Wirtschaftskrisen Teil 2 (Moneycracy #9)

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Willkommen zum zweitem Teil unseres Podcast zu Wirtschaftskrisen. Diese begleiten uns gefühlt permanent durch die letzten Jahrzehnte und wir haben im ersten Teil 1, den ihr bei Bedarf gerne noch auf dem Portal nachhören könnt, uns bis zur Jahrtausendwende vorgearbeitet.
Pünktlich mit dem neuen Jahrtausend kommt es zum Platzen der sogenannten Dotcom-Blase.
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29:48 min, 68 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 02.12.2023 / 16:11

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Arbeitswelt, Politik/Info
Serie: Moneycracy
Entstehung

AutorInnen: F. Liberatout und Moneycracy-Team
Radio: corax, Halle im www
Produktionsdatum: 02.12.2023
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Herzlich willkommen zum zweitem Teil unseres Podcast zu Wirtschaftskrisen. Diese begleiten uns gefühlt permanent durch die letzten Jahrzehnte und wir haben im ersten Teil 1, den ihr bei Bedarf gerne noch auf dem Portal nachhören könnt, uns bis zur Jahrtausendwende vorgearbeitet.
Pünktlich mit dem neuen Jahrtausend kommt es zum Platzen der sogenannten Dotcom-Blase. Wir hatten es in der letzten Folge erörtert: ab 1973 war das wirtschaftliche Nachkriegswunder zu Ende und ein Superzyklus beruhend auf Wiederaufbaueffekten und großer Nachfrage nach Konsumgütern durch breite Bevölkerungsschichten in den westlichen Industrieländern war aus unterschiedlichsten Gründen an sein Ende gekommen. Die Neuorientierung und Reorganisation des kapitalistischen Wirtschaftssystems dauerte rund zehn Jahre bis die Weichen neu gestellt waren. Neben dem aufstrebenden entfesselten Finanzmarktkapitalismus war es in der Realwirtschaft vor allem die Computertechnik, die völlig neue Bereiche erschloss. Die boomende digitale Revolution holte die westlichen Gesellschaften aus der Krise.
Immer größer wuchsen die IT Firmen und ihr Aktienwert schoß in ungeahnte Höhen. Was 130 Jahre zuvor die Eisenbahnaktien, später die der Schwerindustrie und im Nachkriegsboom die Autoindustrie war, ermöglichten nun die Tech-Stars am sogenannten Neuen Mark. Sie schufen Vermögen um Vermögen und heizten in der Folge die Börsenspekulationen in immer schwindelerregendere Höhen. Die Kapitalwertschöpfung war so bedeutend, dass eigene Aktien-Plattformen für diese Überflieger, wie der NASDAQ in den USA und der Neue Markt in Deutschland geschaffen wurden.
In dieser Phase, wir befinden uns in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts, kam es erstmals auch Deutschland zu einem breiten Interesse an Aktien. Herr Schmidt vom Treppenhaus nebenan und Frau Müller von der Wursttheke besaßen plötzlich Aktien, zum Beispiel die von der Telekom. Denn in mit der Neoliberalen Welle wurden in den meisten Ländern die staatlichen Post- und Telefongesellschaften privatisiert und an die Börse gebracht. Mit großen Tamtam wurde die sogenannte Volksaktie der Telekom bei ihrer Markteinführung versteigert. Wer zugriff, und das taten angeregt von Werbekampagnen mit bekannten Fernsehstars viele, dem drohte bald ein böses Erwachen. Denn gewiss, eine Aktie kann mehr Gewinn abwerfen, als ein langweiliges Sparbuch, bedauerlicherweise, und davon sprachen die Werbespots nicht, kann sie auch ihren ganzen Wert verlieren.
Die Telekom rauschte mit dem Platzen der Dotcom-Blase 2000 in den Keller und brachte ihren Anlegern große Verluste. Bis heute hat sich die deutsche Befindlichkeit von diesem Schock nicht erholt und nur wenige Menschen setzen beim Aufbau ihres Sparvermögens auf Aktien. Ob dies ein sinnvolles Verhalten ist, wollen wir in einem anderen Podcast betrachten.
Zurück zur Dotcom-Blase und ihrem Crash. Mit der boomenden New Economy kamen immer mehr Unternehmen an die eigens für sie geschaffenen Börsen. Über einige Jahre waren hier fantastische Spekulationsgewinne zu erzielen. Während herkömmliche Börsenunternehmen bei günstigem Verlauf eine Wertsteigerung von 5 Prozent erzielen, waren in der New Economy 50 oder 100 Prozent Steigerung pro Jahr nicht ungewöhnlich. Kein Wunder das immer mehr Geld in diesen Sektor wanderte und Kurse beständig stiegen. Bald war ein deutliches Missverhältnis von Börsenwert und Realwert erreicht. Kleine Tech-Firmen, die nicht viel mehr als eine gemietete Geschäftsetage, einige Computer und vielleicht 10 Angestellte besaßen, erreichten Börsennotierungen im Milliardenbereich.
