Actimel von Danone

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Jede Woche stellt Radio F.R.E.I. in Zusammenarbeit mit abgespeist.de eine weitere Werbelüge der Nahrungsmittelindustrie vor. Heute: "Actimel von Danone"

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Audio
11:13 min, 15 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 03.03.2011 / 17:45

Dateizugriffe: 825

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: Aufgetischt - Die Werbelügen
Entstehung

AutorInnen: johannes
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 03.03.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Actimel von Danone

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Eine Milliarde Euro Umsatz weltweit im Jahr 2006, 265 Millionen Euro davon in Deutschland, drittstärkste Marke im deutschen Einzelhandel und umsatzstärkstes Produkt im Kühlregal: Actimel ist ein einziger Superlativ. Auf die Sprünge hilft der Hersteller dem Erfolg nicht nur mit einem jährlichen Werbeetat von 50 bis 60 Millionen Euro allein in Deutschland, sondern auch mit großzügigem Sponsoring wissenschaftlicher Belege für die angeblich besondere Wirksamkeit. Die Studien zeigen so einiges – vor allem aber eines: Danone macht aus einer Mücke einen Elefanten. Und zieht Verbraucherinnen und Verbrauchern mithilfe einer immensen Werbemaschinerie dreist das Geld aus der Tasche.


Der Darm spielt für die Immunabwehr eine wichtige Rolle. Danone wirbt damit, dass die probiotische Actimel-Joghurtkultur mit dem klangvollen Namen „Defensis“ die „Abwehrkräfte activiert“. Sie würde helfen, „unerwünschte Bakterien“ abzuwehren und die „Produktion lebenswichtiger Abwehrzellen ankurbeln“. Und so viel bakteriellen Heldenmut lässt Danone sich teuer bezahlen - Actimel kostet etwa viermal so viel wie mancher Naturjoghurt. Nur: So besonders heldenhaft ist Actimel gar nicht. Denn jeder Joghurt hat „gute“ Bakterien, die „schlechte“ abwehren und das Immunsystem trainieren. Ganz ohne „Defensis“.


In einer Fernsehwerbung empfiehlt Danone, sich mit Actimel „wetterfest zu machen“. Zitiert wird dabei eine „wissenschaftliche Studie“, die gezeigt habe, dass Actimel die „Aktivität körpereigener Immunzellen um 25% steigern kann“. Ein echtes Gesundheits-Wundermittel gegen Schmuddelwetter-Erkältungen also? Nein, denn die im Labor gemessene „Aktivität der Immunzellen“ sagt erst einmal herzlich wenig über die winterliche Schnupfenrealität aus. Keine der Studien, die Danone so gern aus der Tasche zieht, beweist nämlich, dass Actimel vor Erkältungen schützt. Und allgemein „aktiviert“ wird das Immunsystem auch durch Kefir oder Sauerkraut.

Foodwatchexpertin Anne Markwardt:
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Viele der von Danone präsentierten Studien belegen, dass Actimel eine Wirkung auf Darmflora und Immunsystem zeigt. Das ist allerdings auch kein Wunder, denn diese Wirkung zeigt jeder Joghurt. Die Universität Wien hat genauer untersucht, wie das Immunsystem auf Actimel und wie es auf Naturjoghurt reagiert. Das Ergebnis: Es gab kaum Unterschiede. Danone hat diese Studie sogar mitfinanziert. Allerdings taucht sie nirgends auf der Actimel-Homepage auf, die sonst nicht mit Verweisen auf wissenschaftliche Studien geizt. Aber Studien, die nicht ins Werbekonzept passen, würden die Verbraucher aus Sicht von Danone wahrscheinlich nur abschrecken.


Damit Joghurtbakterien eine Wirkung auf das Immunsystem entfalten können, muss man sie regelmäßig zu sich nehmen. Das gilt für Naturjoghurt genauso wie für Actimel. Im Fall von Actimel wird das jedoch schnell zu einer teuren Angelegenheit. Denn das angebliche Abwehr-Wunder kostet etwa viermal so viel wie der Naturjoghurt einer Handelsmarke, auch wenn Actimel nicht viel mehr kann als dieser. Wenn es das könnte, also das Immunsystem „renovieren“ oder deutlich verändern, dann wäre es ein Arzneimittel. Und dürfte gar nicht im Supermarkt verkauft werden.


Gut für den Darm und damit für das Immunsystem sind alle milchsauren Produkte – zum Beispiel Kefir, Sauerkraut oder Joghurt. In einigen Studien schneiden probiotische Produkte in der Behandlung von Durchfällen etwas besser ab als normaler Joghurt. Aber die Investition in Actimel lohnt sich trotzdem nicht. Nicht nur, weil es gesunden Menschen im Vergleich zu Naturjoghurt kaum nennenswerte Vorteile bringt. Sondern weil Actimel eine richtige Zuckerbombe ist. Ein Zuckeranteil von zehn bis zwölf Prozent macht den angeblichen Gesundmacher nämlich zu einer flüssigen Süßigkeit.


Actimel ist eines der am heftigsten beworbenen Produkte in Deutschland. In Großbritannien musste Danone 2006 nach Beschwerden von Zuschauern einen Spot wegen irreführender Werbeaussagen zurückziehen. Darin wurde behauptet, Actimel mache „schlechten“ Bakterien „das Leben schwerer“ und unterstütze „die natürlichen Abwehrkräfte“ von Kindern. In den USA bereitet eine Kanzlei derweil offenbar wegen irreführender Werbung eine Sammelklage von Verbrauchern gegen Danone vor. Mit so einer „Aktivierung“ der „Abwehrkräfte“ von Verbrauchern hat Danone wohl nicht gerechnet.


Danone bemüht sich sehr, den vollmundigen Werbeversprechen auf der Actimel-Homepage wissenschaftliche Glaubwürdigkeit zu verleihen. Allerdings weniger durch überzeugende Fakten als durch Bilder von weiß bekittelten Wissenschaftlern. Aber der Joghurtkonzern geht noch ganz andere Wege. In Wartezimmern von Arztpraxen können Patienten zum Beispiel auf Actimel-Gutscheine stoßen. Dreist nutzt Danone das vertrauensvolle und glaubwürdige Umfeld einer Arztpraxis aus, um sein Produkt zu bewerben. Aber die geliehene Glaubwürdigkeit trügt: Actimel ist kein Gesundheitsprodukt, sondern ein teurer Zuckerdrink.

Doch wie reagierte Danone auf die Kritik an ihrem Produkt? Foodwatchexpertin Anne Markwardt erklärt:
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„Öko-Test sagt ‚Gut’“, damit wirbt Danone auch im Fernsehen. Aber was sagt das Öko-Test-Siegel eigentlich aus? In Sachen Wirksamkeit überhaupt nichts. Getestet wurden zum Beispiel die Sauberkeit des Produktes sowie Geschmack und Konsistenz. Ob oder wie gut Actimel auf das Immunsystem wirkt, hat Öko-Test nicht untersucht. Stattdessen heißt es im Heft sogar: „Ein gewöhnlicher Naturjoghurt enthält keinen zusätzlichen Zucker. Ein klarer Vorteil gegenüber den Produkten aus dem Fläschchen.“ Schön, dass die Konsistenz des überzuckerten Trinkjoghurts stimmt – ein teurer Etikettenschwindel ist er trotzdem, auch mit Öko-Test-Siegel.