Stagflation - die Kombination zweier Wirtschaftsgrundübel (Moneycracy #15)

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2. Teil
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Vor über einem Jahr haben wir diese Reihe begonnen und das Thema war Inflation. Dieses Phänomen der Geldentwertung beschäftigt uns weiterhin, denn trotz aller angeblicher Anstrengungen der Politik, können wir immer weniger für unsere mühsam verdienten Euro kaufen.
Damit nicht genug. Die Lage hat sich weiter verschlimmert, denn mittlerweile befinden wir uns einer Stagflation. Das Kunstwort setzt sich zusammen aus Inflation und Stagnation.
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27:35 min, 30 MB, mp3
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Upload vom 19.07.2024 / 23:30

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: Moneycracy
Entstehung

AutorInnen: F. Liberatout und Moneycracyteam
Radio: corax, Halle im www
Produktionsdatum: 19.07.2024
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Vor über einem Jahr haben wir diese Reihe begonnen und das Thema war Inflation. Dieses Phänomen der Geldentwertung beschäftigt uns weiterhin, denn trotz aller angeblicher Anstrengungen der Politik, können wir immer weniger für unsere mühsam verdienten Euro kaufen.
Damit nicht genug. Die Lage hat sich weiter verschlimmert, denn mittlerweile befinden wir uns einer Stagflation. Das Kunstwort setzt sich zusammen aus Inflation und Stagnation. Es besagt, dass die Wirtschaft nicht wächst, wie es ihre unbedingte Pflicht und Schuldigkeit wäre, was wir im Podcast zu Wirtschaftswachstum erläutert haben und den ihr bei Bedarf gerne noch mal auf diesem Portal nachhören könnt.
Hinzu kommt die erwähnte Inflation, was nicht ins Schema gängiger Wirtschaftstheorien passt. Diese gehen davon aus, dass in Aufschwungphasen die Löhne und Preise steigen und dies entsprechend mit mehr Inflation verbunden ist. Umgekehrt soll in Zeiten geringen Wirtschaftswachstums die genannten Größen sinken und damit den Preisauftrieb dämpfen. Wie so oft in den Wirtschaftstheorien sind schon die Annahmen fragwürdig. Preise sinken extrem selten, fast immer steigen sie, wie euch wahrscheinlich euere eigene Lebenserfahrung lehrt. Sicher gibt es bestimmte Situationen, meist in Technikentwicklungen, in denen Preise einzelner Konsumprodukte sinken. Die Computerentwicklung oder die Handys sind solche Beispiele. Das hat aber überhaupt nichts mit niedriger Nachfrage zu tun und sehr schnell sinken auch die Absolutpreise nicht mehr, sondern die KonsumentInnen bekommen für dasselbe oder leicht mehr Geld, wesentlich bessere Produkte.
Kurz gesagt, dass die Preise für irgendein relevantes Alltagsgut gesunken sind, liegt soweit zurück, dass nur unscharfen Mythen davon erzählen können.
Zurück zur Stagflation. In der jetzigen Situation müssten wir eigentlich korrekter von Rezflation sprechen, denn die BRD befindet sich in der Rezession. Die Wirtschaft schrumpft und die Preise steigen. Keine gute Kombination, wobei das Phänomen nicht so selten ist, wie jetzt alle tun. Vielleicht habt ihr gelesen, dass der Autobauer Daimler in den letzten Jahren konstant weniger Autos verkauft, aber mehr Gewinn gemacht hat. Das gleiche gilt für Apple. Es werden zwar weniger Produkte hergestellt, diese werden jedoch teurer verkauft – eine solche betriebswirtschaftliche Rezflation ist für die beteiligten Unternehmen sehr lukrativ.
Der Staat verschärft mit der politisch gewollten künstlichen Verteuerung der Energiepreise die Lage weiter. Die angehobene Abgaben auf Energie, vor allem also die CO2 Bepreisung, sollen den Energieverbrauch senken. Da die Menschen aber immer noch Energie brauchen, schließlich heizen sie nicht zum Spaß, müssen sie für weniger Energie mehr Geld ausgeben. Dieses more money for less product ist das Wesen der Rezflation, das wir in Form der kleineren Packungsgrößen des Supermarktes auf breiter Front beobachten können. Wiederum treffen die herkömmliche Theorieannahmen nicht zu, die unterstellen, für Stagnation oder Rezession brauche es eine verringerte Nachfrage. Die Nachfrage ist da – wir würden gerne weiter die 100 g Tafel Schokolade für 89 Cent kaufen können – aber wir bekommen nur noch die 80 Gramm Tafel für 99 Cent.