Zur Verdeutlichung: eine Aktie ist ein Anteilsschein an einem Unternehmen. In der historischen Tradition entstanden diese Anteile bei der Ausrüstung von Handelsschiffen, ihr könnt dazu gerne unseren Podcast zu Kapitalismus nachhören. Wenn wir beim Beispiel des Schiffes bleiben: Das Segelschiff und seine Ausrüstung samt Mannschaft kosten sagen wir 1.000 Pfund Sterling, die möglichen Gewinne der Handelswaren liegen bei mindestens 1.500 Pfund. Es wäre also möglich 2.000 Aktien zu einem Pfund herauszugeben, weil bei diesem Preis vorhandenes Wirtschaftsgut und Gewinnerwartung in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Wenn dann im Verlauf, während das Schiff unterwegs ist, der Preis auf 2 Pfund steigen würde, dann wäre die Aktie schon ziemlich überteuert, bei ¼ Pfund wäre sie ein Schnäppchen.
Auf die Verhältnisse des neuen Marktes übertragen wurde die einzelne Aktie des vorangestellten Beispiels jedoch für 1000 Pfund und mehr gehandelt. Der Wert der Unternehmen und der mögliche Gewinn bewegten sich unleugbar jenseits jeder Verhältnismäßigkeit zum Preis der einzelnen Aktie.
Niemals konnten diese windigen Start-Ups den Wert ihrer Anteile erwirtschaften. Die Spekulation beruhte nur noch auf dem Schneeballsystem: wenn ich heute die Aktie hundertfach überteuert kaufe, kann ich sie morgen hunderfünfzigfach überteuert wieder verkaufen und es muss mich nicht kümmern, dass kein realer Wert dahintersteht, solange ich meinen Gewinn mache.
Das Schneeballsystem funktionierte so lange und so gut, dass um die Jahrtausendwende die Wirtschaftsgurus, die in den damals in Mode gekommenen Börsensendungen auftraten, verkündeten: „In wenigen Jahren wird die alte Ökonomie völlig zu Grabe getragen sein. Niemand wird mehr Industrie- oder Versorgeraktien besitzen, die maximal langweilige 3 Prozent pro Jahr abwerfen!“
Es kam anders, im März 2000 platzte die Blase und die Kurse rauschten in den Keller, und das Nachhaltig. Hunderte Milliarden Dollar wurden vernichtet und Kleinanleger weltweit um ihre Ersparnisse gebracht.
Obwohl dies einer der bedeutendsten Crashs der Börsengeschichte war, löste er insgesamt unmittelbar keine Wirtschaftskrise aus. Dies lag im Wesentlichen daran, dass die Realwirtschaft kaum betroffen war. Auch die Bedeutung der IT-Branche für die realen Produktionsprozesse und in der gesamtgesellschaftlichen Arbeit nahmen nicht ab, sondern weiter zu. Solide Tech-Firmen verdienten weiter gutes Geld und es kam zu keiner steigenden Arbeitslosigkeit, weil die windigen Start-ups ohnehin kaum Leute beschäftigt hatten.
Insofern hätte dieses Geschehen gar nicht unter unseren Wirtschaftskrisen auftauchen sollen – das es das dennoch tut, hat einen guten Grund: denn es handelte sich um das Vorspiel zur richtig großen Wirtschaftskrise und das hängt wie folgt zusammen:
Als Folge der Dotcom-Crashes pumpte die amerikanische Notenbank FED Milliarden in das Finanzsystem, um die Liquidität nach den Milliardenverlusten zu erhöhen und die Finanzkreisläufe in Gang zu halten. Wahrscheinlich haben die Finanzspritzen historisch ungekannten Ausmaßes dazu beigetragen, die befürchtete Wirtschaftskrise abzuwenden. Ebenso wahrscheinlich wäre es aber auch mit weniger überzogener und vor allem kürzer anhaltender Geldflutung gut gegangen. Das oberste Ziel der FED und der Finanzeliten in den Nuller Jahren war zweifellos, die Finanzmärkte mit genügend Spielgeld zu versorgen. Während die Millionen Kleinanleger eben Pech gehabt hatten, bekamen die Finanzjongleure um den Preis einer massiven Geldmengenausweitung billige Jetons, um weiterzuzocken.
