"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - BIP pro Kopf
ID 94603
In der, unterdessen auch schon über ein Jahr alten Zürcher Online-Zeitung «Republik» finde ich drei Übersichtskarten über die 276 Regionen der EU, und zwar zeigen sie das Bruttoinlandprodukt pro Kopf mit Angaben aus dem Jahr 2016, die Veränderung dieses Wertes zwischen 2007 und 2016 sowie die Bevölkerungsentwicklung.
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Upload vom 02.04.2019 / 16:45
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Dateizugriffe: 2631
Klassifizierung
Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Arbeitswelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung
AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 02.04.2019
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Das Bruttoinlandprodukt wurde in letzter Zeit als Maßstab häufig kritisiert, zum Beispiel weil es die Verfügbarkeit von nicht mit Geld messbaren Gütern nicht berücksichtigt, und da denkt man zuerst an all die Dinge rund um das Internet, aber man könnte es auch mit dem Königreich Bhutan halten und das Bruttonationalglück dazu fügen; aber was ist schon Glück, geschätzte Hörerinnen und Hörer. Erstens wird es überschätzt, die meisten Menschen leben glücklicher mit ihrem persönlichen Unglück, als wenn man es ihnen wegnimmt; zweitens muss man sogar das Glück ent-individualisieren, wenn man es messen will, man kann Glück zum Beispiel in Anzahl Spareribs pro Quadratmeter oder pro Monat angeben, wobei auch dieser Maßstab nicht für alle anwendbar ist, beziehungsweise und wenn ich es mir genau überlege, ist er eben doch brauchbar, denn zweifellos sind VegetarierInnen und VeganerInnen – ach, lassen wir das; Glück ist jedenfalls schon als Begriff problematisch, als quantifizierbares Ziel aber erst recht, es bräuchte dafür schon so etwas wie den Staatsrat in der ehemaligen DDR, welcher Planvorgaben erstellen würde wie dunnemals bei der Ästhetik. Einen kleinen Hinweis auf Glück liefer die dritte Statistikkarte der «Republik» ja dann doch, indem man davon ausgehen kann, dass die Glückliche oder der Glückliche oder die Glücklichen in der Regel nicht von ihrem Glück davonlaufen, Glück ist sesshaft, Glück ist demzufolge sogar konservativ, ein Entwicklungshemmnis oder möglicherweise auch wieder nicht, aber das Weglaufen ist jedenfalls schon ein Indikator dafür, dass sich ein bestimmter Prozentsatz der heimischen Bevölkerung seine Zukunft an einem anderen Ort vorstellt.
«Wo ist Europa attraktiv?», fragt die «Republik», und was sieht man auf der Karte? Der Osten ist rot. Tiefrot steht für einen Bevölkerungsschwund um 10 bis 14 Prozent, gemächlich rot für eine Abnahme um 5 bis 10 Prozent. Aus Lettland und Litauen sind zwischen 2007 und 2016 je 11 Prozent der Bevölkerung abgehauen, aus Ost-Rumänien 13%, aus Südwestrumänien ebenfalls 13% und aus Nordwest-Bulgarien 14%. Einen ebenfalls deutlichen Bevölkerungsrückgang verzeichnen neben weiteren Gebieten in Rumänien und Bulgarien auch Thüringen und Sachsen-Anhalt mit minus 6 und minus 8 Prozent; die Thüringer liegen diesbezüglich gleichauf mit dem portugiesischen Süden, dem Alentejo. Auf dem Rest der iberischen Halbinsel blieb die Bevölkerung mehr oder weniger stabil mit leichten Vorteilen im Süden; in Frankreich legten der Süden und die Bretagne zu, in Grossbritannien die schottischen Erdölgebiete sowie die traditionellen Wirtschaftsgebiete im Kernland, vor allem selbstverständlich London; Irlands Bevölkerung stieg um 9%. Im EU-Teil von Skandinavien vermehrte sich die Bevölkerung in den Metropolitangebieten, zum Beispiel in Stockholm um 16% oder in Helsinki um 11%. Polen ist durchzogen, ebenso Ungarn; die Region Prag wächst um 8%, in Österreich nehmen die Zahlen insgesamt zu, ebenso in Bratislava, das 7% ausweist, und in Italien gewinnen die Lombardei und die Emilia-Romagna je 7% und Lazio sogar 11%. Die höchste Zunahme weist Luxemburg aus mit 21%; man fragt sich, wo die die Menschen überhaupt noch hinquetschen. Die «Republik» schreibt: «Am stärksten wuchs die französische Überseeregion Guyana mit 25.2 Prozent», was ich allerdings für eine Scharade halte, mindestens in Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung in Europa; die sogenannten Überseegebiete Frankreichs sind nichts anderes als Kolonien und insofern nicht relevant für die Angaben zu Europa.
