"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Steuern Ende 2012 -
ID 52733
Niemand bezahlt gerne Steuern, und doch leuchtet es den meisten Menschen ein, dass sie nötig sind, damit der Staat oder das Gemeinwesen die Aufgaben erledigen kann, welche die Gesellschaft braucht und die nicht rentieren.
Audio
09:41 min, 18 MB, mp3
mp3, 256 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 18.12.2012 / 09:48
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Klassifizierung
Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Entstehung
AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 18.12.2012
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Gleichzeitig machen einige politische Parteien Werbung mit simplen Steuersenkungsparolen, für welche die gleichen Menschen ebenfalls zugänglich sind. Ohne genauere Angaben machen zu können, wissen die Bürgerinnen und Bürger, dass der Staat sich nicht anders verhält als jeder andere Organismus, das heißt, er versucht überall dort zu wachsen, wo es gerade möglich ist, und dazu benötigt es immer auch Einnahmen, also hauptsächlich Steuern; wer gegen Steuern ist, lehnt also das ungebremste Wachstum des Staatsapparates ab. Daneben zielen die Parolen auf die gleiche Bewusstseinsschicht ab wie früher die Elektronikgerätekette Saturn mit dem berühmten Spruch Geiz ist geil, der bekanntlich nach der Finanzkrise zurückgezogen wurde, weil kontraproduktiv, aber die Bewusstseinsschicht gibt es nach wie vor, nämlich eben der so genannte gesunde Eigennutz, das Bewusstsein davon, schon längstens genug gespendet zu haben für alle möglichen wohltätigen Dinge, ohne dass man in der Praxis auch nur einen Cent springen gelassen hat; das Bewusstsein davon, dass all das Geld, das man verdient, eigentlich der sauer verdiente Ertrag einer eigenen Tätigkeit ist, die damit weit unterbezahlt wird und von der man der Allgemeinheit überhaupt nichts abdrücken will oder soll. Dies ist eine gerne angepeilte, schnell zugängliche und somit populistische Ebene, die erstaunlicherweise durchaus nicht immer die erhofften Resultate erbringt, weil die Bevölkerungen der entwickelten Länder offenbar eben doch intelligenter sind, als es sich die entsprechenden Gruppen und Parteien erhoffen. Was aber daneben den Staat und seinen Apparat angeht, so gilt er nicht erst seit Franz Kafka als Inbegriff einer sich selbst erzeugenden Bürokratie, und die Antisteuerparteien machen sich den Antibürokratie-Reflex in der Bevölkerung zu Nutzen, beziehungsweise sie versuchen es mindestens.
Der Staat hat noch eine weitere Eigenschaft, die manchen Gegnern gewaltig auf den Wecker geht: Er steht im Ruf, überbezahlte und unkündbare Arbeitskräfte zu beschäftigen. Dieser Ruf stammt aus jener Zeit, da noch viele hoheitliche Aufgaben zu erledigen waren, für welche das Personal mit einem eigenen Dienstrecht eingestellt wurde. Da hat sich zwar seit 50 Jahren relativ viel verändert, namentlich mit der Privatisierung wesentlicher Staatsbetriebe in der Telekommunikation und auch der Post, aber das Renommee der Staatsstellen als Refugium von Paragraphenwälzern, Faulenzern und vor allem von hundertprozentiger Phantasielosigkeit schwebt nach wie vor im Raum.
