"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Windows 10 -
ID 71797
Der ca. 370 Milliarden US-Dollar schwere Weltkonzern Microsoft bemüht sich in verdankenswerter Weise um meine Datensicherheit. Seit einiger Zeit erhalte ich jeweils einen Warnhinweis, wenn ich mich von einem anderen Computer aus als dem üblichen bei meinem Hotmail-Konto anmelde.
Audio
09:51 min, 23 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 28.07.2015 / 13:26
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Dateizugriffe: 1302
Klassifizierung
Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Kultur, Arbeitswelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung
AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 28.07.2015
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Achtung, Warnhinweis!, schreibt mir Microsoft Company dann, möglicherweise hat sich jemand Fremder in Ihr Konto eingeloggt! – Ich möchte so etwas geradezu rührend nennen. Die Firma hat offenbar ihre Lektion gelernt von Julian Assange und Edward Snowdon und zeigt mir dies nun in der gebotenen und notwendigen Deutlichkeit an. Danke, Microsoft! Ich weiß das sehr zu schätzen, dass Sie meine Privatsphäre derart radikal schützen und nie und nimmer einfach so einem Fremden Zutritt zu meinem intimen, nein: geheimen E-Mail-Verkehr gewähren täten.
Übrigens hat sich die Kommunikationsabteilung von Microsoft vor einem oder vielleicht auch zwei Jahren noch einen anderen Scherz geleistet und den seit 20 Jahren etablierten Gratis-Mail-Service Hotmail umbenannt in Outlook. Die Mailadressen bleiben dieselben, aber die Oberfläche heißt jetzt halt eben Outlook. Für meinen Geschmack ist das ungefähr so, wie wenn Coca Cola ihre Produkte plötzlich als Pepsi-Cola verkaufen würde, aber ich bin natürlich kein Hirsch in solchen Dingen, ich weiß bloß, dass Microsoft wohl mehrere Weltmeistertitel in Sachen vergeigte Produkte hält. Ich sage nur: Windows Vista! – Da schüttelt sich auf der ganzen Welt auch heute noch die gesamte Anwender-Gemeinde vor Lachen. Beim aktuellen Windows 8 schüttelt sich die Welt nicht vor Lachen, sondern vor Ärger über die missglückte Kombination zwischen App-Kacheln und PC-Oberfläche, aber hier stellt uns Microsoft ja Besserung in Aussicht mit dem ab Mittwoch erhältlichen Windows 10. Viel Vergnügen wünsche ich jetzt schon.
Aber sprechen wir von etwas anderem. Der ca. 670 Milliarden US-Dollar schwere Weltkonzern Google bemüht sich in verdankenswerter Weise um meine Datensicherheit. Seit einiger Zeit erhalte ich jeweils einen Warnhinweis, wenn ich mich von einem anderen Computer aus als dem üblichen bei meinem Gmail-Konto anmelde. Achtung, Warnhinweis!, schreibt mir Google dann, möglicherweise hat sich jemand Fremder in Ihr Konto eingeloggt! – Ich möchte so etwas geradezu rührend nennen. Die Firma hat offenbar ihre Lektion gelernt von Julian Assange und Edward Snowdon und zeigt mir dies nun in der gebotenen und notwendigen Deutlichkeit an. Danke, Google! Ich weiß das sehr zu schätzen, dass Sie meine Privatsphäre derart radikal schützen und nie und nimmer einfach so einem Fremden Zutritt zu meinem geheimen E-Mail-Verkehr gewähren täten.
