"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Rätselhafter Jemen -
ID 69814
Im Bemühen, den Überblick zu haben oder zu halten über möglichst viele Dinge, also neben dem Kinoprogramm oder den Sonderangeboten in der Fleischerei auch über die Autobahnmaut, Stromtrassen und Exportüberschüsse sowie generell über die Konflikte oder auch über die Friedensherde auf dem Planeten, stoße ich an gewissen Orten auf größere Schwierigkeiten als an anderen. Einer davon ist der Jemen.
Audio
10:41 min, 12 MB, mp3
mp3, 160 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 07.04.2015 / 10:30
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Dateizugriffe: 558
Klassifizierung
Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Wirtschaft/Soziales
Entstehung
AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 07.04.2015
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Lange Zeit war mir dieses Land nur geläufig als eine jener Weltregionen, in welchen die Entführung von ausländischen Staatsangehörigen zwecks anschließender Freilassung gegen Lösegeld einen Haupterwerbszweig der Volkswirtschaft bildet, wobei ich den festen Eindruck hatte, dass dieser Nationalsport zur Hauptsache von irgendwelchen verwilderten Bergstämmen betrieben wird, welche ansonsten ihre Geiseln durchaus anständig behandelten. Dann las ich vor einiger Zeit mal irgendetwas von der Al Kaida, welche im Jemen ebenfalls Aktivitäten entfaltet, und ich stellte mir vor, dass das halt irgendwie zwischen diesen Stämmen hin und her wabert, vielleicht ähnlich wie in den Berggebieten Afghanistans und Pakistans, wobei ich die Gastfreundlichkeit der Al Kaida gegenüber von Westmenschen durchaus in Frage stelle. Dass es sich aber bei den Huthi-Rebellen, welche im Moment militärisch am besten drauf sind, um Schiiten handelt, die im Norden des Landes, also an der Grenze zu Saudiarabien, eine Mehrheit bilden, davon hatte ich lange überhaupt keine Ahnung. Erst mit dem Abzug der Regierung aus der Hauptstadt Sanaa und neulich mit der Belagerung von Aden ging mir das religiöse Licht auf, in welches aber nach wie vor Schattenmeldungen hinein funken wie jene, dass Al Kaida ein Gefängnis gestürmt und 300 Insassen befreit hätte; wo soll ich denn nun diese Information wieder verorten? – Jedenfalls hat sich mit der Intervention einer gesamtsunnitischen Streitmacht, vorderhand vor allem in der Luft, die Lage einigermaßen geklärt, und ich weiß jetzt, dass es im Jemen eben wie im Irak zwei große Bevölkerungsgruppen unterschiedlichen Bekenntnisses gibt, eben die Sunniten und die Schiiten, und ich weiß auch, dass sich Saudiarabien aufgrund der militärischen Erfolge der schiitischen Huthi-Truppen plötzlich in die Zange genommen fühlt von diesen Rebellen einerseits und vom Iran anderseits. Laut dem schlauen Buch des Fähnleins Fieselschweif ist Saudiarabien schon seit 5 bis 6 Jahren eine Konfliktpartei, jordanische und marokkanische Truppen sind im Land oder an der Grenze stationiert, und die USA fliegen Drohnenangriffe, vielleicht abwechslungsweise gegen die Huthis und die Al Kaida, soviel weiß ich nun wieder nicht. Auf jeden Fall nimmt der Jemen-Konflikt im Moment wohl deshalb eine solch prominente Stellung in den Nachrichten ein, weil die USA und der Iran zum ersten Mal seit dem Sturz des Schahs 1979 eine vernünftige Verhandlungsrunde abgeschlossen haben, und wenn es auch nur um den Zugang zu den Urananreicherungsanlagen ging beziehungsweise um eine Lockerung bzw. Aufhebung der internationalen Sanktionen, so ist den Reaktionen sowohl im Iran wie auch bei den Hardlinern in Israel sehr wohl anzumerken, dass hier eine tiefer greifende Veränderung der Machtgeometrie anstehen könnte. Wobei: Was heißt hier schon Machtgeometrie! Die USA machen das gute und das schlechte Wetter sowohl in Saudiarabien als auch in Israel, und die Aufhebung dieses grundlegenden Widerspruches im Schoße der Supermacht, das soll ihnen doch mal einer nachmachen. Ob man wohl davon ausgehen kann, dass die saudiarabischen Al-Kaida-Sprösslinge nichts anderes sind als allergische Reaktionen darauf, dass der US-amerikanische Übervater die beiden unverträglichen Parteien doch immer wieder dazu bringt, sich zu vertragen? – Davon kann man doch wohl ausgehen, und das ergibt auch ein schöneres psychologisches Modell als jenes von Slavoj Zizek, wonach die islamische Gesellschaft eine zutiefst erotisierte Gesellschaft sei.