Das Leben wird also auf breiter Front teurer – eine Situation die auch die Herrschenden nicht kalt
lassen kann, denn schließlich wollen sie wiedergewählt werden.
Die Lösung soll in steigenden Notenbankzinsen liegen, weshalb diese Zinsschritte der amerikanischen FED und der Europäischen Zentralbank seit Monaten die Nachrichten füllen. Der Zinssatz der Europäischen Zentralbank ist mit 4.5 Prozent so hoch, wie noch nie seit es die Gemeinschaftswährung gibt.
Was ist denn eigentlich dieser Leitzinssatz? Er besteht genau genommen aus drei Zinssätzen.
Der Hauptrefinanzierungszinssatz legt fest, in welchem Maße sich die Geschäftsbanken mittelfristig Geld von der Zentralbank leihen können. Der Spitzenrefinanzierungssatz ist die Größe für kurzfristige Kredite, er ist höher. Der Einlagezinssatz beschreibt, wie der Name bereits andeutet, wie viel die Geschäftsbanken von Zentralbank bekommen, wenn sie dort Geld anlegen.
Die Idee dabei ist, über einen hohen Zentralbankzinssatz die Kreditvergabe und damit die Geldmenge und den Geldumlauf senken. Die Praxis bestätigt diese Theorie nur teilweise. In der Tat haben die relativ hohen Zentralbankzinssätze negative Auswirkungen auf die Kreditvergabe, worunter in Deutschland vor allem die Bauwirtschaft aber auch andere Wirtschaftsbereiche leiden. Der Effekt auf den Hauptzielparameter Inflation ist jedoch aktuell mehr als bescheiden, nach wie vor liegt die Inflationsrate in Deutschland über 6 Prozent und EU-weit über 5 Prozent.
Das ist auch nicht sonderlich verwunderlich, denn eigentlich kann dieses ganze mit großer medialer Aufmerksamkeit inszenierte Zinstamtam aus unterschiedlichen Gründen nicht funktionieren.
Wir befinden uns in keiner Boomphase mit hoher Produktion und Nachfrage, welche die Preise und die Löhne treiben würden. Die Wirtschaft muss nicht abgekühlt werden, sie ist, um im Sprachgebrauch zu bleiben, bereits deutlich kälter als gewünscht.
Diese ritualisierten Zinserhöhungen fußen in ihrer Grundidee auf den keynsianischen Wirtschaftstheorien, die wir in den letzten Podcast besprochen haben. In einer Boomphase soll der Staat, über den Akteur der Notenbank, das Geld verknappen und so der Inflation entgegenwirken. In einer Rezession soll er das Gegenteil davon tun.
Logischerweise sitzt man mit dieser einfachen Handlungsanweisung in der Tinte, wenn man mit Inflation und Rezession gleichzeitig konfrontiert ist. Die Notenbanken haben sich dennoch entschlossen, die Zinsen zu erhöhen und das Geld damit zu verknappen. Das ist grundsätzlich richtig, denn historisch bewegten sich die Leitzinsen der meisten Zentralbanken über Jahrzehnte zwischen 3 und 6 Prozent, um die Geldmenge effektiv zu steuern und zu begrenzen. Erst im Krisenmanagement der Finanzkrise ab 2008 gingen die wichtigsten Zentralbanken zu einer Nullzinspolitik über. Was als akute Krisenmaßnahme einigermaßen sinnvoll war, wirkte sich als jahrelanger Dauerzustand äußerst ungünstig aus. Die Nullzinspolitik erst bildete das Fundament der Geldschwemme und der damit unweigerlich verbundenen Geldentwertung. Daher sind die nun wieder angehobenen Zentralbankzinssätze lediglich als Rückkehr zur Normalität einer einigermaßen soliden Geldpolitik zu werten und können noch gar keinen darüberhinausgehenden Inflationssenkenden Effekt haben.
Die aus dem Ruder gelaufene Geldmenge wird sich damit nicht kurzfristig wieder einfangen lassen. Die sogenannten Märkte sind während der letzten zwei Jahrzehnte über und über mit Geld geflutet worden, da zeigt das bisschen Zinsanhebung praktisch keine Wirkung. Welcher Effekt wird denn erwartet?
Wenn die Notenbanken ihre Zinsen erhöhen steigen über die Mechanismen der Geldschöpfung entsprechend die Zinsen für Kredite, dadurch werden weniger Kredite in Anspruch genommen und somit wird weniger neues Geld in den Markt gepumpt. Das Zauberkunststück der Geldschöpfung aus dem Nichts, das wir in früheren Podcasts besprochen haben, verlangsamt sich. Das verminderte Wachstum der Geldmenge soll sich dämpfend auf die Preisentwicklung auswirken.