Der anarchistische Traum von der Abschaffung des Staates dagegen beruht auf der Vorstellung, dass die Menschheit eines Tages sämtliche Aufgaben der Allgemeinheit auf freiwilliger Basis erledigen wird. Eine Vision ehrt an und für sich ihre TrägerInnen aufgrund ihres Glaubens an das Gute im Menschen, anderseits ist es derart offensichtlich, dass auf unserem Planeten auf absehbare Zeit noch riesige Ungleichheiten herrschen werden, dass für dieses Gute nur wenig Platz zur reinen Entfaltung besteht, und insofern ist eine solche Vision eher ein Zeichen für eine wenig entwickelte Beobachtungsgabe. Andere Anarchisten setzen sich einfach aus Prinzip gegen jegliche Form von Herrschaft zur Wehr, wie der Name es ja auch sagt; sie übergehen allerdings den Umstand, dass Herrschaft je länger desto mehr im Individuum selber angelegt sein muss, in einer Abwandlung des alten Spruches, wonach jeder Soldat den Marschallstab im Tornister trage. Je mehr Individuen auf engem Raum bei hoch komplexen Produktions- und Verteilmechanismen zusammen leben, desto höher müssen zwangsläufig die entsprechenden Abläufe verinnerlicht sein, und solche Abläufe beinhalten zwangsläufig Hierarchien und somit Herrschaft. Hier wäre also ein zusätzlicher Diskurs zu führen, einer über die innere Anarchie, ein Diskurs, der bei uns in der Regel innerhalb von psychiatrischen Anstalten ausgetragen wird.
Die meisten radikalen Steuer- und Staatsgegner aber scharen sich um Interessengruppen von reichen Menschen, und das ist bekanntlicherweise kein Zufall, denn in den meisten Staatssatzungen steht verankert, dass die Menschen zur Finanzierung der Staatsausgaben nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beizutragen haben, und das heißt im Klartext: Reiche bezahlen nicht einfach nur mehr, sondern eigentlich sogar überproportional mehr als die Armen. Aus diesem Grunde wurde ursprünglich einmal eine Progression in den Beitragssätzen eingeführt. Das entbehrt nicht einer gewissen Logik: Die Armen müssen in der Regel vom Staat eher noch gestützt werden, während die Reichen halt eben reich sind. Dieser Grundsatz hat sich insofern etwas aufgeweicht, als einerseits ein immer größerer Anteil der Menschen nicht mehr arm ist im Wortsinne, sondern nur noch relativ arm, also weniger reich; der Anteil der wirklich Armen in unseren Gesellschaften nimmt ab, wenn es nicht gerade wieder mal zu einer Krise kommt. Somit sind immer mehr Menschen dazu in der Lage, ihren Anteil zur Finanzierung der Staatsausgaben beizutragen; das wäre schon mal ein Argument gegen die Steuerprogression bzw. ein Argument für einen Einheitssteuersatz, der einfach einen anständigen Steuerfreibetrag enthalten sollte, etwas über der Armuts- oder Armutsrisikogrenze, damit wäre aus Sicht des Staates dem Anspruch Genüge getan, dass alle nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit beitragen, denn die Reichen bezahlen auch bei einem Einheitssteuersatz deutlich mehr Steuern als die weniger Reichen.
Allerdings gibt es eine zweite Tendenz, nämlich das Verstecken des Reichtums, sei es im Bereich Vermögen oder im Bereich Einkommen. Euch ist vielleicht noch in Erinnerung, wie Mitt Romney zu seinen 13 Prozent Steuern auf seinen Einnahmen kam, nämlich indem es sich um Kapitaleinkommen handelte, welche bevorzugt besteuert werden gegenüber den Arbeitseinkommen. Dies zum einen; andere Einkommensteile sind unter gewissen Umständen völlig steuerbefreit, zum Beispiel im Spesenbereich, wo jeder anständige Geschäftsmann jedes Mittagessen von der Steuer absetzen kann, aber auch Kapitalgewinne; und beim Kapital gibt es sowieso die unterschiedlichsten Tricks, um mit Holdinggesellschaften die größten Brocken einfach vom Radar des Staates verschwinden zu lassen. Das Tarnkappensystem für die Superreichen ist ziemlich gut ausgebaut, und zu seinem Schutze veranstalten diese gleichen Gruppen jeweils auch die ganzen Manöver rund um die Bekämpfung von Steuern und Staatsausgaben, mindestens sofern diese Staatsausgaben dann nicht wieder in der Kasse eines ihrer Tarnkappen-Unternehmen landen.