Mit anderen Worten: Jetzt drängt in das unangenehme Zusammenleben der beiden Erzfeinde Saudiarabien und Israel noch ein dritter Zwilling in die Runde, und zwar beider noch erzerner Erzfeind Iran, und wohin wir damit noch kommen, weiß kein Mensch außer vielleicht ein paar Beraterinnen und Berater in der US-amerikanischen Regierung. Bipolare Störungen sind im kleinen Leben ebenso bekannt wie eben in der Hochpolitik, aber tripolare Störungen, davon hat die Welt bisher die Hände gelassen, zumal das Dreieck eben tatsächlich in der Form des Konfliktes und nicht in der Form einer Entente Cordiale zustande kommen soll. Was denkt sich eigentlich der Türke dabei, möchte man fragen, der mehr oder weniger oben an der einen Spitze dieses Dreiecks sitzt? – Wohl nicht allzu viel; auf jeden Fall ist die Position von Herrn Erdogan im Moment absolut unangreifbar, und wenn es nicht irgendein Nachfolger in absehbarer Zeit so richtig verkackt, dann ist die Zukunft der Türkei als Regionalmacht und als Vermittlerin in zahlreichen Belangen vollständig gesichert. Insofern ist es sicher kein Schaden, wenn man sich auch in Deutschland anständig, pfleglich und aufrichtig um die ansehnliche Minderheit der eingewanderten türkischen GastarbeiterInnen kümmert.
Ein anderes schönes Konfliktgebiet befindet sich im Südchinesischen Meer, auf welches aus dem Norden China und Taiwan herab blicken, von Osten die Philippinen, aus dem Westen Vietnam und vom Süden Malaysia und Brunei. Es geht um die vermuteten und bestätigten Rohstoff- und Energievorkommen. China beansprucht in allerbester kolonialer Manier das gesamte Gebiet für sich alleine, und angesichts der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Größe dieses Reiches fällt es einem fast ein bisschen schwer, sich vorzustellen, wie die diese Ansprüche nicht durchsetzen sollten. Umgekehrt stolpert manchmal auch ein Elefant über eine Ameise oder hat wenigstens Angst vor einer Maus, was heißt, dass auch die chinesischen Riesen mindestens eine Ahnung davon haben müssen, dass sie ihre kleinen Nachbarn nicht einfach so in Grund und Boden stampfen können. Hier haben die transpazifischen Freunde aus den USA wohl keinen vergleichbaren Einfluss wie im Nahen Osten; hier sind es eher die regionalen Beziehungen, welche dafür sorgen müssen und wohl auch werden, dass die Chinesen nicht allzu viel Öl ins Wasser gießen werden. Wie das aber konkret aussieht, welche Abkommen die vier Hauptbeteiligten schließlich unterzeichnen werden, das steht noch völlig in den Sternen.
