Zweiter Frühling dank WASG
ID 9769
Auf dem Sonderparteitag hat der Bundesvorstand der WASG die gewünschte Zustimmung für eine weitgehende Kooperation mit der PDS erreichen können. Die Gesetzmäßigkeiten eines Parteitages brachten auch widerspenstige Mitglieder zur Zustimmung.
Audio
06:13 min, 2918 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 06.07.2005 / 17:36
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Klassifizierung
tipo: Reportage
lingua: deutsch
settore/i di redazione: Politik/Info, Arbeitswelt, Wirtschaft/Soziales
serie: zip-fm - Einzelbeitrag
keine Linzenz
Skript
Anmod:
In der Partei Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit - kurz WASG - ist die vom Bundesvorstand angestrebte Zusammenarbeit mit der PDS nicht unumstritten. Der Sonderparteitag am 2. Juli in Kassel gab dem Vorstand in der PDS-Frage nun grünes Licht. Hermann Ploppa von Radio Unerhört Marburg war in Kassel, und hat beobachtet, wie es zu dieser Zustimmung gekommen ist.
Skript:
Zweiter Frühling dank WASG!
Ja, daß wir das noch erleben dürfen!
Die zumeist älteren Delegierten des Sonderparteitags der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit am Sonntag, dem 2. Juli in Kassel sind ganz hin und weg. Im Frühjahr war die WASG noch ein unbeachtetes Grüpplein inmitten von Obskuro-Parteien wie den Grauen und der ÖDP. Und jetzt vergeht keine Nachrichtensendung auf allen Wellen der großen Medien, in der nicht das Kürzel WASG vorkommt. Die Demoskopen überschlagen sich mit immer neuen Traumzahlen für ein neues Linksbündnis aus WASG und PDS: 11% für das Linksbündnis unter Oscar Lafontaine und Gregor Gysi! Die Euphorie grenzt an kollektive Besoffenheit. Daß immer noch 64% der Befragten angeben, sie wüßten nicht, ob sie überhaupt wählen wollen, und wenn ja, wen denn dann - keine Ahnung! - kann den Rausch nicht aufhalten.
Oscar Lafontaine hatte gesagt, er würde in die WASG eintreten, sobald sich die WASG mit der PDS zu einer gemeinsamen Wahlliste zusammenschließt. Nach der überraschenden Ausrufung der Bundestagswahl schon in diesem Herbst überschlug sich der Bundesvorstand der WASG in Aktionismus. Schon nach wenigen Wochen war nicht mehr von einem gemeinsamen Wahlbündnis die Rede, sondern von einem Auftritt der WASG auf der Liste der PDS und einem Aufgehen der WASG in der PDS innerhalb von zwei Jahren.
Die Parteibasis war überrascht. Vereinzelt regte sich Widerspruch gegen den Beschluß, eine eigene WASG-Politik aufzugeben. Aber die Gegner einer Fusion eint nur der Unwille, sich mit einer PDS zusammenzutun, die in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin Regierungsverantwortung trägt. Diese PDS-Regierungsbeteiligungen unterscheiden sich in nichts von der Regierungspolitik in den von CDU/SPD/FDP/GRÜNEN-Allparteienkoalition beherrschten restlichen Bundesländern.
Die Landesverbände Schleswig-Holstein und Sachsen der WASG wollen die Zivilgesellschaft durch eine kompromißlose Politik der sozialen Gerechtigkeit retten und erneuern. Ihnen geht es um die Sache. Die totstrapazierten Begriffe: Sozialismus und „links" sind dabei ihrer Ansicht nach keine heilige Kuh mehr. Der Leverkusener Kreis will vor allem eine pragmatische Stärkung des Mittelstandes erreichen. Die blutjungen Aktivisten von der Sozialistischen Alternative SAV wollen wiederum einen unbelasteten Sozialismus verwirklichen.
Der Bundesvorstand mußte sich vor allem gegen den Vorwurf verteidigen, die Annäherung an die PDS allzu rasch und ohne Einschaltung der Basis betrieben zu haben. Auch machen die Kritiker der Annäherung an die PDS dem Bundesvorstand zum Vorwurf, in den parteieigenen Newslettern stets nur die Meinung der Fusionsbefürworter übermittelt zu haben. Ins Gerede kamen vor allem ehemalige Spitzenfunktionäre der PDS wie Joachim Bischoff. Der Spiegel überraschte letzte Woche die WASG-Basis mit der Meldung, WASG-Vorstandsmitglied Axel Troost habe lukrative Beziehungen zum PDS-Sozialminister von Mecklenburg-Vorpommern, Holter, gepflegt. WASG-Funktionär Troost habe Arbeitsbeschaffungsprojekte für die Landesregierung organisiert und zusätzlich Honorare für Gutachten über eben dieselben Projekte in Form von Einzelzahlungen zwischen jeweils 58.000 und 20.000 DM eingestrichen.