Dieses Fehlverhalten führender Notenbanken führte recht direkt dann zur ersten richtig großen Finanzkrise des neuen Jahrtausends, der Subprime Immobilienkrise, die sich zu einer weltweiten Wirtschaftskrise 2008 ausweitete. Betrachten wir die Abläufe genauer: Wie erwähnt standen nach 2000 viele Milliarden billigen Gelds zur Verfügung, die investiert werden wollten. Nach dem Wegfall des Neuen Marktes wurden die Immobilien das nächste Zielobjekt der SpekulantInnen. Entsprechend stiegen die Immobilienpreise permanent, 10 bis 20 Prozent Wertzuwachs im Jahr konnten stets erwartet werden. Wir alle sind seit Jahrzehnten gewohnt, dass die Immobilien stetig teurer werden. Wenn wir an der Stelle kurz innehalten und nachdenken, merken wir, wie unlogisch das ist. Wenn ein Haus gebaut ist und bewohnt wird, dann steigt sein Wert doch nicht, im Gegenteil. Durch Abnutzung und natürlichen Verfall wird es immer weniger wert. Natürlich kann es irgendwann renoviert werden, aber das kostet dann wieder ähnlich viel Geld wie ein Neubau. Es gibt außer Spekulation und Inflation selten einen realen Grund, warum der Wert einer Immobilie im Normalfall steigen sollte. Sicher kann im Einzelfall auf Grund von strukturellen Entwicklungen der Boden und Hauswert stark steigen. Das bestes Beispiel: ein Wohnblock in Kreuzberg ist bis 1989 nur ein Niedrigrendite-Objekt in einem runtergekommenen Stadtteil einer isolierten Frontstadt, die von Subventionen lebt. Im Jahr 2000 liegt das selbe Objekt im Zentrum der Hauptstadt der bedeutendsten Industrienation des Kontinents – logisch ergibt das eine enormen Wertsteigerung in einem kapitalistischen System. Von solchen Abläufen sprechen wir jedoch bei der Immobilienblase der Nullerjahre nicht. Hier handelte es sich um durch zu viel freies Kapital getriebene Spekulation ohne jeden realen Hintergrund. Die Spekulation wurde derart absurd, dass Gebäude alleine in ihrer Bauphase ihren sogenannten Wert verdreifachen konnten, noch bevor der erste Mieter überhaupt eingezogen war. Entsprechend galten Baukredite als völlig unbedenklich und sie wurden vor allem von amerikanischen Banken an jeden vergeben, der mit einem Kugelschreiber an der richtigen Stelle seinen Namen einigermaßen fehlerfrei kritzeln konnte. Aber wie immer, der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. 2007 platzte die Immobilienblase und die Hunderte Milliarden schwere Spekulationen liefen ins Minus. Das wäre schon unangenehm genug gewesen, aber es kam schlimmer. Zunächst kamen kleinere US-Banken in Schwierigkeiten und im zusammenfallenden Kartenhaus ging schließlich die Lehman Bank, eine der bedeutendsten Banken der Welt, Pleite. Dies brachte das weltweite Finanzsystem ins Wanken. Die komplexen Geldmarktprodukte und Spekulationen waren so vielfach überreizt, dass der Ausfall dieser einen bedeutenden Bank die Zahlungsfähigkeit nahezu aller Banken bedrohte. Kurzer Spoiler auf den nächsten Podcast: Zahlungsfähig sind Banken übrigens nie, sie können zu keinem Zeitpunkt allen ihren Anlegern das hinterlegte Geld auszahlen. Aber normalerweise geht man davon aus, dass sie immer das jeweils aktuell nachgefragte Geld auszahlen könnten, das nennt man Vertrauen in die Bank.
Dieses Vertrauen war nach der Lehmann-Pleite so stark erschüttert, dass Bankenrettung zum neuen Volkssport unter westlichen PolitkerInnen wurden. Die edle Rettung gelang mit dem Geld der Bevölkerung, aber vor allem damit, dass immer mehr Geld gedruckt wurde. Der Präsident der amerikanischen Notenbank versprach soviel Geld, dass der Markt regelrecht darin ertrinken werde. Er hielt Wort und die EZB tat es ihm gleich. Weltweit wuchs sich die Bankenkrise dennoch zur Finanzkrise und schließlich zur Wirtschaftskrise aus. Banken haben, trotz ihres unsympathischen Grundcharakters, wichtige Funktionen für die Realwirtschaft und wenn sie nicht systemgerecht funktionieren können, dann stockt die Finanzierung, das Schmiermittel der gesamten Wirtschaft versiegt und es knirscht im Gebälk. 2009 rutschten nahezu alle westlichen Staaten weltweit in eine Rezession, das heißt ihr Bruttosozialprodukt sank. Was dieses ominöse Bruttosozialprodukt ist und ob wirklich so wichtig ist, dazu haben wir übrigens auch einen Podcast gemacht.