Aber auch im tiefen Frieden gibt es Spannungen, und ich meine noch nicht mal die Ukraine, wo der Waffenstillstand doch seit mehreren Wochen anhält, offensichtlich zur großen Enttäuschung zahlreicher Wetterfrösche, welche die russische Agenda bis ins Detail kennen und den Vormarsch der roten Armee über Transnistrien einerseits, im Baltikum anderseits bis an die Oder-Neisse-Grenze oder gar bis zur Mosel bereits bis ins Detail ausgearbeitet haben. Hier läuft die Stussproduktion wirklich auf Hochtouren, aber so etwas kann ja auch Freude machen. Mich selber interessieren im Moment eher die Wahlen in England, wo ich keine übermäßig großen Unterschiede sehe zwischen den Konservativen und den Sozialdemokraten, einmal abgesehen von der EU-skeptischen Rhetorik von David Cameron, der aber selber genau weiß, dass sich ein Austritt Englands nicht rechnet. Insgeheim würde es mich allerdings mal wundernehmen, was geschehen täte, wenn tatsächlich einer der großen Brocken das europäische Kunst- und Kulturgebilde verlassen würde. Die Mängel des Konstrukts sind allgemein bekannt, und die Verabschiedung eines zentralen Players aus dem Verbund würde sicher eine interessante Dynamik im Gesamtgebilde auslösen. Aber damit ist nicht wirklich zu rechnen.
Was ich im Moment bei den Wahlen feststelle, ist eine Korrelation zwischen Erdölpreis und Wähleranteil der grünen Parteien. Je tiefer die Energiekosten, desto schlechter die Aussichten für die Umweltschützer, weil das öffentliche Bewusstsein offenbar nur über den Markt für Umweltthemen zu sensibilisieren ist. Alle paar Jahre platzt wieder mal ein Atomkraftwerk, das nützt den Grünen jeweils auch, aber das kann man nicht so punktgenau auf die Wahlen hin einrichten. In England jedenfalls scheinen die Grünen gegenwärtig überhaupt keine Rolle zu spielen im politischen Prozess, während die Chefin der Schottischen Nationalistenpartei viel Aufmerksamkeit genießt. Bei den Engländern würde allerdings wohl auch kein Atomunfall etwas nützen; zu sehr hält das Trauma an aus der Ablösung des sozialdemokratischen Sozialstaats, der nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde und seine Höhepunkte während den industriellen Wachstumsphasen der sechziger Jahre erlebte, durch die Regierung Thatcher, welche zwar deregulierte, was das Zeugs hielt, aber mit Ausnahme des Finanzsektors auch nicht so tolle Alternativmöglichkeiten einrichtete. Deshalb steht die Arbeitsplatzfrage auch heute noch richtig neurotisch im Vordergrund, und neurotisch nenne ich das deshalb, weil eben andere Themen dabei ziemlich unter die Räder geraten. Ansonsten ist die Arbeitsplatzfrage natürlich eine höchst aktuelle, das versteht sich von selber, in dieser Beziehung allein unterscheidet sich England nicht von den anderen Staaten.
Übrigens kann man sich durchaus eine ungefähre Vorstellung bilden davon, was in punkto Arbeitsplätzen in absehbarer Zukunft auf uns zu rollt, wenn man sich das Eindringen der Mikroelektronik in die Haushalte und überhaupt in den Alltag vergegenwärtigt. Wenn plötzlich sämtliche Geräte und eben der ganze Haushalt, aber auch der öffentliche Raum mit allen Sorten von Sensoren und Leit- und Regelsystemen bestückt ist, dann entstehen hier durchaus schöne Jobs, von der Beratung bis zu Service- und Reparaturfirmen, welche einen dabei unterstützen, wenn der Kühlschrank mal wieder einfach nur Cannelloni aus der Büchse kochen will, während der Hobbykoch doch an eine Tom Ka Gai-Suppe gedacht hatte. Diese gesamte Konfliktfamilie braucht dringend Legionen, wo nicht Legionellen an Unterstützungspersonal, welches übrigens nicht etwa jenen Menschen unterstützt, der angeblich im Zentrum all dieser Entwicklungen steht, sondern selbstverständlich in erster Linie jene Computersysteme, die dann bei Gelegenheit tatsächlich zu einem getreueren Spiegel der Gesamtrealität zusammenwachsen, als es eine ganze Fakultät von Soziologinnen je zustande brächten. Auch die Schriftstellerei wird vor dieser Entwicklung ganz grau und flüchtet sich in die Produktion von Kriminalromanen, welche ja auf ihre Art auch bestätigen, dass der Mensch nach wie vor eine Störquelle ist. – Aber das ist jetzt wieder eine pessimistische Darstellung eines Sachverhalts, der durchaus auch als weitere Etappe der Befreiung verstanden werden könnte, nämlich der Befreiung von Routinevorgängen, für welche das menschliche Gehirn in seiner vollen Exzellenz doch niemals konzipiert wurde. Bloß – wofür denn dann?
