"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Das Würfelmodell der Wahrheit -
ID 51817
Der Berlusconi-Affe droht nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs usw. mit der Rückkehr in die Politik, wo er die Gerichte so zurechtschneidern will, dass sie die von ihm für sich zurecht geschneiderten Gesetze zu seinen Gunsten auslegen, und dies alles unter dem Obertitel «Wahrheit und Gerechtigkeit».
Audio
11:50 min, 22 MB, mp3
mp3, 256 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 30.10.2012 / 09:53
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Klassifizierung
Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Entstehung
AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 30.10.2012
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Aus einer gewissen Distanz betrachtet, ist Berlusconis Wahrheitsbegriff im Bereich Justiz und Moral durchaus korrekt. Die Gesellschaft benötigt eine Ordnung für die Masse ihrer Bestandteile, nicht aber für die Steuermänner und Steuerfrauen, und als Steuermann darf sich der reichste Italiener und langjährige Regierungschef zu Recht fühlen und bezeichnen. Es ist in der Tat etwas anderes, wenn man sich die Bauaufträge für ein völlig neues Stadtquartier wie anfangs der 80-er Jahre Milano Due sichern will, als wenn man einen Gebrauchtwagen kauft. Haftpflicht, Darlehensverträge und der Kauf müssen breit und im kollektiven Bewusstsein und im Gesetzeskörper abgesichert sein, während es beim Milliardengeschäft in jedem Fall zahlreiche Interessen zu bündeln und zu entschädigen gilt, ohne dass die Öffentlichkeit davon Wind bekommt. Was heißt da Bestechung und Korruption – das sind gängige Praktiken, welche die Welt am Laufen halten, und die sind auch nicht etwa auf Italien beschränkt, davon kann zum Beispiel Siemens eine ganze Operette singen, weil diese Vorfälle bedauerlicherweise auch bei Siemens einmal ans Licht gekommen sind; aber insgesamt ist es absolut undenkbar, dass Geschäfte von über einer halben Million Euro getätigt werden ohne irgendwelche Kickbacks, das gehört zum Spiel. Justiz und Gerechtigkeit gehören ebenfalls grundlegend zum Spiel, aber eben nur zum Spiel für die schweigende Mehrheit.
In der Regel wissen die Menschen das auch, oder sie finden sich mindestens damit ab mit Interpretationsmustern, welche die eigene Untätigkeit oder Unfähigkeit zu handeln rechtfertigen wie zum Beispiel «Die da oben machen ohnehin, was sie wollen», was geradezu umwerfend wahr ist, ohne dass eine Möglichkeit absehbar wäre, daran etwas zu ändern, aus dem einfachen Grund, weil man andernfalls sämtliche Mitglieder der Gesellschaft nicht nur mit sämtlichen relevanten Informationen, sondern auch mit der Fähigkeit, diese Informationen zu werten und zu verarbeiten, ausstatten müsste, und nach meinen Beobachtungen ist weder unsere Gesamtgesellschaft noch als Unterbereich die Schule darauf angelegt, irgendwelche Versuche in diese Richtung zu unternehmen. Auch die InteressensvertreterInnen der breiten oder sogar unteren Schichten der Gesellschaft unternehmen keine Versuche in diese Richtung, sondern sie toben sich auf den für sie reservierten Spielplätzen der ideologischen Armutsbekämpfung aus, ohne sich weiter um die konkreten Mechanismen des Gesellschaftsspiels zu kümmern.
