"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Schäubles Lohnerhöhungen -
ID 48241
Was musste ich da in der ausländischen Presse lesen: Euer Finanzminister Schäuble unterstützt die Lohnforderungen der deutschen Gewerkschaften, vielleicht nicht im ganzen Ausmaß von wie üblich rund 7%, aber doch immerhin, und er habe dies damit begründet, dass die Strukturreformen in Deutschland jetzt abgeschlossen seien und nun die Reihe wieder an der Kaufkraft sei. Was ist denn da los? Bisher äußerten sich allenfalls CDU-Arbeitsminister in diese Richtung, aber jetzt vollends der Finanzminister? Lässt sich der seine Reden neuerdings von einem Makroökonomen schreiben statt von einem neoliberalen Ideologen? – Nun gut, die neoliberalen Späße sind in Eurem Land mit dem Bratpfannen-Guido deutlich in Verruf gekommen, aber geradewegs eine Lohnerhöhung? Ist das jetzt die Konsequenz davon, dass die Griechen keine deutschen Produkte mehr kaufen, jetzt müssen also die Deutschen selber ran?
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10:29 min, 12 MB, mp3
mp3, 160 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 14.05.2012 / 15:14
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Klassifizierung
Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung
AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 08.05.2012
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Lange hat man Deutschland vorgeworfen, sein Wirtschaftswunder der letzten paar Jahre mit tiefen Löhnen herbei erwirtschaftet zu haben. Ob solche Beschuldigungen einer genaueren Überprüfung standhalten, weiß ich nicht; fest steht, dass Deutschland in den letzten 10 Jahren zu einem der billigsten Länder in Europa geworden ist. Das heißt unter anderem, dass die Kaufkraft durchaus nicht so misslich sein muss, wie dies im Vorwurf mit schwingt. Die Produkte kosten einfach relativ weniger, wodurch auch die Löhne relativ niedriger sein können, während man in anderen Ländern wie z.B. dem unserigen mit gewaltigen Löhnen wegen der hohen Preise nicht viel besser fährt. Also wäre all das eine Frage der Beschaffung bzw. der Strukturen im Vertriebssystem, was wiederum bedeuten würde, dass in anderen Ländern die Einzelhandelsketten übermäßige Profite realisieren würden. Aber hier stimmt auch wieder etwas nicht, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die reichsten Deutschen eben die Besitzer der Aldi-Einzelhandelsketten sind. Irgendwie passt diese ganze Logik nicht zusammen. Aber wenn die Lohnrunde in diesem Jahr echte zusätzliche Kaufkraft ins Land pumpt, dann soll es wohl nicht nur mir recht sein; solche Ereignisse sorgen hin und wieder auch dafür, dass sich die Stimmung aufhellt, und eine gute Stimmung ist wohl eines der wichtigsten und rarsten Güter in den entwickelten Ländern. Gleichzeitig bedeuten höhere Löhne bald auch wieder einmal höhere Steuereinnahmen für die Länder und Kommunen, welche laut verschiedenen Medien gerade im Westen oft auf dem letzten Zacken laufen, und dass man in den alten Bundesländern immer lauter die Abschaffung des Solidarzuschlages fordert, brauche ich Euch wohl nicht ins Ohr zu flüstern.
Lohnerhöhung hin oder her: Am Grundproblem ändert sich hier nichts, und das Grundproblem ist jenes, dass die Güterproduktion unterdessen globalisiert und voll automatisiert geschieht, weshalb die Ausrichtung an den Regeln der industriellen Lohnarbeit mittel- und langfristig eingestellt werden muss. Es fragt sich bloß, was an die Stelle dieses Ökonomie-Theaters treten soll; vermutlich sind unsere Gesellschaften noch nicht vollständig reif für die Erkenntnis, dass man in Zukunft eigentlich ganz gut nur noch rund 5 bis 10 Jahre im Leben so richtig zu arbeiten brauchte, während man den Rest mit allerlei schönen anderen Tätigkeiten ausfüllen könnte.