Mit anderen Worten: Jetzt drängt in das unangenehme Zusammenleben der beiden Erzfeinde Saudiarabien und Israel noch ein dritter Zwilling in die Runde, und zwar beider noch erzerner Erzfeind Iran, und wohin wir damit noch kommen, weiß kein Mensch außer vielleicht ein paar Beraterinnen und Berater in der US-amerikanischen Regierung. Bipolare Störungen sind im kleinen Leben ebenso bekannt wie eben in der Hochpolitik, aber tripolare Störungen, davon hat die Welt bisher die Hände gelassen, zumal das Dreieck eben tatsächlich in der Form des Konfliktes und nicht in der Form einer Entente Cordiale zustande kommen soll. Was denkt sich eigentlich der Türke dabei, möchte man fragen, der mehr oder weniger oben an der einen Spitze dieses Dreiecks sitzt? – Wohl nicht allzu viel; auf jeden Fall ist die Position von Herrn Erdogan im Moment absolut unangreifbar, und wenn es nicht irgendein Nachfolger in absehbarer Zeit so richtig verkackt, dann ist die Zukunft der Türkei als Regionalmacht und als Vermittlerin in zahlreichen Belangen vollständig gesichert. Insofern ist es sicher kein Schaden, wenn man sich auch in Deutschland anständig, pfleglich und aufrichtig um die ansehnliche Minderheit der eingewanderten türkischen GastarbeiterInnen kümmert.
Ein anderes schönes Konfliktgebiet befindet sich im Südchinesischen Meer, auf welches aus dem Norden China und Taiwan herab blicken, von Osten die Philippinen, aus dem Westen Vietnam und vom Süden Malaysia und Brunei. Es geht um die vermuteten und bestätigten Rohstoff- und Energievorkommen. China beansprucht in allerbester kolonialer Manier das gesamte Gebiet für sich alleine, und angesichts der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Größe dieses Reiches fällt es einem fast ein bisschen schwer, sich vorzustellen, wie die diese Ansprüche nicht durchsetzen sollten. Umgekehrt stolpert manchmal auch ein Elefant über eine Ameise oder hat wenigstens Angst vor einer Maus, was heißt, dass auch die chinesischen Riesen mindestens eine Ahnung davon haben müssen, dass sie ihre kleinen Nachbarn nicht einfach so in Grund und Boden stampfen können. Hier haben die transpazifischen Freunde aus den USA wohl keinen vergleichbaren Einfluss wie im Nahen Osten; hier sind es eher die regionalen Beziehungen, welche dafür sorgen müssen und wohl auch werden, dass die Chinesen nicht allzu viel Öl ins Wasser gießen werden. Wie das aber konkret aussieht, welche Abkommen die vier Hauptbeteiligten schließlich unterzeichnen werden, das steht noch völlig in den Sternen.
Aber auch im tiefen Frieden gibt es Spannungen, und ich meine noch nicht mal die Ukraine, wo der Waffenstillstand doch seit mehreren Wochen anhält, offensichtlich zur großen Enttäuschung zahlreicher Wetterfrösche, welche die russische Agenda bis ins Detail kennen und den Vormarsch der roten Armee über Transnistrien einerseits, im Baltikum anderseits bis an die Oder-Neisse-Grenze oder gar bis zur Mosel bereits bis ins Detail ausgearbeitet haben. Hier läuft die Stussproduktion wirklich auf Hochtouren, aber so etwas kann ja auch Freude machen. Mich selber interessieren im Moment eher die Wahlen in England, wo ich keine übermäßig großen Unterschiede sehe zwischen den Konservativen und den Sozialdemokraten, einmal abgesehen von der EU-skeptischen Rhetorik von David Cameron, der aber selber genau weiß, dass sich ein Austritt Englands nicht rechnet. Insgeheim würde es mich allerdings mal wundernehmen, was geschehen täte, wenn tatsächlich einer der großen Brocken das europäische Kunst- und Kulturgebilde verlassen würde. Die Mängel des Konstrukts sind allgemein bekannt, und die Verabschiedung eines zentralen Players aus dem Verbund würde sicher eine interessante Dynamik im Gesamtgebilde auslösen. Aber damit ist nicht wirklich zu rechnen.
