"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - bundeskanzler engländer -
ID 53283
Würdet ihr einem Bundeskanzler mit dem Namen Engländer trauen? Nun gut, Euch ist das ja zuzutrauen. Jedenfalls besitzen die Französinnen und Franzosen seit letztem Sommer einen Staatspräsidenten, dessen Namen der Name eines anderen Staates ist, was er mit dem Vornahmen Franzose nur knapp zurechtbiegt.
Audio
12:23 min, 17 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 22.01.2013 / 10:29
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Klassifizierung
Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Entstehung
AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 22.01.2013
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Auch der Beginn seiner Regentschaft machte einen etwas zurechtgebogenen Eindruck; allerdings mag dies zum Teil an den Medien liegen, welche sich mit Ausnahme der «Libération» und des «Monde» fest in den Händen der bourgeoisen Elite Frankreichs befinden. Wir haben da zum Beispiel die Lagardère-Gruppe, die den 15. Rang der Rangliste der weltweiten Medienkonzerne belegt und nebenbei eine 7.5%-ige Beteiligung am Rüstungs- und Luftfahrtkonzern EADS halt. Auf Rang 9 dieser Rangliste befindet sich Vivendi SA, das größte Medienunternehmen Frankreichs, dessen Nebenbeschäftigung die Telekommunikation ist. Ursprünglich war Vivendi ein Versorgungsunternehmen wie Gaz de France, welche heute zu Suez gehört, oder Electricité de France und hieß Eaux de France. Heute ist Vivendi vor allem im Fernseh- und Internet-Geschäft aktiv, hat aber gewaltige finanzielle Probleme. Etwas weniger klar ausgerichtet ist der Heuschrecken-Kapitalist Vincent Bolloré, ein Sarkozy-Kumpel wie der Lagardère-Erbe Arnaud. Dann haben wir Bouygues, ein Bau- und Telecom-Konzern, der den Takt angibt beim größten TV-Haus in Europa, TF1, und daneben noch eine Gratiszeitung führt, wobei TF1 auf der erwähnten Medienrangliste auf Platz 50 liegt. Hersant Média ist ein Zeitungshaus, das viele regionale Titel herausgibt, aber mit einer Milliarde Euro Umsatz ziemlich kleine Brötchen bäckt. Lustig wird es wieder mit Serge Dassault, dem rund 70 Pressetitel in Frankreich gehören neben dem Rüstungsgeschäft, vor allem mit Kampfflugzeugen, ganz wie eben der Konkurrent Lagardère. – Übrigens ist Dassault angeblich einer der Hauptfinanzierer von Reporters sans frontières, das sollte man sich ebenfalls merken, sowohl auf der begrifflichen Ebene – die Zeitungsberichte über den Krieg werden von der Rüstungsindustrie geschmiedet – als auch was die Begriffe angeht, nämlich Solidarität, grenzüberschreitend, Journalismus und so weiter. –
Solche Informationen findet man übrigens auf der Webseite www.mediadb.eu, wo auch detaillierte Angaben zur Medienwelt in Deutschland stehen. In Frankreich passt das Medienmosaik allerdings so schön wie sonst fast nirgends. Wie gesagt veranstalteten die Trinkbrüder von Sarkozy unmittelbar nach der Wahl Hollandes, die man unglücklicherweise nicht zu verhindern vermochte, ein koordiniertes Pfeifkonzert, in dem man dem guten alten François sämtliche Misserfolge seines Vorgängers in die Schuhe zu schieben versuchte, wobei dessen Misserfolge ihrerseits vielleicht eher mit der Weltkonjunktur zu tun hatten als mit der eigenen Zappeligkeit.
Wie auch immer: Die französische Medienwelt ist schön und sich in der Ablehnung von Hollande koordiniert einig, wobei Hollande diese Einheitsfront-Bildung flugs ausnutzte, um jene Reichen¬steuer anzusetzen, welche den Dummkopf Dépardieu zum Auswandern erst nach Belgien und dann geradewegs nach Moskau veranlasste, übrigens ein Schritt, den sich auch die schon längst tierschützerisch bekloppte Brigitte Bardot überlegt – aber immer zu! – Wie heiß die Reichtumssteuer-Suppe gegessen wird, muss sich erst noch weisen, jedenfalls sieht man international schon die Konturen erster Solidaritätsbewegungen von Obdachlosen und Prekären mit den Multimillionären, demnächst finden überall Schweigekundgebungen und Sternmärsche zugunsten der verfolgten Reichen in Frankreich statt.