Die Menschen haben in der Regel gar nicht genug Phantasie, um sich vorzustellen, was sie mit so viel Zeit alles anstellen könnten. Dabei bräuchte es bloß ein paar Vorschläge, und schon könnte man große Mengen an Menschen mit sehr vernünftigen Sachen beauftragen. Zum Beispiel im Gesundheitssektor oder überhaupt in der Beziehungspflege liegen gewaltige Bedürfnisse vor, die mit dem aktuellen System der bezahlten Jobs, welche wiederum an eine international validierte ökonomische und Exportleistung geknüpft sind, nie und nimmer erledigt werden können. Aber so etwas darf man zum Beispiel einer Gewerkschafterin gar nicht sagen, weil sie instinktiv erkennt, dass mit solchen Vorschlägen ein Angriff auf die Finanzen im Gesundheitswesen geritten wird, das ohnehin schon zur Genüge unter Druck steht. Und in dieser Beziehung hat unsere Gewerkschafterin auch absolut Recht. Man müsste einen Weg finden, wie man die beiden Ziele irgendwie aneinander vorbei organisieren kann, ohne dass sie in eine Frontalkollision geraten. Oder aber man fasst den Entschluss, anstelle der obligatorischen Bundeswehrpflicht für alle ein obligatorisches – jetzt hätte ich fast gesagt, Freiwilligenjahr einzuführen, und das geht nun wirklich nicht, aber eine gewisse Wahlfreiheit müsste dabei durchaus bestehen. Immerhin könnte man sich ja vorstellen, dass man mit, sagen wir mal 100'000 Mann und Frau durchaus mal ein hübsches Projektchen realisieren könnte. Das ist es doch, was uns fehlt, so schöne Projektideen. Oder besser: Wir kommen gar nicht auf diese schönen Projektideen, weil unglücklicherweise sämtliche Projekte unter dem Aspekt der Rentabilität zu betrachten sind. Wenn aber einmal 100'000 Personen für ein Jahr dazu eingesetzt würden, sagen wir mal in Sömmerda ein neues Stadtviertel zu errichten, inklusive Anbindung mit dem öffentlichen Verkehr und unter Berücksichtigung aller modernster Erkenntnisse bezüglich Sozialverträglichkeit und Energieeinsparungen, dann hätte man doch auch etwas gewonnen. Oder man stellt die gleichen 100'000 Leute in ein Land ab, wo Personen mit einer gewissen Arbeitstradition oder Arbeitsmoral dringend gebraucht werden. Ihr habt doch traditionell gute Beziehungen zu Namibia, wenn sie auch in der Geschichte vom mehr oder weniger geglückten Völkermord an den Hereros verdunkelt wird, was aber heute von deutscher Seite eher als Verpflichtung aufgefasst wird, sodass so etwas auch passen würde. Also, warum schickt ihr nicht 100'000 Einsatzkräfte zum Bau von Solarkraftwerken in die namibische Wüste?
Oder im Kleinen könnte man sich doch vorstellen, dass endlich jede Kommune ihr Gemeindehaus so erweitert, dass darin nicht nur der Gendarmerie-Posten, sondern auch ein großes Lokal eingerichtet werden kann, welches 24 Stunden am Tag offen hat an 7 Tagen pro Woche. Solche Sachen kosten nicht mal übermäßig viel.
Aber bis man solche Vorschläge auf globaler Ebene umsetzen kann, dauert es seine Zeit. Die Gegenwart ist geprägt durch die misslichen Nachrichten aus Europa bzw. aus den Vereinigten Staaten, mit denen auch Finanzminister Schäuble nicht so einfach aufräumen kann. In Spanien beträgt die Jugendarbeitslosigkeit 50%, was bedeutet, dass die Jungs und Mädels ihren Eltern auf der Tasche lasten. Arbeitslosigkeit ist sowieso ein Dauerphänomen, wie könnte es anders sein, wenn es keine Arbeit gibt bzw. nichts mehr zu produzieren. Eigentlich hätte auch die EU-Osterweiterung unter anderem den Zweck gehabt, neue Absatzmärkte zu schaffen, nicht aber neue Produktionsstätten, aber dies ist in einem System, in dem die Kaufkraft aus dem Entgelt für produktive Arbeit stammt, eben nicht besonders einfach. Gegenwärtig warten alle Leute darauf, dass nun mit dem EU-Beitrittsgesuch Serbiens auch dort noch die letzten Firmen pleite gehen, welche noch halbwegs autonom produziert haben, egal, ob Zigaretten oder Lastkarren oder was auch immer; die Arbeitslosigkeit wird ein treuer Begleiter des EU-Beitritts sein. Aber hier stecken natürlich noch andere Überlegungen dahinter, in erster Linie der Versuch, die gewaltigen Ungleichheiten zwischen Ost und West auszugleichen, die gleichzeitig Unterschiede zwischen verschiedenen Entwicklungsstufen einerseits der Produktion, anderseits des Staatsapparates und drittens der gesamten Gesellschaft sind.