Abgesehen von diesen relativ offensichtlichen Gruppeninteressen haben die Steuersenker aber doch durchaus ihre Gefolgschaft, mindestens hin und wieder und mindestens in gewissen Regionen der Erde. In Deutschland tut sich vor allem die FDP diesbezüglich hervor, die aber damit in erster Linie ihren sozialen Flügel praktisch geopfert hat und zweitens praktisch vollständig der Lächerlichkeit anheim gefallen ist. Am prominentesten ausgebildet ist das Lager zweifellos in den Vereinigten Staaten. In Europa zieht das Thema in erster Linie in einer Spezialvariante, bei welcher ein relativ unbedeutender Teil für das Ganze genommen wird, in erster Linie ähnlich populistische Themen wie das Steuersenkungsthema selber ein populistisches ist; da heißt es dann, ich bezahle doch keine Steuern, sagen wir mal: zur Alimentierung von arbeitsscheuen Faulenzern, oder gerne auch: für die Unterbringung von Scheinasylanten, oder was auch immer der Dinge mehr sein mögen.
Es würde mich ja mal interessieren, ob eine breite Auseinandersetzung in der Bevölkerung möglich wäre darüber, was man mit dem gesamten Steueraufkommen überhaupt finanzieren soll und in welcher Höhe. Ruhe und Ordnung zum Beispiel sind Staatsaufgaben erster Güte, aber wie ich gesagt habe, sobald einmal im Individuum selber eine Ruhe ist, bräuchte es dort gar nicht mehr so übertrieben viele Aufwände; in dieser Beziehung haben Internet und Mobiltelefonie schon viele Fortschritte erzielt, die noch gar nirgends ausgewiesen werden. Wir haben sodann die Infrastrukturen, und auch hierüber könnte man sich doch einmal einigen. Interessanterweise scheint übrigens gerade dieser Bereich auf EU-Ebene soweit geklärt zu sein mit Schnellverbindungen auf internationaler Ebene einerseits und der lokalen Erschließung auf Stufe Land, Kreis und Städte zum anderen; um diese Aspekte der Staatsfinanzen zu diskutieren, müsste also zuvor der ganze Themenbereich in einer relativ umfangreichen Informationskampagne in den Köpfen der Menschen aufbereitet werden. Es gibt die soziale Sicherheit, über die ziemlich umfassend debattiert wird, allerdings mit erheblicher Schlagseite. Rüstung stellt einen Posten dar, die Bildung einen enormen Posten, und das Gesundheitswesen nimmt einen ungebrochen wachsenden Anteil der Einnahmen in Anspruch. Eigentlich würde sich die Diskussion darüber durchaus lohnen, und die Zahlen liegen grundsätzlich auch vor; die Menschheit hat schon über komplexere Dinge beschlossen. Und dann hätte man mindestens jene Steuerbekämpfer ausgeschaltet, welchen es ausschließlich um die Sicherung ihres eigenen Portemonnaies geht, was sie aber gerne in philosophische Argumente kleiden.
Und dann gibt es bekanntlich auch noch den internationalen Aspekt, der neben der Verschachtelung in Holdingstrukturen das wichtigste Element bei der Steuerhinterziehung durch die reichen Mitbürgerinnen darstellt. In der Folge der explodierenden Staatsverschuldung zur Rettung der Banken haben die Staaten Europas, aber auch die USA ihre Kontrollen und die Druckmittel drastisch verschärft. Das spürt unter anderem unsere schöne Schweiz, die viel Geld vom ganzen Globus angelockt hat, zum Teil wegen des Bankgeheimnisses, zum Teil aber auch ganz legal wegen der niedrigen Steuern. Das gerät jetzt alles ein wenig ins Wanken. Eine kleine, aber feine Meldung vom letzten Wochenende ist die, dass die Hauptstadt der Innerschweiz, nämlich Luzern, ihren Steuerfuß angehoben hat, und zwar in einer Volksabstimmung mit fast zwei Dritteln der Stimmen. Nachdem es über 10 Jahre lang immer runter gegangen war mit den Steuern, klaffen jetzt erhebliche Löcher in den Staatshaushalten. Der Kanton Luzern ächzt und stöhnt, aber auch der Kanton St. Gallen hat die Steuern, vor allem die Gewinnsteuern für die Unternehmen derart blödsinnig in die Tiefe gehackt, dass sie jetzt ihre Aufgaben nicht mehr bezahlen können. Und dies wohlgemerkt im reichsten Land der Welt. Mit ein bisschen Schwein hält die Vernunft auch in den Alpen wieder Einzug.