Der negativen Entwicklungen nicht genug kam es im Euroraum auch noch zur Staatsschuldenkrise. Wie bekannt, sind nahezu alle Staaten über ein gesundes Maß hinaus verschuldet. Auch Staaten müssen sich ihr Geld irgendwo borgen, und wenn der Schuldenstand hoch ist, werden auch die dafür erhobenen Zinsen als Risikozuschlag hoch sein. 2010 gerieten einige EU Länder in eine Zwangslage, weil sie sich nur mit untragbar hohen Zinszuschlägen Geld auf dem Kapitalmarkt leihen konnten. Die Europäische Zentralbank sprang ein und kaufte die Anleihen auf und erleichterten den betroffenen Staaten die Refinanzierung. Das war ein Tabubruch, denn bei der Konstruktion des Euro wurde genau das verboten, um die Geldstabilität zu gewährleisten und die Unabhängigkeit der Zentralbank von den staatlichen Begehrlichkeiten zu wahren. Immerhin ging das Kalkül auf und der Euro erwies sich als belastbarer als vielfach befürchtet.
Dennoch war die Weltwirtschaftskrise 2007 bis 2010 die schwerste der gesamten Nachkriegszeit, oder anders ausgedrückt, die schlimmste seit der großen Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1939.
Wenn man diese beiden großen Krisen vergleicht, fällt auf, dass die Welt 2007 deutlich besser wegekommen ist. Die hat mehrere Gründe. Zum einen war die Weltwirtschaft und die Wirtschaften der betroffenen Nationalstaaten viel stabiler, als dies 1929 der Fall war. Vor allem hatten aber die PolitikerInnen dazugelernt und verzichteten auf den ebenso sinnlosen wie verzweifelten Versuch in der Krise in den Sparmodus zu schalten. Dies hatte sich, wie der bedeutende Wirtschaftswissenschaftler Keynes so wegweisend analysiert hatte, bei der erste großen Krise als besonders kontraproduktiv erwiesen. Leider muss angemerkt werden, dass die EU gerade die besonders schwachen Euro-Volkswirtschaften Griechenland und Portugal dennoch in ein solches Sparkorsett zwang, was weder diesen Staaten und schon gar nicht den dort lebenden Menschen irgendwie weiterhalf. Aber nicht nur an dieser Stelle wurden die Lehren Keynes nicht befolgt. Dieser hatte zwar staatliche Ausgabenausweitung in Krisenzeiten gefordert, aber auch vermehrte Konsolidierung der Staatsfinanzen in der Zeit danach.
Die FinanzministerInnen und Notenbanken handelten jedoch so, als ob die Krise nie enden würde. Nie schien der Zeitpunkt gekommen, die Phase des billigen Geldes zu beenden und aus dem übervollen Liquiditätsbecken mal wieder etwas abzulassen.
Offiziell war die große Weltwirtschaftskrise 2010 vorbei, die Geldschwemme hielt jedoch die gesamten Zehner Jahre an und so traf der permanente Krisenmodus am Ende des Jahrzehnts tatsächlich wieder auf eine Krise, die Coronapandemie.
Wie wir uns alle noch gut erinnern, hielten es die Herrschenden auf Rat ihrer ExpertInnen für angebracht, das gesellschaftliche und damit auch wirtschaftliche Leben phasenweise herunterzufahren. Diese Lockdowns brachte viele Branchenbereiche in ziemliche Bedrängnis und die Regierungen halfen, in dem sie noch mehr Geld ausschütteten. In der Tat kann von heute aus rückblickend festgestellt werden, dass in den meisten Ländern die wirtschaftlichen Kollateralschäden der Pandemiebekämpfung einigermaßen erfolgreich abgefedert wurden. Dieser Aussage werden viele KleinkünstlerInnen und KneipenbesitzerInnen und zahlreiche andere Sparten nicht zustimmen wollen, dennoch kann gesamtwirtschaftlich zumindest für Deutschland festgestellt werden, dass die Belastungen einigermaßen ausgeglichen und schwerwiegendere Folgeschäden für die Wirtschaft vermieden wurden. Wie das mit den schwerwiegenden Folgeschäden für die Menschen aussieht, steht auf einem anderen Blatt und kann und soll in diesem Podcast nicht behandelt werden.
