"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Juxtapoz -
ID 51052
Ist das Kunst? – Ich stelle diese Frage hin und wieder, zum Beispiel anhand der durchaus nicht ausgezeichneten Künstlerin Silvia Bächli, die uns immer wieder mit wässrigen Wasserfarbelinien auf rechteckigem Papier bedrängt, wobei sie immerhin den Grossteil davon wegwirft. Vielmehr: Sie wirft die Linien nicht weg, sondern zieht sie immer wieder hervor zur Neubetrachtung. Das begreife ich. Diese Blätter kann sie unendlich viele Male anschauen und sich die Frage stellen: Was wollte ich damit sagen? Eigentlich, uneigentlich und überhaupt? Eine blassrosa Rötung oder Red-Bull-Rot, bald von rechts, bald von links geführt in Gitterlinien, ja, genau, was meine ich eigentlich? Ach so: Eben, das muss Kunst sein.
Audio
11:40 min, 21 MB, mp3
mp3, 256 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 26.09.2012 / 10:15
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Dateizugriffe: 403
Klassifizierung
Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Entstehung
AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 26.09.2012
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Noin, Damen&Herren, das ist nicht Kunst, sondern, falls da etwa eine Absicht dahinter stecken sollte, Scharlatanerie, und sonst ist es einfach Geräusch in einer unendlichen Geräuschekammer, als die wir die modernen Medien zu Recht anschauen können. Wir aber, die wir uns mit dem Echten und Wahren befassen, wir stellen die Frage erneut: Was ist Kunst? Wir wissen, dass die bildende Kunst in den Jahren rund um den Wechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert einen ungeheuren Schub vollzogen hat, ob als Reaktion auf die Fotografie, welche die wichtigen darstellerischen Funktionen ablöste, oder wegen eines massiven Reifeprozesses in Anschauung und Darstellung, ist gar nicht so wichtig. Dann kamen ein paar Kriege dazwischen, und in den 60-er Jahren gab es noch einmal Vollgas an allen Fronten, und seither dümpelt der Sektor im trüben Teich des «Alles ist Möglich» eher unstrukturiert dahin, wobei man immerhin noch ein paar vernünftige Entwicklungen oder Einzelwerke erkennen kann, zum Beispiel bei der Videokunst. Diese finde ich zwar etwas sperrig, indem ein durchschnittliches Videowerk durchaus 20 bis 30 Minuten dauert, sodass ich in einem entsprechenden Museum nicht mehr einen halben Tag, sondern ein halbes Jahr verbringen müsste, um mir all die Werke vollumfänglich reinzuziehen – eine unhandliche Kunstform, aber eine legitime trotzdem. Daneben verstellen Milliarden von gut gemeinten und schlecht gekonnten Werken die öffentliche Wahrnehmung, während der Kunstmarkt das macht, was der Markt durchaus gut kann, nämlich aus hoher Nachfrage hohe Preise, unbeschadet des zugrunde liegenden Produktes, wenn es nur eine Marke trägt wie z.B. Damien Hirsch, und hier kommt mir gleich ein gezeichneter Witz von Kamagurka in den Sinn, in welchem ein Mensch seinen Gebrauchtwagen für 100'000 Euro zum Kauf anbietet, was einen anderen zur Bemerkung veranlasst, das sei nicht eben wenig, worauf der Verkäufer sagt: Wohl wahr, aber Damien Hirsch hat hinein geschissen.