Und sobald dies der Fall ist, wollen wir uns wieder tüchtig daran erinnern, dass der Staat eben nicht einfach so widerspruchsfrei das Instrument ist, welches die allgemeinen Aufgaben der Gesellschaft ist, sondern dass er jederzeit eine Eigendynamik zu entwickeln versucht mit Bürokratie, der Schaffung neuer Gesetze und Aufgaben und so weiter und so fort. Wie hier eine möglichst moderne, schlanke und straffe Organisation unter einer möglichst hohen demokratischen Kontrolle einzurichten ist, das ist die hohe Kunst der modernen Staatsführung.
Der Staat hat noch eine weitere Eigenschaft, die manchen Gegnern gewaltig auf den Wecker geht: Er steht im Ruf, überbezahlte und unkündbare Arbeitskräfte zu beschäftigen. Dieser Ruf stammt aus jener Zeit, da noch viele hoheitliche Aufgaben zu erledigen waren, für welche das Personal mit einem eigenen Dienstrecht eingestellt wurde. Da hat sich zwar seit 50 Jahren relativ viel verändert, namentlich mit der Privatisierung wesentlicher Staatsbetriebe in der Telekommunikation und auch der Post, aber das Renommee der Staatsstellen als Refugium von Paragraphenwälzern, Faulenzern und vor allem von hundertprozentiger Phantasielosigkeit schwebt nach wie vor im Raum.
Der anarchistische Traum von der Abschaffung des Staates dagegen beruht auf der Vorstellung, dass die Menschheit eines Tages sämtliche Aufgaben der Allgemeinheit auf freiwilliger Basis erledigen wird. Eine Vision ehrt an und für sich ihre TrägerInnen aufgrund ihres Glaubens an das Gute im Menschen, anderseits ist es derart offensichtlich, dass auf unserem Planeten auf absehbare Zeit noch riesige Ungleichheiten herrschen werden, dass für dieses Gute nur wenig Platz zur reinen Entfaltung besteht, und insofern ist eine solche Vision eher ein Zeichen für eine wenig entwickelte Beobachtungsgabe. Andere Anarchisten setzen sich einfach aus Prinzip gegen jegliche Form von Herrschaft zur Wehr, wie der Name es ja auch sagt; sie übergehen allerdings den Umstand, dass Herrschaft je länger desto mehr im Individuum selber angelegt sein muss, in einer Abwandlung des alten Spruches, wonach jeder Soldat den Marschallstab im Tornister trage. Je mehr Individuen auf engem Raum bei hoch komplexen Produktions- und Verteilmechanismen zusammen leben, desto höher müssen zwangsläufig die entsprechenden Abläufe verinnerlicht sein, und solche Abläufe beinhalten zwangsläufig Hierarchien und somit Herrschaft. Hier wäre also ein zusätzlicher Diskurs zu führen, einer über die innere Anarchie, ein Diskurs, der bei uns in der Regel innerhalb von psychiatrischen Anstalten ausgetragen wird.
