"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Helvetica -

ID 51051
 
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Wenn ich hier verschiedene Themen aus neutraler Sicht beleuchte, so normalerweise nicht Helvetica, also Ware aus der Schweiz, sondern eher Teutonica und Internationalia; so könnte ich mich zum Beispiel über die Inflation im Iran auslassen oder über das iranische Atomprogramm ...
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10:59 min, 20 MB, mp3
mp3, 256 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 26.09.2012 / 09:44

Dateizugriffe: 405

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 26.09.2012
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
... zu dem jüngst ein Minister die Aussage beigesteuert hat, dass die deutsche Firma Siemens Komponenten geliefert habe, welche sich selber und das ganze Programm zerstört hätten, wenn nicht die Weisheit der iranischen Wissenschaftler die böswillige Attacke entdeckt hätte, und so lustig diese iranische Verlautbarung auch war mit der Spiegelung der Selbstmordattentate von paradieshungrigen jungen Männern anhand von Siemens-Maschinenkomponenten, so realistisch könnte sie durchaus sein angesichts der Tatsache, dass die Firma Siemens gegenwärtig kaum ein Schräubchen an den Iran liefern wird, ohne die US-Amerikaner davon in Kenntnis zu setzen, aber Genaueres weiß ich ja auch nicht. Dafür beliefert der Iran gegenwärtig den Syrer Al Assad mit Waffen, damit dieser die Christen beschütze, während die Al-Kaida-Idioten in diesem Krieg Schweizer Handgranaten aus Beständen der Vereinigten Arabischen Emirate herum schmeißen und die US-Medien sich einhellig darüber empören, dass Assads Truppen in diesem Krieg echtes Blut vergießen, während die Rebellen offenbar mit Wattebäuschen und Klopapier kämpfen. Hinten rum quakt die rechtsnationalistische israelische Regierung ihr bekanntes Programm, israelische Bürger¬rechtlerInnen und FriedensaktivitstInnen klagen die Willkür in den besetzten Gebieten an, man möchte fast sagen, es ist alles beim Alten und ungefähr gleich verwirrlich wie in jenem Film, den ich kürzlich gesehen habe, «Parada», ein Spielfilm über die erste Christopher-Street-Day-Parade in Belgrad, in dem ein Bürgerkriegs-Veteran aus unerfindlichen Gründen ein paar andere Ultranationalisten aus Kroatien, einen Islamerer aus Bosnien-Herzegowina und einen Kämpfer für die Unabhängigkeit des Kosovo zusammen trommelt, um die Parade vor den Schlägern der ultrarechten Schwulenhasser zu schützen, was ein ganz eigenartiges Flimmern hervorruft im Bereich von Lachen und Gruseln, es blitzen hier einfach zu viele Facetten auf, als dass man noch in der Lage wäre, eine eindeutige Stellungnahme herauszubilden, obwohl man im Grunde genommen gegen ziemlich viele Dinge ist, zum Beispiel gegen den Ustascha-Faschismus, gegen Islamismus, gegen Drogenschmuggel, Bandenkriminalität und lauter weitere schöne Sachen. Ungefähr diese Unfähigkeit oder Unentschlossenheit muss ich auch im zwölften Jahr meiner Weltenbesprechung über den Nahen Osten ausgießen, während ich bei den Teutonica auf vergleichsweise einfache Verhältnisse stoße: Nach wie vor betreibt Frau Bundeskanzlerin Merkel ihre sozialdemokratische Politik in der Robe der CDU-Politikerin, während sich die SPD daran abmüht, einen möglichst unsozial demokratischen Gegenkandidaten für die Wahlen im nächsten Jahr aufzubauen. Bei den Internationalia bewegt mich wie immer die Frage: Was macht eigentlich Hayden Panettiere? – Bevor ich aber darauf antworte, ein Telegramm des US-Postdienstes: Dieser bittet nämlich die EinwohnerInnern des Bundesstaates Florida, nach Möglichkeit nicht mehr in Postbüros hinein zu fahren. Also ich spreche hier nicht von Drive-Ins, sondern von soweit festen Gebäuden des US Postal Service, in welches die Floridaner offenbar in zunehmender Häufigkeit hinein donnern, indem sie nämlich zum Beispiel das Brems- mit dem Gaspedal verwechseln wie z.B. jener Kunde, der am 17. September einen Pfeiler des Büros in Punta Gorda erwischte, oder der andere, der am 3. Mai einen Behindertenparkplatz in Goldenrod ausprobierte, oder jener vom 8. Februar in Wimauma. Jener andere dagegen in Leesburg war am 2. Juli verwirrt, weil etwas vom Himmel fiel; meiner Treu, da wäre auch ich an seiner Stelle ins Postbüro hinein gedonnert. Man sieht: Die Vereinigten Staaten von Amerika und insonderheit der US-amerikanische Postdienst haben sehr eigenwillige Probleme. In Florida häufen sich solche Unfälle offenbar nicht zuletzt deshalb, weil fast ein Drittel der FahrerInnen über 60 Jahre alt sind in diesem Rentnerparadies, und ich hoffe, dass diese Mitteilung jetzt nicht besonders seniorenfeindlich war.