Aber jetzt ist einer jener historischen Momente eingetreten, wo sich nicht nur das Abendland und die Rüstungsindustrie miteinander zu einem Kreuzzug verbinden, sondern wo sogar ich laut und deutlich Beifall rufe, nämlich die französische Militärintervention in Mali gegen die prähistorischen Banditen, welche bei ihrer Revolte als erste Tat im Namen des Islam einige islamische Tempel oder Moscheen einrissen, weil sie nicht koscher waren. Freunde – so haben wir das nicht gemeint mit der Dekolonialisierungsbewegung. Es zeigt sich immer klarer, dass man nach der Kritik am Kolonialismus nun auch die Kritik des Dekolonialismus aufsetzen muss, und zwar doppelt: Einerseits ist nachzuweisen, wie die ehemaligen Kolonialmächte weiterhin die Fäden ziehen in den angeblich souveränen Entwicklungsländern, natürlich vor allem in Afrika, dem am wenigsten entwickelten Kontinent, weil hier die Fachkräfte bekanntlich schon vor 100’000 Jahren ausgewandert sind. Zweitens ist festzuhalten, dass die Korruption und der endemische Widerwille gegen den Aufbau moderner gesellschaftlicher und staatlicher Organisationen zwar prächtig zum Weltbild der Anarchisten, Libertarier und überhaupt weltweiten Teesäufer und verbohrten Rechtsidioten passen würden, aber in der realen Welt unterdessen zur eigentlichen und fast ausschließlichen Ursache der Unterentwicklung mutiert sind. Selbstverständlich ist das ein schönes Doppelkonzert von Postkolonialismus und Zerrüttung, aber die entwickelte Welt kann hier nicht einfach kneifen, sondern sie ist gehalten, einzugreifen. Militärisch wie z.B. in Mali, bravo, Kamerad Hollande, gut gemacht und viel Erfolg. Zum andern aber plädiere ich für eine neue Kolonialisierungswelle, vermittels welcher den Ländern Afrikas die Errungenschaften der modernen gesellschaftlichen Organisation vermittelt werden sollen. Ein fester Bestandteil davon müsste die Zivilisierung der wütenden Multis, vor allem im Rohstoffbereich sein, und da bin ich in der neutralen Schweiz sicher kompetent, wird doch unser Land immer mehr zur Drehscheibe des Rohstoffhandels, nachdem die Finanzindustrie wegen der kraftvollen Attacken von Peer Steinbrück immer mehr Probleme hat. Aber nicht nur der Handel, sondern auch die steuerlichen Domizile verschiedener Firmen befinden sich zunehmend in unserem Alpenland. Habt Ihr zum Beispiel wieder von dieser Erdöl-Havarie vor Alaska gehört, die bisher allerdings noch glimpflich abgelaufen ist, indem aus der leck geschlagenen Bohrinsel offenbar noch kein Erdöl ausgetreten ist. Trotzdem: Die Auftraggeberin Shell ließ die Bohrinsel aus arktischen Gewässern abschleppen, um einer Steuerzahlung an den Bundesstaat Alaska zu entgehen, und nahm dabei selbstverständlich das Risiko des massiven Sturms in Kauf, welches dann zum Unglück führte. Inhaberin der Bohrinsel selber ist aber die Firma Noble Corporation, welche ihren Sitz im Schweizer Kanton Zug hat, ganz wie die Firma Transocean, die vielleicht noch in Erinnerung ist als Betreiberin jener Erdölplattform, welche 2010 im Golf von Mexiko im Auftrag von BP eine der größten je gesehenen Erdölverseuchungen verursachte. Transocean hatte den Sitz wenige Monate zuvor in die Schweiz verlegt und damit ihren Unternehmenssteuer-Gewinnsatz von 35% in den USA auf 16% im Kanton Zug gesenkt. Ebenfalls in Zug sitzt jener Rohstoffgigant, der kürzlich aus der Fusion zwischen