Auf diese Art und Weise haben unsere Gesellschaften einfach keine Ahnung, wie sie sich in Zukunft organisieren sollen; das Ökonomische ist übermächtig, und es ist eine Ökonomie nach den Spielregeln des 20., wo nicht des 19. Jahrhunderts, welche uns das 21. Jahrhundert gemütlich machen soll. Das geht einfach nicht. Und da eben die Ungleichheiten nach wie vor eine gewaltige Rolle spielen, kann man auch nicht in aller Ruhe die Einführung neuer Geldverteilungs-Spielregeln diskutieren. Einfach ist so etwas nicht.
Am einfachsten ist immer noch die Schicht der Mächtigen und der Superreichen. Die sind nach wie vor relativ klar definierbar, und anhand der Elite kann man auch relativ einfach das berühmte Wir-Gefühl aufbauen. Aber diesem Wir-Gefühl sollte man auch nicht allzu weit über den Weg trauen, denn es überdeckt oft Differenzen oder Unterschiede bzw. Gegensätze in Zielen und Entwürfen, welche in der Praxis viel schwerer wiegen als die wie gesagt recht einfache Abtrennung der reichen Säcke. Immerhin muss ich doch gleich bestätigen, dass es manchmal durchaus in Ordnung ist, daran zu erinnern, dass auf der Welt tatsächlich nach wie vor einige Idioten über idiotisch viele Knete und über unerhört und unerlaubt vielen Einfluss gebieten. Aber das wisst ihr vermutlich alle selber. Und es würde eben einfacher gehen, diesen Privilegien den Garaus zu machen, wenn man halbwegs vernünftige Ideen davon hätte, was an ihre Stelle zu treten sei. Konkret, wie sich die Gesellschaft als echte Demokratie aus wirklich autonomen und selbstbestimmten Individuen organisieren kann. Vielleicht befinden wir uns bzw. befindet ihr euch auch in Deutschland auf diesem Weg, ohne dass ihr es bisher überhaupt bemerkt habt. Denn tatsächlich, und dies ist halt doch ein richtiger Kern in der Botschaft Eures rollenden Finanzministers, geht nicht immer alles zum Schlechten. Irgendwie wird es der Gesellschaft mit der Zeit gelingen, einige neue Entwürfe aufzustellen. Im Moment ist es nicht gerade einfach, nicht zuletzt deshalb, weil die Köpfe völlig überschwemmt sind mit den ungeheuren Mengen an Informationen und Sinneseindrücken, welche aus sämtlichen Kommunikationskanälen auf die Menschen wirken. Auch auf dieser Ebene muss man wohl ein bisschen Zeit verstreichen lassen und abwarten, bis man die Denk- und Recherchierarbeit in einigermaßen geordneten Strukturen wieder aufnehmen kann.
Habt ihr gewusst, dass in Kalifornien 12 Prozent der Bevölkerung der USA leben, aber 33 Prozent der Sozialhilfebezüger? – Das ist auch so ein Phänomen. Kalifornien hat versucht, sich als sozialdemokratischer Bundesstaat zu organisieren, ohne gleichzeitig aus den USA auszutreten. Auch dies ist schwierig. In einem derart großen Land wie den USA differenzieren sich dann halt in den einzelnen Regionen oder eben Bundesstaaten gewisse Schwerpunkte aus und in anderen andere, die eigentlich im ganzen Land ungefähr gleichmäßig verteilt sein sollten. Im Fall von Kalifornien geht das so weit, dass man wegen der riesigen Schulden bereits vom Griechenland der Vereinigten Staaten spricht. Dies ist dann auch wieder Nonsense, vor allem wegen der gewaltigen Wirtschaftspotenz, vor allem im Informatikbereich. Aber eben, ungleichgewichtige Entwicklungen bilden ein Problem nicht nur global, sondern auch im Herzen des Imperiums selber.
Lohnerhöhung hin oder her: Am Grundproblem ändert sich hier nichts, und das Grundproblem ist jenes, dass die Güterproduktion unterdessen globalisiert und voll automatisiert geschieht, weshalb die Ausrichtung an den Regeln der industriellen Lohnarbeit mittel- und langfristig eingestellt werden muss. Es fragt sich bloß, was an die Stelle dieses Ökonomie-Theaters treten soll; vermutlich sind unsere Gesellschaften noch nicht vollständig reif für die Erkenntnis, dass man in Zukunft eigentlich ganz gut nur noch rund 5 bis 10 Jahre im Leben so richtig zu arbeiten brauchte, während man den Rest mit allerlei schönen anderen Tätigkeiten ausfüllen könnte.
