Das Pitak-Projekt Permakultur auf den Philippinen

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Mitten in der tropischen Natur auf den Philippinen besuchte ich das Pitakprojekt von Cye Reyes und Carol Galvez. Sie sind Permakultur-Aktivistinnen.
Carol und Cye lernte ich vor vielen Jahren als Aktivistinnen der indigenen Frauen- und Lesbenbewegung kennen. Jetzt haben sie ihren Traum verwirklicht, Landwirtschaft zu betreiben. Es war toll sie nicht mehr in der hektischen Stadt anzutreffen, sondern an diesem idyllischen wunderschönen Ort mit Vogelgezwitscher und dem Wind der in den Blättern raschelt. Sie leben inmitten ihrer Schweine, Ziegen, Hühner und Hunde. Mit viel Arbeit und Liebe haben sie das Land, dass sie mit ihrem Pensionskassengeld vor fünf Jahren gekauft haben, in einen Musterbauernhof verwandelt. Sie sind Permakultur-Aktivistinnen geworden und gaben mir gerne ein Interview über das Pitakprojekt.
Permakultur habe ich schon oft gehört, konnte es mir aber nie richtig vorstellen. Cye erklärte mir anschaulich wie es funktioniert.
Audio
20:03 min, 28 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 01.01.2019 / 20:01

Dateizugriffe: 2285

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Umwelt, Frauen/Lesben
Entstehung

AutorInnen: Radio LoRa, Bianca Migliorett
Radio: LoRaZH, Zürich im www
Produktionsdatum: 01.01.2019
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Manuskript Pitak-Projekt Interview mit Carol Galvez und Cye Reyes

