"Niemand ist sicher bis wir alle sicher sind" - Wie sähe eine Stadt ohne Polizei aus?
ID 129467
"Die Polizei ist gefährlich, gewalttätig und unverantwortlich" sagt Mia Mingus. Sie sei nicht ausgebildet für den Umgang mit Menschen in psychischen Krisen, führt sie weiter aus. Davon zeugen auch die unzähligen Fälle brutaler Gewalt bis hin zu Tötungen von Menschen in psychischen Ausnahmesituationen, wenn sie in Kontakt mit der Polizei kommen und Todesfälle von BIPoC Menschen in Polizeigewahrsam.
Mia Mingus ist Autorin, Organisatorin und Pädagogin und lebt in Georgia in den USA. Sie arbeitet mit Kreisprozessen, Intervention und Mediation – den Mitteln der Transformativen Gerechtigkeit – schon seit 20 Jahren und hat schon unzählige Fälle brutaler Gewalt begleitet. Sie arbeitet auch viel zu Hürdengerechtigkeit oder Barrierefreiheit. Mia Mingus beginnt jeden ihrer Vorträge damit, daß sie den Menschen dankt, die das Gebäude errichtet haben in dem wir uns befinden, und denjenigen, die es für uns sauberhalten; den Menschen, die unser Essen produziert und es für uns zubereitet haben.
Nach der Tötung von George Floyd am 25. Mai 2020 sprachen sich neun der zwölf Mitglieder des Stadtrats von Minneapolis dafür aus, die Polizeibehörde der Stadt aufzulösen ("Defund the Police") und ein neues öffentliches Sicherheitssystem zu schaffen. Bei der Gemeinderatswahl (Minneapolis Question 2) im November 2021, als es um die Abschaffung der Polizei ging, scheiterte diese jedoch.
Meine Frage an Mia Mingus: Wenn Minnepolis Question 2 Erfolg gehabt hätte, was wäre danach gekommen? Wie könnte eine Stadt ohne Polizei aussehen und wie sähe ein komplett neues Sicherheitssystem aus?
_____________________
Mehr von Mia Mingus:
https://www.freie-radios.net/129371
https://www.freie-radios.net/129222
https://www.freie-radios.net/129137
https://www.freie-radios.net/128940
https://www.freie-radios.net/128651
Mia Mingus ist Autorin, Organisatorin und Pädagogin und lebt in Georgia in den USA. Sie arbeitet mit Kreisprozessen, Intervention und Mediation – den Mitteln der Transformativen Gerechtigkeit – schon seit 20 Jahren und hat schon unzählige Fälle brutaler Gewalt begleitet. Sie arbeitet auch viel zu Hürdengerechtigkeit oder Barrierefreiheit. Mia Mingus beginnt jeden ihrer Vorträge damit, daß sie den Menschen dankt, die das Gebäude errichtet haben in dem wir uns befinden, und denjenigen, die es für uns sauberhalten; den Menschen, die unser Essen produziert und es für uns zubereitet haben.
Nach der Tötung von George Floyd am 25. Mai 2020 sprachen sich neun der zwölf Mitglieder des Stadtrats von Minneapolis dafür aus, die Polizeibehörde der Stadt aufzulösen ("Defund the Police") und ein neues öffentliches Sicherheitssystem zu schaffen. Bei der Gemeinderatswahl (Minneapolis Question 2) im November 2021, als es um die Abschaffung der Polizei ging, scheiterte diese jedoch.
Meine Frage an Mia Mingus: Wenn Minnepolis Question 2 Erfolg gehabt hätte, was wäre danach gekommen? Wie könnte eine Stadt ohne Polizei aussehen und wie sähe ein komplett neues Sicherheitssystem aus?
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Audio
07:07 min, 16 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 24.06.2024 / 18:06
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Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Meike: Wie könnte eine Stadt ohne Polizei aussehen? Wie würde ein völlig neues Sicherheitssystem funktionieren?