Die Menschen haben in der Regel gar nicht genug Phantasie, um sich vorzustellen, was sie mit so viel Zeit alles anstellen könnten. Dabei bräuchte es bloß ein paar Vorschläge, und schon könnte man große Mengen an Menschen mit sehr vernünftigen Sachen beauftragen. Zum Beispiel im Gesundheitssektor oder überhaupt in der Beziehungspflege liegen gewaltige Bedürfnisse vor, die mit dem aktuellen System der bezahlten Jobs, welche wiederum an eine international validierte ökonomische und Exportleistung geknüpft sind, nie und nimmer erledigt werden können. Aber so etwas darf man zum Beispiel einer Gewerkschafterin gar nicht sagen, weil sie instinktiv erkennt, dass mit solchen Vorschlägen ein Angriff auf die Finanzen im Gesundheitswesen geritten wird, das ohnehin schon zur Genüge unter Druck steht. Und in dieser Beziehung hat unsere Gewerkschafterin auch absolut Recht. Man müsste einen Weg finden, wie man die beiden Ziele irgendwie aneinander vorbei organisieren kann, ohne dass sie in eine Frontalkollision geraten. Oder aber man fasst den Entschluss, anstelle der obligatorischen Bundeswehrpflicht für alle ein obligatorisches – jetzt hätte ich fast gesagt, Freiwilligenjahr einzuführen, und das geht nun wirklich nicht, aber eine gewisse Wahlfreiheit müsste dabei durchaus bestehen. Immerhin könnte man sich ja vorstellen, dass man mit, sagen wir mal 100'000 Mann und Frau durchaus mal ein hübsches Projektchen realisieren könnte. Das ist es doch, was uns fehlt, so schöne Projektideen. Oder besser: Wir kommen gar nicht auf diese schönen Projektideen, weil unglücklicherweise sämtliche Projekte unter dem Aspekt der Rentabilität zu betrachten sind. Wenn aber einmal 100'000 Personen für ein Jahr dazu eingesetzt würden, sagen wir mal in Sömmerda ein neues Stadtviertel zu errichten, inklusive Anbindung mit dem öffentlichen Verkehr und unter Berücksichtigung aller modernster Erkenntnisse bezüglich Sozialverträglichkeit und Energieeinsparungen, dann hätte man doch auch etwas gewonnen. Oder man stellt die gleichen 100'000 Leute in ein Land ab, wo Personen mit einer gewissen Arbeitstradition oder Arbeitsmoral dringend gebraucht werden. Ihr habt doch traditionell gute Beziehungen zu Namibia, wenn sie auch in der Geschichte vom mehr oder weniger geglückten Völkermord an den Hereros verdunkelt wird, was aber heute von deutscher Seite eher als Verpflichtung aufgefasst wird, sodass so etwas auch passen würde. Also, warum schickt ihr nicht 100'000 Einsatzkräfte zum Bau von Solarkraftwerken in die namibische Wüste?
Oder im Kleinen könnte man sich doch vorstellen, dass endlich jede Kommune ihr Gemeindehaus so erweitert, dass darin nicht nur der Gendarmerie-Posten, sondern auch ein großes Lokal eingerichtet werden kann, welches 24 Stunden am Tag offen hat an 7 Tagen pro Woche. Solche Sachen kosten nicht mal übermäßig viel.
Aber bis man solche Vorschläge auf globaler Ebene umsetzen kann, dauert es seine Zeit. Die Gegenwart ist geprägt durch die misslichen Nachrichten aus Europa bzw. aus den Vereinigten Staaten, mit denen auch Finanzminister Schäuble nicht so einfach aufräumen kann. In Spanien beträgt die Jugendarbeitslosigkeit 50%, was bedeutet, dass die Jungs und Mädels ihren Eltern auf der Tasche lasten. Arbeitslosigkeit ist sowieso ein Dauerphänomen, wie könnte es anders sein, wenn es keine Arbeit gibt bzw. nichts mehr zu produzieren. Eigentlich hätte auch die EU-Osterweiterung unter anderem den Zweck gehabt, neue Absatzmärkte zu schaffen, nicht aber neue Produktionsstätten, aber dies ist in einem System, in dem die Kaufkraft aus dem Entgelt für produktive Arbeit stammt, eben nicht besonders einfach. Gegenwärtig warten alle Leute darauf, dass nun mit dem EU-Beitrittsgesuch Serbiens auch dort noch die letzten Firmen pleite gehen, welche noch halbwegs autonom produziert haben, egal, ob Zigaretten oder Lastkarren oder was auch immer; die Arbeitslosigkeit wird ein treuer Begleiter des EU-Beitritts sein. Aber hier stecken natürlich noch andere Überlegungen dahinter, in erster Linie der Versuch, die gewaltigen Ungleichheiten zwischen Ost und West auszugleichen, die gleichzeitig Unterschiede zwischen verschiedenen Entwicklungsstufen einerseits der Produktion, anderseits des Staatsapparates und drittens der gesamten Gesellschaft sind.
