Michael Sailer - Honorar-Experte | Die destruktive Rolle des "Öko-Instituts"

ID 98106
  salvataggio esterno!
AnhörenDownload
Der laut 'taz' "anerkannte Nuklear-Experte" und langjährige Geschäftsführer des sogenannten Öko-Instituts erwies sich wieder einmal als Honorar-Experte. Ein neuer Beratervertrag mit der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) sichert ihm einen Tagessatz von über 1.600 Euro.

Schon 1996 hatte Michael Sailer durch abwertende Aussagen über CASTOR-Blockaden (Interview in der 'taz', 5.12.1996) für eine Spaltung des Öko-Instituts gesorgt...
Audio
17:52 min, 16 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 29.10.2019 / 23:43

Dateizugriffe: 72

Klassifizierung

tipo: Nachricht
lingua: deutsch
settore/i di redazione: Politik/Info, Umwelt, Wirtschaft/Soziales
serie: restrisiko
Entstehung

autrici/autori: Klaus Schramm
Radio: RDL, Freiburg im www
data di produzione: 29.10.2019
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Michael Sailer - Honorar-Experte | Die destruktive Rolle des "Öko-Instituts"

Der laut 'taz' "anerkannte Nuklear-Experte" und langjährige Geschäftsführer des sogenannten Öko-Instituts erwies sich wieder einmal als Honorar-Experte. Ein neuer Beratervertrag mit der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) sichert ihm einen Tagessatz von über 1.600 Euro.

Schon 1996 hatte Michael Sailer durch abwertende Aussagen über CASTOR-Blockaden (Interview in der 'taz', 5.12.1996) für eine Spaltung des Öko-Instituts gesorgt. Drei prominente Vertreter der Umweltbewegung, Stephan Kohler, Günter Altner und Gerd Michelsen, kündigten daraufhin ihren Austritt aus dem Trägerverein des Öko-Instituts an. Die Professoren Günter Altner und Gerd Michelsen, die 1977 zu den Gründern des Öko-Instituts gehört hatten, schieden zugleich aus dem wissenschaftlichen Kuratorium aus. Aus der Sicht von Altner, Michelsen und Kohler fiel Sailer mit seinen Äußerungen den Bürgerinitiativen in den Rücken. Diese seien zudem sachlich falsch.

Marianne Fritzen (1924 - 2016), langjährige Vorsitzende der BI Lüchow-Dannenberg und Atomkraftgegnerin der ersten Stunde, sprach damals von einem "Schlag ins Gesicht" der AktivistInnenen. Sailer habe den "Kontakt zur Basis verloren" und gegen "die Nähe zur Industrie" vertauscht. Die BI Lüchow-Dannenberg war von Anfang an eine der treibenden Kräfte im Wendland gegen die Pläne, den Salzstock Gorleben als "Endlager" auszuweisen und diese politische Entscheidung mit CASTOR-Transporten durchzusetzen.

Bereits 1997 legte Sailer mit seinem Vorschlag, "Zwischenlager" an den Standorten der deutschen Atomkraftwerke zu errichten, die Grundlage dafür, daß die "rot-grüne" Bundesregierung ab 1998 den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke garantieren konnte. Noch 1997 schien der Atom-Ausstieg aufgrund der "Verstopfungsstrategie" der CASTO-Blockaden zu Greifen nahe. Die deutschen Strom-Konzerne und AKW-Betreiber waren auf die Verträge mit der französischen Cogéma als "Entsorgungsnachweis" angewiesen. Denn ohne diesen - ohnehin ziemlich fadenscheinigen - "Entsorgungsnachweis" nach Paragraph 9a des Atomgesetzes und ohne CASTOR-Transporte nach La Hague hätten die Meiler sofort stillgelegt werden müssen.

Der "Kontaminationsskandal" führte 1998 zu einem vorübergehenden Stop der CASTOR-Transporte. Im Frühjahr 1998 war entdeckt worden, daß bei den Transporten von abgebrannten Brennelementen in die "Wiederaufarbeitungsanlage" von La Hague (real handelt es sich um eine Plutonium-Fabrik) sowohl die CASTOR-Behälter als auch die Waggons mit feinstem radioaktiven Staub weit oberhalb der internationalen und gesetzlich festgelegten Grenzwerte bedeckt waren. Auch Waggons und leere Behälter, die von La Hague zu den Atomkraftwerken zur Aufnahme neuer abgebrannter Brennelemente rollten, waren radioaktiv kontaminiert. Die damalige "Umwelt"-Ministerin Angela Merkel mußte die CASTOR-Transporte umgehend aussetzen.