Tröstlich ist dabei, dass Fortschritte auch unter solchen Umständen nicht nur möglich sind, sondern täglich vollbracht werden und dass der Fortschritt der Gesamtgesellschaft vermutlich doch darauf hin tendiert, dass irgendwann einmal wirklich der hinterste und letzte Mensch in unseren Nationen in der Lage sein wird, das Gesellschaftsspiel zu verstehen und zu spielen, und das wird dann der Moment sein, in dem die gesellschaftliche Wahrheit insgesamt zum Durchbruch kommt und nicht nur in ihren Schaubereichen für das große Publikum. Hinter den Kulissen liegt eben nicht nur der Backstage-Bereich, sondern hinter den Kulissen des Gesellschaftsspiels geht eigentlich der ganze Spaß erst richtig los, und insofern möchte ich alle wachen Köpfe dazu auffordern, endlich diese Bühne mal zu stürmen und die Kulissen zu schleifen, damit man sich eben mit den Dingen dahinter befassen kann. Aber wie auch immer:
Die Wahrheit als solche, also nicht nur in Bezug auf das Gesellschaftsspiel, sondern in Bezug auf die ganze Welt und das Universum, diese Gesamtwahrheit gibt es, bloß liegt sie außerhalb unseres Wahrnehmungsvermögens, auch wenn wir es noch so sehr schärfen. Die Wahrheit umfasst sozusagen die Summe aller existierenden Dinge und Kräfte in ihrer Wechselbeziehung. Mit unserem Wahrnehmungsvermögen müssen wir uns zunächst auf die Wahrheitsvermutung beschränken, also eben auf die Feststellung, dass es so etwas wie Wahrheit überhaupt gibt, und dann geht es darum, Wahrheitsmodelle zu erstellen, welche möglichst nahe an die Gesamtwahrheit heran kommen, damit wir unserseits weiter kommen. Bei diesen Wahrheitsmodellen ziehe ich jene vor, welche mehrere Wahrheiten nebeneinander stehen lassen. Die erste Stufe eines solchen Modells hat sich im Kollektivbewusstsein schon längst festgesetzt, indem man Medaillen als Bild verwendet mit ihrer Vorderansicht und der Kehrseite. Nun machen wir das einfach und fügen noch zwei weitere Seiten dazu, das wäre dann eine vierseitige Wahrheit, und wenn es uns gelingen würde, die Wahrheit noch ein klein bisschen vielschichtiger darzustellen, dann hätten wir einen Würfel mit sechs Seiten. Wir könnten dann also von den sechs Seiten der Wahrheit sprechen und auch im Ernst behaupten, dass die Wahrheit ein Würfel ist. Ich hoffe nun, dass irgendjemand hingeht und eine philosophische Doktorarbeit verfasst über die Würfelform jeglicher Wahrheit, aber ich gehe davon aus, dass das den meisten Köpfen als zu banal erscheint. Stattdessen werden weiterhin Werke verfasst wie jenes von Nino Tomaschek aus dem Jahr 2001: «Die Wahrheit ist eine Falle: konstruktivistische Überlegungen zu einem Begriff von Wahrheit im außermoralischen Sinne», oder aber sie bleiben generell und schwammig wie z.B. «Aiming at truth», Wahrheit suchen – na klar suchen wir die Wahrheit, Dummerchen!, aber wie soll das gehen? Und ob uns das Nicholas Unwin in seinem Buch aus dem Jahr 2007 tatsächlich erklärt hat, daran zweifle ich stark, ohne es gelesen zu haben. Auch «Truth: a guide» von Simon Blackburn, erschienen 2005 bei Oxford University Press, dürfte keine Angaben über das würfelförmige Modell der Wahrheit enthalten. Aus geometrischer Sicht könnte man dem Würfelmodell allenfalls ein Kugelmodell entgegen stellen, aber darauf will ich hier nicht weiter eingehen, denn in einer Woche sind in den Vereinigten Staaten die Präsidentschaftswahlen, geschätzte und verehrte Hörerinnen und Hörer. Hierzu will ich mich weiter nicht äußern bis auf die Tatsache, dass seit ein paar Wochen überall in den Medien zu hören und zu lesen ist, dass Kamerad Obama seine Kandidatur bei der ersten TV-Debatte mit dem mormonischen Millionär und Hedgefonds-Manager verbockt habe. Aber das ist ja wohl noch nicht einmal eine halbe Seite der Wahrheit, oder? Fakt ist, dass die US-AmerikanerInnen wie immer einen Prospekt davon abgeben werden, wie die aktuelle Gemütslage dieser immer zerrütteteren Nation gerade ist, und ich halte es für durchaus möglich, dass der Sturm mit dem schönen Namen Sandy beziehungsweise das Krisenmanagement der aktuellen Regierung am Schluss den Ausschlag gibt. Das wäre ja nochmals eine wunderbare Duftnote dieser eigenartigen Demokratie, deren geifernd asoziale und irrationale Strömungen sich anderseits doch wieder auf sympathische Grundwerte berufen wie die Freiheit des Invididuums und seine Unabhängigkeit vom Staat – für diese Gesellschaft braucht es vielleicht doch nur vier Seiten, da könnte man ein Pyramidenmodell zur Anwendung bringen.
