Focus Europa (#58) Mittwoch, 09.06.2010

ID 34512
 
1. Nachrichten aus Europa
2. Interview mit Marc Töpfer: EU-weite "Radikalendatei" geplant
3. Beitrag: Tangué geraubte Kultur aus Kamerun
Audio
30:24 min, 28 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 10.06.2010 / 20:24

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich:
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: Julia, Niels
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 09.06.2010
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet bastelt der europäische Rat dieser Tage an einem Tool, mit dem die – so wörtlich – „Radikalisierung“ potentieller „Gefährder“ systematisiert und in einem EU-weiten Informationssystem gespeichert werden soll.

Ein Teil der kolonialen Ausbeutung war auch der Raub von Kunst- und Kulturgegenständen. Bis heute werden solche Beutestücke teils unkommentiert in Museen ausgestellt. Wie so oft wird auch hier mit zweierlei Maß gemessen.
TEASER
Soweit der kamerunische Prinz Kum’a Ndumbe, der Erbe des rechtmäßigen Besitzers eines solchen Beutestücks. Genaueres in unserem zweiten Beitrag.

1. Nachrichten
Schülerinnen und Studierende demonstrieren in ganz Deutschland gegen die Bildungsmisere
Heute gingen in rund 70 deutschen Städten nach Angaben der Organisatorinnen 70.000 Schülerinnen, Studierende und Unterstützerinnen auf die Straße, um für ein besseres Bildungssystem zu demonstrieren. Sie forderten unter anderem die Abschaffung von Studiengebühren und eine umgehende Reform des europäischen Bolognaprozesses, der zur Umstellung der meisten Studiengänge auf Bachelor und Master geführt hat. Sie kritisieren, dass Bildung immer mehr zur Ware verkommt und es im Studium immer stärker um die berufliche Verwertbarkeit gehe. In mehreren Städten kam es auch wieder zu Aktionen des zivilen Ungehorsams. So wurden in Stuttgart U-Bahnen blockiert, in Konstanz eine Straße und in Münster, Aachen und Erlangen Gebäude besetzt. Auch in Freiburg fand eine Demonstration statt - ein Reporter von Radio Dreyeckland berichtet gegen 15Uhr 20 live von der Demo:

--> O-Ton PHILIPP

Nach etwa eineinhalb Stunden verließen die letzten Demonstrierenden in Freiburg dann freiwillig die Gleise: Ein weiterer Reporter von Radio Dreyeckland berichtet:

--> O-Ton MIRKO

Insgesamt kam es in Freiburg bis zur Stunde zu mehreren Ingewahrsamnahmen und Platzverweisen. Radio Dreyeckland wird in den nächsten Tagen ausführlicher berichten.


Große Beteiligung beim Streik in Spanien
An dem eintägigen Streik des öffentlichen Dienstes beteiligten sich gestern in Spanien nach Angaben der Gewerkschaften drei Viertel aller Beschäftigten. Der Grund für den Streik und die Massenproteste ist das von der Regierung vorgelegte Sparpaket. Dieses sieht derzeit vor allem Kürzungen im öffentlichen Dienst vor. Die spanische Regierung will in diesem und im nächsten Jahr die Ausgaben des Staates um 15 Milliarden Euro verringern. Zu diesem Zweck sollen die Gehälter im öffentlichen Dienst um bis zu fünf Prozent gekürzt werden.
In Spanien sind etwa 2,7 Millionen Menschen im öffentlichen Dienst beschäftigt. Laut Angaben der Deutschen Welle handelte es sich um den ersten Streik im spanischen öffentlichen Dienst seit 14 Jahren. Während die Gewerkschaften von einer Beteiligung von bis zu 75% sprachen, gab die Regierung eine Streikbeteiligung von 12% an.
BeobachterInnen werten den Streik vom Dienstag als Generalprobe für den seit Wochen von Gewerkschaftsseite angedrohten Generalstreik.