Schon im August 1999 war klar, daß die neue "rot-grüne" Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joseph Fischer mit dem neuen "Umwelt"-Minister Jürgen Trittin eine Wiederaufnahme der CASTOR-Transporte durchsetzen sollte (Beitrag von Wolfgang Ehmke in Bioladen-Magazin 'Schrot&Korn). Und bereits im März 2001 rollte der nächste CASTOR-Transport nach Gorleben. Anfang 2001 wollte der pseudo-grüne Trittin seiner Parteibasis par Ordre du Mufti verbieten, an den CASTOR-Blockaden teilzunehmen. Er berief sich dabei auf eine "nationale" Verantwortung, "deutschen" Atommüll von Frankreich und England zurückzunehmen. Und schließlich gebe es ja nun einen deutschen Atom-Ausstieg.

Doch wie leicht vorherzusehen war, erwies sich die mit der Atom-Industrie vereinbarte Regelung mit ihren gummiartig dehnbaren Reststrommengen als unbefristete Garantie zum Weiterbetrieb der Atomkraftwerke und nicht etwa als Atom-Ausstieg. In der gesamten siebenjährigen Ära der "rot-grünen" Bundesregierung, die bis 2005 andauerte, wurden lediglich zwei von insgesamt 19 Atom-Reaktoren stillgelegt. In der 1998 zu Ende gegangenen Ära Kohl war die Bilanz der Anti-Atom-Bewegung deutlich besser. Und in den Jahren 2005 bis 2010 wurde aufgrund der "rot-grünen" Atomkraft-Garantie, die als Atom-Ausstieg propagiert wurde, kein einziges AKW stillgelegt. Im Herbst 2010 versuchte die Merkel-Regierung mit dem "Ausstieg aus dem Ausstieg" eine weitere Verlängerung der AKW-Laufzeiten durchzusetzen.

Statt einem Atom-Ausstieg wurde in der "rot-grünen" Ära bis 2005 an 12 AKW-Standorten der Bau von "Zwischen"-Lagern durchgesetzt (Insgesamt sind es somit 16.), um so die Verstopfungsstrategie der Anti-Atom-Bewegung auszuhebeln. Sailer brüstete sich sogar damit, der Ideengeber hierfür gewesen zu sein.

Im Jahre 1999 berief Atom-Minister Trittin Michael Sailer in die Reaktorsicherheitskommission. Und 2002 wurde Sailer von den Mitgliedern der Reaktorsicherheits-Kommission - ausnahmslos glühende Fans der Kernenergie - einstimmig zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Die 'taz' erklärte dies ihrer LeserInnenschaft so: "Sailer hat sich früh vom prinzipienfesten Anti-Atom-Aktivisten zum differenziert argumentierenden Wissenschaftler gewandelt." (9.03.2002) Er blieb Vorsitzender der Reaktorsicherheits-Kommission bis 2006, ohne daß dies irgendeine sichtbare Konsequenz für den hochriskanten Betrieb der deutschen Atomkraftwerke gehabt hätte.

Ab 2001 arbeitete Sailer in dem von Trittin einberufenen obskuren "AK End" mit, der Kriterien für eine nationale "Endlagersuche" erarbeiten sollte. Zu diesem Zeitpunkt war es aus wissenschaftlicher Sicht völlig unklar - und das ist es bis heute -, ob in Deutschland überhaupt eine geologische Formation zu finden ist, in der hochradioaktiver und wärmeabstrahlender Atommüll dauerhaft und auch nur halbwegs sicher deponiert werden könnte. Dennoch verlautbarte der "AK End" am 10. Mai 2001: "Der Arbeitskreis ist der Überzeugung, daß eine sichere Endlagerung in Deutschland möglich ist. Ohne diese Überzeugung wäre die Arbeit des Arbeitskreises sinnlos." (Siehe: http://www.netzwerk-regenbogen.de/akend0...)

