisten amerikanischen Filme bereits seit vielen Jahren machen. Anstatt aus den neugewonnenen technologischen Neuerungen eine bessere, weil gerechtere Gesellschaft zu bauen, verfällt der Film wieder in alte Muster. So kommt es zum Beispiel, dass es nach wie vor Menschen gibt, die Briefe austragen. Welche Ironie, möchte man rufen! Da steht ein Mensch morgens auf, setzt sich in den Sessel und sein Computer-Ich trägt dann stundenlang Briefe aus. Die Liste dieser idiotischen, weil entfremdeten, Arbeit ließe sich endlos fortsetzen. In einer hochtechnologisierten Welt wird also wieder nur ein Werkzeug zwischengeschaltet, ohne die Arbeit an sich zu verbessern. Wer jetzt jedoch meint, in den Rebellen liege die Aussage für ein menschlicheres Dasein der sieht sich getäuscht. Denn die Menschen, die die Surrogates ablehnen sind die bedrohlichsten Subjekte des amerikanischen Traums: hässlich, wütend und arbeitslos. Von ihnen kommt keine Untermauerung warum es gut sein sollte ein echter Mensch zu sein. Diese Aufgabe muss schließlich auch noch Titelheld Bruce Willis als geläuterter Puppenspieler übernehmen.
Dieser Film bleibt wie so viele Science Fiction Filme hinter seinen Möglichkeiten. Die Überlegung eine neue Gesellschaft zu bauen in der alle gleich sind aber jeder Mensch seine Individualität behält wäre hier verwirklichbar gewesen. Aber durch die schwachbrüstige Krimierzählung bleibt der Film eine Adaption von Stirb Langsam in das digitale Zeitalter. Und vielleicht liegt genau darin der einzige Reiz von Surrogates, denn das Fehlen einer eigene Zukunftsvision kann durch keine technische Spielerei ausgeglichen werden. Doch anstatt dieser Herausforderung zu begegnen macht Surrogates denselben Fehler den Oscar Wilde seine Romanfigur Dorian Gray machen lässt. Beide stellen weder die eigene Existenz in Frage noch überdenken sie ihre Werte neu oder suchen nach anderen Gesellschaftsformen.
Lieber zerstören sie ihr selbsterschaffenes Werkzeug. Oscar Wilde hinterfragt diese Zerstörung dann jedoch auf der Metaebene. Seine Figur ist zerfressen von der eigenen Schuld und erlangt das ewige Leben durch die Zerstörung des Abbilds die die eigene Existenz bedeutet. Doch Bruce Willis schafft diese Form der Selbstreflexion nicht. Die Zerstörung der Surrogates läutet nur ein Aufwachen der Menschheit ein. Ein Aufwachen in dieselben alten Strukturen. Und so muss einmal mehr ein unschuldiger Haufen Metall im Film zerstört werden, damit die Menschheit in ihrem Selbstbetrug weiterexistieren kann.
Surrogates bleibt also ein müde Zukunftsvision der sich seiner Perspektivlosigkeit bewusst ist und diese mit vielen Explosionen zu übertünchen versucht.