Dem gegenüber stehen dann eben doch die Angaben zum Bruttoinlandprodukt. Die «Republik» legt eine Karte vor, auf welcher die Abweichungen vom durchschnittlichen Wachstum in den Jahren 2007 bis 2016 verzeichnet sind. Hier stechen die negativen Werte im Süden ins Auge. Lazio zum Beispiel mit seinem relativ hohen Bevölkerungswachstum blieb in der gleichen Periode um 24 Prozent hinter dem durchschnittlichen Wachstum des BIP pro Kopf in der EU zurück. An die Krise in Spanien erinnert man sich sowieso und an jene in Griechenland erst recht; beide schlagen sich in negativen Werten nieder, in Griechenland sind es um die 20%. Aber auch Frankreich weist mit Ausnahme des Zentrums um Paris negative Werte aus. Spektakulär dafür Süd- und Ostirland: Sie legen um 50% mehr zu als der EU-Durchschnitt, während gleichzeitig die Midlands um 16 Prozent weniger wachsen. England hält sich ungefähr im Durchschnitt, Schweden und Finnland bleiben etwas zurück, während ansonsten vor allem der Osten positive Abweichungen zeigt, Polen um 10 bis 20 Prozentpunkte, Rumänien um 10 bis 15 Prozent und Bulgarien etwas weniger. Die Region um Bratislava zeigt sich erneut von ihrer schönsten Seite mit einem Ausschlag gegenüber dem Durchschnittswachstum um 26%; daneben zeigen auch Österreich und Deutschland mehrheitlich positive Abweichungen, zum Beispiel Thüringen um 13 Prozent.
Werfen wir abschließend einen Blick auf die dritte Karte mit dem Bruttoinlandprodukt pro Kopf nach Regionen, wie gesagt ohne den Faktor Glück. Zunächst finden wir, was wir schon wissen: Luxemburg liegt im Jahr 2016 mit 75'205 Euro pro Kopf deutlich an der Spitze. Nicht zu verachten ist aber auch Süd- und Ostirland mit 63'466 Euro. Stockholm bietet 50'510 Euro, die Hauptstadtregion in Dänemark 46'387 Euro und die Region Helsinki-Uusimaa 41'987 Euro. Für die Île de France werden 51'167 Euro ausgewiesen, die Zahl für London selber finde ich auf der Karte nicht, aber in Berkshire, Buckinghamshire and Oxfordshire beträgt das BIP pro Kopf 43'961 Euro. Die Österreicher weisen zwischen 30'000 und 45'000 Euro aus. Bratislava 53'734 Euro. Die Katalanen verteidigen 32'000 Euro gegenüber Madrid mit 36'488 Euro. Das Baskenland meldet 35'347 Euro. Das italienische Lazio steht mit 32'190 Euro zu Buche, die Toskana mit 30'593 Euro, die Emilia Romagna mit 35'134 Euro, die Lombardei mit 37'341 Euro und das Piemont mit 30'000 Euro. Gegen Osten nimmt der Wert ab; die baltischen Staaten weisen zwischen 18'000 und 22'000 Euro aus, Polen liegt im Osten gleichauf mit Griechenland, während die Region Mazowieckie um die Hauptstadt Warschau mit 31'740 Euro BIP pro Kopf deutlich vor Regionen wie Dresden liegt, das 28'096 Euro ausweist und Chemnitz mit 25'854 Euro. Thüringen und Sachsen-Anhalt stehen mit 26'698 und 25'147 Euro zu Buche. Im portugiesischen Alentejo sind es 21'217 Euro, zu meinem Erstaunen mehr als im spanischen Andalusien mit 19'783 Euro. Und zur Kontrolle: In Griechenland bringt es die Metropolitanregion Attiki doch noch auf 26'946 Euro, in Bukarest liegt das BIP pro Kopf bei 40'492 Euro, im bulgarischen Severozapaden bei 8605 Euro und in Oberbayern bei 51'567 Euro.