Der Bundesvorstand der WASG mußte also vor diesem Sonderparteitag das Restrisiko akzeptieren, wegen o.g. Widersprüche Probleme mit der eigenen Basis zu bekommen. Jedoch sind die Männer und Frauen des WASG-Bundesvorstandes im Politgeschäft alte Hasen. Klaus Ernst, Thomas Händel und Thies Gleiss sind erfahrene Hinterzimmerstrategen in der IG Metall. Christine Buchholz ist Mitglied im PDS-nahen Linksruck.
Die Parteitagsregie war entsprechend klug organisiert. Die Delegierten hatten eine arbeitsreiche Woche und zuweilen eine strapaziöse Anfahrt hinter sich und waren entsprechend knapp belastbar. Die erste Hälfte des Parteitages verstrich mit Beiträgen der Alphatiere, und zwar in absteigender Rangordnung: Zunächst der Stimmungsböller mit Lafontaine, dann Klaus Ernst, dann Thomas Händel etc.
Dann Mittagessen. Danach mit verdauendem Magen und Gedärm das Spektakel der freien Aussprache. Eine Rednerliste mit über 60 Rednern sollte abgehakt werden. Um das zu bewältigen, wurde erstmal der einzelne Redebeitrag von ursprünglich 5 auf drei Minuten per Handaufheben reduziert.
Nach 25 Beiträgen wurde sodann das Beenden der Rednerliste per Handzeichen vom Plenum beschlossen. Es folgte, nun schon bei erheblichem Brabbelpegel im Auditorium und etwa einem Drittel der Delegierten vor der Tür, das Feilschen um die Einzelanträge. Zum Abstimmen mußten die Delegierten dann wieder in den Saal gescheucht werden.
Was rausgekommen ist? Der gemeinsame Wahlauftritt von PDS und WASG wird von der Versammlung gebilligt. Letzte Entscheidung hat eine Urabstimmung nach diesem Parteitag. Über eine mögliche Fusion wird nach der Bundestagswahl in einem erweiterten Forum unter Einbeziehung weiterer linker Organisationen und Bürgergruppen gesprochen.
Kaum sind diese Beschlüsse in trockenen Tüchern, verlassen auch schon einige Herren unter Verwünschungen den Saal:
In der Partei Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit - kurz WASG - ist die vom Bundesvorstand angestrebte Zusammenarbeit mit der PDS nicht unumstritten. Der Sonderparteitag am 2. Juli in Kassel gab dem Vorstand in der PDS-Frage nun grünes Licht. Hermann Ploppa von Radio Unerhört Marburg war in Kassel, und hat beobachtet, wie es zu dieser Zustimmung gekommen ist.
Skript:
Zweiter Frühling dank WASG!
Ja, daß wir das noch erleben dürfen!
Die zumeist älteren Delegierten des Sonderparteitags der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit am Sonntag, dem 2. Juli in Kassel sind ganz hin und weg. Im Frühjahr war die WASG noch ein unbeachtetes Grüpplein inmitten von Obskuro-Parteien wie den Grauen und der ÖDP. Und jetzt vergeht keine Nachrichtensendung auf allen Wellen der großen Medien, in der nicht das Kürzel WASG vorkommt. Die Demoskopen überschlagen sich mit immer neuen Traumzahlen für ein neues Linksbündnis aus WASG und PDS: 11% für das Linksbündnis unter Oscar Lafontaine und Gregor Gysi! Die Euphorie grenzt an kollektive Besoffenheit. Daß immer noch 64% der Befragten angeben, sie wüßten nicht, ob sie überhaupt wählen wollen, und wenn ja, wen denn dann - keine Ahnung! - kann den Rausch nicht aufhalten.
Oscar Lafontaine hatte gesagt, er würde in die WASG eintreten, sobald sich die WASG mit der PDS zu einer gemeinsamen Wahlliste zusammenschließt. Nach der überraschenden Ausrufung der Bundestagswahl schon in diesem Herbst überschlug sich der Bundesvorstand der WASG in Aktionismus. Schon nach wenigen Wochen war nicht mehr von einem gemeinsamen Wahlbündnis die Rede, sondern von einem Auftritt der WASG auf der Liste der PDS und einem Aufgehen der WASG in der PDS innerhalb von zwei Jahren.
