Prozess gegen Eren Keskin vertagt - Repressionswelle vor 1. September

ID 114
 
Prozess nach wenigen Minuten vertagt - Repressionswelle gegen politisches Umfeld - siehe auch Junge Welt 15. 8.
Audio
03:50 min, 1570 kB, mp3
mp3, 56 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 20.08.2001 / 00:00

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Frauen/Lesben, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Prozessbeobachtungs-Gruppe
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 17.08.2001
keine Linzenz
Skript
Am Donnerstag, dem 16. August fand in Istanbul erneut ein Prozess statt im Zusammenhang mit den Protesten türkischer Frauen gegen sexuelle Gewalt und Folter in türkischen Gefängnissen. Der Hintergrund:
Eine Gruppe kurdischer Frauen, zwischen 39 und 65 Jahren, war im Oktober letzten Jahres in den Nordirak gereist. Sie wollten dort die kriegführenden Parteien um Frieden bitten. Bei ihrer Rückkehr in die Türkei wurden sie festgenommen und zur Gendarmeriewache in Silopi gebracht. Die Anwältin Eren Keskin besuchte die, die als Friedensmütter bekannt geworden waren, im Gefängnis - und erfuhr von Folter und sexuellen Mißhandlungen. Eren Keskin ging an die Öffentlichkeit, berichtete in der inzwischen verbotenen Tageszeitung Yeni Gündem. Deswegen ist sie - zusammen mit dem Verleger Erol Tas - wegen Verunglimpfung der Streitkräfte angeklagt, im Juni wurde der Prozess eröffnet, am 16. August war der zweite Prozesstermin.
Auch dieses mal wurde vertagt, Eren Keskin hat selbst Anzeige erstattet, gegen die Folterer - dieser Anzeige muss zunächst nachgegangen werden.
Inge von Allwersleben, sie ist Vertreterin des Berliner Frauenrechtsbüros, hat den Prozess besucht.

O-Ton 1

Ob am nächsten Prozesstermin, dem 31. Oktober schon ein Urteil gefällt wird ist völlig unklar. Aktuell scheint gerade eine Repressionswelle gegen insbesondere kurdische Gruppen anzurollen, in den vergangenen Tagen hat es zahlreiche Razzien und Übergriffe gegeben:

O-Ton rot

Die prokurdischen Partei HADEP scheint dem politischen Establishment Bauchschmerzen zu bereiten.
Sie hatte 1999 großen Erfolg bei den Kommunalwahlen, stellt Bürgermeister in sieben großen Städten sowie zahlreichen Kreisstädten. Alle diese Städte befinden sich im Ausnahmezustandsgebiet. Nach der türkischen Wahlrechtsreform hat die Hadep reale Chancen, bei den kommenden Parlamentswahlen die 5%-Hürde zu überschreiten.

Für den 1. September ist anlässlich dem Weltfriedenstag eine landesweite Demonstration geplant, über 300.000 Menschen werden erwartet.

O-Ton violett

Die Nachrichtenagentur AFP berichtet schon jetzt von martialischen Polizeiaufmärschen. Seit Anfang des Jahres zwei leitende Funktionäre der HADEP in Silopi auf der Polizeiwache verschwunden sind, hat sich die Lage verschärft. Die HADEP macht die Regierung und das Innenministerium für das Verschwinden verantwortlich.
Die Prozesse gegen die Frauen, die ihre Folterer anzeigen gehen weiter, demnächst gegen die Anwältin Fatma Karakas. Sie nach dem Anti-Terror-Gesetz wegen Separatismus angeklagt, zweiter Prozess-Termin ist am 11. September.