So, wie es scheint, stellt der Griecherer wieder mal den Antrag, die Schuldenrückzahlung zurückzustellen, da leider die Strukturreformen nicht vorankommen. Damit war leider zu rechnen. Der Deutscherer scheint sich dagegen zu wehren, mindestens euer rollender Finanzminister, wobei die Entscheidungshoheit offenbar bei der Troika liegt. Ich verstehe dieses Affentheater nicht. Schuldenrückzahlung und Sparprogramme sind für mich in Ordnung, sofern sie den Staatsapparat betreffen, inklusive der staatlichen Unternehmen, wie ich immer sage: Mindestens 50 Prozent, lieber aber 60 oder 70 Prozent dieses Personals entlassen, dann ist das okay, man muss den Leuten selbstverständlich ein Grundeinkommen ausrichten, versteht sich, aber auf die Straße gestellt gehören sie, damit wird auch das Staatsbudget ziemlich schnell ins Gleichgewicht gebracht, während man für das Grundeinkommen durchaus außerbilanzielle Mittel, zum Beispiel eben der Troika einsetzen könnte. Das ist die erste und wichtigste Voraussetzung für alle Reformen; und ausgerechnet dieser Punkt, ausgerechnet das Bürokratengeschwür scheint weder bei den Auflagen der Troika noch bei den Sparprogrammen der Regierung überhaupt eine Rolle zu spielen. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn Wirtschaft und Gesellschaft auf die Straße und dort den Bach runter gehen, um mal eine wunderschöne Kombination aus zwei Bildern zu basteln.
Sprechen wir von was anderem. Nach meinem letzten Radiobeitrag hat die Organisation myclimate eine Mail-Nachricht gesandt, die ich hier schon mal vortragen will: «Als es um myclimate ging, haben wir uns sehr gewundert und uns gefragt, wie Sie zu diesen beiden völlig falschen Aussagen kommen. Gerne stellen wir folgendes richtig: Wir haben mehr als genug Klimaschutzprojekte, aktuell sind es 60. Damit können wir mehr kompensieren, als wir an Kompensationen bis jetzt verkauft haben. Zudem ist das Potenzial für weitere Klimaschutzprojekte weltweit riesig, d.h. es fehlt eindeutig an den finanziellen mitteln für die Umsetzung der Projekte und nicht an den Klimaschutzprojekten. Zweitens: Über einen Jahresumsatz von 30 Millionen Euro würden wir uns außerordentlich freuen. Denn damit könnten wir viel mehr Klimaschutz machen als aktuell. Tatsächlich betrug der Jahresumsatz 2011 jedoch 12.97 Millionen Schweizer Franken, wobei 10.7 Mio. Schweizer Franken aus der Kompensation kommen. Dies ist nachzulesen in unserem Jahresbericht auf der Webseite. Bitte korrigieren Sie das in Ihrer Kolumne und kontaktieren Sie uns das nächste Mal, bevor Sie wiederum falsche Informationen verbreiten.»
Soweit die Mail-Nachricht, zu der ich mich heute gar nicht weiter äußern will, denn ich muss meine Quellen offenbar nochmals überprüfen, und da ich meine Meinung zum Teil schon vor ein paar Jahren gebildet habe, dauert das etwas länger, aber ich komme auf jeden Fall darauf zurück.