Die meisten radikalen Steuer- und Staatsgegner aber scharen sich um Interessengruppen von reichen Menschen, und das ist bekanntlicherweise kein Zufall, denn in den meisten Staatssatzungen steht verankert, dass die Menschen zur Finanzierung der Staatsausgaben nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beizutragen haben, und das heißt im Klartext: Reiche bezahlen nicht einfach nur mehr, sondern eigentlich sogar überproportional mehr als die Armen. Aus diesem Grunde wurde ursprünglich einmal eine Progression in den Beitragssätzen eingeführt. Das entbehrt nicht einer gewissen Logik: Die Armen müssen in der Regel vom Staat eher noch gestützt werden, während die Reichen halt eben reich sind. Dieser Grundsatz hat sich insofern etwas aufgeweicht, als einerseits ein immer größerer Anteil der Menschen nicht mehr arm ist im Wortsinne, sondern nur noch relativ arm, also weniger reich; der Anteil der wirklich Armen in unseren Gesellschaften nimmt ab, wenn es nicht gerade wieder mal zu einer Krise kommt. Somit sind immer mehr Menschen dazu in der Lage, ihren Anteil zur Finanzierung der Staatsausgaben beizutragen; das wäre schon mal ein Argument gegen die Steuerprogression bzw. ein Argument für einen Einheitssteuersatz, der einfach einen anständigen Steuerfreibetrag enthalten sollte, etwas über der Armuts- oder Armutsrisikogrenze, damit wäre aus Sicht des Staates dem Anspruch Genüge getan, dass alle nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit beitragen, denn die Reichen bezahlen auch bei einem Einheitssteuersatz deutlich mehr Steuern als die weniger Reichen.
Allerdings gibt es eine zweite Tendenz, nämlich das Verstecken des Reichtums, sei es im Bereich Vermögen oder im Bereich Einkommen. Euch ist vielleicht noch in Erinnerung, wie Mitt Romney zu seinen 13 Prozent Steuern auf seinen Einnahmen kam, nämlich indem es sich um Kapitaleinkommen handelte, welche bevorzugt besteuert werden gegenüber den Arbeitseinkommen. Dies zum einen; andere Einkommensteile sind unter gewissen Umständen völlig steuerbefreit, zum Beispiel im Spesenbereich, wo jeder anständige Geschäftsmann jedes Mittagessen von der Steuer absetzen kann, aber auch Kapitalgewinne; und beim Kapital gibt es sowieso die unterschiedlichsten Tricks, um mit Holdinggesellschaften die größten Brocken einfach vom Radar des Staates verschwinden zu lassen. Das Tarnkappensystem für die Superreichen ist ziemlich gut ausgebaut, und zu seinem Schutze veranstalten diese gleichen Gruppen jeweils auch die ganzen Manöver rund um die Bekämpfung von Steuern und Staatsausgaben, mindestens sofern diese Staatsausgaben dann nicht wieder in der Kasse eines ihrer Tarnkappen-Unternehmen landen.
Abgesehen von diesen relativ offensichtlichen Gruppeninteressen haben die Steuersenker aber doch durchaus ihre Gefolgschaft, mindestens hin und wieder und mindestens in gewissen Regionen der Erde. In Deutschland tut sich vor allem die FDP diesbezüglich hervor, die aber damit in erster Linie ihren sozialen Flügel praktisch geopfert hat und zweitens praktisch vollständig der Lächerlichkeit anheim gefallen ist. Am prominentesten ausgebildet ist das Lager zweifellos in den Vereinigten Staaten. In Europa zieht das Thema in erster Linie in einer Spezialvariante, bei welcher ein relativ unbedeutender Teil für das Ganze genommen wird, in erster Linie ähnlich populistische Themen wie das Steuersenkungsthema selber ein populistisches ist; da heißt es dann, ich bezahle doch keine Steuern, sagen wir mal: zur Alimentierung von arbeitsscheuen Faulenzern, oder gerne auch: für die Unterbringung von Scheinasylanten, oder was auch immer der Dinge mehr sein mögen.
