Interview zum vierten Todestag von Pavlos Fyssas

ID 84980
 
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Der Athener HipHopper Pavlos Fyssas wurde in der Nacht vom 17. auf den 18. September 2013 von Nazis ermordet. Seine Mutter Magda Fyssas äußert sich im Interview zu Pavlos Tod und den politischen Hintergründen der Tat, für die die faschistische Partei "Goldene Morgenröte" verantwortlich ist.
Audio
33:46 min, 31 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 17.09.2017 / 06:38

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Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache:
Redaktionsbereich: Internationales, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Rosa-Luxemburg-Stiftung, Büro Athen, Radio 24/7 Athen
Radio: gast
Produktionsdatum: 17.09.2017
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Der Musiker Pavlos Fyssas wurde vor vier Jahren in der Nacht vom 17. auf den 18. September 2013 in Keratsini, einer Nachbarschaft von Piräus, ermordet. Ein Mitglied der faschischistischen Partei „Goldene Morgenröte“, Giorgos Roupakias, gestand den Mord. Zweieinhalb Jahre später übernahm der Führer der Nazipartei, Nikos Michaloliakos, zudem auch die politische Verantwortung für den Mord.
Pavlos Fyssas (34) war aktives Mitglied der lokalen hiphop-Szene, lokal sehr bekannt und beliebt. Mit dem Spitzennamen Κillah P hat er Lieder mit klarem antifaschistischen und politischen Inhalt geschrieben und gesungen.
Die „Goldene Morgenröte“ ist als zugelassene politische Partei seit 2012 im griechischen Parlament vertreten. Derzeit ist sie dort mit 17 Abgeordneten vertreten, sie wurde von xy Prozent der Wähler_innen gewählt. Sie entsendet außerdem 3 Abgeordnete ins Europäische Parlament.
Der Mord an Pavlos Fyssas im Jahr 2013 stellt den traurigen Höhepunkt der mörderischen Eskalation der Gewalt durch ihre organisierten Stoßtrupps auf den Straßen Griechenlands dar. Insbesondere nach der Wahl der „Goldenen Morgenröte“ ins Parlament waren solche Schlägertrupps stark auf den Straßen aktiv, wo sie Migrant_innen, Menschen aus der LGBTQ!-Community sowie Gruppen, Treffpunkte, Infostände und Personen aus dem linken und anarchistischen politischen Lager bedrängten, beschimpften und angriffen. Ihre Aktionen blieben ungeahndet, oft stand ihnen die Polizei zur Seite.
Der Mord an Fyssas war ihr zweiter Mord. Zuvor hatten sie am 17.01.2013 in Petralona, einer Athener Nachbarschaft, den pakistanischen Arbeiter Shehzad Luqman ermordet. Der Mord an Fyssas war jedoch der Auslöser für eine (wenn auch sehr verspätete) Reaktion des Staates auf die tödlichen Provokationen der Neonazis. So kam es sofort nach diesem Mord zu einer Reihe von Verhaftungen, von denen auch die Führungsriege der „Goldenen Morgenröte“ betroffen war. Eine 30.000 Seiten umfassende Anklageschrift warf 69 Mitgliedern der „Goldenen Morgenröte“ die Gründung und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, die Begehung von Verbrechen (auch Morden) sowie zahlreiche weitere Delikte vor. Für einen Überblick des Gerichtsverfahrens s. die Broschüre von Golden Dawn Watch. [Hier fehlt ein Link!]
Die Höchstdauer von Untersuchungshaft beträgt in Griechenland 18 Monate. Der Prozess der „Goldenen Morgenröte“ begann am 20. April 2015, was dazu führte, dass kurz nach Beginn des Verfahrens die Angeklagten auf freien Fuß gesetzt weden mussten. Manche von ihnen waren Parlamentsabgeordnete (und die meisten sind es immer noch); so kehrten sie direkt von der Anklagebank zu ihren Sitzen im Parlament zurück.
Die Hauptverhandlung findet seit zweieinhalb Jahren abwechselnd in einem speziell eingerichteten Raum des Frauengefängnisses von Korydallos und im Gebäude des Berufungsgerichts Athen statt. Die Zustände im Gerichtssaal sind für die Belastungszeugen nur schwer erträglich, da keinerlei Vorkehrungen zu ihrem Schutz, ebenso wenig wie zum Respekt gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen getroffen wurden.
Dieser Prozess ist eines der wichtigsten Gerichtsverfahren der letzten Jahrzehnte für Griechenland; dennoch wird er von den meisten Medien nicht beachtet. Das Fernsehen interessiert sich kaum für die eigentliche Verhandlung, es strahlt nur dann Reportagen aus, wenn es im Gerichtssaal oder vor dem Gerichtsgebäude zu Ausschreitungen kommt. So werden die griechischen Bürger nicht regelmäßig über den Stand eines Gerichtsverfahrens informiert, dessen Ausgang maßgeblich die Qualität der Demokratie im Land bestimmen wird.
Mit dem Ziel der Information und der Sensibilisierung des Publikums im Ausland und mit dem Anlass des vierten Jahrestages des Mordes an Pavlos Fyssas präsentiert das Verbindungsbüro Athen der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Radiosender 24|7 ein Gespräch von Pavlos´ Mutter Magda Fyssa mit dem Journalisten Kostas Arvanitis. Magda Fyssa spricht über den Mord an ihrem Sohn, das Gerichtsverfahren und das mangelnde Interesse der Medien. Sie spricht vieles an, das ihr am Herzen liegt, einem Herzen, das durch ein tief verwurzeltes Verhältnis zu Demokratie und Antifaschismus geprägt ist.
Schenkt ihr Gehör, verbreitet ihre Worte!
Original-Interview mit Magda Fyssa durch den Journalisten Kostas Arvanitis, gesendet am 28. Juni 2017 im Radiosender 24/7, auf 88.6 FM. Übersetzung ins Deutsche von Kostas Tsanakas, deutscher Text gesprochen von Marlene Kaminsky und Adrian Frieling. Die Tonaufnahme erstellte der Sender 24/7 am 13. September 2017. Das Originalinterview auf Griechisch ist erhältlich hier.
Ein Projekt der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Büro Athen, in Zusammenarbeit mit dem Radio 24/7.