Wie einleitend gesagt, solche Zahlen haben nur beschränkte Aussagekraft, abgesehen vom fehlenden Einbezug gewisser nicht geldwerter Faktoren auch wegen der Dynamik zu den umliegenden Regionen und den nationalen und EU-Einflusskräften, welche nicht abgebildet werden und nicht abgebildet werden können. Trotzdem gefallen mir solche Angaben, weil sie immer wieder an die alte Idee vom Europa der Regionen erinnern, das man vor dreißig Jahren im Prozess der EU-Entstehung zeitweise vor Augen hatte. Es ist eine Vision vom Verschwinden der Zwischenstufe, nämlich der Nationalstaaten, welche sich vor allem in Katalanien hartnäckig hält. Allerdings ist dieses Verschwinden nur dann sinnvoll und fortschrittlich, wenn die Regionen sich nicht zu Kleinstaaten entwickeln wie anno dunnemals in Deutschland nach dem 15. Jahrhundert, das heißt, unter der Bedingung, dass sich der Kontinent auf einheitliche Grundlagen im Recht und in den Institutionen einigt. Alle separatistischen Kräfte, welche beabsichtigen, eigene Eigenheiten in eigene Gesetze und Institutionen zu packen, sind zunächst mal abzulehnen. Die Aufhebung des Nationalstaates ist nur denkbar, wenn auf dieser Ebene die Vereinheitlichung über die Staaten hinaus stattgefunden hat. Ich bin hier geradewegs versucht, einmal das französische und das deutsche Zivilrecht einander gegenüberzustellen. Sie beginnen beide mit einem Abschnitt zu den Personen. In Frankreich heißt Nummer eins im Artikel 7:: «Die Ausübung der Zivilrechte findet unabhängig von der Ausübung der politische Rechte statt. Diese werden gemäss der Verfassungs- und Wahlgesetzgebung erworben.» Artikel 8 besagt: «Jeder Franzose ist im Vollbesitz der zivilen Rechte.» Im BGB dagegen lautet Artikel 1: «Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt», in Artikel zwei folgt die Volljährigkeit. Man sieht sofort: Da haben sich zwei Autorinnen beziehungsweise zwei Rechtstraditionen mit einem unterschiedlichen Ansatz an exakt das gleiche Gebiet heran gemacht. Wer nun unternimmt den ersten Schritt zur Vereinheitlichung bei völliger Wahrung des Gesichtes? Ich kann mir nicht vorstellen, dass in den beiden Gesetzestexten grundsätzlich abweichende Vorstellungen und Aussagen zu finden sind.
Naja. Um nicht sofort in die Detailarbeit einsteigen zu müssen, wieder mal ein paar Nachrichten aus dem Land der Neutralität und völligen Objektivität, dessen erster Artikel zum Personenrecht übrigens lautet: «Rechtsfähig ist jedermann.» An den vergangenen drei Wochenenden fanden nicht Europa- und auch nicht schweizweite, sondern kantonale Wahlen statt, und zum größeren Entzücken mancher Menschen, unter anderem von mir, hat die Partei der Vereinigten Dummköpfe auf der einen, der Populisten und Betrüger auf der anderen Seite, also die Schweizerische Volkspartei dabei erheblich Schaden genommen und in den Kantonen Baselland, Luzern und Zürich deutliche Sitzverluste in den kantonalen Parlamenten hinnehmen müssen. Dies ist als solches schon erfreulich; noch erfreulicher ist aber, dass die Verluste der SVP zur Hauptsache dem Konto der bürgerlichen und der linken Grünen sowie zum Teil sogar der Sozialdemokratie gutgeschrieben werden konnten. Das sind zwar nicht sichere, aber trotzdem positive Vorzeichen für die nationalen Wahlen in diesem Herbst. Mit allergrößtem Vergnügen verfolgte man anschließend die Versuche, die Stimmenverluste zu begründen. Die SVP hält die Niederlage für einen reinen Medien-Event, für eine Auswirkung der Lügenpresse und insonderheit der Staatsmedien, welche einen richtigen Orkan der Klimawandels-Lüge ausgelöst hätten, was sich eben im Stimmvolk negativ niedergeschlagen habe. Offenbar halten die das Stimmvolk für gleich dumm wie wir unserseits ihre Wählerinnenschaft. Dafür spricht auch die Aussage einer knapp gewählten Regierungsratskandidatin im Kanton Zürich, wonach die komplizierten Wahllisten eine Mitschuld trügen an ihrem persönlichen und allgemein am schlechten Resultat ihrer Partei. Es waren Tage der Freude – allerdings der begrenzten Freude, denn auch nach den Verlusten im einstelligen Prozentbereich ist die SVP immer noch die größte Partei und wird es auch im Herbst bleiben. Und wenn das mit der Dummheit stimmt, dann haben wir immer noch etwa zwanzig Prozent der Stimm- und Wahlbürgerinnen, welche für das demokratische System eigentlich nicht qualifiziert sind, weil man sie durch das Ansprechen und die Pflege ihrer niedrigen Instinkte zu rechtspopulistischem, nationalistischem und zum Teil rassistischem Wahlverhalten verleiten kann.