Nebenbei wurde Michael Sailer Mitglied des Scientific & Technical Committee von EURATOM und 2004 sorgte das "Öko-Institut" für einen weiteren Skandal. Am 27. Januar 2004 meldete die 'Neue Züricher Zeitung' (NZZ), das deutsche Öko-Institut habe der Schweizer Bürgerinitiative 'BeDEnken' statt der bestellten Studie nur "Pfusch" geliefert. Der Kampf der Bürgerinitiative richtet sich gegen ein geplantes atomares Endlager im kleinen, in der Nähe der deutschen Grenze gelegenen Städtchen Benken. Schon damals war aufgrund der bekannten wissenschaftlichen Fakten klar, daß ein atomares "Endlager" in der unter Benken vorhandenen Opalinuston-Schicht noch um einiges unsicherer wäre als im Salzstock von Gorleben.

Weil beim "Öko-Institut" nachlässig gearbeitet und nicht einmal sämtliche öffentlich verfügbaren Schriften hinzugezogen worden waren, mußte die Studie zurückgezogen werden. Die Erklärung des Öko-Instituts auf dessen Internet-Seite klang ein wenig vornehmer: "Die Überarbeitung der Benken-Studie vom 5. Februar 2003 (wurde) eingestellt." Für das unvollständige Machwerk hatten die Schweizer Endlager-GegnerInnen bereits 30.000 Franken bezahlt. Der enttäuschte Präsident der BI 'BeDEnken' Jean-Jacques Fasnacht bestätigte dies gegenüber der NZZ. Der eigentliche Skandal damals bestand jedoch darin, daß das Öko-Institut trotz mangelhafter Datenlage in dieses Gutachten hineinschrieb, daß "keine offensichtlichen Gründe" gegen ein Endlager bei Benken sprächen.
http://www.netzwerk-regenbogen.de/oekoin...

Ebenfalls 2003 bescheinigte das "Öko-Institut" für die "rot-grüne" Bundesregierung die Unbedenklichkeit einer Erweiterung der Uran-Anreicherungs-Anlage Gronau (Siehe unseren Artikel http://www.netzwerk-regenbogen.de/gronau...)

In den Jahren 2003 und 2004 versuchte das "Öko-Institut" die damalige pseudo-grüne Ministerin Renate Künast dabei zu unterstützten, die "grüne" Gentechnik in Deutschland mit Hilfe einer Politik der Koexistenz durchzusetzen. Ein kritisches Gutachten aus den eigenen Reihen, das die Gefahren der Koexistenz analysierte, verschwand in der Schublade. http://www.netzwerk-regenbogen.de/genfoo... Bereits im Jahr 2002 hatte Ministerin Künast über das Bundessortenamt eine Sondergenehmigung für rund 50 Tonnen genmanipuliertes Saatgut für den kommerziellen Anbau erteilen lassen (Siehe unseren Artikel v. 27.06.02).

Im Oktober 2004 stellte der Solar-Pionier und AKW-Gegner Hermann Scheer fest, daß sich das "Öko-Institut" ins Lager der Institute eingereiht hatte, die den lukrativen Handel mit Zertifikaten für erneuerbare Energien als "marktkonformere" und "effektivere" Alternative priesen. Im Dienste der europäischen Strom-Konzerne - vereint in der 'Union of the Electricity Industry' (Eurelectric) - wurde das 'Renewable Energy Certificate System' (Recs) etabliert. Mit dessen Hilfe sollte die Förderung der Erneuerbaren Energien durch das EEG ausgehebelt werden. 'Recs' wurde vom Öko-Institut initiiert und wird von diesem gelenkt.

Mit dem von ihm betriebenen 'Recs' zielte das "Öko-Institut" darauf ab, die Zertifizierung von Anlagen zur Institutsaufgabe zu machen. Wer seine Anlagen zertifizieren muß, kommt nicht umhin, dafür auch zu bezahlen. Und der Geschäftsführer des Ökostrom-Anbieters 'Greenpeace Energy' erklärt ganz unverblümt, das "Öko-Institut" verspreche sich vom 'Recs'-Handel einen enormen Geschäftsbereich. Scheer schlußfolgerte daraus schon 2004, das Kürzel "Öko" im Namen des Instituts stehe offenbar nicht mehr für Ökologie, sondern für Ökonomie. http://www.netzwerk-regenbogen.de/oekoin...