Hayden Panettiere dagegen ist ein grosser Fan von Pasta, ohne deswegen gleich ein Pastafari zu sein. Das sei zwar nicht ganz einfach, um das Gewicht zu halten, aber es gebe wichtigere Dinge. «Als ich älter wurde und langsam in meinen Körper hineinwuchs», sagt sie, «realisierte ich, dass die größte Attraktivität eines Menschen von seinem Verhalten und vom Licht in seinen Augen ausgeht.» Sodann steht sie davor, in einer neuen Fernsehserie die Countrysängerin Juliette Barnes zu verkörpern; und schließlich seien Tiere ihre große Leidenschaft. «Ich würde gerne in einem Tierschutzreservat mit den Jungtieren arbeiten», sagt Frau Panettiere hierzu. Ist das nicht putzig? – Am putzigsten ist aber die Einleitung dieses Artikels, in dem es um Gesundheitsfragen geht, unter anderem um Dismorphophobie, das ist eine Störung der Wahrnehmung des eigenen Leibes. Hayden Panettiere erwähnt in diesem Zusammenhang einen Artikel in einem People-Magazin, in welchem eine Foto von ihr überschrieben war mit der Schlagzeile «Zellulitis». Zu diesem Zeitpunkt war sie 16 Jahre alt. Ich kann mir gut vorstellen, welch ein herber Schlag es für Hayden Panettiere war, diese Schlagzeile zu lesen, noch bevor sie für George W. Bush im Garten des Weißen Hauses die Nationalhymne trällerte, das war nämlich im Jahr 2008. Jedenfalls ist die Fachklinik, in welcher Dismophophobie behandelt wird, offenbar eine US-amerikanische Institution mit dem schönen Namen «Mayo-Clinic». – Und dabei will ich’s für heute in Sachen Hayden Panettiere bleiben lassen. –