Was so einleuchtend klingt, funktioniert aktuell allerdings nirgends auf der Welt und die Gründe für das Versagen dieser Maßnahmen wollen wir jetzt beleuchten.
Wie bereits erwähnt: wir haben keinen Boom, also keine heiß gelaufene Konjunktur und keine steigenden Löhne.
Dennoch ist die Geldmenge riesig aufgebläht als Folge der unkonstruktiven ultralockeren Geldpolitik der letzten zwei Jahrzehnte. Die Notenpressen liefen jahrelang heiß, um das Krisenmanagement der Politik zu finanzieren. Daher schwirren tausende Milliarden durch die Finanzmärkte und suchen eine Möglichkeit zur Anlage.
Weitere Gründe für die Preissteigerungen liegen in gestiegenen Rohstoffpreisen, versteuerter Energie und Lieferengpässen. Die damit verbundenen Waren und Dienstleistungen werden keinen Cent billiger, nur weil die Notenbank ihre Zinsen erhöht.
Ziemlich sicher wissen das die NotenbankerInnen auch, aber es bleibt ihnen im Moment nicht mehr, als Symbolpolitik im Stil längst überholter Wirtschaftsmaximen zu betreiben und gute Miene zum bösen Spiel der Politik zu machen.
Denn diese hat noch weniger Konzepte, um die verfahrene Situation zu bessern, sondern trägt selbst massiv zum Aufblähen der Geldmenge und Anheizen der Inflation bei. Dies wird am deutlichsten in der Energiepolitik spürbar. Sie möchte den CO2 Ausstoß senken, um die Klimaziele zu erreichen. Das Ziel ist höchst sinnvoll, die Mittel jedoch fraglich und die Umsetzung stümperhaft. Erst werden die Energiepreise durch Abgaben verteuert, wegen der sozialen Folgen und Empörung der BürgerInnen werden die Teuerungen im zweiten Schritt durch Ausgleichszahlungen wieder weitgehend abgefangen. Die Industrie, insbesondere die energieintensive, benötigt und bekommt gleichfalls eine Kompensation. Das restliche Gewerbe beklagt Wettberwerbsnachteile und droht mit Abwanderung, also auch hier Ausgleichszahlungen. In einem massiven Programm müssen daher an andere Stelle Steuern und Abgaben erhöht werden, damit die vielfältigen staatlichen Zuwendungen finanziert werden können. Einige Bereiche der Wirtschaft beschäftigen zu schlechte Lobbyisten und bekommen daher keine Ausgleichszahlungen. Sie legen ihre erhöhten Kosten auf die Preise und damit die VerbraucherInnen, also uns alle um. Sämtliche Schritte tragen dazu bei, die Preise gesamtwirtschaftlich zu verteuern und die Inflation weiter anzuheizen. CO2 eingespart wird dabei, wie die letzten Jahre zeigen, leider kaum.
Die beiden anderen wesentlich Faktoren der aktuell wild galoppierenden Inflation sind Mieten und Nahrungsmittel. Die gestiegenen Preise der Nahrung sind im Wesentlichen Folge der erhöhten Rohstoffpreise. Die rasant steigenden Mieten will die deutsche Politik offensichtlich nicht einbremsen, denn zu effektiven Mietpreisbremsen konnte man sich nicht durchringen. Ein Blick ins Nachbarland Österreich zeigt, dass so etwas durchaus geht, wenn es denn gewollt ist. Dort besteht seit August 2023 ein effektiver Mietpreisdeckel.
Weil die Erhöhungen bei Miete, Nahrung und Energie so hoch sind und daher die Inflationszahl alarmierend ist, geht man teilweise dazu über, genau diese Bereiche herauszurechnen und dann von Kerninflation zu sprechen, welche gar nicht so schlimm sei. Der Taschenspielertrick ist aus Sicht der BürgerInnen absolut perfide: denn es sind gerade diese drei Bereiche, die für den Normalmenschen die Hauptausgaben darstellen und die in Not führen, wenn sie nicht mehr bezahlt werden können.
Das Wirtschaftsministerium kann ja demnächst einen Superkern-Warenkorb bestehend aus Tafelsilberpolitur, Dirmdlschleifen und Austeröffnern erstellen und in breit angelegten Kampagnen verbreiten, dass die Inflation bei diesen zentralen Gegenständen des Lebens bei den gewünschten zwei Prozent liegt.