Und sonst? Ich habe gehört, dass die 400-Euro-Jobs aufgewertet werden sollen auf 450-Euro-Jobs, wogegen sich der absehbare Empörungschor erhob, um alsogleich und ebenso absehbar wieder abzuflachen. Gelesen habe ich, und zwar im Stern, dass der neue Stuttgarter Untergrundbahnhof nicht nur mehr kostet als geplant, was zum Standard gehört bei der Ausführung solcher Projekte, siehe meine Ausführungen zu Beginn dieser Sendung, sondern dass er auch weniger Züge verarbeiten wird als der gegenwärtige und vor allem viel weniger, als in den Propagandaschriften jeweils angegeben, wobei die Verantwortlichen dies offensichtlich bereits wussten, als sie diese Propagandaschriften verfassten; aber das sind wir gewohnt, wobei die Tatsache, dass der Ausbau eine Leistungsreduktion zur Folge hat anstelle eines Leistungsausbaus doch etwas eigenartig heraus sticht aus der Summe der anderweitigen so genannten Fehlplanungen, sprich Mauscheleien und Betrügereien. Was hatten wir sonst gerade in dem Zusammenhang, den Nürnburgring vielleicht in Rheinland Pfalz unter der Ägide des SPD-Ministerpräsidenten Beck oder die wirklich wunderbare Geschichte mit dem neuen Flughafen in Berlin unter der Ägide des SPD-Bürgermeisters Wowereit? – Das sind wir gewohnt, wie gesagt, im Gegensatz zu den umwerfenden Vorteilsnahmen von Christian und Bettina Wulff, zum Beispiel den Bobbycar des Autohauses Audi oder ähnliche Dinge. Solche Sachen sind dann vielleicht so etwas wie der Pyramidendeckel auf dem Würfelmodell der Wahrheit.
In der Regel wissen die Menschen das auch, oder sie finden sich mindestens damit ab mit Interpretationsmustern, welche die eigene Untätigkeit oder Unfähigkeit zu handeln rechtfertigen wie zum Beispiel «Die da oben machen ohnehin, was sie wollen», was geradezu umwerfend wahr ist, ohne dass eine Möglichkeit absehbar wäre, daran etwas zu ändern, aus dem einfachen Grund, weil man andernfalls sämtliche Mitglieder der Gesellschaft nicht nur mit sämtlichen relevanten Informationen, sondern auch mit der Fähigkeit, diese Informationen zu werten und zu verarbeiten, ausstatten müsste, und nach meinen Beobachtungen ist weder unsere Gesamtgesellschaft noch als Unterbereich die Schule darauf angelegt, irgendwelche Versuche in diese Richtung zu unternehmen. Auch die InteressensvertreterInnen der breiten oder sogar unteren Schichten der Gesellschaft unternehmen keine Versuche in diese Richtung, sondern sie toben sich auf den für sie reservierten Spielplätzen der ideologischen Armutsbekämpfung aus, ohne sich weiter um die konkreten Mechanismen des Gesellschaftsspiels zu kümmern.
Tröstlich ist dabei, dass Fortschritte auch unter solchen Umständen nicht nur möglich sind, sondern täglich vollbracht werden und dass der Fortschritt der Gesamtgesellschaft vermutlich doch darauf hin tendiert, dass irgendwann einmal wirklich der hinterste und letzte Mensch in unseren Nationen in der Lage sein wird, das Gesellschaftsspiel zu verstehen und zu spielen, und das wird dann der Moment sein, in dem die gesellschaftliche Wahrheit insgesamt zum Durchbruch kommt und nicht nur in ihren Schaubereichen für das große Publikum. Hinter den Kulissen liegt eben nicht nur der Backstage-Bereich, sondern hinter den Kulissen des Gesellschaftsspiels geht eigentlich der ganze Spaß erst richtig los, und insofern möchte ich alle wachen Köpfe dazu auffordern, endlich diese Bühne mal zu stürmen und die Kulissen zu schleifen, damit man sich eben mit den Dingen dahinter befassen kann. Aber wie auch immer:
Die Wahrheit als solche, also nicht nur in Bezug auf das Gesellschaftsspiel, sondern in Bezug auf die ganze Welt und das Universum, diese Gesamtwahrheit gibt es, bloß liegt sie außerhalb unseres Wahrnehmungsvermögens, auch wenn wir es noch so sehr schärfen. Die Wahrheit umfasst sozusagen die Summe aller existierenden Dinge und Kräfte in ihrer Wechselbeziehung. Mit unserem Wahrnehmungsvermögen müssen wir uns zunächst auf die Wahrheitsvermutung beschränken, also eben auf die Feststellung, dass es so etwas wie Wahrheit überhaupt gibt, und dann geht es darum, Wahrheitsmodelle zu erstellen, welche möglichst nahe an die Gesamtwahrheit heran kommen, damit wir unserseits weiter kommen. Bei diesen Wahrheitsmodellen ziehe ich jene vor, welche