Trotzdem haben wir uns gefreut, und da die SVP in vielen Belangen ein Vorbild ist für die nationalistischen Trottel in der Allianz für Deutschland und darüber hinaus am rechten Rand, könnt Ihr Euch auch ein bisschen mit freuen. Im Moment haben die Nationalisten bei uns Zahnschmerzen.
«Wo ist Europa attraktiv?», fragt die «Republik», und was sieht man auf der Karte? Der Osten ist rot. Tiefrot steht für einen Bevölkerungsschwund um 10 bis 14 Prozent, gemächlich rot für eine Abnahme um 5 bis 10 Prozent. Aus Lettland und Litauen sind zwischen 2007 und 2016 je 11 Prozent der Bevölkerung abgehauen, aus Ost-Rumänien 13%, aus Südwestrumänien ebenfalls 13% und aus Nordwest-Bulgarien 14%. Einen ebenfalls deutlichen Bevölkerungsrückgang verzeichnen neben weiteren Gebieten in Rumänien und Bulgarien auch Thüringen und Sachsen-Anhalt mit minus 6 und minus 8 Prozent; die Thüringer liegen diesbezüglich gleichauf mit dem portugiesischen Süden, dem Alentejo. Auf dem Rest der iberischen Halbinsel blieb die Bevölkerung mehr oder weniger stabil mit leichten Vorteilen im Süden; in Frankreich legten der Süden und die Bretagne zu, in Grossbritannien die schottischen Erdölgebiete sowie die traditionellen Wirtschaftsgebiete im Kernland, vor allem selbstverständlich London; Irlands Bevölkerung stieg um 9%. Im EU-Teil von Skandinavien vermehrte sich die Bevölkerung in den Metropolitangebieten, zum Beispiel in Stockholm um 16% oder in Helsinki um 11%. Polen ist durchzogen, ebenso Ungarn; die Region Prag wächst um 8%, in Österreich nehmen die Zahlen insgesamt zu, ebenso in Bratislava, das 7% ausweist, und in Italien gewinnen die Lombardei und die Emilia-Romagna je 7% und Lazio sogar 11%. Die höchste Zunahme weist Luxemburg aus mit 21%; man fragt sich, wo die die Menschen überhaupt noch hinquetschen. Die «Republik» schreibt: «Am stärksten wuchs die französische Überseeregion Guyana mit 25.2 Prozent», was ich allerdings für eine Scharade halte, mindestens in Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung in Europa; die sogenannten Überseegebiete Frankreichs sind nichts anderes als Kolonien und insofern nicht relevant für die Angaben zu Europa.
