Ausnahmezustand als Normalität (Neustes aus Fukuschima)

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Ausnahmezustand als Normalität

Knapp zwei Jahre nach der dreifachen Kernschmelze im AKW Fukushima ist die Katastrophe aus den Schlagzeilen verschwunden. Wohl auch deshalb, weil die Betreiberfirma Tepco stets den Eindruck vermittelt, sie habe die Lage im Griff. Dabei ist der Ausnahmezustand zur Normalität geworden.

Straßensperren, Flugverbot, stillgelegte Bahnstrecken, Arbeiter_innen in Schutzanzügen und Atemmasken, verlassene Häuser, Schulen, Einkaufszentren - Fukushima, das Atomkraftwerk Daiichi und die Zone 20 Kilometer darum herum: eine Region im dauerhaften Ausnahmezustand, hermetisch abgeriegelt von der Öffentlichkeit. Was hier geschieht, wer hier hin darf, was er zu sehen, zu hören bekommt, das alles bestimmt allein die Firma Tepco. Ob Journaliste_innen, Politiker-innen oder hochrangige Vertreter_innen der Internationalen Atomenergie Agentur (IAEA): Ohne das O.K. von Tepco kommt niemand auch nur in Sichtweite der Reaktorruinen. Schon das allein zeigt: Fukushima ist weit entfernt von jeder Normalität.

Fukushima; Großansicht des Bildes Das sogenannte J-Village, rund 20 Kilometer vom AKW Fukushima entfernt. Erste Station für jeden, der das Kraftwerksgelände betreten will, ist das "J-Village". Rund 20 Kilometer vom AKW entfernt liegt das einstige Trainingslager der japanischen Fußball-Nationalmannschaft, ideal für seine neue Funktion als Brückenkopf der Operation "Fukushima". Hier ist das Basislager für die rund 20.000 Arbeiter_innen, Ingenieur_innen und Konstrukteur_innen, die Tag für Tag in dem AKW Schutt wegräumen, alte Gebäude abreißen, neue Gebäude bauen, Leitungen legen, Pumpen installieren, Wasser sammeln und dekontaminieren, Tanks und Drainagen bauen und vieles mehr.
Noch immer ein Provisorium

Das Chaos der ersten Monate ist inzwischen überwunden. Die vielen Hundert Arbeiter_innen schlafen nicht mehr auf den Fluren und Gängen des Zentralgebäudes, sondern in einer Containersiedlung, die auf dem Rasen des Hauptstadions errichtet wurde. Tausende Stahlplatten auf dem Areal sorgen dafür, dass die zahllosen Baufahrzeuge bei Dauerregen nicht mehr im Schlamm versinken. In einem riesigen Zelt sind Dutzende Ganzkörper-Strahlenmessgeräte zur Kontrolle von Arbeiter_innen und Besucher_innen aufgestellt. Aber flüchtig verlegte Kabel, Kisten mit Schutzanzügen und Gummihandschuhen auf den Fluren, Stolperfallen und fehlende Beleuchtung zeugen davon, dass das "J-Village" eigentlich für ganz andere Zwecke gedacht war und immer noch ein Provisorium ist.

Nach einer ersten Unterweisung im Umgang mit Schutzkleidung, Atemmaske und Tepco-Personal ("Ihren Anweisungen ist stets Folge zu leisten…"), der sicheren Versiegelung des Reporter-innen-Equipments (zum Schutz vor Kontaminierung durch Strahlenpartikel) und der Ausstattung mit einem persönlichen Dosimeter geht es per Bus Richtung Kraftwerksruine. Die Fahrt führt durch eine fast menschenleere Gegend.
Mit dem Bus geht es vom J-Village 20 Kilometer durch die Sperrzone - vorbei an verlassenen Häusern, Schulen, Kindergärten.

Bei jeder Geisterstadt, die wir durchqueren, gibt die Tepco-Sprecherin die aktuellen Strahlenwerte durch. In manchen Orten seien sie so niedrig, dass die Bewohner-innen zumindest stundenweise wieder in ihre Häuser dürfen, aber zu sehen ist niemand. Erinnerungen an Tschernobyl werden wach. Aus dem Buslautsprecher die Stimme der Tepco-Sprecherin, die von Rückkehrprogrammen, von Dekontamination der Häuser und Straßen spricht - sowie von den Äckern, Wäldern und Wiesen, für die man allerdings noch keine Lösung gefunden habe. 30 Minuten dauert die Fahrt, 30 deprimierende Minuten. Dann erreichen wir das Atomkraftwerk. Tim Thaler srach mit Jürgen Döschner vom WDR darüber.
Hier noch die erwähnten Internetseiten:
www.tagesschau.de und
www.grs.de
Audio
16:39 min, 38 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 11.02.2013 / 18:22

Dateizugriffe: 303

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Tim Thaler
Radio: coloradio, Dresden im www
Produktionsdatum: 08.02.2013
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Kein Skript vorhanden.

Kommentare
11.02.2013 / 07:20 hikE, Radio Unerhört Marburg (RUM)
in Frühschicht 11.2.2013
gesendet. Danke! Aussteuerung ist leider n bisschen gewöhnungsbedürftig und Mikrofon des Moderators könnte auch runtergezogen werden während der Interviewte spricht - das würde Schnaufgeräusche vermeiden.