Auf diese Art und Weise haben unsere Gesellschaften einfach keine Ahnung, wie sie sich in Zukunft organisieren sollen; das Ökonomische ist übermächtig, und es ist eine Ökonomie nach den Spielregeln des 20., wo nicht des 19. Jahrhunderts, welche uns das 21. Jahrhundert gemütlich machen soll. Das geht einfach nicht. Und da eben die Ungleichheiten nach wie vor eine gewaltige Rolle spielen, kann man auch nicht in aller Ruhe die Einführung neuer Geldverteilungs-Spielregeln diskutieren. Einfach ist so etwas nicht.
Am einfachsten ist immer noch die Schicht der Mächtigen und der Superreichen. Die sind nach wie vor relativ klar definierbar, und anhand der Elite kann man auch relativ einfach das berühmte Wir-Gefühl aufbauen. Aber diesem Wir-Gefühl sollte man auch nicht allzu weit über den Weg trauen, denn es überdeckt oft Differenzen oder Unterschiede bzw. Gegensätze in Zielen und Entwürfen, welche in der Praxis viel schwerer wiegen als die wie gesagt recht einfache Abtrennung der reichen Säcke. Immerhin muss ich doch gleich bestätigen, dass es manchmal durchaus in Ordnung ist, daran zu erinnern, dass auf der Welt tatsächlich nach wie vor einige Idioten über idiotisch viele Knete und über unerhört und unerlaubt vielen Einfluss gebieten. Aber das wisst ihr vermutlich alle selber. Und es würde eben einfacher gehen, diesen Privilegien den Garaus zu machen, wenn man halbwegs vernünftige Ideen davon hätte, was an ihre Stelle zu treten sei. Konkret, wie sich die Gesellschaft als echte Demokratie aus wirklich autonomen und selbstbestimmten Individuen organisieren kann. Vielleicht befinden wir uns bzw. befindet ihr euch auch in Deutschland auf diesem Weg, ohne dass ihr es bisher überhaupt bemerkt habt. Denn tatsächlich, und dies ist halt doch ein richtiger Kern in der Botschaft Eures rollenden Finanzministers, geht nicht immer alles zum Schlechten. Irgendwie wird es der Gesellschaft mit der Zeit gelingen, einige neue Entwürfe aufzustellen. Im Moment ist es nicht gerade einfach, nicht zuletzt deshalb, weil die Köpfe völlig überschwemmt sind mit den ungeheuren Mengen an Informationen und Sinneseindrücken, welche aus sämtlichen Kommunikationskanälen auf die Menschen wirken. Auch auf dieser Ebene muss man wohl ein bisschen Zeit verstreichen lassen und abwarten, bis man die Denk- und Recherchierarbeit in einigermaßen geordneten Strukturen wieder aufnehmen kann.
Habt ihr gewusst, dass in Kalifornien 12 Prozent der Bevölkerung der USA leben, aber 33 Prozent der Sozialhilfebezüger? – Das ist auch so ein Phänomen. Kalifornien hat versucht, sich als sozialdemokratischer Bundesstaat zu organisieren, ohne gleichzeitig aus den USA auszutreten. Auch dies ist schwierig. In einem derart großen Land wie den USA differenzieren sich dann halt in den einzelnen Regionen oder eben Bundesstaaten gewisse Schwerpunkte aus und in anderen andere, die eigentlich im ganzen Land ungefähr gleichmäßig verteilt sein sollten. Im Fall von Kalifornien geht das so weit, dass man wegen der riesigen Schulden bereits vom Griechenland der Vereinigten Staaten spricht. Dies ist dann auch wieder Nonsense, vor allem wegen der gewaltigen Wirtschaftspotenz, vor allem im Informatikbereich. Aber eben, ungleichgewichtige Entwicklungen bilden ein Problem nicht nur global, sondern auch im Herzen des Imperiums selber.