Glencore und Xstrata hervorgegangen ist. Also eben, die Disziplinierung dieser Rohstoffgiganten gehört ebenso zur zweiten Kolonialisierungsphase wie der Aufbau der staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen. Könnte sich das bitte Peer Steinbrück mal notieren? – Aber dafür wird der weder Zeit noch Verständnis haben, der hat gegenwärtig andere Probleme. Und so bleiben wir in der Schweiz wieder hocken auf diesen Steuerflüchtlingen. – Übrigens konnte sich der Glencore-Chef Ivan Glasenberg im letzten Jahr einen nicht besteuerten Bonus von 109 Mio. Schweizer Franken ausrichten, da freundlicherweise vor rund 5 Jahren der damalige Bundesrat Hans Rudolf Merz mit seiner Unternehmenssteuerreform II die Ausschüttung von Kapitalreserven von allen Steuern befreit hatte, was dem Schweizer Staat Einnahmenausfälle von rund 20 Milliarden Franken über 10 Jahre hinweg verursacht, welche er zu kompensieren versucht, indem er noch weitere internationale Unternehmen mit Billigsteuersätzen anlockt. Das wiederum freut alle Staaten, denen die entsprechenden Einnahmen entgehen. Nun ja, es freut sie natürlich nicht, aber bisher haben sie sich noch nicht zu einem Angriff auf unser Land entschlossen, obwohl die Schweiz aus französischer Perspektive etwas näher läge als Mali. Ich will ja nicht gerade sagen, dass ich eine entsprechende Invasion begrüßen würde, aber begreifen würde ich sie vollumfänglich.
Aus Schweizer Sicht drängt sich ebenfalls eine Militäroperation auf, und zwar gegen Italien. Da ist einmal der Widerwille des ganzen italienischen Systems gegen eine vernünftige Organisation, die im Kern ein ähnliches Problem darstellt wie die vorher abgehandelte Kolonialfrage. Aber das allein wäre nicht Grund genug für eine Intervention oder eine Invasion, denn immerhin gehört zur italienischen Gesellschaft auch eine funktionierende Wirtschaft nebst weiteren zivilisatorischen Errungenschaften. Dagegen sind die italienischen Staatsbahnen einfach ein Haufen von, man möchte fast sagen: Griechen, und zwar vom Unternehmenschef bis hin zu den Gewerkschaften. Denen ist es nämlich völlig egal, ob da Züge fahren auf ihren Schienen, Hauptsache, sie haben einen möglichst schönen Lohn, können Aufträge an ihre Verwandtschaft vergeben oder beschäftigen Personen in nutzlosen Funktionen, ähnlich wie früher die Heizer in England auf den elektrischen Lokomotiven. Nun baut ja die Schweiz, wie ihr vielleicht wisst, seit einigen Jahren einen neuen Tunnel durch die Alpen, um die Warentransporte möglichst umweltfreundlich und schnell von und nach Italien zu gestalten. Was tut der Italiener auf der anderen Seite der Mauer? Er macht einfach nix. Das geht so weit, dass die Schweiz unlängst um die 300 Mio. bezahlen musste, damit es dem Italiener beifällt, irgend ein Teilstück seiner Schieneninfrastruktur an die bald einmal erfolgende Eröffnung dieses Alpentunnels anzupassen. Da soll doch der Blitz drein fahren, bzw. eben: Wir sollten unsere Armee mal auf die Italiener loslassen und mindestens die Eisenbahn reorganisieren. Wenn wir dann beiläufig auch noch das ganze politische System nach unserem Vorbild umgestaltet hätten, könnten wir uns wieder zurückziehen, beziehungsweise geht die Lösung so: Wenn Italien unser politisches System übernimmt, und zwar funktionsfähig, dann schließt sich die Schweiz Italien an. So irgendwie kann das gehen.