mehrere Wahrheiten nebeneinander stehen lassen. Die erste Stufe eines solchen Modells hat sich im Kollektivbewusstsein schon längst festgesetzt, indem man Medaillen als Bild verwendet mit ihrer Vorderansicht und der Kehrseite. Nun machen wir das einfach und fügen noch zwei weitere Seiten dazu, das wäre dann eine vierseitige Wahrheit, und wenn es uns gelingen würde, die Wahrheit noch ein klein bisschen vielschichtiger darzustellen, dann hätten wir einen Würfel mit sechs Seiten. Wir könnten dann also von den sechs Seiten der Wahrheit sprechen und auch im Ernst behaupten, dass die Wahrheit ein Würfel ist. Ich hoffe nun, dass irgendjemand hingeht und eine philosophische Doktorarbeit verfasst über die Würfelform jeglicher Wahrheit, aber ich gehe davon aus, dass das den meisten Köpfen als zu banal erscheint. Stattdessen werden weiterhin Werke verfasst wie jenes von Nino Tomaschek aus dem Jahr 2001: «Die Wahrheit ist eine Falle: konstruktivistische Überlegungen zu einem Begriff von Wahrheit im außermoralischen Sinne», oder aber sie bleiben generell und schwammig wie z.B. «Aiming at truth», Wahrheit suchen – na klar suchen wir die Wahrheit, Dummerchen!, aber wie soll das gehen? Und ob uns das Nicholas Unwin in seinem Buch aus dem Jahr 2007 tatsächlich erklärt hat, daran zweifle ich stark, ohne es gelesen zu haben. Auch «Truth: a guide» von Simon Blackburn, erschienen 2005 bei Oxford University Press, dürfte keine Angaben über das würfelförmige Modell der Wahrheit enthalten. Aus geometrischer Sicht könnte man dem Würfelmodell allenfalls ein Kugelmodell entgegen stellen, aber darauf will ich hier nicht weiter eingehen, denn in einer Woche sind in den Vereinigten Staaten die Präsidentschaftswahlen, geschätzte und verehrte Hörerinnen und Hörer. Hierzu will ich mich weiter nicht äußern bis auf die Tatsache, dass seit ein paar Wochen überall in den Medien zu hören und zu lesen ist, dass Kamerad Obama seine Kandidatur bei der ersten TV-Debatte mit dem mormonischen Millionär und Hedgefonds-Manager verbockt habe. Aber das ist ja wohl noch nicht einmal eine halbe Seite der Wahrheit, oder? Fakt ist, dass die US-AmerikanerInnen wie immer einen Prospekt davon abgeben werden, wie die aktuelle Gemütslage dieser immer zerrütteteren Nation gerade ist, und ich halte es für durchaus möglich, dass der Sturm mit dem schönen Namen Sandy beziehungsweise das Krisenmanagement der aktuellen Regierung am Schluss den Ausschlag gibt. Das wäre ja nochmals eine wunderbare Duftnote dieser eigenartigen Demokratie, deren geifernd asoziale und irrationale Strömungen sich anderseits doch wieder auf sympathische Grundwerte berufen wie die Freiheit des Invididuums und seine Unabhängigkeit vom Staat – für diese Gesellschaft braucht es vielleicht doch nur vier Seiten, da könnte man ein Pyramidenmodell zur Anwendung bringen.
So, wie es scheint, stellt der Griecherer wieder mal den Antrag, die Schuldenrückzahlung zurückzustellen, da leider die Strukturreformen nicht vorankommen. Damit war leider zu rechnen. Der Deutscherer scheint sich dagegen zu wehren, mindestens euer rollender Finanzminister, wobei die Entscheidungshoheit offenbar bei der Troika liegt. Ich verstehe dieses Affentheater nicht. Schuldenrückzahlung und Sparprogramme sind für mich in Ordnung, sofern sie den Staatsapparat betreffen, inklusive der staatlichen Unternehmen, wie ich immer sage: Mindestens 50 Prozent, lieber aber 60 oder 70 Prozent dieses Personals entlassen, dann ist das okay, man muss den Leuten selbstverständlich ein Grundeinkommen ausrichten, versteht sich, aber auf die Straße gestellt gehören sie, damit wird auch das Staatsbudget ziemlich schnell ins Gleichgewicht gebracht, während man für das Grundeinkommen durchaus außerbilanzielle Mittel, zum Beispiel eben der Troika einsetzen könnte. Das ist die erste und wichtigste Voraussetzung für alle Reformen; und ausgerechnet dieser Punkt, ausgerechnet das Bürokratengeschwür scheint weder bei den Auflagen der Troika noch bei den Sparprogrammen der Regierung überhaupt eine Rolle zu spielen. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn Wirtschaft und Gesellschaft auf die Straße und dort den Bach runter gehen, um mal eine wunderschöne Kombination aus zwei Bildern zu basteln.