In dieser generellen Hilflosigkeit hält man sich am besten an den Genossen Zufall, und der spülte mir letzte Woche in der Form eines freundlichen Kollegen ein Magazin in die Hand, das «Juxtapoz» heißt, also ungefähr «Das Nebeneinander» und neben der Druckversion vor allem eine Webseite betreibt, auf der man ungeheuer viele Sachen sehen und auch kaufen kann. Was soll ich sagen: Es ist eine Mischung zwischen Pop Art, Comics, richtiger Pop Art, also mit Tattoos und Graffitis, und selbstverständlich gehört Musik dazu, denn die neuen Hits sind nicht mehr denkbar ohne Clip, und die Clips erfüllen durchaus häufig sehr hohe Ansprüche in puncto Originalität und Form. Dies gilt übrigens in aller Regel nicht für die Musik, wie das Beispiel mit dem Stück «Sweater» von der Band «Willow» zeigt; es ist der verzweifelte Versuch, noch doofer, einfältiger und quasi minimalistischer daher zu kommen, als der dumbe James Blunt mit einer Musik aus der Prim und der Terz obendrein und Schluss. Aber im Video geht der Herr Sänger oder vielleicht auch nur Schauspieler einfach durch ein paar Innen- und Außenräume, welche nicht durch echte Ausstattungen, sondern durch Videoprojektionen möbliert werden, und das ist ganz schön in der Mischung aus dem gefilmten realen Herrn und dem virtuellen Hintergrund. Und das ist wohl der wichtige Punkt: Hier arbeiten auf der ganzen Welt ganze Legionen an ganzen und halben Künstlerinnen und Künstlern und geben einfach ihr Bestes und erzeugen Neuigkeiten am Laufmeter, ohne dass es sich hier jeweils um den ganz großen Wurf handelt, aber es ist eine sehr lebendige Szene mit ganz wenig blass roten Linien.
Im Magazin selber entdecke ich zunächst einen Blödsinn, der mir etwas Zorn die Speiseröhre hoch kriechen lässt, nämlich einen Punk Rock Warlord, Art by Boneface, also die 2-D-Büste eines Herrn mit einer Al-Capone-Maschinenpistole und einem T-Shirt, auf dem «The Clash» steht – diese Sorte von Ästhetik hielt ich für ausgestorben, den kann man doch heute nicht mehr bringen, den Revoluzzer oder Anarchisten oder eben auch nur Amokläufer, das hat doch überhaupt kein Gegenstück mehr in irgend einer entlegenen Kunst-Ecke, höchstens noch an ein paar Schulen in den Vereinigten Staaten. Dann folgen, auf der visuellen Ebene, Beiträge und Inserate aus dem Bereich Comics und Collage, zum Beispiel von Drew Merritt, zu dem es einen Weblink gibt, auf der es unter anderem heißt: «Mit Graffiti verzierte Güterzüge zogen vor den Augen des angehenden Künstlers vorbei, was ihn zutiefst davon überzeugte, eine Untergrundkarriere zu ergreifen und gegen das Gesetz zu arbeiten und sich einen Platz in einer hybriden Kultur zwischen Land und Stadt zu erschaffen.» Kurz gesagt: Reiner Blödsinn. Und trotzdem ergeben die gesprühten Bilder, die aus Motiven aus Fantasy-Publikationen bestehen, die zusammen dann aber eben doch wieder eine Einheit bilden, eine gewisse Plausibilität. Nicht dass ich mir so was in die Wohnung hängen würde, meiner Treu, aber für eine Galerie macht sich das ganz gut, wenn man nachher noch vier 20-minütige Videos reinziehen muss.
Ein bisschen weiter heißt es Take((P))Art, also nimmt teil oder nimm Kunst, gesprüht auf eine Fläche mit Farbklecksen und Linien, welche unwillkürlich an Silvia Bächli erinnern, ohne es der Substanz nach zu tun, denn die hier sind RGB- oder CMYK-Farben und nicht einfach blassrot, aber dann ist man schon in der Mitte der Sache: Neil Krug heißt da ein Fotograf und Filmer aus Los Angeles, der einerseits auf seine Fotos Farbraster legt, sodass sie aussehen wie Landschaften auf dem Mars oder auf anderen, durchaus imaginierten Planeten, neben ein paar verfremdeten Frauenbildern, die man in diesem Stil zwar auch schon gesehen hat, die aber doch noch nicht voll und ganz ausgelutscht wirken. Auf Seite 28 ein Bild von einer Skateboard-Art-Ausstellung, dann folgen ein paar Helgen von Miss Van, zum Beispiel ein Frauenkopf mit Haaren auf den Haaren, von den Augenbrauen und von einem katzenähnlichen Mund, oder sollte man vielleicht eher sagen: hasenähnlich, denn ein Teil ihrer Produktion orientiert sich an Bunnies, an Frauen-Hasilein. Ja, das ist wohl das richtige Wort: Vanessa Bensimon aus Toulouse scheint eine der bekanntesten Figuren aus der Graffitiszene zu sein und malt vor allem Hasilein, die aber durchaus nicht nur harmlos sind.