Aber sprechen wir noch von was anderem. Ein konstituierender Bestandteil der Verlogenheit ist der Voyeurismus. Will sagen, wenn man selber keine Frauen vergewaltigen kann, dann berichtet man doch immerhin im Tonfall äußerster Entrüstung, aber mit möglichst vielen Details über die
Schweine, welche so was machen. Und das hat auch seine lustigen Seiten. So las ich noch im Dezember auf einer Webseite der Teepartei-TV-Station Fox Media, dass ein Verbrecher den Plan gefasst habe, Justin Bieber umzubringen. Versteht sich, dass es sich bei diesem Verbrecher
um einen in der Wolle gefärbten Justin-Bieber-Fan handelt. Der Plan hatte nur einen Haken: Der Herr saß im Knast. Also beauftragte ereinen Kollegen, und um die Sache so richtig drall und plastisch für Fox News zu machen, enthielt der Auftrag noch das pikante Detail, Justin Bieber müsse auch noch kastriert werden, und zwar zum Preisaufschlag von 2500 Dollar pro Hode. Wirklich, das ist schon fast große Lyrik, möchte man meinen. Solange der Voyeurismus genau diesen Bereich beschlägt, also eine gewisse Abscheu vor dem Phänomen Justin Bieber,
braucht man daran nichts zu kritisieren und auch nicht das Land zu erobern, eben mit Ausnahme der Verlogenheit. Interessant am Bericht ist aber der Umstand, dass der Herr Hauptkriminelle, ein Herr Dana Martin, der in New Mexico zwei Mal Lebenslänglich absitzt wegen des Mordes an einer 15-Jährigen, zu dem Fox News übrigens keinerlei Details abdruckte, mindestens nicht in diesem Zusammenhang, dass also der Herr Hauptkriminelle das Delikt nicht persönlich ausführen konnte, sondern einen Auftrag erteilte, einem Mithäftling mit dem Namen Mark Staake. Das war im Jahr 2000. Damals war Kamerad Bieber 6 Jahre alt.
Solche Informationen findet man übrigens auf der Webseite www.mediadb.eu, wo auch detaillierte Angaben zur Medienwelt in Deutschland stehen. In Frankreich passt das Medienmosaik allerdings so schön wie sonst fast nirgends. Wie gesagt veranstalteten die Trinkbrüder von Sarkozy unmittelbar nach der Wahl Hollandes, die man unglücklicherweise nicht zu verhindern vermochte, ein koordiniertes Pfeifkonzert, in dem man dem guten alten François sämtliche Misserfolge seines Vorgängers in die Schuhe zu schieben versuchte, wobei dessen Misserfolge ihrerseits vielleicht eher mit der Weltkonjunktur zu tun hatten als mit der eigenen Zappeligkeit.
Wie auch immer: Die französische Medienwelt ist schön und sich in der Ablehnung von Hollande koordiniert einig, wobei Hollande diese Einheitsfront-Bildung flugs ausnutzte, um jene Reichen¬steuer anzusetzen, welche den Dummkopf Dépardieu zum Auswandern erst nach Belgien und dann geradewegs nach Moskau veranlasste, übrigens ein Schritt, den sich auch die schon längst tierschützerisch bekloppte Brigitte Bardot überlegt – aber immer zu! – Wie heiß die Reichtumssteuer-Suppe gegessen wird, muss sich erst noch weisen, jedenfalls sieht man international schon die Konturen erster Solidaritätsbewegungen von Obdachlosen und Prekären mit den Multimillionären, demnächst finden überall Schweigekundgebungen und Sternmärsche zugunsten der verfolgten Reichen in Frankreich statt.