In diesen Tagen hat Google übrigens ein Angebot auf den Markt gebracht, das die Herzen der Datenschützer ebenfalls aufjubeln lassen wird. Wer dies möchte, kann sich nun von Google jederzeit mit den eigenen Geo-Lokalisierungsdaten beliefern lassen. Die Kommunikationsabteilung hat da ein einleuchtendes Beispiel aufgetischt: Wer in Zukunft am Morgen mit einem Kater und einem Loch in der Brieftasche oder auf dem elektronischen Konto aufwacht, kann sich den gesamten Weg des Körpers und des Geldes in der letzten Nacht von Google rekonstruieren lassen. Wer dabei auch noch Fotos gemacht hat, erhält mehr oder weniger eine illustrierte Autobiografie der letzten 12 Stunden. Das ist Privacy, das ist Intimsphäre, wie sie die Profis von Google verstehen. Sie halten jeden deiner Schritte fest, lesen deinen gesamten E-Mail-Verkehr und scannen sämtliche Text- und Bildinhalte auf allen elektronischen Geräten, und dann warnen sie dich, wenn eine unbefugte Drittperson von einem unbefugten Drittcomputer deinen ansonsten wasserdichten G-Mail-Account hacken will. Vielleicht ist es ja der Islamist um die Ecke, der wissen möchte, wie er dich am einfachsten in die Luft sprengen kann.
Kommunikation ist oft eine lustige Sache, wenn man sich nicht verbiestert auf die Inhalte konzentriert. Inhalte werden generell überschätzt. Guckt ihr auch hin und wieder Fernsehen und die darin mit gelieferte Werbung, zum Beispiel für Kosmetikprodukte? Rund um einen Claim oder Jingle, ich bin es mir wert oder Maybe it’s Maybelline, werden rasende Bildschnitte gruppiert, die entfernt aus dem Themenbereich des zu bewerbenden Produktes stammen, also zum Beispiel Augenwimpern so dick wie Baumstämme, so schwarz wie Kohle oder gar wie schwarze Neger oder Lippenstifte so rot wie halt ein synthetisches Rot nur sein kann, die Lippen sind auch noch aufgebeult und erinnern dann an Kotflügel oder an Latexbekleidung, latexverkleidete Lippen, also eine Pracht für all jene, welche an Oberflächen hängen, und erstens hängen wir bekanntlich alle an Oberflächen, da wir nicht über den so genannten Röntgenblick verfügen, andernfalls ja alle Menschen dauernd mit Bleigürteln oder Bleiwesten herumlaufen müssten, was wiederum einen negativen Einfluss auf die Modeschöpfung und ihre Potenziale hätte, wobei, man weiß es eigentlich gar nicht so genau, vielleicht könnte man ja in die Bleiwesten schöne Tätowierungen hinein meißeln und moderne Kunst, die man anschließend verhängt wie der Christo seinerzeit den Reichstag, oder man gießt diese Blechverkleidung zum Vornherein in die gewünschten Körperform, für die Frauen ein Modellbusen und für die Männer einen Waschbrettbauch. Bei dieser Gelegenheit erinnern wir uns gerne auch an die ausgeprägten Hodenerker bei spätmittelalterlichen Kriegsanzügen. – Trotzdem – wir sind, das Menschengeschlecht ist der Oberfläche verpflichtet, ja fast untertan, Tiefgang erreichen wir nur über die Untersuchungs- und Denkprozesse, und wenn ich mir hier so das Soziologinnen- und Ökonomengefasel aus der letzten Zeit anschaue, dann bin ich mit der Oberfläche eigentlich ganz zufrieden. Die wirtschaftliche Realität findet eigentlich nur noch an der Kasse im Supermarkt statt, und auch dort stehen immer mehr Self-Scan-Geräte, man darf sich also selber abkassieren, das eröffnet noch weitere Perspektiven für Microsoft und Google. Die Kommunikationsabteilung eines Schweizer Supermarktes hat sich übrigens folgenden Witz einfallen lassen und auf ein Werbeplakat gedruckt: Da stehen in, selbstverständlich idyllischer Landschaft zwei Hennen herum, und unten dran lautet der Text: Bei uns wird Gleichberechtigung auch bei den Tieren großgeschrieben. Das ist mal eine verständliche und wichtige Produkteinformation: Die Coop-Broiler werden gleichberechtigt gehalten in ihren Tierfabriken mit Freilauf von 12 bis ein Uhr Mittags und zwischen 18 Uhr abends und 7 Uhr morgens, und am Schluss erhalten alle ihren gleichen und gerechten Lohn. Und tatsächlich brauchen die geneigte Konsumentin und der geneigte Konsument einen Moment der Anstrengung des Denk-Apparates, des Durchstoßens der Oberfläche, bis sie die Werbebotschaft verstehen. Mir ist es bisher noch nicht gelungen. Ich bin eben denkfaul.
