Das Institut für vergleichende Irrelevanz (IvI) in Frankfurt am Main ist räumungsbedroht

ID 47355
 
AnhörenDownload
Das Institut für vergleichende Irrelevanz (IvI) aus Frankfurt am Main ist gefährdet. Das 2003 zunächst von Studis besetzte Haus hat sich in der Zeit seines Bestehens zu einem, wenn nicht dem Knotenpunkt in der gesellschaftskritischen Frankfurter Subkultur und Studiszene entwickelt. Die einzigartige Einrichtung, die Wissenschaft, Kultur und politische Praxis verbindet und auch weiterhin und tiefgreifender verbinden will, beherbergt jedes Semester eine Vielzahl an autonomen Tutorien zu Themen, die an der Uni zu kurz kommen, oder dort gar nicht erst besprochen werden. Einmal im Jahr findet eine GegenUni statt, die sich einem Thema ausführlicher widmet: Im April 2012 zum Beispiel dem Thema Utopie. Abends finden im Haus Konzerte, Partys, Vorträge und Lesungen statt. Studigruppen organisieren Kongresse (Kritische Geografie; Kritik der Gesellschaft und ihrer Soziologie uvm.); manchmal findet auch einfach nur ein Kneipenabend statt. Auch Schülis haben dort einen Ort sich zu treffen, ihre Interessen zu organisieren und sich mit Anderen auszutauschen. Prinzipiell soll das Haus den in der Gesellschaft Irrelevantisierten, wie das IvI sie nennt, einen Raum geben, der ihnen sonst vorenthalten wird.

Ein Leitmotiv des IvI ist die Auflösung der gesellschaftlich durchgesetzten Trennung dreier Begriffe und ihrer momentanen Geltung: Theorie, Praxis, Party. Während die (treffende)Theorie im akademischen Betrieb - wirkungslos gemacht - ein Dasein im Elfenbeinturm fristet, bleibt auch die Form der Party, auf die sich bekanntlich ja auch Gesellschaftskritiker begeben, davon unberührt. Was theoretisch schon kritisiert ist, findet selbst an dem Ort, an dem man ausgelassen sein will, mit Vehemenz statt: Schwulenfeindlichkeit, Sexismus, Rassismus etc. Dagegen versucht das IvI eine Praxis zu setzen, die so etwas auf Partys verhindert. Durch das Zusammenführen der gesellschaftskritischen Organisation und Theorie mit dem Praxisanspruch wird die Praxis eine reflektierte: Sie verfällt nicht blindem Aktionismus, sondern wird sich über die Gründe, warum sie wirksam sein will, klar und analysiert, ob darin die gesellschaftliche Realität überhaupt angemessen erfasst ist. Ist sie das, kann sie Wege suchen, tatsächlich wirksam zu werden: Diesmal aber aufgeklärt über die Bedingungen unter denen das überhaupt möglich wäre.

In dieser Sendung unterhielt ich mich mit Chris, einem Mitarbeiter des Instituts für vergleichende Irrelevanz zunächst im Allgemeinen über das Projekt: Über die Gründe, warum das IvI existiert, warum er es für notwendig hält und wie die Situation des IvI gegenüber anderen Studis und Dozentinnen ist. Der aktuelle Anlass für das Gespräch ist die traurige Mitteilung, die der Asta von der Universität erhalten hat: Das Gebäude des IvI wurde an einen Investor verkauft. Das Institut wird über solche frappierenden Neuigkeiten nicht von der Unileitung informiert und konnte bisher Einzelheiten, wenn überhaupt, aus der Presse entnehmen. Die Universität fährt eine Hinhaltetaktik: Informationen verweigert sie und gegenüber der Öffentlichkeit tut sie so als wäre ihr am IvI etwas gelegen, indem sie zum Beispiel anbietet, dass das IvI "auch mal Räume im Studierendenhaus benutzen" könne. Solche Angebote werden der komplexen Struktur und Organisation des IvI natürlich in keiner Weise gerecht. Auch Angebote von Seiten des Investors, die bislang kostenlosen Räume nun an das IvI zu vermieten, erscheinen angesichts der sowieso schon chronisch leeren Taschen der Studis und mehr noch der Irrelevantisierten eher als Hohn, zumal der Investor eine Ausgabe von - so wird vermutet - 1,1 Mio. Euro profitabel machen muss.

Das IvI versucht nun zunächst Öffentlichkeit für sein Anliegen, das Haus ohne Mietzahlungen behalten zu können, herzustellen. Hilfe wünscht es sich in Form von Erklärungen anderer politischer Gruppen, die das Anliegen des IvIs unterstützen und von Einzelpersonen, die eine Petition (http://www.ipetitions.com/petition/ivi/) zum Erhalt des Instituts für vergleichende Irrelevanz unterzeichnen können. Weitere Informationen über den Stand der Auseinandersetzung um den Erhalt, bekommt man auf einem Soldiaritätblog (http://weloveivi.wordpress.com/) und auf der Homepage des IvI (http://ivi.copyriot.com/), auf der sich auch aktuelle und vergangene Veranstaltungen, sowie Texte zum Selbstverständnis und vieles mehr finden lassen.
Audio
36:29 min, 42 MB, mp3
mp3, 160 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 05.05.2012 / 21:30

Dateizugriffe: 992

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Jugend, Kultur, Politik/Info
Serie: Bildungsmagazin
Entstehung