Ü
Die Natur ist multifunktional. Permakultur bedeutet, dass du diese Multifunktionalität auch in der Landwirtschaft anwendest.
M
(Vogelgezwitscher) Mitten in der tropischen Natur auf den Philippinen besuchte ich das Pitakprojekt auf dem Bauernhof von Cye Reyes und Carol Galvez.
Carol und Cye lernte ich vor vielen Jahren als Aktivistinnen der indigenen Frauen- und Lesbenbewegung kennen. Jetzt haben sie ihren Traum verwirklicht, Landwirtschaft zu betreiben. Es war toll sie nicht mehr in der hektischen Stadt anzutreffen, sondern an diesem idyllischen wunderschönen Ort mit Vogelgezwitscher und dem Wind der in den Blättern raschelt. Sie leben inmitten ihrer Schweine, Ziegen, Hühner und Hunde. Mit viel Arbeit und Liebe haben sie das Land, dass sie mit ihrem Pensionskassengeld vor fünf Jahren gekauft haben, in einen Musterbauernhof verwandelt. Sie sind Permakultur-Aktivistinnen geworden und gaben mir gerne ein Interview über das Pitakprojekt.
Permakultur habe ich schon oft gehört, konnte es mir aber nie richtig vorstellen. Cye erklärte mir anschaulich wie es funktioniert.
Ü
Permakultur ist die Abkürzung für permanente selbsterhaltende Landwirtschaft. Basierend auf dem natürlichen Ökosystem wird ein ganzeitlicher Anbau betrieben.
Wenn Du zum Beispiel einen Fischteich baust, machst Du diesen nicht nur für die Fischzucht sondern auch als Lebensraum für Frösche und Insekten. Du kannst darin auch Wassergemüse wie Kangkong züchten. So funktioniert auch das natürliche Ökosystem, alles hat mehrere Funktionen. Du planst die Landwirtschaft entlang des natürlichen Ökosystems, das ist Permakultur.
M
Könnt ihr einige Beispiele aus eurer Praxis nennen ?
Ü
z.B. Die Mischkultur von Gemüse. Zuerst produzieren wir unseren eigenen biologischen Dünger. Dann pflanzen wir das Gemüse entsprechend wer gerne neben wem wächst an. Zum Beispiel Mais im gleichen Beet wie Bohnen und Kürbis.
Ü
Wenn Du einen Permakultur-Bauernhof aufbaust, teilst Du das Land in verschiedenen Zonen ein. Die innere Zone ist die, wo die Menschen leben, mit den Häusern und allen Dingen die Du zum Leben brauchst. Dann kommt Zone 2 für die Aufzucht der Tiere, dann Zone 3 für den Gemüseanbau. Etwas tolles an der Permakultur ist der Mischwald in Zone 4. Dort erntest Du Früchte, Brennholz oder Futter für die Tierzucht. Ziel ist es alles Lebenswichtige in diesen vier Zonen zu produzieren.
Es geht also weiter als biologische Landwirtschaft. Denn viele Bio-Bauernhöfe betreiben immer noch Monokultur. In der Permakultur gibt es keine Monokultur. Wir bereichern die Biodiversität der Region.
Im Mischwald haben wir z.B. Papaya, Kaffee, Orangen etc. Im Gemüsegarten haben wir verschiedene Sorten, nicht nur ein Gemüse. Biodiversität ist ein ganz wichtiger Aspekt der Permakultur.
M
Ihr habt früher in einer grossen Stadt gelebt, warum seit ihr aufs Land gezogen und habt euren eigenen Bauernhof aufgebaut?
Ü
Es war immer unser Traum, wenn wir pensioniert sind, auf einem kleinen Bauernhof zu leben, Gemüse anzubauen und einige Tiere zu züchten. Ein einfaches Leben zu führen. Das konnten wir in der Stadt nicht. Irgendwann haben wir realisiert, wenn wir unseren Traum nicht jetzt leben, sondern warten bis wir pensioniert sind, werden wir körperlich vielleicht nicht mehr in der Lage dazu sein.
Es war ein riesen Schritt, als wir entschieden, jetzt schon in Pension zu gehen und unseren Traum sofort zu leben.
M
Was gefällt Euch an eurem neuen Leben ?
Ü
Die Samen wachsen sehen, die Vögel singen hören, die Geburt von Ziegen, Ferkel und Hunden mitzuerleben, das Essen geniessen, das wir selbst angebaut haben.
M
Es gab sicher auch schwierige Moment, womit hattet ihr zu kämpfen ?
Ü
Als erstes hatten wir überhaupg keine Erfahrung. Wir sind in der Stadt aufgewachsen. Wir waren Aktivistinnen. Die körperliche Arbeit haben wir unterschätzt, uns tat alles weh. Und wir haben immer noch da und dort Schmerzen.
Ein andere Herausforderung ist das tief verwurzelte Patriarchat auf den Philippinen. Uns wurde immer wieder gesagt, dass wir dies oder das nicht können, weil wir Frauen sind und es eine Männerarbeit ist. Das mussten wir durchbrechen. Dann sind wir noch Lesben also doppelt bestraft.