Wie gesagt hämmern also die Make-up- und Shampoo- und anderweitigen Kosmetika-Hersteller mit Bildschnitten wie aus Stalin-Orgeln auf den Sehnerv ihrer Zielgruppe ein, und da neben der primären Zielgruppe, den gleichberechtigten Hennen, nehme ich mal an, auch die Nicht-Zielgruppe, nämlich Gockel wie zum Beispiel ich dieses stroboskopische Feuer von Extrem-Oberflächen in Groß- und Größtaufnahmen über sich ergehen lassen, fragt man sich manchmal, was sich die Kommunikationsabteilungen von Maybelline, Schwarzkopf und L’Oréal dabei gedacht haben, ob die überhaupt denken oder nur wie Irrlichter zucken in ihren Werbeabteilungen oder ob, und dies ist die allergeheimste aller Geheimüberlegungen, ob dahinter vielleicht tatsächlich Absicht, sprich Forschung steht, welche ermittelt hat, dass das durchschnittliche weibliche Hirn auf diese Form von Blitz-Nachrichten anspricht. Oder aber in diesen Blitz-Nachrichten wird auf einer spezifisch weiblichen Wellenlänge unbemerkt für die Gockel dieser Welt eine Botschaft zur Übernahme der Weltherrschaft durch die Weiber vermittelt? Vielleicht dienen diese verzerrten und jenseits des Claims und Jingles auch komplett sinnfreien Werbespots dazu, die Männer impotent zu machen? – Tatsächlich braucht es kein Soziologiestudium an einer französischen Universität, um zu begreifen, dass die glänzende Oberfläche nicht anderes ist als eine Karikatur, eine Übertreibung, eine Perversion; wenn die Männer also tatsächlich vom ewig Weiblichen hinan gezogen werden, dann reißt die verzerrte Darstellung dieselben Männer unweigerlich in die Tiefe.
Übrigens bin ich hier immer wieder billig gegen Soziologinnen und zumal französische. Dabei meine ich nur, dass Bourdieu gewonnen hätte, wenn er nicht neben dem wirtschaftlichen vom sozialen und kulturellen und was weiß ich noch allem Kapital gesprochen hätte, sondern einfach festgehalten hätte, dass der Kapitalismus eine Veranstaltung ist, die sich keineswegs ausschließlich und vielleicht und vielleicht zunehmend nicht einmal mehr vorrangig an den Prozessen der so genannten Ökonomie ausrichtet, sondern wo Privilegien, Interessen, Macht und Potenziale in einem zunehmend komplexen und keineswegs von einer Weltmacht oder dem Weltgeist oder gar der Gesamtwirtschaft intendierten System verteilt, zugeteilt und organisiert werden, welche Verteilung, Zuteilung und Organisation sich die Soziologie nun zu untersuchen anschicken werde mit den folgenden provisorischen Ergebnissen in der Form einer Reihe von Arbeitshypothesen, nämlich... – Und hier hätte der Bourdieu dann loslegen können, dass es kracht, mit vielen stroboskopischen Blitzen und Blicken auf die Gesamt- und auf die Teilgesellschaft, mit Querverweisen auf die Historie und auf die Auswirkungen auf die dominierten Gesellschaften auf anderen Kontinenten, mit einem ganzen Subkapitel über die Entwicklung der Philippinen im Vergleich zu jener Indonesiens unter besonderer Beachtung des Einflusses indigenen Pflanzengiftes auf die Behandlung von Leberkrebs und Leberkäse.