Ebenfalls gut gefallen hat mir die Strecke über Daniel Clowes, eine Ein-Mann-Comics-Institution, wie es im Text heißt, dieses Métier beherrscht er rauf und runter, allerdings in den eher plakativen Tönen, klare Darstellungen, wenn jemand in Bedrängnis ist, so schwitzt er und so weiter. Das lässt aber immer noch Platz für recht fantastische Darstellungen, viele Normalo-Nackedeis oder Illustrationen, wie sie vor fuffzich Jahren in den Flipperkästen zu finden waren.
David Shrigley macht hauptsächlich Installationen, z.B. einen ausgestopften Terrier, der Männchen macht und ein Schild hält mit der Inschrift «I’m Dead» oder eine mit verzogenen Schuhen aus Keramik auf einer Treppe, witzige Dinge insgesamt, wenn auch vielleicht nicht unbedingt an der Spitze des Fortschritts, sondern, wie eben z.B. der Hund, eher epigonal, aber auch das kann Spaß machen.
Besonders Spaß hatte ich aber an Guy Colwell. Der Herr malt großflächig und im Comic-Stil, seine Figuren sind realistisch, stehen aber herum wie zusammen gepappt, es sind eher aneinander gereihte Porträts, auch wenn sie vor einem Laden oder einer Obdachlosen-Küche in einer Schlange stehen. Auf dem Bild «Litter Beach» liegen sie herum an einem Strand, der nicht aus Sand, sondern eben aus Abfall besteht, never mind that, sie liegen trotzdem, und zwar in einer recht genau abgezirkelten grafischen Anordnung in punkto Rasse oder Ausrichtung der Beine, das hat eine Dimension, welche dem rein zusammen gestümperten Handwerk völlig abgeht. Ein anderes Bild zeigt den Künstler selber mit einem Mopp, wie er auf einer Party als Hausbediensteter einen Rotweinfleck aufwischt und die Scherben eines Glases, welches irgendeinem Gast bei einer dieser mondänen Parties aus der Hand geglitten ist. Hier sieht man sie alle, nicht die wirklich Reichen und Schönen, sondern eher eine Ansammlung von Vernissage-Besucherinnen und Besuchern, zum Teil im Habitus des Kunstprofessors, zum Teil in der Abendrobe und zum Teil auch bloß als Partygäste, denen im Ansatz das Kleid von den Brüsten rutscht. Alles sehr schön gemalt, stilisiert und trotzdem noch im Porträt-Modus, Comics-Kunst durchaus, wie auch jene Gruppe von 7 Erwachsenen mit Kind, die pink und erdölfarben und olivgrün usw. eingefärbt sind auf einem rosa Steinboden und unter einem blauen Himmel; darstellerisch sind diese Jungs ungefähr auf der Entfremdungs-Strecke stehen geblieben, welche Matisse gegangen ist, allerdings mit einer völlig anderen Abgrenzung oder Einrahmung, was ich hier provisorisch einfach mal modern nenne. Bekannt geworden ist Guy Colwell offenbar vor allem durch sein Bild «The Abuse», in dem er die bekannte Folterszene von Abu Ghraib nach-malt, aus einem anderen Winkel, nämlich von der Seite her, und man sieht rechts die drei verkabelten Folteropfer und links zwei gierige Gis, während ein dritter GI mit Sonnenbrille im Hintergrund eine Frau mit verbundenen Augen in den Folterraum führt. Ohne Kommentar, sozusagen.