Dem gegenüber stehen dann eben doch die Angaben zum Bruttoinlandprodukt. Die «Republik» legt eine Karte vor, auf welcher die Abweichungen vom durchschnittlichen Wachstum in den Jahren 2007 bis 2016 verzeichnet sind. Hier stechen die negativen Werte im Süden ins Auge. Lazio zum Beispiel mit seinem relativ hohen Bevölkerungswachstum blieb in der gleichen Periode um 24 Prozent hinter dem durchschnittlichen Wachstum des BIP pro Kopf in der EU zurück. An die Krise in Spanien erinnert man sich sowieso und an jene in Griechenland erst recht; beide schlagen sich in negativen Werten nieder, in Griechenland sind es um die 20%. Aber auch Frankreich weist mit Ausnahme des Zentrums um Paris negative Werte aus. Spektakulär dafür Süd- und Ostirland: Sie legen um 50% mehr zu als der EU-Durchschnitt, während gleichzeitig die Midlands um 16 Prozent weniger wachsen. England hält sich ungefähr im Durchschnitt, Schweden und Finnland bleiben etwas zurück, während ansonsten vor allem der Osten positive Abweichungen zeigt, Polen um 10 bis 20 Prozentpunkte, Rumänien um 10 bis 15 Prozent und Bulgarien etwas weniger. Die Region um Bratislava zeigt sich erneut von ihrer schönsten Seite mit einem Ausschlag gegenüber dem Durchschnittswachstum um 26%; daneben zeigen auch Österreich und Deutschland mehrheitlich positive Abweichungen, zum Beispiel Thüringen um 13 Prozent.
Werfen wir abschließend einen Blick auf die dritte Karte mit dem Bruttoinlandprodukt pro Kopf nach Regionen, wie gesagt ohne den Faktor Glück. Zunächst finden wir, was wir schon wissen: Luxemburg liegt im Jahr 2016 mit 75'205 Euro pro Kopf deutlich an der Spitze. Nicht zu verachten ist aber auch Süd- und Ostirland mit 63'466 Euro. Stockholm bietet 50'510 Euro, die Hauptstadtregion in Dänemark 46'387 Euro und die Region Helsinki-Uusimaa 41'987 Euro. Für die Île de France werden 51'167 Euro ausgewiesen, die Zahl für London selber finde ich auf der Karte nicht, aber in Berkshire, Buckinghamshire and Oxfordshire beträgt das BIP pro Kopf 43'961 Euro. Die Österreicher weisen zwischen 30'000 und 45'000 Euro aus. Bratislava 53'734 Euro. Die Katalanen verteidigen 32'000 Euro gegenüber Madrid mit 36'488 Euro. Das Baskenland meldet 35'347 Euro. Das italienische Lazio steht mit 32'190 Euro zu Buche, die Toskana mit 30'593 Euro, die Emilia Romagna mit 35'134 Euro, die Lombardei mit 37'341 Euro und das Piemont mit 30'000 Euro. Gegen Osten nimmt der Wert ab; die baltischen Staaten weisen zwischen 18'000 und 22'000 Euro aus, Polen liegt im Osten gleichauf mit Griechenland, während die Region Mazowieckie um die Hauptstadt Warschau mit 31'740 Euro BIP pro Kopf deutlich vor Regionen wie Dresden liegt, das 28'096 Euro ausweist und Chemnitz mit 25'854 Euro. Thüringen und Sachsen-Anhalt stehen mit 26'698 und 25'147 Euro zu Buche. Im portugiesischen Alentejo sind es 21'217 Euro, zu meinem Erstaunen mehr als im spanischen Andalusien mit 19'783 Euro. Und zur Kontrolle: In Griechenland bringt es die Metropolitanregion Attiki doch noch auf 26'946 Euro, in Bukarest liegt das BIP pro Kopf bei 40'492 Euro, im bulgarischen Severozapaden bei 8605 Euro und in Oberbayern bei 51'567 Euro.