Die Wirtschaft hat die Pandemie jedenfalls leidlich überstanden, wenn auch zum Preis einer immens weiter vergrößerten Geldmenge. In den USA vervierfachte sich die Geldmenge M1 2020 auf gegenüber 2019 und hat den zehnfachen Wert von 2007 überschritten. Der Euro-Raum hielt mit dieser ungünstigen Entwicklung Schritt, allerdings auf niedrigerem Niveau. Hier verdoppelte sich die Geldmenge seit 2007.
Die mittlerweile zwei Jahrzehnte anhaltende und in der Pandemie noch massiv ausgeweitete Geldschwemme führte zusammen mit anderen Faktoren direkt in die nächste Krise, die massiv angestiegene Inflation. Wir befinden uns aktuell mitten in dieser Krise, deren Problemlagen noch keineswegs überwunden sind. Denn Inflationsbekämpfung ist, im Gegensatz zu den vollmundigen Ankündigungen der Politik, keineswegs einfach. Viele Faktoren der jetzigen Gemengelage entziehen sich dem direkten Zugriff der Politik und der Zentralbanken.
Die einzige Möglichkeit besteht darin, den enorm weit aufgedrehten Geldhahn nun möglichst schnell abzudrehen. Aber damit tun sich die EntscheiderInnen schwer, denn dies droht die Konjunktur abzuwürgen. Auch sind sowohl die Staaten als auch die einflussreichen Geldeliten an billiges Geld gewöhnt und nicht bereit, darauf zu verzichten. Entsprechend kann nach fast 12 Monaten Inflationsbekämpfung noch keine nennenswerte Verbesserung vermeldet werden. Aktuell liegt die deutsche Inflation bei rund 8 Prozent und damit höher als jemals in der Geschichte der Bundesrepublik. Wie wir im Podcast zu Inflation dargestellt hatten, frisst die Geldentwertung die Rücklagen der SparerInnen unaufhaltsam und verteuert das Leben aller massiv. Wann dieses Negativszenario endet, ist im Moment noch nicht absehbar.

Zusammenfassend befindet sich die Weltwirtschaft seit der Jahrtausendwende im permanenten Krisenmodus. Fast scheint die alte linke Kritik bestätigt, die postuliert, dass Krise im Kapitalismus zwangsläufig der Normalmodus sei. Abseits aller Ideologie lässt sich empirisch feststellen, dass die Phasen gesunden wirtschaftlichen Aufschwungs lange zurückliegen und aktuell nicht erkennbar ist, wie sie zurückkommen sollen.
Dabei muss unbedingt erwähnt werden, dass Wirtschaftskrisen nicht nur Verlierern sondern auch Gewinner kennt. Oxfam hat analysiert, dass sich während der Corona-Pandemie das Vermögen der zehn reichsten Milliardäre etwa verdoppelt hat, während gleichzeitig die Zahl der Menschen unterhalb der Armutsgrenze um rund 160 Millionen gestiegen ist. In Deutschland haben die zehn reichsten Personen ihre Vermögen um 100 Milliarden Euro steigern können, was etwa dem Gesamtvermögen der unteren 40 Prozent der Bevölkerung, also von 33 Millionen Deutschen entspricht. Also noch mal zum Mitschreiben: in der Pandemie erhöhten 10 Superreiche Deutsche ihr Vermögen um die Summe, die 33 Millionen Deutsche zusammen besitzen. Dazu muss dann nichts mehr gesagt werden – oder doch: Krisenverlierer ist immer die untere Hälfte und es entspricht dem Wesen der kapitalistischen Krise, dass die Vielen ärmer werden müssen, weil einige Wenige sehr viel reicher werden.

Die Erwartung alter linker TheoretikerInnen, dass das ungerechte kapitalistische System an seinen eingebauten Krisen zu Grunde gehen würde, erfüllte sich bislang nicht. Es spricht auch wenig dafür, darauf in naher bis mittlerer Zukunft zu hoffen. Bislang erwies sich die kapitalistische Wirtschaftsweise als wesentlich anpassungsfähiger als all ihre Alternativen. Was nichts anderes bedeutet, dass die notwendigen Veränderungen zu mehr Gerechtigkeit und weniger klimaschädlichem Handeln nicht von selbst eintreten werden – das müssen die Menschen schon aktiv herbeiführen.

Episode und Musik von Frederick Liberatout.
Anregung und Kritik an moneycracy@riseup.net

This podcast features music created by F. Liberatout using Groovepad. Free available on Google Play and Apple Store,