"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Ukrainie, Ukrainah -
ID 63246
Ukraine, Ukraine, Ukraine, ich kanns schon fast nicht mehr hören, vor allem nicht den Ketchup-Milliardärsgatten John Kerry, auch wenn er in gewissen Punkten Recht hat, namentlich bezüglich eben des Rechts und bezüglich der Annektion der Krim durch Russland.
Audio
11:10 min, 26 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 14.04.2014 / 20:42
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Klassifizierung
Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung
AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 14.04.2014
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Das war ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht, und abgesehen von allem anderen bin ich sicher der letzte, der dem russischen Regierungsapparat unter Wladimir Putin mehr attestieren will als die Tatsache, nach dem Wodka-Regime von Boris Jelzin wieder für eine gewisse Stabilität gesorgt zu haben in der russischen Föderation. Der Preis dafür war und ist ziemlich hoch, vom Tschetschenien-Krieg über Vetternwirtschaft und Korruption bis zur Aneignung aller gesellschaftlichen Reichtümer durch ein paar ehemalige Funktionäre der kommunistischen Partei; die Homosexuellen-Gesetze erscheinen vor diesem Hintergrund als bloße Fußnote einer viel gründlicheren Katastrophe. Auf der anderen Seite muss man sich die historische Situation vergegenwärtigen und messen und vergleichen, was mess- und vergleichbar ist. Es gab vor 25 Jahren keinen geordneten Übergang, das gesamte Sowjetsystem zerbröselte innerhalb von Rekordzeit, und die Konstruktions- oder Rekonstruktionsversuche mussten sich der verbliebenen Strukturreste bedienen. Die Übertragung westeuropäischer oder gar US-amerikanischer Institutionen und Gepflogenheiten auf Restrussland stand niemals zur Debatte. In dieser Situation ist eine gewisse Sicherheit und Stabilität eben durchaus besser als eine vermeintlich offene und freiheitliche, in der Praxis aber chaotische Eigenentwicklung, bei welcher der Rückfall ins Faustrecht eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit hat als die spontane Genese einer wunderbaren Demokratie. In diesem Sinne ist auch die Entstehung der russischen Vermögensoligarchie zu begreifen. Natürlich hätte man es in einem emanzipatorischen Sinne vorgezogen, wenn die vorhandenen Wirtschaftskapazitäten vom Volk selber tatsächlich in die Hände genommen worden wäre; aber die Hinweise haben sich zur Gewissheit und unmittelbar danach zur Realität verdichtet, dass besagtes Volk dazu schlicht und einfach nicht in der Lage war nach siebzig Jahren einer angeblich sozialistischen oder kommunistischen Verwaltung. Dabei beruhen Sozialismus und Kommunismus theoretisch ja gerade auf der Übernahme der Macht durch das Volk auf allen Ebenen...