Dann folgen einige nicht besonders umwerfende Fotos von Logan Hicks, der Standard heute, halt, und da braucht Hicks gar nicht etwa zu sagen, er schätze die Herausforderung eines rohen Mediums, an dem er dann arbeite, um es zu raffinieren, da haben es ihm andere besser vorgemacht. Das Amsterdamer Kunstkollektiv The London Police arbeitet mit Collagen von bekannten Ikonen, Smileys, King Kong, der Tower of London, ich sehe nicht, was daran auch nur annähernd neu und originell sein sollte. Dekorativ, mag sein, für die, welche das schätzen, aber originell oder bedeutend, nein Danke. Boneface ist ein ordentlicher Grafiker, der aber nicht über die primäre Symbolik der Sprayer hinaus kommt, von ihm stammt offenbar auch der anfangs erwähnte Punkrocker. Mark Jenkins dagegen bastelt Straßenskulpturen, die sich gewaschen haben. Eine Foto zeigt eine Seilzieher-Aktion auf einem Vordach in Krakau, eine andere eine Petflaschen-Installation aus Rom; hier geht mein Daumen bedingungslos in die Höhe, und ich bookmarke Mark Jenkins für weitere Vergnügungen. Und dann ist das Heft auch bald schon aus mit verschiednen Inseraten, Veranstaltungshinweisen und eben den Weblinks, u.a. auf Juxtapoz selber. Dabei fällt mir beiläufig noch das 3D-Sketchbook von Nagai Hideyuki auf – vielleicht sollte man sich das auch mal genauer ansehen.
In dieser generellen Hilflosigkeit hält man sich am besten an den Genossen Zufall, und der spülte mir letzte Woche in der Form eines freundlichen Kollegen ein Magazin in die Hand, das «Juxtapoz» heißt, also ungefähr «Das Nebeneinander» und neben der Druckversion vor allem eine Webseite betreibt, auf der man ungeheuer viele Sachen sehen und auch kaufen kann. Was soll ich sagen: Es ist eine Mischung zwischen Pop Art, Comics, richtiger Pop Art, also mit Tattoos und Graffitis, und selbstverständlich gehört Musik dazu, denn die neuen Hits sind nicht mehr denkbar ohne Clip, und die Clips erfüllen durchaus häufig sehr hohe Ansprüche in puncto Originalität und Form. Dies gilt übrigens in aller Regel nicht für die Musik, wie das Beispiel mit dem Stück «Sweater» von der Band «Willow» zeigt; es ist der verzweifelte Versuch, noch doofer, einfältiger und quasi minimalistischer daher zu kommen, als der dumbe James Blunt mit einer Musik aus der Prim und der Terz obendrein und Schluss. Aber im Video geht der Herr Sänger oder vielleicht auch nur Schauspieler einfach durch ein paar Innen- und Außenräume, welche nicht durch echte Ausstattungen, sondern durch Videoprojektionen möbliert werden, und das ist ganz schön in der Mischung aus dem gefilmten realen Herrn und dem virtuellen Hintergrund. Und das ist wohl der wichtige Punkt: Hier arbeiten auf der ganzen Welt ganze Legionen an ganzen und halben Künstlerinnen und Künstlern und geben einfach ihr Bestes und erzeugen Neuigkeiten am Laufmeter, ohne dass es sich hier jeweils um den ganz großen Wurf handelt, aber es ist eine sehr lebendige Szene mit ganz wenig blass roten Linien.