Stattdessen doch ein paar Helvetica. Wie Ihr wisst, wurde die Schweizer Politik und auch das Bild der Schweiz im Ausland in den letzten Jahren doch recht markant geprägt von unserer rechts¬natio¬nationalistischen Schweizerischen Volkspartei und ihrem Führer, dem den Bauern gebenden Milliardär und für vier Jahre Bundesrat, nämlich Justizminister Christoph Blocher. Dieser hat sich zusammen mit ein paar anderen Millionären sozusagen eine Politik zusammen gekauft, inklusive des entsprechenden Personals; und jetzt ist ganz offensichtlich der Augenblick der Götter¬däm¬me¬rung eingetreten. Nicht nur haben die Jungs bei den letzten Wahlen Einbußen verzeichnet, sodass sie jetzt nicht einmal mehr behaupten können, sie würden mit 30% Stimmenanteil die große Mehr¬heit des Schweizervolkes vertreten, was schon immer eine Leistung sui generis war; anschließend stellten sie einen Bundesratskandidaten auf, der sich noch während der Kandidatur als Betrüger entpuppte, aber dann gings erst richtig los. Einer ihrer Mitglieder twitterte herum, dass man viel¬leicht bald wieder eine Kristallnacht brauche, diesmal für Moscheen. Ein anderer, Präsident einer Ortspartei, war begeistert, als die Polizei in der Innerschweiz einen unbewaffneten Autodieb erschoss, und er gab wiederum per Twitter bekannt, dass man so mit allen kriminellen Ausländern verfahren sollte. Aber so richtig dick kams erst, nachdem es die prominenteste Jungpolitikerin Nathalie Rickli getroffen hatte, die sich unter anderem einen Namen machte als Rammbock gegen das Staatsfernsehen. Sie selber wird von der privaten Konkurrenz bezahlt. Jedenfalls hat die jetzt ein Burnout und ist in eine Klinik abgetaucht. Ein anderer alter SVP-Haudegen, der Sohn von Immigranten Toni Bortoluzzi, drohte mit dem Parteiaustritt, als ein jüngerer Inhaber einer PR-Agentur eine seiner politischen Vorlagen sabotierte. Seit nun bald zwei Wochen aber erhitzen oder erfreuen sich die Gemüter am Theater, das gegenwärtig um den Chefideologen dieser Partei abläuft. Christoph Mörgeli ist Professor für Medizingeschichte und Leiter des medizinhistorischen Instituts an der Universität Zürich; dies ist eine durchaus pikante Konstellation angesichts der Tatsache, dass die SVP und er als wichtigster Scharfmacher konsequent gegen den Staat, den Parlamentarismus und gegen die Staatsangestellten gegeifert haben und weiterhin geifern. Nun hat die Universität ihn entlassen, und zwar einerseits wegen fachlicher Mängel im Museumsbereich, anderseits und vor allem aber wegen seiner Reaktion, als dies ans Licht kam. Nun ist der Junge abgesägt, auch wenn er noch eine Abgangsentschädigung erhalten sollte, was wer auch immer verhüten möge, aber jedenfalls ist er nicht mehr Museumsdirektor. Alles, was nicht in der SVP selber ist, muss dies als einen Akt irgendeiner verborgenen Gerechtigkeit im Weltall ansehen, dass es nun ausgerechnet diesen Scharfmacher und vorsätzlichen Lügenbold erwischt hat. Wir sind allgemein gespannt auf die Fortsetzung. Sie verspricht jedenfalls nichts Erfreuliches für die SVP, und für Euch im fernen Deutschland bedeutet dies, dass Ihr Euer Schweizer Bild wieder ein bisschen retuschieren könnt.

Offenbar ist der Rechtsdrall in Europa, mindestens in Westeuropa, am Abklingen. Auch der holländische nationalistische Eiferer Geert Wilders verlor bei den letzten Wahlen massiv, die Däninnen und Dänen haben schon vor einiger Zeit die Rechtsregierung von der Macht entfernt, und so weiter. Es scheint, als hätten von der Finanz- und Schuldenkrise zunächst die Nationalisten profitiert, was eigentlich vor allem der systemkritischen Linken zu denken geben müsste, und es scheint, als wäre dies nun wieder vorbei, als ginge der Volkskörper davon aus, dass das Gröbste überstanden sei, auch wenn die entsprechenden Diskussionen nach wie vor am Laufen sind und vor allem bei der Interpretation der Geldzirkulation und des Kapitalwesens bzw. der Finanzmärkte nach wie vor ein tolles Durcheinander herrscht. Wir sind noch einmal davongekommen, so könnte man das interpretieren, aber was die Grundlagen angeht, davon haben wir nach wie vor keine Ahnung beziehungsweise erst recht nicht, was sich unter anderem daran zeigt, dass wir nach wie vor in den alten Begriffen von Vollbeschäftigung, Wirtschaftswachstum und so weiter denken und argumen¬tieren, während doch völlig klar ist, dass wir uns längstens in einem anderen Koordinatensystem bewegen. Da tut ein echter Kopfsprung not. Vielleicht lassen wir dabei auch die traditionellen politischen Lager hinter uns und richten uns vor allem an jenen Ideen aus, welche so aussehen, als könnten sie auch noch in 50 Jahren Bestand haben. Dies wirft wiederum die Frage auf, wie die Welt in 50 Jahren überhaupt aussieht. Eines steht fest: Hayden Pannettiere wird in 50 Jahren 73 Jahre alt sein und nicht mehr unter Dysmorphophobie leiden. Vielleicht hat sie dannzumal einen ähnlichen Mund wie die Mutter von Sylvester Stallone. Vielleicht aber auch nicht.