Aber zurück. Die Kommunikation und ihre Erbringung sind also, wenn man einmal Abstand genommen hat vom ursprünglichen Axiom, wonach sie der Vermittlung von Information diene, eine anhaltende Quelle höchster Ergötzung. Erreicht und übertroffen wird sie in der Praxis nur noch von Microsoft, deren PC-Betriebssysteme und Anwenderprogramme weltweit schon derart viel Unheil gestiftet haben, dass sie zum anerkannten Industriestandard geworden sind.
Übrigens hat sich die Kommunikationsabteilung von Microsoft vor einem oder vielleicht auch zwei Jahren noch einen anderen Scherz geleistet und den seit 20 Jahren etablierten Gratis-Mail-Service Hotmail umbenannt in Outlook. Die Mailadressen bleiben dieselben, aber die Oberfläche heißt jetzt halt eben Outlook. Für meinen Geschmack ist das ungefähr so, wie wenn Coca Cola ihre Produkte plötzlich als Pepsi-Cola verkaufen würde, aber ich bin natürlich kein Hirsch in solchen Dingen, ich weiß bloß, dass Microsoft wohl mehrere Weltmeistertitel in Sachen vergeigte Produkte hält. Ich sage nur: Windows Vista! – Da schüttelt sich auf der ganzen Welt auch heute noch die gesamte Anwender-Gemeinde vor Lachen. Beim aktuellen Windows 8 schüttelt sich die Welt nicht vor Lachen, sondern vor Ärger über die missglückte Kombination zwischen App-Kacheln und PC-Oberfläche, aber hier stellt uns Microsoft ja Besserung in Aussicht mit dem ab Mittwoch erhältlichen Windows 10. Viel Vergnügen wünsche ich jetzt schon.
Aber sprechen wir von etwas anderem. Der ca. 670 Milliarden US-Dollar schwere Weltkonzern Google bemüht sich in verdankenswerter Weise um meine Datensicherheit. Seit einiger Zeit erhalte ich jeweils einen Warnhinweis, wenn ich mich von einem anderen Computer aus als dem üblichen bei meinem Gmail-Konto anmelde. Achtung, Warnhinweis!, schreibt mir Google dann, möglicherweise hat sich jemand Fremder in Ihr Konto eingeloggt! – Ich möchte so etwas geradezu rührend nennen. Die Firma hat offenbar ihre Lektion gelernt von Julian Assange und Edward Snowdon und zeigt mir dies nun in der gebotenen und notwendigen Deutlichkeit an. Danke, Google! Ich weiß das sehr zu schätzen, dass Sie meine Privatsphäre derart radikal schützen und nie und nimmer einfach so einem Fremden Zutritt zu meinem geheimen E-Mail-Verkehr gewähren täten.
In diesen Tagen hat Google übrigens ein Angebot auf den Markt gebracht, das die Herzen der Datenschützer ebenfalls aufjubeln lassen wird. Wer dies möchte, kann sich nun von Google jederzeit mit den eigenen Geo-Lokalisierungsdaten beliefern lassen. Die Kommunikationsabteilung hat da ein einleuchtendes Beispiel aufgetischt: Wer in Zukunft am Morgen mit einem Kater und einem Loch in der Brieftasche oder auf dem elektronischen Konto aufwacht, kann sich den gesamten Weg des Körpers und des Geldes in der letzten Nacht von Google rekonstruieren lassen. Wer dabei auch noch Fotos gemacht hat, erhält mehr oder weniger eine illustrierte Autobiografie der letzten 12 Stunden. Das ist Privacy, das ist Intimsphäre, wie sie die Profis von Google verstehen. Sie halten jeden deiner Schritte fest, lesen deinen gesamten E-Mail-Verkehr und scannen sämtliche Text- und Bildinhalte auf allen elektronischen Geräten, und dann warnen sie dich, wenn eine unbefugte Drittperson von einem unbefugten Drittcomputer deinen ansonsten wasserdichten G-Mail-Account hacken will. Vielleicht ist es ja der Islamist um die Ecke, der wissen möchte, wie er dich am einfachsten in die Luft sprengen kann.