AutorInnen: Bildungsmagazin
Radio: WW-TÜ, Tübingen im www
Produktionsdatum: 28.03.2012
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Das Institut für vergleichende Irrelevanz (IvI) aus Frankfurt am Main ist gefährdet. Das 2003 zunächst von Studis besetzte Haus hat sich in der Zeit seines Bestehens zu einem, wenn nicht dem Knotenpunkt in der gesellschaftskritischen Frankfurter Subkultur und Studiszene entwickelt. Die einzigartige Einrichtung, die Wissenschaft, Kultur und politische Praxis verbindet und auch weiterhin und tiefgreifender verbinden will, beherbergt jedes Semester eine Vielzahl an autonomen Tutorien zu Themen, die an der Uni zu kurz kommen, oder dort gar nicht erst besprochen werden. Einmal im Jahr findet eine GegenUni statt, die sich einem Thema ausführlicher widmet: Im April 2012 zum Beispiel dem Thema Utopie. Abends finden im Haus Konzerte, Partys, Vorträge und Lesungen statt. Studigruppen organisieren Kongresse (Kritische Geografie; Kritik der Gesellschaft und ihrer Soziologie uvm.); manchmal findet auch einfach nur ein Kneipenabend statt. Auch Schülis haben dort einen Ort sich zu treffen, ihre Interessen zu organisieren und sich mit Anderen auszutauschen. Prinzipiell soll das Haus den in der Gesellschaft Irrelevantisierten, wie das IvI sie nennt, einen Raum geben, der ihnen sonst vorenthalten wird. Ein Leitmotiv des IvI ist die Auflösung der gesellschaftlich durchgesetzten Trennung dreier Begriffe und ihrer momentanen Geltung: Theorie, Praxis, Party. Während die (treffende)Theorie im akademischen Betrieb - wirkungslos gemacht - ein Dasein im Elfenbeinturm fristet, bleibt auch die Form der Party, auf die sich bekanntlich ja auch Gesellschaftskritiker begeben, davon unberührt. Was theoretisch schon kritisiert ist, findet selbst an dem Ort, an dem man ausgelassen sein will, mit Vehemenz statt: Schwulenfeindlichkeit, Sexismus, Rassismus etc. Dagegen versucht das IvI eine Praxis zu setzen, die so etwas auf Partys verhindert. Durch das Zusammenführen der gesellschaftskritischen Organisation und Theorie mit dem Praxisanspruch wird die Praxis eine reflektierte: Sie verfällt nicht blindem Aktionismus, sondern wird sich über die Gründe, warum sie wirksam sein will, klar und analysiert, ob darin die gesellschaftliche Realität überhaupt angemessen erfasst ist. Ist sie das, kann sie Wege suchen, tatsächlich wirksam zu werden: Diesmal aber aufgeklärt über die Bedingungen unter denen das überhaupt möglich wäre.

In dieser Sendung unterhielt ich mich mit Chris, einem Mitarbeiter des Instituts für vergleichende Irrelevanz zunächst im Allgemeinen über das Projekt: Über die Gründe, warum das IvI existiert, warum er es für notwendig hält und wie die Situation des IvI gegenüber anderen Studis und Dozentinnen ist. Der aktuelle Anlass für das Gespräch ist die traurige Mitteilung, die der Asta von der Universität erhalten hat: Das Gebäude des IvI wurde an einen Investor verkauft. Das Institut wird über solche frappierenden Neuigkeiten nicht von der Unileitung informiert und konnte bisher Einzelheiten, wenn überhaupt, aus der Presse entnehmen. Die Universität fährt eine Hinhaltetaktik: Informationen verweigert sie und gegenüber der Öffentlichkeit tut sie so als wäre ihr am IvI etwas gelegen, indem sie zum Beispiel anbietet, dass das IvI "auch mal Räume im Studierendenhaus benutzen" könne. Solche Angebote werden der komplexen Struktur und Organisation des IvI natürlich in keiner Weise gerecht. Auch Angebote von Seiten des Investors, die bislang kostenlosen Räume nun an das IvI zu vermieten, erscheinen angesichts der sowieso schon chronisch leeren Taschen der Studis und mehr noch der Irrelevantisierten eher als Hohn, zumal der Investor eine Ausgabe von - so wird vermutet - 1,1 Mio. Euro profitabel machen muss.

Das IvI versucht nun zunächst Öffentlichkeit für sein Anliegen, das Haus ohne Mietzahlungen behalten zu können, herzustellen. Hilfe wünscht es sich in Form von Erklärungen anderer politischer Gruppen, die das Anliegen des IvIs unterstützen und von Einzelpersonen, die eine Petition (http://www.ipetitions.com/petition/ivi/) zum Erhalt des Instituts für vergleichende Irrelevanz unterzeichnen können. Weitere Informationen über den Stand der Auseinandersetzung um den Erhalt, bekommt man auf einem Soldiaritätblog (http://weloveivi.wordpress.com/) und auf der Homepage des IvI (http://ivi.copyriot.com/), auf der sich auch aktuelle und vergangene Veranstaltungen, sowie Texte zum Selbstverständnis und vieles mehr finden lassen.

Kommentare
29.03.2012 / 13:04 Jochen, Radio Unerhört Marburg (RUM)
verwendet bei zip-fm
am 29.03.2012 gekürzt, Danke