Neues vom Immergleichen: Kulturindustrie

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Keiner würde heute mehr behaupten, wir lebten in der besten aller Welten; man ist ja kritisch. Aber jeder denkt doch, daß wir in der einzigen aller Welten leben. "So ist das nun mal." (A. Dorau, 1997)

Viel ist immer mal wieder zu lesen über "die Kulturindustrie". Da geben sich spröde Akademiker, schneidige Lohnschreiber und agile Freizeitagitatoren nichts. Doch wie kommen sie alle dazu anzunehmen, sie könnten - quasi unbeteiligt - über jene Bewußtseinsindustrie schreiben, deren Teil sie alle doch nolens volens sind?

Auch das Freie Radio hat sich ja, freiwillig oder unfreiwillig, mit der Nische zu bescheiden, die zwischen Unterhaltungsrundfunk, Bildungsbürgermedium und Propagandasender noch unbesetzt ist; zwischen Infotainment, DJ-ism, Reklame, Meinungsmache, Zerstreuung, Journalismus. Oder noch allgemeiner, zwischen Fernsehen, Zeitung, Theater, Kino, Konzert, Kabarett, Ausgeh-Event, Museum, Oper und, nicht zu vergessen, dem Internet. Zwischen Hoch-, Sub- und Popkultur. Und warum sollte ausgerechnet die Nische zwischen Kulturindustrie und Kulturindustrie anderes verheißen? "Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit. Film, Radio, Magazine machen ein System aus." (Adorno, 1944)
Begonnen hatte das Nachdenken über diesen Komplex 1936 mit Walter Benjamins Aufsatz über Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit.

Eine Ersatzhandlung besteht darin, statt über die real existierende Kulturindustrie in philologisch-seminaristischer Tradition über "die Kulturindustriethese" bzw. "das Kulturindustrie-Kapitel" zu räsonieren. Das wollen wir nicht tun. Man kann über die Geschichte der Kulturindustrie reden, über ihre Inhalte, über ihre Produktionsbedingungen - nur entkommen, das kann man ihr erstmal nicht. Und so kann sie nur ein, wenn nicht der vornehmste Gegenstand immanenter Kritik sein: Es bleibt die Notwendigkeit, zu untersuchen, welche - marktförmigen, also nicht bloß manipulativen - Mechanismen es bewirken, daß sich, allem vordergründigen Pluralismus zum Trotz, in den Köpfen doch wieder jene letztendliche Alternativlosigkeit breit macht, die man nur Ideologie nennen kann. Sie, diese Mechanismen, gehören aufgedeckt und kritisiert und überwunden.


Zu hören gibt es zwei eminent gute Vorträge:

- Christoph Hesse: "Kulturindustrie, das sind die anderen" (Berlin, 2012; ca. 50 Minuten)

- Thesen zur Transformation der Kulturindustrie von Magnus Klaue: "Ohne weitere Bestimmung. Über die notwendige Vergangenheit des Glücks" (Berlin, 2012; ca. 60 Minuten)


Wenn überhaupt, so enthält die Kulturindustrie selbst "das Gegengift ihrer eigenen Lüge. Auf nichts anderes wäre zu ihrer Rettung zu verweisen" (Adorno).


Dauer: 120 Minuten
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Audio
02:00:00 h, 41 MB, mp3
mp3, 48 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 15.04.2014 / 15:58

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Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Kultur
Serie: Sachzwang FM
Entstehung

AutorInnen: Dr. Indoctrinator
Radio: Querfunk, Karlsruhe im www
Produktionsdatum: 13.04.2014
CC BY-ND-NC
Creative Commons BY-ND-NC
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Beide Vorträge wurden 2012 in Berlin im Rahmen der Veranstaltungsreihe "I had fun once, it was awful" gehalten.


Zum Weiterlesen:
- "testcard #5: Kulturindustrie" (Ventil Verlag, 1998)
- "Zum aktuellen Stand des Immergleichen. Dialektik der Kulturindustrie - vom Tatort zur Matrix" (Verbrecher Verlag, 2008)
- "Alles falsch. Auf verlorenem Posten gegen die Kulturindustrie" (Verbrecher Verlag, 2012)


Weitere Sendungen der Reihe SACHZWANG FM zum Thema sind in Planung.