Aber jetzt ist einer jener historischen Momente eingetreten, wo sich nicht nur das Abendland und die Rüstungsindustrie miteinander zu einem Kreuzzug verbinden, sondern wo sogar ich laut und deutlich Beifall rufe, nämlich die französische Militärintervention in Mali gegen die prähistorischen Banditen, welche bei ihrer Revolte als erste Tat im Namen des Islam einige islamische Tempel oder Moscheen einrissen, weil sie nicht koscher waren. Freunde – so haben wir das nicht gemeint mit der Dekolonialisierungsbewegung. Es zeigt sich immer klarer, dass man nach der Kritik am Kolonialismus nun auch die Kritik des Dekolonialismus aufsetzen muss, und zwar doppelt: Einerseits ist nachzuweisen, wie die ehemaligen Kolonialmächte weiterhin die Fäden ziehen in den angeblich souveränen Entwicklungsländern, natürlich vor allem in Afrika, dem am wenigsten entwickelten Kontinent, weil hier die Fachkräfte bekanntlich schon vor 100’000 Jahren ausgewandert sind. Zweitens ist festzuhalten, dass die Korruption und der endemische Widerwille gegen den Aufbau moderner gesellschaftlicher und staatlicher Organisationen zwar prächtig zum Weltbild der Anarchisten, Libertarier und überhaupt weltweiten Teesäufer und verbohrten Rechtsidioten passen würden, aber in der realen Welt unterdessen zur eigentlichen und fast ausschließlichen Ursache der Unterentwicklung mutiert sind. Selbstverständlich ist das ein schönes Doppelkonzert von Postkolonialismus und Zerrüttung, aber die entwickelte Welt kann hier nicht einfach kneifen, sondern sie ist gehalten, einzugreifen. Militärisch wie z.B. in Mali, bravo, Kamerad Hollande, gut gemacht und viel Erfolg. Zum andern aber plädiere ich für eine neue Kolonialisierungswelle, vermittels welcher den Ländern Afrikas die Errungenschaften der modernen gesellschaftlichen Organisation vermittelt werden sollen. Ein fester Bestandteil davon müsste die Zivilisierung der wütenden Multis, vor allem im Rohstoffbereich sein, und da bin ich in der neutralen Schweiz sicher kompetent, wird doch unser Land immer mehr zur Drehscheibe des Rohstoffhandels, nachdem die Finanzindustrie wegen der kraftvollen Attacken von Peer Steinbrück immer mehr Probleme hat. Aber nicht nur der Handel, sondern auch die steuerlichen Domizile verschiedener Firmen befinden sich zunehmend in unserem Alpenland. Habt Ihr zum Beispiel wieder von dieser Erdöl-Havarie vor Alaska gehört, die bisher allerdings noch glimpflich abgelaufen ist, indem aus der leck geschlagenen Bohrinsel offenbar noch kein Erdöl ausgetreten ist. Trotzdem: Die Auftraggeberin Shell ließ die Bohrinsel aus arktischen Gewässern abschleppen, um einer Steuerzahlung an den Bundesstaat Alaska zu entgehen, und nahm dabei selbstverständlich das Risiko des massiven Sturms in Kauf, welches dann zum Unglück führte. Inhaberin der Bohrinsel selber ist aber die Firma Noble Corporation, welche ihren Sitz im Schweizer Kanton Zug hat, ganz wie die Firma Transocean, die vielleicht noch in Erinnerung ist als Betreiberin jener Erdölplattform, welche 2010 im Golf von Mexiko im Auftrag von BP eine der größten je gesehenen Erdölverseuchungen verursachte. Transocean hatte den Sitz wenige Monate zuvor in die Schweiz verlegt und damit ihren Unternehmenssteuer-Gewinnsatz von 35% in den USA auf 16% im Kanton Zug gesenkt. Ebenfalls in Zug sitzt jener Rohstoffgigant, der kürzlich aus der Fusion zwischen Glencore und Xstrata hervorgegangen ist. Also eben, die Disziplinierung dieser Rohstoffgiganten gehört ebenso zur zweiten Kolonialisierungsphase wie der Aufbau der staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen. Könnte sich das bitte Peer Steinbrück mal notieren? – Aber dafür wird der weder Zeit noch Verständnis haben, der hat gegenwärtig andere Probleme. Und so bleiben wir in der Schweiz wieder hocken auf diesen Steuerflüchtlingen. – Übrigens konnte sich der Glencore-Chef Ivan Glasenberg im letzten Jahr einen nicht besteuerten Bonus von 109 Mio. Schweizer Franken ausrichten, da freundlicherweise vor rund 5 Jahren der damalige Bundesrat Hans Rudolf Merz mit seiner Unternehmenssteuerreform II die Ausschüttung von Kapitalreserven von allen Steuern befreit hatte, was dem Schweizer Staat Einnahmenausfälle von rund 20 Milliarden Franken über 10 Jahre hinweg verursacht, welche er zu kompensieren versucht, indem er noch weitere internationale Unternehmen mit Billigsteuersätzen anlockt. Das wiederum freut alle Staaten, denen die entsprechenden Einnahmen entgehen. Nun ja, es freut sie natürlich nicht, aber bisher haben sie sich noch nicht zu einem Angriff auf unser Land entschlossen, obwohl die Schweiz aus französischer Perspektive etwas näher läge als Mali. Ich will ja nicht gerade sagen, dass ich eine entsprechende Invasion begrüßen würde, aber begreifen würde ich sie vollumfänglich.