Eine weitere grosse Herausforderung ist die Bauern und Bäuerinnen hier dazu zu bewegen auf Permakultur umzustellen. Sie benützen Dünger und Pestizide, weil es am einfachsten ist. Und es ist extrem schwierig, sie davon zu überzeugen, dass es längerfistig besser ist wieder zu den natürlichen Anbaumethoden zurückzukehren.
Und dann haben wir natürlich auch interne Kämpfe auszutragen, wir müssen uns immer wieder überzeugen, dass dies das Leben ist, das wir gewählt haben. Manchmal fragen wir uns, warum tun wir uns all das an.
M
Gab es auch Moment, in denen ihr eure Entscheidung beräut habt ?
Ü
Jaaa sehr oft. Dann müssen wir uns immer wieder daran erinnern, dass wir dies nicht nur für uns machen, sondern weil wir mehr Menschen auf den Philippinen davon überzeugen wollen etwas zu verändern, mehr Permakultur zu praktizieren und ein nachhaltigeres Leben zu führen.
M
Wie haben denn die Leute im Dorf reagiert, als ihr hier her gezogen seit ?
Ü
Das war eine unserer Ängste, dass die Leute hier uns nicht akzeptieren werden, weil wir etwas neues einführen. Aber wir waren überwältigt, vom ersten Tag an haben uns die Leuten mit offenen Armen willkommen geheissen, obwohl sie uns nicht kannten. Speziell unsere Nachbarn, wir haben uns schnell kennen gelernt. Sie haben ihre Erfahrungen in der Landwirtschaf mit uns geteilt. Von Anfang an fühlten wir uns willkommen.
Ü
Als Aktivistinnen haben wir Erfahrung uns in neue Gemeinschaften zu integrieren. Wir haben uns allen vorgestellt als Bäuerinnen und Neulinge im Dorf. Wir haben die Leute eingeladen, uns beim Bau des Lehmhauses zu helfen, zu sehen wie wir Reis und Gemüse anpflanzen und so gelang es uns, sie langsam zu beeinflussen.
M
War die Tatsache, dass ihr offen lesbisch lebt, ein Problem?
Ü
Wir mussten uns gar nicht erst outen. Die Leute haben es einfach angenommen und sprechen immer von den Ehefrauen, den Partnerinnen oder einfach von Carol und Cye. Sie nennen uns immer zusammen. Wir haben nie irgendwelche Vorbehalte gegenüber unserer sexuellen Orientierung und unserer Beziehung erlebt.
M
Ihr wollt die Leute hier beeinflussen. Was waren die Reaktionen als die Leute sahen, wie ihr Landwirtschaft betreibt?
Ü
Langsam gelingt es uns Veränderungen herbeizuführen. Z.B. Das trockene Kompostier-WC. Die konventionellen WCs, wo einfach sauberes Wasser das Klo runtergespült wird, sind ein grosses Problem, weil hier oft Wassermangel herrscht. Als sie sahen, dass es möglich ist, ein sauberes WC ohne Wasser zu haben, war dies vor allem für die Gemeindeverwaltung ein Aha-Erlebniss. Sie wollen kompostier-WCs in den entfernteren Bauernhöfen einführen, wo Wassermangel ein riesen Problem ist.
Ein anderes Beispiel ist der nicht-stinkende Schweinestall. Viele im Dorf züchten Schweine für den Verkauf, damit sie etwas dazu verdienen können. Aber die Ställe sind extrem unhygienisch und stinken. Das Abwasser leiten sie einfach in den Bach. Während unser Schweinestall sauber ist. Wir benützen Reishülsen für das Lager der Schweine und wir bauten ein kleines Wasserbecken, in dem die Schweine ihre Geschäfte verrichten. Deshalb stinkt es überhaupt nicht.
Einige Nachbaren haben ihre Schweineställe entsprechend umgebaut und andere Techniken angewendet, die sie von uns gelernt haben.
M
Und wohin geht das Wasser aus dem Becken mit den Fäkalien der Schweine?
Ü
Wir haben eine natürliche Kanalisation eingerichtet, mit der wir den Festabfall als Dünger sammeln können und das restliche Wasser geht in den Gemüsegarten und die Reisfelder. Es wird also nichts weggeworfen. Das ist ein Prinzip von Permaklutur.
M
Eure Farm ist berühmt geworden. Mehrmals wurde im Fernsehen über das Pitakprojekt berichtet. Welche Auswirkung hatte dies auf Euren Alltag ?
Ü
Von Anfang an war es für uns klar, dass dies nicht ein perönliches Projekt ist, sondern wir wollen die Leute teilhaben lassen, wie wir versuchen die Landwirtschaft zu verändern. Als Aktivistinnen haben wir immer eng mit den Medien zusammengearbeitet, damit sie über unsere Aktivitäten informieren. Das wenden wir auch auf unseren Permakulturhof an. Wir müssen mit den Medien arbeiten, damit wir eine breitere Gemeinschaft beeinflussen können. Wir nutzen auch die sozialen Medien, wir haben einen Blog. Denn wir wollen das die Leute von Anfang an verfolgen können, was wir machen und wie es uns dabei geht. Schnell realisiert wir, dass viel Leute sich nach Veränderung sehnen. An unserem Beispiel können sie sehen, dass es möglich ist, ein einfaches, nachhaltiges und umweltfreundliches Leben zu führen. So inspirieren wir sie. Und sie schreiben uns : "Ihr habt uns inspiriert unseren Lebenstil zu verändern." Das gibt uns Motivation weiterzumachen.