Sprechen wir von was anderem. Nach meinem letzten Radiobeitrag hat die Organisation myclimate eine Mail-Nachricht gesandt, die ich hier schon mal vortragen will: «Als es um myclimate ging, haben wir uns sehr gewundert und uns gefragt, wie Sie zu diesen beiden völlig falschen Aussagen kommen. Gerne stellen wir folgendes richtig: Wir haben mehr als genug Klimaschutzprojekte, aktuell sind es 60. Damit können wir mehr kompensieren, als wir an Kompensationen bis jetzt verkauft haben. Zudem ist das Potenzial für weitere Klimaschutzprojekte weltweit riesig, d.h. es fehlt eindeutig an den finanziellen mitteln für die Umsetzung der Projekte und nicht an den Klimaschutzprojekten. Zweitens: Über einen Jahresumsatz von 30 Millionen Euro würden wir uns außerordentlich freuen. Denn damit könnten wir viel mehr Klimaschutz machen als aktuell. Tatsächlich betrug der Jahresumsatz 2011 jedoch 12.97 Millionen Schweizer Franken, wobei 10.7 Mio. Schweizer Franken aus der Kompensation kommen. Dies ist nachzulesen in unserem Jahresbericht auf der Webseite. Bitte korrigieren Sie das in Ihrer Kolumne und kontaktieren Sie uns das nächste Mal, bevor Sie wiederum falsche Informationen verbreiten.»
Soweit die Mail-Nachricht, zu der ich mich heute gar nicht weiter äußern will, denn ich muss meine Quellen offenbar nochmals überprüfen, und da ich meine Meinung zum Teil schon vor ein paar Jahren gebildet habe, dauert das etwas länger, aber ich komme auf jeden Fall darauf zurück.
Und sonst? Ich habe gehört, dass die 400-Euro-Jobs aufgewertet werden sollen auf 450-Euro-Jobs, wogegen sich der absehbare Empörungschor erhob, um alsogleich und ebenso absehbar wieder abzuflachen. Gelesen habe ich, und zwar im Stern, dass der neue Stuttgarter Untergrundbahnhof nicht nur mehr kostet als geplant, was zum Standard gehört bei der Ausführung solcher Projekte, siehe meine Ausführungen zu Beginn dieser Sendung, sondern dass er auch weniger Züge verarbeiten wird als der gegenwärtige und vor allem viel weniger, als in den Propagandaschriften jeweils angegeben, wobei die Verantwortlichen dies offensichtlich bereits wussten, als sie diese Propagandaschriften verfassten; aber das sind wir gewohnt, wobei die Tatsache, dass der Ausbau eine Leistungsreduktion zur Folge hat anstelle eines Leistungsausbaus doch etwas eigenartig heraus sticht aus der Summe der anderweitigen so genannten Fehlplanungen, sprich Mauscheleien und Betrügereien. Was hatten wir sonst gerade in dem Zusammenhang, den Nürnburgring vielleicht in Rheinland Pfalz unter der Ägide des SPD-Ministerpräsidenten Beck oder die wirklich wunderbare Geschichte mit dem neuen Flughafen in Berlin unter der Ägide des SPD-Bürgermeisters Wowereit? – Das sind wir gewohnt, wie gesagt, im Gegensatz zu den umwerfenden Vorteilsnahmen von Christian und Bettina Wulff, zum Beispiel den Bobbycar des Autohauses Audi oder ähnliche Dinge. Solche Sachen sind dann vielleicht so etwas wie der Pyramidendeckel auf dem Würfelmodell der Wahrheit.