Schade, aber eine Tatsache, ebenso wie die Tatsache, dass die ehemaligen Satellitenstaaten des Warschauerpaktes mehrheitlich mit fliegenden Fahnen zum Westen überliefen, zum einen in die Europäische Union, zum anderen aber in die Nato, was die militärische Situation etwas ungemütlicher werden ließ für Russland, das damit so etwas wie eine Umkehr der Kubakrise im Jahr 1962 erlebte. Immerhin blieb neben Weißrussland noch die Ukraine vorderhand noch in ihrem Einflussbereich, wobei die Ukraine seit eh und je als Bestandteil der europäisch-russischen Identität mit einer weitgehend gemeinsamen Geschichte war, wobei Verschiebungen und Teilungen des Landes zwischen Polen-Litauen, Russland und der Türkei ebenfalls seit eh und je dazu gehören. In den letzten zwanzig Jahren haben wir ein andauerndes Gezerre erlebt, unter anderem zwischen Viktor Janukowitsch, der im Jahr 2002 Ministerpräsident der Ukraine wurde und im Jahr 2004 als Nachfolger von Leonid Kutschma zum Staatspräsident gewählt wurde; allerdings kam es wegen dieser Wahl zu Protesten, zur so genannten orangen Revolution. Das oberste Gericht annullierte das Ergebnis, und aus der zweiten Wahl ging Wiktor Juschtschenko als Vertreter der Protestbewegung als Sieger hervor. Juschtschenko war aber schon früher, nämlich 1999–2001, ukrainischer Premierminister gewesen. Zwei Jahre später wurde Janukowitsch aber wieder Ministerpräsident, ernannt von Wiktor Juschtschenko. Etwas mehr als ein Jahr später kam es zu vorgezogenen Parlamentswahlen, welche Julia Timoschenko an die Macht brachten beziehungsweise ins Ministerpräsidenten-Amt. Im Jahr 2010 wurde der Staatspräsident neu gewählt; Wiktor Juschtschenko ging sang- und klanglos unter, während Viktor Janukowitsch das Duell gegen Julia Timoschenko knapp für sich entschied. Dann wanderte Julia Timoschenko ins Gefängnis aufgrund von eher dubiosen Vorwürfen, nicht aber wegen der privaten Bereicherung, die das Vermögen der vollständig unschuldigen Heiligen auf mehrere hundert Millionen Euro anschwellen ließ, zum Beispiel aus jenem Deal, bei dem sie irgendwelche ukrainische Stahlwerke an die niederländische Mittal Steel verscherbelte. Ein Vermögen also, gegenüber dem der zeitweise als Indizienbeweis herbeigezogene Prunk im Palast von Viktor Janukowitsch als pures Milchschäumchen erscheint. –Das ist ja überhaupt die ganze Frage beziehungsweise der implizite Vorwurf nicht nur gegenüber den ukrainischen, sondern auch gegenüber den russischen Oligarchen: Sie haben sich tatsächlich das Volksvermögen unter den Nagel gerissen, was aus westlicher Sicht vor allem deshalb empörend ist, weil die westlichen Raubtiere nicht zum Zuge kamen. – Aber zurück zur Ukraine: Zu Beginn dieses Jahres erfolgte dann die komplett rechtswidrige Absetzung von Präsident Janukowitsch durch das Parlament und seine anschließende Flucht; der neue Ministerpräsident verbot als erste und wichtigste Maßnahme Russisch als Amtssprache, ach, was alles man so will, um zu sehen, dass einmal abgesehen von der Krim in diesem Konflikt nur dann eine Lösung für die Ukraine möglich wäre, wenn nicht die EU und die US-Amerikaner und der Nato-Generalsekretären-Trottel dauernd Wind machen würden, sondern wenn man eben Russland mit an den Tisch holen würde, weil die Ukraine nun mal gespalten ist in einen Teil, der eher nach Europa und in einen Teil, der eher nach Russland orientiert ist. Jedes Mal, wenn eine Partei sich Privilegien zu verschaffen versucht, stößt sie auf den Widerstand der Gegenpartei, so ist das nun mal, und das hat natürlich der russische Außenminister Lawrow begriffen im Gegensatz zur US-amerikanischen Kerry-Nuss.