Wie einleitend gesagt, solche Zahlen haben nur beschränkte Aussagekraft, abgesehen vom fehlenden Einbezug gewisser nicht geldwerter Faktoren auch wegen der Dynamik zu den umliegenden Regionen und den nationalen und EU-Einflusskräften, welche nicht abgebildet werden und nicht abgebildet werden können. Trotzdem gefallen mir solche Angaben, weil sie immer wieder an die alte Idee vom Europa der Regionen erinnern, das man vor dreißig Jahren im Prozess der EU-Entstehung zeitweise vor Augen hatte. Es ist eine Vision vom Verschwinden der Zwischenstufe, nämlich der Nationalstaaten, welche sich vor allem in Katalanien hartnäckig hält. Allerdings ist dieses Verschwinden nur dann sinnvoll und fortschrittlich, wenn die Regionen sich nicht zu Kleinstaaten entwickeln wie anno dunnemals in Deutschland nach dem 15. Jahrhundert, das heißt, unter der Bedingung, dass sich der Kontinent auf einheitliche Grundlagen im Recht und in den Institutionen einigt. Alle separatistischen Kräfte, welche beabsichtigen, eigene Eigenheiten in eigene Gesetze und Institutionen zu packen, sind zunächst mal abzulehnen. Die Aufhebung des Nationalstaates ist nur denkbar, wenn auf dieser Ebene die Vereinheitlichung über die Staaten hinaus stattgefunden hat. Ich bin hier geradewegs versucht, einmal das französische und das deutsche Zivilrecht einander gegenüberzustellen. Sie beginnen beide mit einem Abschnitt zu den Personen. In Frankreich heißt Nummer eins im Artikel 7:: «Die Ausübung der Zivilrechte findet unabhängig von der Ausübung der politische Rechte statt. Diese werden gemäss der Verfassungs- und Wahlgesetzgebung erworben.» Artikel 8 besagt: «Jeder Franzose ist im Vollbesitz der zivilen Rechte.» Im BGB dagegen lautet Artikel 1: «Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt», in Artikel zwei folgt die Volljährigkeit. Man sieht sofort: Da haben sich zwei Autorinnen beziehungsweise zwei Rechtstraditionen mit einem unterschiedlichen Ansatz an exakt das gleiche Gebiet heran gemacht. Wer nun unternimmt den ersten Schritt zur Vereinheitlichung bei völliger Wahrung des Gesichtes? Ich kann mir nicht vorstellen, dass in den beiden Gesetzestexten grundsätzlich abweichende Vorstellungen und Aussagen zu finden sind.
Naja. Um nicht sofort in die Detailarbeit einsteigen zu müssen, wieder mal ein paar Nachrichten aus dem Land der Neutralität und völligen Objektivität, dessen erster Artikel zum Personenrecht übrigens lautet: «Rechtsfähig ist jedermann.» An den vergangenen drei Wochenenden fanden nicht Europa- und auch nicht schweizweite, sondern kantonale Wahlen statt, und zum größeren Entzücken mancher Menschen, unter anderem von mir, hat die Partei der Vereinigten Dummköpfe auf der einen, der Populisten und Betrüger auf der anderen Seite, also die Schweizerische Volkspartei dabei erheblich Schaden genommen und in den Kantonen Baselland, Luzern und Zürich deutliche Sitzverluste in den kantonalen Parlamenten hinnehmen müssen. Dies ist als solches schon erfreulich; noch erfreulicher ist aber, dass die Verluste der SVP zur Hauptsache dem Konto der bürgerlichen und der linken Grünen sowie zum Teil sogar der Sozialdemokratie gutgeschrieben werden konnten. Das sind zwar nicht sichere, aber trotzdem positive Vorzeichen für die nationalen Wahlen in diesem Herbst. Mit allergrößtem Vergnügen verfolgte man anschließend die Versuche, die Stimmenverluste zu begründen. Die SVP hält die Niederlage für einen reinen Medien-Event, für eine Auswirkung der Lügenpresse und insonderheit der Staatsmedien, welche einen richtigen Orkan der Klimawandels-Lüge ausgelöst hätten, was sich eben im Stimmvolk negativ niedergeschlagen habe. Offenbar halten die das Stimmvolk für gleich dumm wie wir unserseits ihre Wählerinnenschaft. Dafür spricht auch die Aussage einer knapp gewählten Regierungsratskandidatin im Kanton Zürich, wonach die komplizierten Wahllisten eine Mitschuld trügen an ihrem persönlichen und allgemein am schlechten Resultat ihrer Partei. Es waren Tage der Freude – allerdings der begrenzten Freude, denn auch nach den Verlusten im einstelligen Prozentbereich ist die SVP immer noch die größte Partei und wird es auch im Herbst bleiben. Und wenn das mit der Dummheit stimmt, dann haben wir immer noch etwa zwanzig Prozent der Stimm- und Wahlbürgerinnen, welche für das demokratische System eigentlich nicht qualifiziert sind, weil man sie durch das Ansprechen und die Pflege ihrer niedrigen Instinkte zu rechtspopulistischem, nationalistischem und zum Teil rassistischem Wahlverhalten verleiten kann.
Trotzdem haben wir uns gefreut, und da die SVP in vielen Belangen ein Vorbild ist für die nationalistischen Trottel in der Allianz für Deutschland und darüber hinaus am rechten Rand, könnt Ihr Euch auch ein bisschen mit freuen. Im Moment haben die Nationalisten bei uns Zahnschmerzen.