Was ich im Moment bei den Wahlen feststelle, ist eine Korrelation zwischen Erdölpreis und Wähleranteil der grünen Parteien. Je tiefer die Energiekosten, desto schlechter die Aussichten für die Umweltschützer, weil das öffentliche Bewusstsein offenbar nur über den Markt für Umweltthemen zu sensibilisieren ist. Alle paar Jahre platzt wieder mal ein Atomkraftwerk, das nützt den Grünen jeweils auch, aber das kann man nicht so punktgenau auf die Wahlen hin einrichten. In England jedenfalls scheinen die Grünen gegenwärtig überhaupt keine Rolle zu spielen im politischen Prozess, während die Chefin der Schottischen Nationalistenpartei viel Aufmerksamkeit genießt. Bei den Engländern würde allerdings wohl auch kein Atomunfall etwas nützen; zu sehr hält das Trauma an aus der Ablösung des sozialdemokratischen Sozialstaats, der nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde und seine Höhepunkte während den industriellen Wachstumsphasen der sechziger Jahre erlebte, durch die Regierung Thatcher, welche zwar deregulierte, was das Zeugs hielt, aber mit Ausnahme des Finanzsektors auch nicht so tolle Alternativmöglichkeiten einrichtete. Deshalb steht die Arbeitsplatzfrage auch heute noch richtig neurotisch im Vordergrund, und neurotisch nenne ich das deshalb, weil eben andere Themen dabei ziemlich unter die Räder geraten. Ansonsten ist die Arbeitsplatzfrage natürlich eine höchst aktuelle, das versteht sich von selber, in dieser Beziehung allein unterscheidet sich England nicht von den anderen Staaten.
Übrigens kann man sich durchaus eine ungefähre Vorstellung bilden davon, was in punkto Arbeitsplätzen in absehbarer Zukunft auf uns zu rollt, wenn man sich das Eindringen der Mikroelektronik in die Haushalte und überhaupt in den Alltag vergegenwärtigt. Wenn plötzlich sämtliche Geräte und eben der ganze Haushalt, aber auch der öffentliche Raum mit allen Sorten von Sensoren und Leit- und Regelsystemen bestückt ist, dann entstehen hier durchaus schöne Jobs, von der Beratung bis zu Service- und Reparaturfirmen, welche einen dabei unterstützen, wenn der Kühlschrank mal wieder einfach nur Cannelloni aus der Büchse kochen will, während der Hobbykoch doch an eine Tom Ka Gai-Suppe gedacht hatte. Diese gesamte Konfliktfamilie braucht dringend Legionen, wo nicht Legionellen an Unterstützungspersonal, welches übrigens nicht etwa jenen Menschen unterstützt, der angeblich im Zentrum all dieser Entwicklungen steht, sondern selbstverständlich in erster Linie jene Computersysteme, die dann bei Gelegenheit tatsächlich zu einem getreueren Spiegel der Gesamtrealität zusammenwachsen, als es eine ganze Fakultät von Soziologinnen je zustande brächten. Auch die Schriftstellerei wird vor dieser Entwicklung ganz grau und flüchtet sich in die Produktion von Kriminalromanen, welche ja auf ihre Art auch bestätigen, dass der Mensch nach wie vor eine Störquelle ist. – Aber das ist jetzt wieder eine pessimistische Darstellung eines Sachverhalts, der durchaus auch als weitere Etappe der Befreiung verstanden werden könnte, nämlich der Befreiung von Routinevorgängen, für welche das menschliche Gehirn in seiner vollen Exzellenz doch niemals konzipiert wurde. Bloß – wofür denn dann?