Aus Schweizer Sicht drängt sich ebenfalls eine Militäroperation auf, und zwar gegen Italien. Da ist einmal der Widerwille des ganzen italienischen Systems gegen eine vernünftige Organisation, die im Kern ein ähnliches Problem darstellt wie die vorher abgehandelte Kolonialfrage. Aber das allein wäre nicht Grund genug für eine Intervention oder eine Invasion, denn immerhin gehört zur italienischen Gesellschaft auch eine funktionierende Wirtschaft nebst weiteren zivilisatorischen Errungenschaften. Dagegen sind die italienischen Staatsbahnen einfach ein Haufen von, man möchte fast sagen: Griechen, und zwar vom Unternehmenschef bis hin zu den Gewerkschaften. Denen ist es nämlich völlig egal, ob da Züge fahren auf ihren Schienen, Hauptsache, sie haben einen möglichst schönen Lohn, können Aufträge an ihre Verwandtschaft vergeben oder beschäftigen Personen in nutzlosen Funktionen, ähnlich wie früher die Heizer in England auf den elektrischen Lokomotiven. Nun baut ja die Schweiz, wie ihr vielleicht wisst, seit einigen Jahren einen neuen Tunnel durch die Alpen, um die Warentransporte möglichst umweltfreundlich und schnell von und nach Italien zu gestalten. Was tut der Italiener auf der anderen Seite der Mauer? Er macht einfach nix. Das geht so weit, dass die Schweiz unlängst um die 300 Mio. bezahlen musste, damit es dem Italiener beifällt, irgend ein Teilstück seiner Schieneninfrastruktur an die bald einmal erfolgende Eröffnung dieses Alpentunnels anzupassen. Da soll doch der Blitz drein fahren, bzw. eben: Wir sollten unsere Armee mal auf die Italiener loslassen und mindestens die Eisenbahn reorganisieren. Wenn wir dann beiläufig auch noch das ganze politische System nach unserem Vorbild umgestaltet hätten, könnten wir uns wieder zurückziehen, beziehungsweise geht die Lösung so: Wenn Italien unser politisches System übernimmt, und zwar funktionsfähig, dann schließt sich die Schweiz Italien an. So irgendwie kann das gehen.
Aber sprechen wir noch von was anderem. Ein konstituierender Bestandteil der Verlogenheit ist der Voyeurismus. Will sagen, wenn man selber keine Frauen vergewaltigen kann, dann berichtet man doch immerhin im Tonfall äußerster Entrüstung, aber mit möglichst vielen Details über die
Schweine, welche so was machen. Und das hat auch seine lustigen Seiten. So las ich noch im Dezember auf einer Webseite der Teepartei-TV-Station Fox Media, dass ein Verbrecher den Plan gefasst habe, Justin Bieber umzubringen. Versteht sich, dass es sich bei diesem Verbrecher
um einen in der Wolle gefärbten Justin-Bieber-Fan handelt. Der Plan hatte nur einen Haken: Der Herr saß im Knast. Also beauftragte ereinen Kollegen, und um die Sache so richtig drall und plastisch für Fox News zu machen, enthielt der Auftrag noch das pikante Detail, Justin Bieber müsse auch noch kastriert werden, und zwar zum Preisaufschlag von 2500 Dollar pro Hode. Wirklich, das ist schon fast große Lyrik, möchte man meinen. Solange der Voyeurismus genau diesen Bereich beschlägt, also eine gewisse Abscheu vor dem Phänomen Justin Bieber,
braucht man daran nichts zu kritisieren und auch nicht das Land zu erobern, eben mit Ausnahme der Verlogenheit. Interessant am Bericht ist aber der Umstand, dass der Herr Hauptkriminelle, ein Herr Dana Martin, der in New Mexico zwei Mal Lebenslänglich absitzt wegen des Mordes an einer 15-Jährigen, zu dem Fox News übrigens keinerlei Details abdruckte, mindestens nicht in diesem Zusammenhang, dass also der Herr Hauptkriminelle das Delikt nicht persönlich ausführen konnte, sondern einen Auftrag erteilte, einem Mithäftling mit dem Namen Mark Staake. Das war im Jahr 2000. Damals war Kamerad Bieber 6 Jahre alt.