Ende 2013 kam heraus, daß das "Öko-Institut" in Regierungs-Auftrag ein Gutachten zu den Gefahren des französischen Endlager-Projekts in Bure erstellt hatte. Darin heißt es, die Risiken des geplanten Endlagers für hochradioaktiven Müll seien "sehr gering". http://www.netzwerk-regenbogen.de/akwbur...

Im August 2014 enthüllte Michael Sailer wieder einmal seine Ahnungslosigkeit im Bereich Atomenergie. Nachdem auch im stillgelegten AKW Brunsbüttel mehrmals rostige und auslaufende Atommüll-Fässer gefunden worden waren (im August und Februar dieses Jahres und auch schon Anfang 2012), präsentierte die 'taz' (31.08.14) Michael Sailer mal wieder als scheinbaren Bedenkenträger. Sailer wird mit den Aussagen zitiert: "Ich befürchte, daß bei weiteren Untersuchungen in anderen Kernkraftwerken weitere Rostfässer gefunden werden. Die optimistische These lautet: Vielleicht war es nur in Brunsbüttel." Bereits im März 2012 waren rostige Atommüll-Fässer in den Atomkraftwerken Krümmel und Neckarwestheim gefunden wurden. Zu lesen war dies bundesweit in den Medien.
http://www.netzwerk-regenbogen.de/sozwit...

Im Oktober 2014 fiel das "Öko-Institut" dabei auf, daß es der Bundesregierung eine Ausrede für die drei Jahre in Folge steigenden CO2-Emissionen bescheinigte: "Die Wintermonate 2013 waren kalt, mehr Heizen heißt mehr Klimagase." (www.taz.de/Miese-CO2-Bilanz-fuer-Deutschland/!148513) Tatsächlich jedoch war der Winter 2013/2014 der viert-wärmste Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen aus dem Jahre 1881.
http://www.netzwerk-regenbogen.de/sozwit...

Ab Mai 2014 war Michael Sailer Mitglied der Atommüll-Endlager-Kommission.
http://www.netzwerk-regenbogen.de/akwend...
Er sitzt nicht nur in der Expertengruppe Reaktorsicherheit der schweizerischen Atomaufsicht und im Vorstand der Stiftung des Energieversorgers Entega, sondern leitet auch die Entsorgungskommission, die das Bundes-"Umwelt-Ministerium in Atommüll-Fragen berät. Anfang August 2019 kam ein Beratervertrag für die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hinzu. Laut der Bekanntmachung der Auftragsvergabe, die ohne Ausschreibung erfolgte, ist dieser Job mit 388.800 Euro im Jahr dotiert. Freimütig erklärte die BGE, Sailer arbeite für dieses üppige Honorar in den kommenden vier Jahren jeweils an fünf Tagen im Monat für das Unternehmen. Daraus ergibt sich ein Tagessatz von über 1.600 Euro.

Die Verquickung von - scheinbar politischer - Aufsichtstätigkeit - mit unternehmerischer Tätigkeit im selben Fachgebiet ist heute in Deutschland schon längst Gewohnheit und permanenter Skandal zugleich. Bruno Thomauske, zeitweilig Atommanager und Chef der Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel, arbeitete von 1983 bis 2003 fürs Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Thomauske wurde in diesem Zusammenhang in mehreren Medien mit dem Begriff "personifizierter Atomfilz" in direkte Verbindung gebracht. Zusammen mit Sailer saß Thomauske als vermeintlich neutraler "Vertreter der Wissenschaft" in der Atommüll-Endlager-Kommission.

Nur noch ein Sahnehäubchen auf dieser anrüchigen Melange bildet da die Tatsache, Beate Kallenbach-Herbert seit Anfang 2019 als kaufmännische Geschäftsführerin für die Finanzen der BGE verantwortlich ist. Wer ist Beate Kallenbach-Herbert? Sie hatte als Abteilungsleiterin im "Öko-Institut" viele Jahre unter Sailer gearbeitet.

Was wäre wohl, wenn Michael Sailer versuchte, heute auf einer Anti-AKW-Demo als Redner aufzutreten? Jochen Stay von '.ausgestrahlt' hat darauf ohne Umschweife eine Antwort parat: "Der würde ausgepfiffen."

Kommentare
31.10.2019 / 19:44 Tim Thaler, coloRadio, Dresden
Anti-Atom-News
Danke