Abseits solcher Ablenkungsmanöver bleibt die Inflation hoch und wirtschaftliche Aktivität sinkt – das Leben in der Stagflation ist kein angenehmes.
Wie lange wird der unerfreuliche Zustand anhalten? Die Herrschenden und ihre medialen Sprachrohre reden von baldiger Besserung. Wie diese eintreten soll, bleibt jedoch unklar, da, wie wir bereits erörtert haben, alle wesentlichen negativen Einflussfaktoren nach wie vor bestehen.
Energie bleibt teuer und soll dank erhöhter Abgaben noch teurer werden. Auch bei Mieten, Nahrungsmitteln und vielen weiteren zentralen Produkten des täglichen Lebens kann keine Entspannung, sondern eine weitere Verschärfung erwartet werden. Ein inflationäres Geschehen, das zeigen die Erfahrungen aus den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts, kann nur mittelfristig wieder eingefangen werden. Einmal losgetreten, braucht es mehrere Jahre, bis sich der Preisauftrieb wieder normalisiert.
Das Problem ist deshalb so kompliziert und langwierig, weil Inflation ein sich selbst verstärkender Vorgang ist.
Sehen wir uns an, wie das funktioniert. Weil die Produktionskosten für nahezu alle Waren steigen, müssen die Hersteller entsprechend wieder höhere Preise verlangen. Andere kaufen diese teueren Grundwaren und müssen daher ihre Preise ebenfalls nach oben korrigieren. Die Endverbraucher sehen sich mit deutlich erhöhten Ausgaben konfrontiert und werden versuchen, so gut sie können, höhere Löhne zu erzielen. Niemand mit sozialem Gewissen wird bestreiten, dass die Sätze für Sozialleistungen, Renten und Beihilfen in einer solchen Situation ebenfalls steigen müssen. Es wird deutlich: nahezu jedes Produkt, jede Dienstleistung, jede Beihilfe wird beständig teurer und befeuert damit selbst wieder das weitere Preiswachstum.
Es gibt wenig Medizin, um das Leiden zu kurieren. Zentral ist, die Geldschwemme zu beenden, wozu es deutlich höhere Zentralbankzinssätze braucht. 1980, in einer vergleichbaren inflationären Situation, erhöhte der damalige Chef der US Notenbank Volcker den Leitzins auf über 12 Prozent. Auch die Deutsche Bundesbank hatte damals den Zinssatz auf 7.5 Prozent gesetzt. Diese Zinsniveaus liegen mehr als doppelt hoch wie aktuell angewandten Maßnahmen. Die Zentralbanken, insbesondere die EZB haben viel zu zögerlich reagiert und damit das Problem verschärft.
Aber auch wenn dies korrigiert würde, wären die Effekte aus den oben genannten Gründen nicht ausreichend. Die Politik sollte nicht die Inflationstreiber aus ihre Inflationraten raus- und schönrechnen, sondern gezielt in diesen Bereichen intervenieren, um den Preisauftrieb zu stoppen. Das Beispiel Österreich hinsichtlich Mietpreisdeckel zeigt, dass so etwas durchaus funktioniert. An den volkswirtschaftlich relevanten Größen muss über Deckelung versucht werden, der Inflation die interne negative Dynamik zu nehmen.
Gleichzeitig sollte die wirtschaftliche Aktivität stimuliert werden, um die Stagnation zu überwinden. Die bundesdeutsche Gesellschaft ist aktuell mit zwei zentralen Großaufgaben konfrontiert: dem klimaschonenden Umbau der Strukturen für Energie, Mobilität und Produktion sowie die veränderte Weltlage mit der Notwendigkeit, zentrale Produkte im eigenen Land herzustellen. Diese beiden Großaufgaben könnten die Grundlage für ein umfassendes Investitions- Bau- und Produktionsgeschehen sein, das echtes Wirtschaftswachstum abseits der virtuellen Blasen des Finanzmarkcasinos generiert.
Wir werden sehen, ob die Herrschenden genügend Vorstellungskraft, Kreativität und Durchsetzungswillen für solch weit reichende Änderungen haben oder ob sie in ihrer aktuellen Verbots- und Abgabensteigerungspolitik verharren.

Episode und Musik von Frederick Liberatout.
Anregung und Kritik an moneycracy@riseup.net

This podcast features music created by F. Liberatout using Groovepad. Free available on Google Play and Apple Store,

Kommentare
25.07.2024 / 10:25 Detlef, Radio F.R.E.I., Erfurt
gesendet am 26. 07 24 2024
danke