Was tun in dieser Situation? Wenn man eine kriegerische Auseinandersetzung oder mindestens ihre Eskalation vermeiden will, dann muss man verhandeln. Einen Dritten Weltkrieg möchte ich jetzt nicht gleich herauf beschwören, dafür steht letztlich doch zu wenig auf dem Spiel; für meine persönliche Befindlichkeit wäre es zunächst mal einfach schön, wenn Anders Fogh Rasmussen und John Kerry einfach ihre Goschen halten täten. Damit ist aber nicht zu rechnen. John Kerry hat als Außenminister erstmals die Gelegenheit, so richtig in der Welt herum zu bellen, während man dies von Fogh Rasmussen schon aus seiner Zeit als dänischer Regierungschef kennt, als er mit den rechtsnationalen Kräften die Regierung bildete und Truppen in den Irak entsandte. Das ist mal eine richtig schöne Nato-Kriegsgurgel. Was die Russen angeht, so kenne ich mich nicht aus. Ich glaube nicht, dass sie ein Interesse an einer dauerhaften militärischen Besetzung weiterer Teile der Ukraine haben, aber wenn die ukrainische Übergangregierung fortissimo den starken Mann markiert, als hätte sie die Natotruppen bereits unter ihrem Kommando, und vielleicht versucht, den Osten des Landes militärisch zu besetzen, dann kann es vorübergehend brenzlig werden. Dann marschieren die Russen nämlich tatsächlich dort ein und ziehen sich erst dann zurück, wenn sie, wiederum in Verhandlungen, das erreicht haben, was sie vermutlich zum Ziel haben: die Fortsetzung des Status quo ante, also mit einer durchaus intakten Ukraine, die aber keine Nato-Partnerschaften eingeht, sondern weiterhin aus einem westlich und einem östlich orientierten Teil besteht. Und wenn dann die beiden Krächzkrähen Kerry und Fogh Rasmussen versuchen, einen Militärschlag gegen Russland zu führen, weil sie sich zuvor so weit aus dem Fenster gelehnt haben, dann wird es noch heißer. Aber wir vertrauen ja in die Restvernunft, welche sogar innerhalb der Nato noch einigermaßen gerecht verteilt sein sollte. Wenn Russland seine Interessen in der Ostukraine wahrnimmt, so ist dies zwar ein imperialistischer Akt, aber kein Angriff auf die Nato, und deshalb sollte sich die Nato davor hüten, einen Gegenschlag auszuführen. Weiter hoffen wir sowieso auf ein baldiges Verschwinden sowohl von Fogh Rasmussen als auch von John Kerry von einer Bühne, auf die sie einfach nicht mehr passen.
Damit habe ich ja nicht gesagt, dass ich direkt begrüße, was Russland da abzieht; ich habe bloß etwas Verständnis dafür, und insonderheit geht es mir auf den Keks, wie sich die US-Amerikaner als totale Sieger des kalten Krieges aufspielen. Dabei ist das doch ganz einfach: Man soll den Nachbarstaaten der russischen Föderation keine Illusionen machen und Dinge anbieten, die man dann nicht einhalten kann und schon gar nicht will. Man hat es in Georgien gesehen, und bei der Ukraine wird das Fazit genau dasselbe sein. Lasst den Russen einfach ihren Einflussbereich und versucht daneben, im Rahmen von Handelsabkommen so etwas wie eine Tauschgerechtigkeit herzustellen, welche dann möglicherweise auch innerhalb von Russland Auswirkungen hat auf die Produktions- und etwas später sogar Staatsstrukturen. Wenn die französische Danone beginnt, Milchverarbeitungsanlagen in Russland aufzubauen, welche nach moderneren betriebswirtschaftlichen Kriterien geleitet werden als früher in der Sowjetunion, so leistet sie damit vermutlich einen größeren Beitrag zur Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen als all die wunderbaren Erdgaslieferungen, um die es ja gerade im Ukraine-Konflikt auch noch geht.
