Was ist antimuslimischer Rassismus?

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Moderner Rassismus ist noch selten biologischer als eher kultureller Natur, bezieht sich also noch weniger auf biologische Merkmale wie die Hautfarbe, als eher auf eine behauptete oder tatsächliche kulturelle Zugehörigkeit. Dieser Rassismus wurde von den Rassismusforschern Stuart Hall (GB) und Etienne Balibar (F) definiert. Die Ähnlichkeit vom biologischen und dem kulturellen Rassismus zeigen wir anhand von Zitaten aus Hitlers 'Mein Kampf', Huntingtons 'Kampf der Kulturen' und Sarrazins 'Deutschland schafft sich ab'. Die Überschneidungen sind eindeutig. Antimuslimischer Rassismus ist ein Kulturrassismus und trifft nicht vor allem Muslime, sondern auch christlische, jüdische und athistische Migranten und Geflüchtete aus Ländern mit muslimischen Mehrheiten. Wie sich antimuslimischer Rassismus äußert und was dagegen getan werden kann, erklären zwei Aktivistinnen der Antifaschistischen Linken International aus Göttingen. Dargestellt wird antimuslimischer Rassismus an Beispielen von Alice Weidel (AfD) und PEGIDA.
Audio
17:13 min, 32 MB, mp3
mp3, 256 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 11.02.2021 / 01:48

Dateizugriffe: 2617

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Religion, Frauen/Lesben, Politik/Info
Serie: Resonanz Con(tra)sens
Entstehung

AutorInnen: Resonanz Con(tra)Sens
Radio: WW-TÜ, Tübingen im www
Produktionsdatum: 05.02.2021
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Was ist antimuslimischer Rassismus? Muss nicht eher von antimuslimischen Ressentiments gesprochen werden?
Mit einer Begegnung mit einem schwarzen, deutschen Neonazi führen wir in die Thematik ein: Auch wenn es den klassischen, biologischen Rassismus (z.B. gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe) leider immernoch gibt und er nach wie vor tödlich ist, so ist Kulturrassismus heute verbreiteter. Dieser richtet sich gegen eine bestimmte Kultur oder kulturelle Merkmale, welche als ein geschlossenes ganzes und "nicht zu uns passendes" konstruiert werden. D.h. diese Kultur gibt es also solche nicht, weil sie viel vielfältiger und komplexer ist, aber sie wird als eine solche dargestellt. Was haben biologischer und kultureller Rassismus gemeinsam? Dazu hören wir uns einen Ausschnitt von Hitlers 'Mein Kampf' (1923) an (gelesen vom österreichischen Kabaretisten Qualtinger 1974) und vergleichen dies mit der Zusammenfassung von Huntingtons 'Kampf der Kulturen' (1994) und Sarrazins 'Deutschland schafft sich ab' (2010). Es wird deutlich dass ein "wir" konstruiert wird, mal arisch, mal westlich und mal deutsch, und ein "die Anderen", die zu beherrschen legitim ist. Wärend Hitler sich die Jüdinnen und Juden als das zu besiegende Übel herausgesucht hat, sind es bei Huntington und Sarrazin die Muslime. Aber ist Antisemitismus auch ein Rassismus? Für viele ist er das nicht, weil sie behaupten, Antisemitismus würde "die Anderen" als gefährliche Mächte konstruieren, welche es quasi aus Selbstschutz auszurotten gelte, während Rassismus nur "dümmere, unterlegene Andere" konstruiere, die zu beherrschen legitim sei. Diese Vereinfachung halten wir jedoch für falsch, da z.B. auch der Rassismus der Hutu gegen die Tutsi, welcher zum Völkermord in Ruada führte, eine dem Antisemitismus ähnliche Erzählung verwendete, und dieser trotzdem ein Rassismus ist. Vielmehr muss deutlich werden, dass Rassismus nicht gleich Rassismus ist, sondern von sehr verschiedenen Rassismen ausgegangen werden muss, die eben derart untschiedliche Merkmale tragen, wie der europäische Antisemitismus und der europäische, post-koloniale anti-schwarze Rassismus.
Antimuslimischer Rassismus ist also ein kultureller Rassismus, der sich nicht primär gegen Muslime richtet, sondern gegen Migranten und Geflüchtete aus Ländern mit muslimischen Mehrheiten, auch wenn diese Atheisten, Christen oder Juden sind. Im rassistischen Bild, sind alle diese Menschen Muslime und passen wegen ihrer angeblichen Rückständigkeit, ihres Frauenbildes und ihres Unwillens zu Leistung und Bildung nicht in die westliche oder deutsche Welt. Das hört mensch immer wieder von Politiker*innen wie Thilo Sarrazin und Alice Weidel (AfD) oder von PEGIDA-Demonstrationen (je Ausschnitte zu hören). Sogar in der Linken sind bestimmte Anteile dieses Diskurses verbreitet, vor allem auf die Frauenfrage konzentriert. Aber wie kann dem begegnet werden, ohne zum Beispiel problematische Seite wie Sexismus unter den Tisch fallen zu lassen?
Zwei Aktivist*innen von der Antifaschistischen Linken International (A.L.I.) beschäftigen sich seit der Selbstenttarnung des NSU intensiv mit dem Thema, um die Verbindung von Linken mit Betroffenen von (antimuslimischen) Rassismus zu stärken, auch weil letztere schon früh wussten, dass Nazis und nicht eine migrantische Mafia hinter den Morden stecken (migrantische Demos in Kassel 2006 verwendeten das Transparent "Keinen zehnter Mord"). Sie erklären, wie gleichzeitig der Feminismus auch in migrantischen Communities gefördert und der antimuslimische Rassismus bekämpft werden kann: Es geht darum auch progressive, säkuläre und feministische Strömungen, Gruppen, Einzelpersonen und Positionen unter Muslimen oder Migranten aus muslimischen Ländern zu stärken, eine Stimme zu verleihen, zu erwähnen und nicht zu vergessen. Denn wenn beim Reden über den Islam immer nur die konservative oder reaktionär-islamistische Interpretation des Islam (auch kritisch) rezipiert wird, dann wird genau diese Lesart des Islam gestärkt. Feministische Muslima werden dabei unabsichtlich unsichtbar gemacht und sowohl fundamentalistische Muslime, die ebenfalls muslimischen Feminismus unsichtbar haben wollen, gestärkt wie rassistische Rechte, die auch ein Interesse an einer monolithischen Darstellung eines reaktionären Islam haben.
Das volle Interview mit der A.L.I. ist hier zu hören https://www.freie-radios.net/91225