Im Magazin selber entdecke ich zunächst einen Blödsinn, der mir etwas Zorn die Speiseröhre hoch kriechen lässt, nämlich einen Punk Rock Warlord, Art by Boneface, also die 2-D-Büste eines Herrn mit einer Al-Capone-Maschinenpistole und einem T-Shirt, auf dem «The Clash» steht – diese Sorte von Ästhetik hielt ich für ausgestorben, den kann man doch heute nicht mehr bringen, den Revoluzzer oder Anarchisten oder eben auch nur Amokläufer, das hat doch überhaupt kein Gegenstück mehr in irgend einer entlegenen Kunst-Ecke, höchstens noch an ein paar Schulen in den Vereinigten Staaten. Dann folgen, auf der visuellen Ebene, Beiträge und Inserate aus dem Bereich Comics und Collage, zum Beispiel von Drew Merritt, zu dem es einen Weblink gibt, auf der es unter anderem heißt: «Mit Graffiti verzierte Güterzüge zogen vor den Augen des angehenden Künstlers vorbei, was ihn zutiefst davon überzeugte, eine Untergrundkarriere zu ergreifen und gegen das Gesetz zu arbeiten und sich einen Platz in einer hybriden Kultur zwischen Land und Stadt zu erschaffen.» Kurz gesagt: Reiner Blödsinn. Und trotzdem ergeben die gesprühten Bilder, die aus Motiven aus Fantasy-Publikationen bestehen, die zusammen dann aber eben doch wieder eine Einheit bilden, eine gewisse Plausibilität. Nicht dass ich mir so was in die Wohnung hängen würde, meiner Treu, aber für eine Galerie macht sich das ganz gut, wenn man nachher noch vier 20-minütige Videos reinziehen muss.
Ein bisschen weiter heißt es Take((P))Art, also nimmt teil oder nimm Kunst, gesprüht auf eine Fläche mit Farbklecksen und Linien, welche unwillkürlich an Silvia Bächli erinnern, ohne es der Substanz nach zu tun, denn die hier sind RGB- oder CMYK-Farben und nicht einfach blassrot, aber dann ist man schon in der Mitte der Sache: Neil Krug heißt da ein Fotograf und Filmer aus Los Angeles, der einerseits auf seine Fotos Farbraster legt, sodass sie aussehen wie Landschaften auf dem Mars oder auf anderen, durchaus imaginierten Planeten, neben ein paar verfremdeten Frauenbildern, die man in diesem Stil zwar auch schon gesehen hat, die aber doch noch nicht voll und ganz ausgelutscht wirken. Auf Seite 28 ein Bild von einer Skateboard-Art-Ausstellung, dann folgen ein paar Helgen von Miss Van, zum Beispiel ein Frauenkopf mit Haaren auf den Haaren, von den Augenbrauen und von einem katzenähnlichen Mund, oder sollte man vielleicht eher sagen: hasenähnlich, denn ein Teil ihrer Produktion orientiert sich an Bunnies, an Frauen-Hasilein. Ja, das ist wohl das richtige Wort: Vanessa Bensimon aus Toulouse scheint eine der bekanntesten Figuren aus der Graffitiszene zu sein und malt vor allem Hasilein, die aber durchaus nicht nur harmlos sind.
Ebenfalls gut gefallen hat mir die Strecke über Daniel Clowes, eine Ein-Mann-Comics-Institution, wie es im Text heißt, dieses Métier beherrscht er rauf und runter, allerdings in den eher plakativen Tönen, klare Darstellungen, wenn jemand in Bedrängnis ist, so schwitzt er und so weiter. Das lässt aber immer noch Platz für recht fantastische Darstellungen, viele Normalo-Nackedeis oder Illustrationen, wie sie vor fuffzich Jahren in den Flipperkästen zu finden waren.
David Shrigley macht hauptsächlich Installationen, z.B. einen ausgestopften Terrier, der Männchen macht und ein Schild hält mit der Inschrift «I’m Dead» oder eine mit verzogenen Schuhen aus Keramik auf einer Treppe, witzige Dinge insgesamt, wenn auch vielleicht nicht unbedingt an der Spitze des Fortschritts, sondern, wie eben z.B. der Hund, eher epigonal, aber auch das kann Spaß machen.