Min 6:14 – 13:00
das ist eine große frage. Vorweg mcöhte ich sagen - Ich kann nicht für minneapolis sprechen, denn ich lebe nicht in minneapolis
Mia: Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Transformative Gerechtigkeit – kurz TJ – wird je nach Standort anders aussehen, weil es überall andere und einzigartige Bedingungen gibt. Also, was Minneapolis beschließt, könnte sich sehr von dem unterscheiden, was Seattle beschließt zu tun, oder was Miami, Florida beschließt zu tun. Aber was ich sagen will, ist, dass tatsächlich ein wichtiger Teil von TJ darin besteht, zu verstehen, dass die Menschen, die der Gewalt am nächsten sind und die Teil dieser Gemeinschaft sind, die Menschen sein sollten, die die Antworten ausarbeiten und auch das ausarbeiten, was auch immer die Alternative sein sollte. Wenn ich darüber nachdenke, wie eine Stadt ohne Polizei aussehen könnte, denke ich an so viele Dinge! Ich denke zum Beispiel darüber nach, was gerade passiert - ich bin jetzt in Georgia und bin nicht mehr Teil des Bay Area Transformative Justice Collective, obwohl ich neun Jahre lang Teil davon war. Aber als ich in Oakland lebte und auch jetzt noch habe ich gute Freund*innen, die Teil der verschiedenen Maßnahmen sind, die die Gemeinschaft für psychische Gesundheit aufgebaut hat. Es wurde vorangetrieben von mental health first (eine not-for-profit organization die berät und service zur verfügung stellt für menschen mit emotionalen und psychologischen herausforderungen. Sie bieten auch maßgeschneiderte individualisierte workshops zum wohlergehen an) und dem Antipolizeiterrorprojekt aptp, die wirklich großartige Arbeit geleistet haben. Ich versuche gerade, das in die Praxis umzusetzen: Wie würde eine alternative Krisenreaktion im Bereich der psychischen Gesundheit aussehen und wie würden wir das machen? Wie würden wir - ich meine nicht nur finanziell, sondern auch praktisch - auf eine Art und Weise vorgehen, die nicht auf Kriminalisierung, mehr Gewalt und mehr Trauma beruht? Wir haben Krisenreaktionen auf die psychische Gesundheit, wir haben Gemeinschaftsreaktionen, die auch auf psychische Krisen reagieren können. Wenn ich an Jugendliche of color denke, insbesondere an queere und trans Jugendliche, dann denke ich, dass es für sie Räume geben sollte, in denen sie unterstützt werden und in denen sie alles bekommen können, von der Hilfe bei den Hausaufgaben bis hin zur Möglichkeit, Freundschaften mit älteren Menschen zu schließen, oder Orte, an denen sie mit Erwachsenen, denen sie vertrauen, über ihre Fragen zum Thema Sex oder Fragen zu ihrem Körper oder was auch immer reden können. Ich denke, wir würden mehr in Bildung investieren, wir würden mehr in Ernährungssouveränität und Ernährungsgerechtigkeit investieren, wir würden... ich denke, wenn ich an eine Stadt ohne Polizei denke, würden wir verstehen, dass erstens: die Polizei abgeschafft werden muss. Zweitens: Das System, das wir - zumindest in den USA - haben, ist völlig lächerlich. Die Polizei kümmert sich um alles, von einer psychischen Krise über Einbrüche bis hin zu Morden - ich meine, es ist einfach zu viel. Und die Polizei ist nicht dafür gerüstet, damit umzugehen. Sie erhalten keine angemessene Ausbildung, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie unglaublich gewalttätig, gefährlich ist und dass sie oft ungestraft und ohne Verantwortlichkeit handelt und die von ihr verübten Gewalttaten keinerlei Konsequenzen haben.
Wir würden uns mit allen Ursachen von Schmerz und Leid befassen und mit allen Ursachen, die mit Schaden und Leid zu tun haben. Um zu verstehen, wie Schaden und Gewalt entstehen, damit wir anfangen können, sie zu bekämpfen.