Kommunikation ist oft eine lustige Sache, wenn man sich nicht verbiestert auf die Inhalte konzentriert. Inhalte werden generell überschätzt. Guckt ihr auch hin und wieder Fernsehen und die darin mit gelieferte Werbung, zum Beispiel für Kosmetikprodukte? Rund um einen Claim oder Jingle, ich bin es mir wert oder Maybe it’s Maybelline, werden rasende Bildschnitte gruppiert, die entfernt aus dem Themenbereich des zu bewerbenden Produktes stammen, also zum Beispiel Augenwimpern so dick wie Baumstämme, so schwarz wie Kohle oder gar wie schwarze Neger oder Lippenstifte so rot wie halt ein synthetisches Rot nur sein kann, die Lippen sind auch noch aufgebeult und erinnern dann an Kotflügel oder an Latexbekleidung, latexverkleidete Lippen, also eine Pracht für all jene, welche an Oberflächen hängen, und erstens hängen wir bekanntlich alle an Oberflächen, da wir nicht über den so genannten Röntgenblick verfügen, andernfalls ja alle Menschen dauernd mit Bleigürteln oder Bleiwesten herumlaufen müssten, was wiederum einen negativen Einfluss auf die Modeschöpfung und ihre Potenziale hätte, wobei, man weiß es eigentlich gar nicht so genau, vielleicht könnte man ja in die Bleiwesten schöne Tätowierungen hinein meißeln und moderne Kunst, die man anschließend verhängt wie der Christo seinerzeit den Reichstag, oder man gießt diese Blechverkleidung zum Vornherein in die gewünschten Körperform, für die Frauen ein Modellbusen und für die Männer einen Waschbrettbauch. Bei dieser Gelegenheit erinnern wir uns gerne auch an die ausgeprägten Hodenerker bei spätmittelalterlichen Kriegsanzügen. – Trotzdem – wir sind, das Menschengeschlecht ist der Oberfläche verpflichtet, ja fast untertan, Tiefgang erreichen wir nur über die Untersuchungs- und Denkprozesse, und wenn ich mir hier so das Soziologinnen- und Ökonomengefasel aus der letzten Zeit anschaue, dann bin ich mit der Oberfläche eigentlich ganz zufrieden. Die wirtschaftliche Realität findet eigentlich nur noch an der Kasse im Supermarkt statt, und auch dort stehen immer mehr Self-Scan-Geräte, man darf sich also selber abkassieren, das eröffnet noch weitere Perspektiven für Microsoft und Google. Die Kommunikationsabteilung eines Schweizer Supermarktes hat sich übrigens folgenden Witz einfallen lassen und auf ein Werbeplakat gedruckt: Da stehen in, selbstverständlich idyllischer Landschaft zwei Hennen herum, und unten dran lautet der Text: Bei uns wird Gleichberechtigung auch bei den Tieren großgeschrieben. Das ist mal eine verständliche und wichtige Produkteinformation: Die Coop-Broiler werden gleichberechtigt gehalten in ihren Tierfabriken mit Freilauf von 12 bis ein Uhr Mittags und zwischen 18 Uhr abends und 7 Uhr morgens, und am Schluss erhalten alle ihren gleichen und gerechten Lohn. Und tatsächlich brauchen die geneigte Konsumentin und der geneigte Konsument einen Moment der Anstrengung des Denk-Apparates, des Durchstoßens der Oberfläche, bis sie die Werbebotschaft verstehen. Mir ist es bisher noch nicht gelungen. Ich bin eben denkfaul.