Sprechen wir von was anderem. Spätestens seit Beginn der großen Koalition in eurem schönen Land fällt auch den Medien auf, dass die Regierung Merkel eine in der Substanz sozialdemokratische Politik betreibt. Allerdings haben sie den Charakter einer sozialdemokratischen Politik noch nicht so richtig erfasst, im Gegensatz zum Bayrischen Politiker Peter Ramsauer, welcher der Kanzlerin vorwirft, dass sie drauf und dran sei, die Errungenschaften aus der Ära Schröder zu verspielen. Sozialdemokratische Politik heißt nichts anderes als Business as Usual unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch die kleinen Leute Anrecht haben auf einen, vielleicht nicht allzu hohen, aber doch Anteil am gesamten Reichtum, dass es ein funktionierendes Bildungssystem benötigt, um möglichst viele Arbeitnehmerinnen so zu qualifizieren, dass man sie nach Strich und Faden ausbeuten kann, dass eine angemessene soziale Absicherung viel besser für dauerhafte und stabile Profite sorgt als der freigelassene neoliberale Furor und so weiter, und so fort, kurz: Es hat nicht nur in Deutschland, sondern in allen fortschrittlichen Gesellschaften Europas seit Jahrzehnten Tradition, dass die Regierungen sozialdemokratische Politik betreiben, unabhängig von ihrer politischen Herkunft als Sozialisten, Gaullisten, Christdemokraten oder was auch immer. Letzthin habe ich in einer deutschen Fernsehanstalt gesehen, wie sich ein Vertreter des Wirtschaftsflügels in der CDU bemüht hat, den schwindenden Einfluss dieses Wirtschaftsflügels wettzumachen durch ich weiß nicht welche Sperenzchen. Aber wofür denn? Solange die Bundesregierung dafür sorgt, dass das Steuerrecht die Mächtigen nicht beißt, während gleichzeitig die Verteilkämpfe im Rahmen der zivilisierten Rechtsordnung ablaufen, was soll da ein Wirtschaftsflügel noch speziell die Interessen einer Wirtschaft vertreten, deren Interessen eh schon überall vertreten sind? Das ist doch das Schöne an der Sozialdemokratie. Und was die Zukunft angeht: Die sollte sich eben eigentlich nicht zurück zum Manchesterkapitalismus entwickeln, sondern gewisse zusätzliche Freiheiten erlauben auf der Basis der sozialdemokratischen Errungenschaften.
Schade, aber eine Tatsache, ebenso wie die Tatsache, dass die ehemaligen Satellitenstaaten des Warschauerpaktes mehrheitlich mit fliegenden Fahnen zum Westen überliefen, zum einen in die Europäische Union, zum anderen aber in die Nato, was die militärische Situation etwas ungemütlicher werden ließ für Russland, das damit so etwas wie eine Umkehr der Kubakrise im Jahr 1962 erlebte. Immerhin blieb neben Weißrussland noch die Ukraine vorderhand noch in ihrem Einflussbereich, wobei die Ukraine seit eh und je als Bestandteil der europäisch-russischen Identität mit einer weitgehend gemeinsamen Geschichte war, wobei Verschiebungen und Teilungen des Landes zwischen Polen-Litauen, Russland und der Türkei ebenfalls seit eh und je dazu gehören. In den letzten zwanzig Jahren haben wir ein andauerndes Gezerre erlebt, unter anderem zwischen Viktor Janukowitsch, der im Jahr 2002 Ministerpräsident der Ukraine wurde und im Jahr 2004 als Nachfolger von Leonid Kutschma zum Staatspräsident gewählt wurde; allerdings kam es wegen dieser Wahl zu Protesten, zur so genannten orangen Revolution. Das oberste Gericht annullierte das Ergebnis, und aus der zweiten Wahl ging Wiktor Juschtschenko als Vertreter der Protestbewegung als Sieger hervor. Juschtschenko war aber schon früher, nämlich 1999–2001, ukrainischer Premierminister gewesen. Zwei Jahre später wurde Janukowitsch aber wieder Ministerpräsident, ernannt von Wiktor Juschtschenko. Etwas mehr als ein Jahr später kam es zu vorgezogenen Parlamentswahlen, welche Julia Timoschenko an die Macht brachten beziehungsweise ins Ministerpräsidenten-Amt. Im Jahr 2010 wurde der Staatspräsident neu gewählt; Wiktor Juschtschenko ging sang- und klanglos unter, während Viktor Janukowitsch das Duell gegen Julia Timoschenko knapp für sich entschied. Dann wanderte Julia Timoschenko ins Gefängnis aufgrund von eher dubiosen Vorwürfen, nicht