M
Ihr betreibt nun seit 5 Jahren Permakultur teilt ihr Eure Erfahrungen mit anderen?
Ü
Natürlch, denn jeden Tag lernst Du etwas neues.
Ü
Verschiedene Regierungsbehörden laden uns ein, über unsere Erfahrungen zu sprechen, im Rahmen ihres Klimawandelprogramms oder anderer Projekte. Biologische Landwirtschaft gibt es jetzt schon seit einigen Jahren in den Philippinen, aber Permakultur ist etwas neues, das weiter geht als Bioanbau und im Alltag angwendet werden kann. Deshalb sind Regierungsleute sehr interessiert.
M
Was sind Eure Pläne für die Zukunft ?
Ü
Wir haben bereits ein kleines Schulhaus gebaut, denn wir wollen speziell jungen Leuten Permakultur unterrichten. Weiter möchten wir Lebensmittel konservieren, nicht nur für uns selbst, sondern für die Gemeinschaft.
Ü
Das ist unser Traum, den armen Bäuerinnen und Bauern Permakultur beizubringen, am liebsten gratis. Aber wir müssen natürlich auch unseren Hof unterhalten, deshalb wollen wir Konzerven herstellen, die wir verkaufen können, damit wir der Natur etwas zurückgeben können.
M
Ist es nicht sehr teuer auf Permakultur umzustellen ?
Ü
Das ist genau, was wir beweisen wollen, dass es nicht viel Geld braucht um auf Permakultur umzustellen. Du musst nur kreativ sein. Wir sind Fan von Crowdfunding. Über Crowdfunding gelang es uns unser Solarwasserpumpe zu finanzieren. Unsere Freundinnen, Freunde und Familien unterstützen uns, denn sie sehen was wir bewerkstelligen.
Aber wir müssen selbstversorgend werden, deshalb müssen wir auch Sachen produzieren, mit dem wir etwas verdienen können.
M
Ihr seit in der Stadt aufgewachsen, habt all die modernen Kommunikationsfähigkeiten mitgebracht. Aber wie ist es für arme Bauersleute, die diese Fähigkeiten nicht haben und auch keine Freundinnen, Freunde und Familien haben, die sie unterstützen. Ist es für sie überhaupt möglich auf Permakultur umzusteigen?
Ü
Es ist möglich und das tolle an Permakultur ist, die Permakultur-Gemeinschaft unterstützt einander auf der ganzen Welt. Das haben wir selbst erfahren und erfahren es immer noch, sogar hier auf den Philippinen, wo die Permakultur-Bewegung noch ganz am Anfang ist.
Das ist einer der Grundsätze der Permakultur: Teile deinen Überschuss und dein Wissen. Wir tauschen Lesematerial aus, Samen und Wissen. Wir lernen voneinander.
Ü
Aber wir müssen das natürlich auch in einem grösseren Kontext sehen.
Das feudale System auf den Philippinen ist eines der Grundprobleme. Die meisten Landarbeitenden besitzen nicht mal das Land, das sie bebauen. Vor diesem Hintergrund kann Permakultur viele Vorteile für die einzelnen bringen. Aber es braucht auch eine Veränderung des Systems. Idealistisch gesehen könnten alle in der Landwirschaft Tätigen Permakultur anwenden, aber dafür brauchen wir eine Regierung, die dies fördert. Also ohne Veränderung im System kann Permakultur nicht wirklich zum Tragen kommen.
Auf der anderen Seite, können Permakultur-Aktive zur Veränderung beitragen, durch die Grundsätze wie Rücksicht auf die Menschen, auf die Erde, Teilen von Überschuss etc.. Aber all dies steht queer zum herrschenden System, das profitorientier und kapitalistisch ist und die Umweltzerstört für noch mehr Profit.
Wir Permakultur-Aktive haben also zwei Aufgaben, zuerst Permakultur in unseren Gärten betreiben. Aber das herrschende System verunmöglicht, dass Permakultur zur Norm wird. Deshalb müssen wir eine Bewegung werden, die das System verändern will, damit nicht nur die Bauern und Bäuerinnen, sondern alle Ausgebeuteten und Unterdrückten ein sinnvolles Leben führen können, in Einklang mit der Natur und nicht gegen die Natur.
M
Gerne wäre ich länger auf der schönen Farm von Carol und Cye geblieben, aber leider fehlte mir die Zeit dafür.

Wer mehr information zum Pitak-Projekt, dokumentiert mit vielen Bildern findet diese auf ihrem Blog www.thepitakproject.worldpress.com oder auf der facebook-Seite von the pitak-project.

Dies war ein Bericht von Bianca Miglioretto, die Musik ist von Bayan Barrios