Die Parteibasis war überrascht. Vereinzelt regte sich Widerspruch gegen den Beschluß, eine eigene WASG-Politik aufzugeben. Aber die Gegner einer Fusion eint nur der Unwille, sich mit einer PDS zusammenzutun, die in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin Regierungsverantwortung trägt. Diese PDS-Regierungsbeteiligungen unterscheiden sich in nichts von der Regierungspolitik in den von CDU/SPD/FDP/GRÜNEN-Allparteienkoalition beherrschten restlichen Bundesländern.
Die Landesverbände Schleswig-Holstein und Sachsen der WASG wollen die Zivilgesellschaft durch eine kompromißlose Politik der sozialen Gerechtigkeit retten und erneuern. Ihnen geht es um die Sache. Die totstrapazierten Begriffe: Sozialismus und „links" sind dabei ihrer Ansicht nach keine heilige Kuh mehr. Der Leverkusener Kreis will vor allem eine pragmatische Stärkung des Mittelstandes erreichen. Die blutjungen Aktivisten von der Sozialistischen Alternative SAV wollen wiederum einen unbelasteten Sozialismus verwirklichen.
Der Bundesvorstand mußte sich vor allem gegen den Vorwurf verteidigen, die Annäherung an die PDS allzu rasch und ohne Einschaltung der Basis betrieben zu haben. Auch machen die Kritiker der Annäherung an die PDS dem Bundesvorstand zum Vorwurf, in den parteieigenen Newslettern stets nur die Meinung der Fusionsbefürworter übermittelt zu haben. Ins Gerede kamen vor allem ehemalige Spitzenfunktionäre der PDS wie Joachim Bischoff. Der Spiegel überraschte letzte Woche die WASG-Basis mit der Meldung, WASG-Vorstandsmitglied Axel Troost habe lukrative Beziehungen zum PDS-Sozialminister von Mecklenburg-Vorpommern, Holter, gepflegt. WASG-Funktionär Troost habe Arbeitsbeschaffungsprojekte für die Landesregierung organisiert und zusätzlich Honorare für Gutachten über eben dieselben Projekte in Form von Einzelzahlungen zwischen jeweils 58.000 und 20.000 DM eingestrichen.
Der Bundesvorstand der WASG mußte also vor diesem Sonderparteitag das Restrisiko akzeptieren, wegen o.g. Widersprüche Probleme mit der eigenen Basis zu bekommen. Jedoch sind die Männer und Frauen des WASG-Bundesvorstandes im Politgeschäft alte Hasen. Klaus Ernst, Thomas Händel und Thies Gleiss sind erfahrene Hinterzimmerstrategen in der IG Metall. Christine Buchholz ist Mitglied im PDS-nahen Linksruck.
Die Parteitagsregie war entsprechend klug organisiert. Die Delegierten hatten eine arbeitsreiche Woche und zuweilen eine strapaziöse Anfahrt hinter sich und waren entsprechend knapp belastbar. Die erste Hälfte des Parteitages verstrich mit Beiträgen der Alphatiere, und zwar in absteigender Rangordnung: Zunächst der Stimmungsböller mit Lafontaine, dann Klaus Ernst, dann Thomas Händel etc.
Dann Mittagessen. Danach mit verdauendem Magen und Gedärm das Spektakel der freien Aussprache. Eine Rednerliste mit über 60 Rednern sollte abgehakt werden. Um das zu bewältigen, wurde erstmal der einzelne Redebeitrag von ursprünglich 5 auf drei Minuten per Handaufheben reduziert.
Nach 25 Beiträgen wurde sodann das Beenden der Rednerliste per Handzeichen vom Plenum beschlossen. Es folgte, nun schon bei erheblichem Brabbelpegel im Auditorium und etwa einem Drittel der Delegierten vor der Tür, das Feilschen um die Einzelanträge. Zum Abstimmen mußten die Delegierten dann wieder in den Saal gescheucht werden.
Was rausgekommen ist? Der gemeinsame Wahlauftritt von PDS und WASG wird von der Versammlung gebilligt. Letzte Entscheidung hat eine Urabstimmung nach diesem Parteitag. Über eine mögliche Fusion wird nach der Bundestagswahl in einem erweiterten Forum unter Einbeziehung weiterer linker Organisationen und Bürgergruppen gesprochen.
Kaum sind diese Beschlüsse in trockenen Tüchern, verlassen auch schon einige Herren unter Verwünschungen den Saal:
Kommentare
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14.07.2005 / 16:43 | wolli, Radio Unerhört Marburg (RUM) |
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im zip-fm vom 08.07.05 | |