aber wegen der privaten Bereicherung, die das Vermögen der vollständig unschuldigen Heiligen auf mehrere hundert Millionen Euro anschwellen ließ, zum Beispiel aus jenem Deal, bei dem sie irgendwelche ukrainische Stahlwerke an die niederländische Mittal Steel verscherbelte. Ein Vermögen also, gegenüber dem der zeitweise als Indizienbeweis herbeigezogene Prunk im Palast von Viktor Janukowitsch als pures Milchschäumchen erscheint. –Das ist ja überhaupt die ganze Frage beziehungsweise der implizite Vorwurf nicht nur gegenüber den ukrainischen, sondern auch gegenüber den russischen Oligarchen: Sie haben sich tatsächlich das Volksvermögen unter den Nagel gerissen, was aus westlicher Sicht vor allem deshalb empörend ist, weil die westlichen Raubtiere nicht zum Zuge kamen. – Aber zurück zur Ukraine: Zu Beginn dieses Jahres erfolgte dann die komplett rechtswidrige Absetzung von Präsident Janukowitsch durch das Parlament und seine anschließende Flucht; der neue Ministerpräsident verbot als erste und wichtigste Maßnahme Russisch als Amtssprache, ach, was alles man so will, um zu sehen, dass einmal abgesehen von der Krim in diesem Konflikt nur dann eine Lösung für die Ukraine möglich wäre, wenn nicht die EU und die US-Amerikaner und der Nato-Generalsekretären-Trottel dauernd Wind machen würden, sondern wenn man eben Russland mit an den Tisch holen würde, weil die Ukraine nun mal gespalten ist in einen Teil, der eher nach Europa und in einen Teil, der eher nach Russland orientiert ist. Jedes Mal, wenn eine Partei sich Privilegien zu verschaffen versucht, stößt sie auf den Widerstand der Gegenpartei, so ist das nun mal, und das hat natürlich der russische Außenminister Lawrow begriffen im Gegensatz zur US-amerikanischen Kerry-Nuss.
Was tun in dieser Situation? Wenn man eine kriegerische Auseinandersetzung oder mindestens ihre Eskalation vermeiden will, dann muss man verhandeln. Einen Dritten Weltkrieg möchte ich jetzt nicht gleich herauf beschwören, dafür steht letztlich doch zu wenig auf dem Spiel; für meine persönliche Befindlichkeit wäre es zunächst mal einfach schön, wenn Anders Fogh Rasmussen und John Kerry einfach ihre Goschen halten täten. Damit ist aber nicht zu rechnen. John Kerry hat als Außenminister erstmals die Gelegenheit, so richtig in der Welt herum zu bellen, während man dies von Fogh Rasmussen schon aus seiner Zeit als dänischer Regierungschef kennt, als er mit den rechtsnationalen Kräften die Regierung bildete und Truppen in den Irak entsandte. Das ist mal eine richtig schöne Nato-Kriegsgurgel. Was die Russen angeht, so kenne ich mich nicht aus. Ich glaube nicht, dass sie ein Interesse an einer dauerhaften militärischen Besetzung weiterer Teile der Ukraine haben, aber wenn die ukrainische Übergangregierung fortissimo den starken Mann markiert, als hätte sie die Natotruppen bereits unter ihrem Kommando, und vielleicht versucht, den Osten des Landes militärisch zu besetzen, dann kann es vorübergehend brenzlig werden. Dann marschieren die Russen nämlich tatsächlich dort ein und ziehen sich erst dann zurück, wenn sie, wiederum in Verhandlungen, das erreicht haben, was sie vermutlich zum Ziel haben: die Fortsetzung des Status quo ante, also mit einer durchaus intakten Ukraine, die aber keine Nato-Partnerschaften eingeht, sondern weiterhin aus einem westlich und einem östlich orientierten Teil besteht. Und wenn dann die beiden Krächzkrähen Kerry und Fogh Rasmussen versuchen, einen Militärschlag gegen Russland zu führen, weil sie sich zuvor so weit aus dem Fenster gelehnt haben, dann wird es noch heißer. Aber wir vertrauen ja in die Restvernunft, welche sogar innerhalb der Nato noch einigermaßen gerecht verteilt sein sollte. Wenn Russland seine Interessen in der Ostukraine wahrnimmt, so ist dies zwar ein imperialistischer Akt, aber kein Angriff auf die Nato, und deshalb sollte sich die Nato davor hüten, einen Gegenschlag auszuführen. Weiter hoffen wir sowieso auf ein baldiges Verschwinden sowohl von Fogh Rasmussen als auch von John Kerry von einer Bühne, auf die sie einfach nicht mehr passen.