Es würde mich ja mal interessieren, ob eine breite Auseinandersetzung in der Bevölkerung möglich wäre darüber, was man mit dem gesamten Steueraufkommen überhaupt finanzieren soll und in welcher Höhe. Ruhe und Ordnung zum Beispiel sind Staatsaufgaben erster Güte, aber wie ich gesagt habe, sobald einmal im Individuum selber eine Ruhe ist, bräuchte es dort gar nicht mehr so übertrieben viele Aufwände; in dieser Beziehung haben Internet und Mobiltelefonie schon viele Fortschritte erzielt, die noch gar nirgends ausgewiesen werden. Wir haben sodann die Infrastrukturen, und auch hierüber könnte man sich doch einmal einigen. Interessanterweise scheint übrigens gerade dieser Bereich auf EU-Ebene soweit geklärt zu sein mit Schnellverbindungen auf internationaler Ebene einerseits und der lokalen Erschließung auf Stufe Land, Kreis und Städte zum anderen; um diese Aspekte der Staatsfinanzen zu diskutieren, müsste also zuvor der ganze Themenbereich in einer relativ umfangreichen Informationskampagne in den Köpfen der Menschen aufbereitet werden. Es gibt die soziale Sicherheit, über die ziemlich umfassend debattiert wird, allerdings mit erheblicher Schlagseite. Rüstung stellt einen Posten dar, die Bildung einen enormen Posten, und das Gesundheitswesen nimmt einen ungebrochen wachsenden Anteil der Einnahmen in Anspruch. Eigentlich würde sich die Diskussion darüber durchaus lohnen, und die Zahlen liegen grundsätzlich auch vor; die Menschheit hat schon über komplexere Dinge beschlossen. Und dann hätte man mindestens jene Steuerbekämpfer ausgeschaltet, welchen es ausschließlich um die Sicherung ihres eigenen Portemonnaies geht, was sie aber gerne in philosophische Argumente kleiden.
Und dann gibt es bekanntlich auch noch den internationalen Aspekt, der neben der Verschachtelung in Holdingstrukturen das wichtigste Element bei der Steuerhinterziehung durch die reichen Mitbürgerinnen darstellt. In der Folge der explodierenden Staatsverschuldung zur Rettung der Banken haben die Staaten Europas, aber auch die USA ihre Kontrollen und die Druckmittel drastisch verschärft. Das spürt unter anderem unsere schöne Schweiz, die viel Geld vom ganzen Globus angelockt hat, zum Teil wegen des Bankgeheimnisses, zum Teil aber auch ganz legal wegen der niedrigen Steuern. Das gerät jetzt alles ein wenig ins Wanken. Eine kleine, aber feine Meldung vom letzten Wochenende ist die, dass die Hauptstadt der Innerschweiz, nämlich Luzern, ihren Steuerfuß angehoben hat, und zwar in einer Volksabstimmung mit fast zwei Dritteln der Stimmen. Nachdem es über 10 Jahre lang immer runter gegangen war mit den Steuern, klaffen jetzt erhebliche Löcher in den Staatshaushalten. Der Kanton Luzern ächzt und stöhnt, aber auch der Kanton St. Gallen hat die Steuern, vor allem die Gewinnsteuern für die Unternehmen derart blödsinnig in die Tiefe gehackt, dass sie jetzt ihre Aufgaben nicht mehr bezahlen können. Und dies wohlgemerkt im reichsten Land der Welt. Mit ein bisschen Schwein hält die Vernunft auch in den Alpen wieder Einzug.
Und sobald dies der Fall ist, wollen wir uns wieder tüchtig daran erinnern, dass der Staat eben nicht einfach so widerspruchsfrei das Instrument ist, welches die allgemeinen Aufgaben der Gesellschaft ist, sondern dass er jederzeit eine Eigendynamik zu entwickeln versucht mit Bürokratie, der Schaffung neuer Gesetze und Aufgaben und so weiter und so fort. Wie hier eine möglichst moderne, schlanke und straffe Organisation unter einer möglichst hohen demokratischen Kontrolle einzurichten ist, das ist die hohe Kunst der modernen Staatsführung.