Besonders Spaß hatte ich aber an Guy Colwell. Der Herr malt großflächig und im Comic-Stil, seine Figuren sind realistisch, stehen aber herum wie zusammen gepappt, es sind eher aneinander gereihte Porträts, auch wenn sie vor einem Laden oder einer Obdachlosen-Küche in einer Schlange stehen. Auf dem Bild «Litter Beach» liegen sie herum an einem Strand, der nicht aus Sand, sondern eben aus Abfall besteht, never mind that, sie liegen trotzdem, und zwar in einer recht genau abgezirkelten grafischen Anordnung in punkto Rasse oder Ausrichtung der Beine, das hat eine Dimension, welche dem rein zusammen gestümperten Handwerk völlig abgeht. Ein anderes Bild zeigt den Künstler selber mit einem Mopp, wie er auf einer Party als Hausbediensteter einen Rotweinfleck aufwischt und die Scherben eines Glases, welches irgendeinem Gast bei einer dieser mondänen Parties aus der Hand geglitten ist. Hier sieht man sie alle, nicht die wirklich Reichen und Schönen, sondern eher eine Ansammlung von Vernissage-Besucherinnen und Besuchern, zum Teil im Habitus des Kunstprofessors, zum Teil in der Abendrobe und zum Teil auch bloß als Partygäste, denen im Ansatz das Kleid von den Brüsten rutscht. Alles sehr schön gemalt, stilisiert und trotzdem noch im Porträt-Modus, Comics-Kunst durchaus, wie auch jene Gruppe von 7 Erwachsenen mit Kind, die pink und erdölfarben und olivgrün usw. eingefärbt sind auf einem rosa Steinboden und unter einem blauen Himmel; darstellerisch sind diese Jungs ungefähr auf der Entfremdungs-Strecke stehen geblieben, welche Matisse gegangen ist, allerdings mit einer völlig anderen Abgrenzung oder Einrahmung, was ich hier provisorisch einfach mal modern nenne. Bekannt geworden ist Guy Colwell offenbar vor allem durch sein Bild «The Abuse», in dem er die bekannte Folterszene von Abu Ghraib nach-malt, aus einem anderen Winkel, nämlich von der Seite her, und man sieht rechts die drei verkabelten Folteropfer und links zwei gierige Gis, während ein dritter GI mit Sonnenbrille im Hintergrund eine Frau mit verbundenen Augen in den Folterraum führt. Ohne Kommentar, sozusagen.
Dann folgen einige nicht besonders umwerfende Fotos von Logan Hicks, der Standard heute, halt, und da braucht Hicks gar nicht etwa zu sagen, er schätze die Herausforderung eines rohen Mediums, an dem er dann arbeite, um es zu raffinieren, da haben es ihm andere besser vorgemacht. Das Amsterdamer Kunstkollektiv The London Police arbeitet mit Collagen von bekannten Ikonen, Smileys, King Kong, der Tower of London, ich sehe nicht, was daran auch nur annähernd neu und originell sein sollte. Dekorativ, mag sein, für die, welche das schätzen, aber originell oder bedeutend, nein Danke. Boneface ist ein ordentlicher Grafiker, der aber nicht über die primäre Symbolik der Sprayer hinaus kommt, von ihm stammt offenbar auch der anfangs erwähnte Punkrocker. Mark Jenkins dagegen bastelt Straßenskulpturen, die sich gewaschen haben. Eine Foto zeigt eine Seilzieher-Aktion auf einem Vordach in Krakau, eine andere eine Petflaschen-Installation aus Rom; hier geht mein Daumen bedingungslos in die Höhe, und ich bookmarke Mark Jenkins für weitere Vergnügungen. Und dann ist das Heft auch bald schon aus mit verschiednen Inseraten, Veranstaltungshinweisen und eben den Weblinks, u.a. auf Juxtapoz selber. Dabei fällt mir beiläufig noch das 3D-Sketchbook von Nagai Hideyuki auf – vielleicht sollte man sich das auch mal genauer ansehen.