Damit habe ich ja nicht gesagt, dass ich direkt begrüße, was Russland da abzieht; ich habe bloß etwas Verständnis dafür, und insonderheit geht es mir auf den Keks, wie sich die US-Amerikaner als totale Sieger des kalten Krieges aufspielen. Dabei ist das doch ganz einfach: Man soll den Nachbarstaaten der russischen Föderation keine Illusionen machen und Dinge anbieten, die man dann nicht einhalten kann und schon gar nicht will. Man hat es in Georgien gesehen, und bei der Ukraine wird das Fazit genau dasselbe sein. Lasst den Russen einfach ihren Einflussbereich und versucht daneben, im Rahmen von Handelsabkommen so etwas wie eine Tauschgerechtigkeit herzustellen, welche dann möglicherweise auch innerhalb von Russland Auswirkungen hat auf die Produktions- und etwas später sogar Staatsstrukturen. Wenn die französische Danone beginnt, Milchverarbeitungsanlagen in Russland aufzubauen, welche nach moderneren betriebswirtschaftlichen Kriterien geleitet werden als früher in der Sowjetunion, so leistet sie damit vermutlich einen größeren Beitrag zur Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen als all die wunderbaren Erdgaslieferungen, um die es ja gerade im Ukraine-Konflikt auch noch geht.
Sprechen wir von was anderem. Spätestens seit Beginn der großen Koalition in eurem schönen Land fällt auch den Medien auf, dass die Regierung Merkel eine in der Substanz sozialdemokratische Politik betreibt. Allerdings haben sie den Charakter einer sozialdemokratischen Politik noch nicht so richtig erfasst, im Gegensatz zum Bayrischen Politiker Peter Ramsauer, welcher der Kanzlerin vorwirft, dass sie drauf und dran sei, die Errungenschaften aus der Ära Schröder zu verspielen. Sozialdemokratische Politik heißt nichts anderes als Business as Usual unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch die kleinen Leute Anrecht haben auf einen, vielleicht nicht allzu hohen, aber doch Anteil am gesamten Reichtum, dass es ein funktionierendes Bildungssystem benötigt, um möglichst viele Arbeitnehmerinnen so zu qualifizieren, dass man sie nach Strich und Faden ausbeuten kann, dass eine angemessene soziale Absicherung viel besser für dauerhafte und stabile Profite sorgt als der freigelassene neoliberale Furor und so weiter, und so fort, kurz: Es hat nicht nur in Deutschland, sondern in allen fortschrittlichen Gesellschaften Europas seit Jahrzehnten Tradition, dass die Regierungen sozialdemokratische Politik betreiben, unabhängig von ihrer politischen Herkunft als Sozialisten, Gaullisten, Christdemokraten oder was auch immer. Letzthin habe ich in einer deutschen Fernsehanstalt gesehen, wie sich ein Vertreter des Wirtschaftsflügels in der CDU bemüht hat, den schwindenden Einfluss dieses Wirtschaftsflügels wettzumachen durch ich weiß nicht welche Sperenzchen. Aber wofür denn? Solange die Bundesregierung dafür sorgt, dass das Steuerrecht die Mächtigen nicht beißt, während gleichzeitig die Verteilkämpfe im Rahmen der zivilisierten Rechtsordnung ablaufen, was soll da ein Wirtschaftsflügel noch speziell die Interessen einer Wirtschaft vertreten, deren Interessen eh schon überall vertreten sind? Das ist doch das Schöne an der Sozialdemokratie. Und was die Zukunft angeht: Die sollte sich eben eigentlich nicht zurück zum Manchesterkapitalismus entwickeln, sondern gewisse zusätzliche Freiheiten erlauben auf der Basis der sozialdemokratischen Errungenschaften.