Warum sitzen die Leute im Knast? Wenn sie in einen Laden eingebrochen sind, um ihre Familie zu ernähren, weil sie keinen Zugang zu Lebensmitteln haben, dann ist das nichts, wofür man ins Gefängnis gehen muss. Das ist etwas, woran wir als Gemeinschaft arbeiten können, oder etwa nicht? Wir können dafür sorgen, dass die Menschen zu essen haben, dass sie sauberes Wasser haben, dass sie zu einer Ärztin gehen können. Wir können indigene Praktiken für das Wohlergehen der Gemeinschaft zurückgewinnen, die der Gemeinschaft gut tun. Es gibt so viele Dinge, die wir tun können. Wir können anfangen, uns um ältere Menschen zu kümmern. Damit sie nicht in Pflegeheimen verschwinden, wo sie missbraucht werden. Die Zahl der Misshandlungen in Pflegeheimen ist so hoch. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie eine Stadt ohne Polizei aussehen könnte. Und dann natürlich: Wir können uns ausbilden lassen, oder? Ich denke darüber nach, wie Menschen innerhalb von Bewegungen zu Straßensanitäter*innen oder was auch immer ausgebildet werden. Wir können uns für viele dieser Fähigkeiten ausbilden lassen. Denn die Sache mit der transformativen Gerechtigkeit - und eigentlich mit der Abschaffung im Allgemeinen - ist die, dass wir es sind! wenn wir über tg und über keine Polizei sprechen, dann müssen wir nicht nur brutale Gewalt reagieren, sondern auch auf all die anderen Dinge im Spektrum. Die metaphorische Katze, die im Baum festsitzt, weißt du. Und ich denke, dass wir dazu in der lage sind! ich denke, das würde auch bedeuten, dass wir den Kapitalismus in Frage stellen würden. Dass wir unsere Tage nicht damit verbringen würden, Kapital für jemand anderen zu produzieren, nur um die Grundbedürfnisse zu befriedigen, sondern dass wir tatsächlich unsere Tage damit verbringen würden, diese Fähigkeiten zu praktizieren. Ob das nun die Fähigkeit ist, Lebensmittel anzubauen, gesunde, nährstoffreiche Lebensmittel für die Menschen anzubauen, oder die Fähigkeit, medizinische Verfahren zu erlernen oder zu lernen, wie man sich um Babys und Kinder kümmert, so dass wir uns die Kinderbetreuung teilen können, so dass wir die Kernfamilienstruktur nicht weiterführen müssen, von der wir wissen, dass sie eine große Ursache für Schmerz und Leid ist. Ich könnte noch viel mehr aufzählen...
Min 6:14 – 13:00
das ist eine große frage. Vorweg mcöhte ich sagen - Ich kann nicht für minneapolis sprechen, denn ich lebe nicht in minneapolis
Mia: Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Transformative Gerechtigkeit – kurz TJ – wird je nach Standort anders aussehen, weil es überall andere und einzigartige Bedingungen gibt. Also, was Minneapolis beschließt, könnte sich sehr von dem unterscheiden, was Seattle beschließt zu tun, oder was Miami, Florida beschließt zu tun. Aber was ich sagen will, ist, dass tatsächlich ein wichtiger Teil von TJ darin besteht, zu verstehen, dass die Menschen, die der Gewalt am nächsten sind und die Teil dieser Gemeinschaft sind, die Menschen sein sollten, die die Antworten ausarbeiten und auch das ausarbeiten, was auch immer die Alternative sein sollte. Wenn ich darüber nachdenke, wie eine Stadt ohne Polizei aussehen könnte, denke ich an so viele Dinge! Ich denke zum Beispiel darüber nach, was gerade passiert - ich bin jetzt in Georgia und bin nicht mehr Teil des Bay Area Transformative Justice Collective, obwohl ich neun Jahre lang Teil davon war. Aber als ich in Oakland lebte und auch jetzt noch habe ich gute Freund*innen, die Teil der verschiedenen Maßnahmen sind, die die Gemeinschaft für psychische Gesundheit aufgebaut hat. Es wurde vorangetrieben von mental health first (eine not-for-profit organization die berät und service zur verfügung stellt für menschen mit emotionalen und psychologischen herausforderungen. Sie bieten auch maßgeschneiderte individualisierte workshops zum wohlergehen an) und dem Antipolizeiterrorprojekt aptp, die wirklich großartige Arbeit geleistet haben. Ich versuche gerade, das in die Praxis umzusetzen: Wie würde eine alternative Krisenreaktion im Bereich der psychischen Gesundheit aussehen und wie würden wir das machen? Wie