Wie gesagt hämmern also die Make-up- und Shampoo- und anderweitigen Kosmetika-Hersteller mit Bildschnitten wie aus Stalin-Orgeln auf den Sehnerv ihrer Zielgruppe ein, und da neben der primären Zielgruppe, den gleichberechtigten Hennen, nehme ich mal an, auch die Nicht-Zielgruppe, nämlich Gockel wie zum Beispiel ich dieses stroboskopische Feuer von Extrem-Oberflächen in Groß- und Größtaufnahmen über sich ergehen lassen, fragt man sich manchmal, was sich die Kommunikationsabteilungen von Maybelline, Schwarzkopf und L’Oréal dabei gedacht haben, ob die überhaupt denken oder nur wie Irrlichter zucken in ihren Werbeabteilungen oder ob, und dies ist die allergeheimste aller Geheimüberlegungen, ob dahinter vielleicht tatsächlich Absicht, sprich Forschung steht, welche ermittelt hat, dass das durchschnittliche weibliche Hirn auf diese Form von Blitz-Nachrichten anspricht. Oder aber in diesen Blitz-Nachrichten wird auf einer spezifisch weiblichen Wellenlänge unbemerkt für die Gockel dieser Welt eine Botschaft zur Übernahme der Weltherrschaft durch die Weiber vermittelt? Vielleicht dienen diese verzerrten und jenseits des Claims und Jingles auch komplett sinnfreien Werbespots dazu, die Männer impotent zu machen? – Tatsächlich braucht es kein Soziologiestudium an einer französischen Universität, um zu begreifen, dass die glänzende Oberfläche nicht anderes ist als eine Karikatur, eine Übertreibung, eine Perversion; wenn die Männer also tatsächlich vom ewig Weiblichen hinan gezogen werden, dann reißt die verzerrte Darstellung dieselben Männer unweigerlich in die Tiefe.
Übrigens bin ich hier immer wieder billig gegen Soziologinnen und zumal französische. Dabei meine ich nur, dass Bourdieu gewonnen hätte, wenn er nicht neben dem wirtschaftlichen vom sozialen und kulturellen und was weiß ich noch allem Kapital gesprochen hätte, sondern einfach festgehalten hätte, dass der Kapitalismus eine Veranstaltung ist, die sich keineswegs ausschließlich und vielleicht und vielleicht zunehmend nicht einmal mehr vorrangig an den Prozessen der so genannten Ökonomie ausrichtet, sondern wo Privilegien, Interessen, Macht und Potenziale in einem zunehmend komplexen und keineswegs von einer Weltmacht oder dem Weltgeist oder gar der Gesamtwirtschaft intendierten System verteilt, zugeteilt und organisiert werden, welche Verteilung, Zuteilung und Organisation sich die Soziologie nun zu untersuchen anschicken werde mit den folgenden provisorischen Ergebnissen in der Form einer Reihe von Arbeitshypothesen, nämlich... – Und hier hätte der Bourdieu dann loslegen können, dass es kracht, mit vielen stroboskopischen Blitzen und Blicken auf die Gesamt- und auf die Teilgesellschaft, mit Querverweisen auf die Historie und auf die Auswirkungen auf die dominierten Gesellschaften auf anderen Kontinenten, mit einem ganzen Subkapitel über die Entwicklung der Philippinen im Vergleich zu jener Indonesiens unter besonderer Beachtung des Einflusses indigenen Pflanzengiftes auf die Behandlung von Leberkrebs und Leberkäse.
Aber zurück. Die Kommunikation und ihre Erbringung sind also, wenn man einmal Abstand genommen hat vom ursprünglichen Axiom, wonach sie der Vermittlung von Information diene, eine anhaltende Quelle höchster Ergötzung. Erreicht und übertroffen wird sie in der Praxis nur noch von Microsoft, deren PC-Betriebssysteme und Anwenderprogramme weltweit schon derart viel Unheil gestiftet haben, dass sie zum anerkannten Industriestandard geworden sind.
Kommentare
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28.07.2015 / 20:09 | Gregor Atzbach, Radio Unerhört Marburg (RUM) |
gesendet in der Frühschicht
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am 29.07.2015, Dankeschön! | |