würden wir - ich meine nicht nur finanziell, sondern auch praktisch - auf eine Art und Weise vorgehen, die nicht auf Kriminalisierung, mehr Gewalt und mehr Trauma beruht? Wir haben Krisenreaktionen auf die psychische Gesundheit, wir haben Gemeinschaftsreaktionen, die auch auf psychische Krisen reagieren können. Wenn ich an Jugendliche of color denke, insbesondere an queere und trans Jugendliche, dann denke ich, dass es für sie Räume geben sollte, in denen sie unterstützt werden und in denen sie alles bekommen können, von der Hilfe bei den Hausaufgaben bis hin zur Möglichkeit, Freundschaften mit älteren Menschen zu schließen, oder Orte, an denen sie mit Erwachsenen, denen sie vertrauen, über ihre Fragen zum Thema Sex oder Fragen zu ihrem Körper oder was auch immer reden können. Ich denke, wir würden mehr in Bildung investieren, wir würden mehr in Ernährungssouveränität und Ernährungsgerechtigkeit investieren, wir würden... ich denke, wenn ich an eine Stadt ohne Polizei denke, würden wir verstehen, dass erstens: die Polizei abgeschafft werden muss. Zweitens: Das System, das wir - zumindest in den USA - haben, ist völlig lächerlich. Die Polizei kümmert sich um alles, von einer psychischen Krise über Einbrüche bis hin zu Morden - ich meine, es ist einfach zu viel. Und die Polizei ist nicht dafür gerüstet, damit umzugehen. Sie erhalten keine angemessene Ausbildung, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie unglaublich gewalttätig, gefährlich ist und dass sie oft ungestraft und ohne Verantwortlichkeit handelt und die von ihr verübten Gewalttaten keinerlei Konsequenzen haben.
Wir würden uns mit allen Ursachen von Schmerz und Leid befassen und mit allen Ursachen, die mit Schaden und Leid zu tun haben. Um zu verstehen, wie Schaden und Gewalt entstehen, damit wir anfangen können, sie zu bekämpfen.
Warum sitzen die Leute im Knast? Wenn sie in einen Laden eingebrochen sind, um ihre Familie zu ernähren, weil sie keinen Zugang zu Lebensmitteln haben, dann ist das nichts, wofür man ins Gefängnis gehen muss. Das ist etwas, woran wir als Gemeinschaft arbeiten können, oder etwa nicht? Wir können dafür sorgen, dass die Menschen zu essen haben, dass sie sauberes Wasser haben, dass sie zu einer Ärztin gehen können. Wir können indigene Praktiken für das Wohlergehen der Gemeinschaft zurückgewinnen, die der Gemeinschaft gut tun. Es gibt so viele Dinge, die wir tun können. Wir können anfangen, uns um ältere Menschen zu kümmern. Damit sie nicht in Pflegeheimen verschwinden, wo sie missbraucht werden. Die Zahl der Misshandlungen in Pflegeheimen ist so hoch. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie eine Stadt ohne Polizei aussehen könnte. Und dann natürlich: Wir können uns ausbilden lassen, oder? Ich denke darüber nach, wie Menschen innerhalb von Bewegungen zu Straßensanitäter*innen oder was auch immer ausgebildet werden. Wir können uns für viele dieser Fähigkeiten ausbilden lassen. Denn die Sache mit der transformativen Gerechtigkeit - und eigentlich mit der Abschaffung im Allgemeinen - ist die, dass wir es sind! wenn wir über tg und über keine Polizei sprechen, dann müssen wir nicht nur brutale Gewalt reagieren, sondern auch auf all die anderen Dinge im Spektrum. Die metaphorische Katze, die im Baum festsitzt, weißt du. Und ich denke, dass wir dazu in der lage sind! ich denke, das würde auch bedeuten, dass wir den Kapitalismus in Frage stellen würden. Dass wir unsere Tage nicht damit verbringen würden, Kapital für jemand anderen zu produzieren, nur um die Grundbedürfnisse zu befriedigen, sondern dass wir tatsächlich unsere Tage damit verbringen würden, diese Fähigkeiten zu praktizieren. Ob das nun die Fähigkeit ist, Lebensmittel anzubauen, gesunde, nährstoffreiche Lebensmittel für die Menschen anzubauen, oder die Fähigkeit, medizinische Verfahren zu erlernen oder zu lernen, wie man sich um Babys und Kinder kümmert, so dass wir uns die Kinderbetreuung teilen können, so dass wir die Kernfamilienstruktur nicht weiterführen müssen, von der wir wissen, dass sie eine große Ursache für Schmerz und Leid ist. Ich könnte noch viel mehr aufzählen...