EU verlängert Kosovo-Mandat
Die Europäische Union hat das Mandat ihrer so genannten Rechtsstaatsmission EULEX im Kososvo um 2 Jahre verlängert. Dies teilte Yves de Kermabon, Leiter der EULEX, gestern in Brüssel mit. Ihm zufolge stehe gegenwärtig der Kampf gegen die Korruption im Mittelpunkt der Arbeit von EULEX. Erst vor wenigen Tagen hatte die EU den Kosovo-Regierungschef Hashim Thaçi aufgefordert, drei Minister wegen Korruption zu entlassen. Die Rechtsstaats-mission solle helfen, im Kosovo ein Rechtssystem nach westlichen Maßstäben aufzubauen. Knapp 2000 Justiz-, Zoll- und Polizeibeamte aus den EU- Ländern sind in der ehemaligen serbischen Provinz im Einsatz. Serbien erkennt die Unabhängigkeit des Kosovos unverändert nicht an.


Rechtsruck bei Parlamentswahlen in den Niederlanden wahrscheinlich
Nach dem Bruch der Koalition im Februar, wird heute in den Niederlanden ein neues Parlament gewählt. Bis 21 Uhr können die Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben. Im Februar war die Koalitionsregierung von Sozial- und Christdemokraten unter Ministerpräsident Jan-Peter Balkenende am Streit über den Afghanistan-Einsatz zerbrochen. Umfragen zufolge zeichnet sich nun ein Regierungswechsel ab: die rechtsliberale Partei für Freiheit und Demokratie könnte stärkste Kraft im neuen Parlament werden. Stimmenzugewinne werden ebenfalls der Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders vorhergesagt.

EU-weites Verbot von Leerverkäufen gefordert
Frankreich hat sich der Forderung Deutschlands nach einem Verbot von spekulativen Leerverkäufen angeschlossen. Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Sarkozy fordern in einem gemeinsamen Brief an die europäische Kommission in Brüssel einheitliche Regeln für Finanz-marktprodukte in der Europäischen Union. Maßnahmen hierzu sollten noch vor der Tagung des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister im Juli vorgestellt werden. Dabei wird unter anderem ein in Deutschland bereits beschlossenes Verbot von ungedeckten Leerverkäufen gefordert. Hierbei handelt es sich um den Verkauf von Wertpapieren, die der Verkäufer gar nicht besitzt. Gewettet wird hierbei auf fallende Kurse - können die Aktien doch später zu einem niedrigeren Kurs erneut am Markt gekauft werden und wenn alles gut geht, bleibt ein Gewinn. Bei umfangreichen Leerverkäufen kann es jedoch auch zu Dominoeffekten kommen, wenn in kurzer Zeit große Leerverkäufe wieder gedeckt werden müssen.
Die EU-Kommission begrüßte derweil den Vorstoß und erklärte, dass im Sommer konkrete Vorschläge für einen Gesetzentwurf präsentiert werden sollen.

2. Interview mit Marc Töpfer

Anmod:
Hat du schon mal einen kapitalismuskritischen Artikel geschrieben?
Warst du 2001 in Genua oder 2008 in Heiligendamm?
Bist du vielleicht kürzlich arbeitslos geworden, trägst du gerne schwarz oder hast du Bekannte auf einem Wagenplatz?
Dann hat du gute Chancen, bald als „agent“ oder „violent troublemaker“ in einer EU-Datei zu landen, auf die dann die nationalen Staatsschützer_innen aller EU-Staaten zugreifen.
Mit diesen Plänen des europäischen Rates beschäftigt sich Eric Töpfer, von der Zeitschrift Bürgerrechte und Polizei, der uns im Interview erklärt, was da grade passiert.

3. Beitrag: Tangué: geraubte Kultur aus Kamerun

Abmod:
Bis heute hat das Museum, das nach eigenen Angaben seit Monaten dabei ist, ein Dossier über den Tangue zu erstellen, immer noch nicht der Wahrheit wenigstens insoweit Rechnung getragen, dass die Beschriftung des Tangué in der Ausstellung geändert wurde. „Schenkung“ steht da nach wir vor.

Prinz Kum’a Ndumbe ist Universiätsprofessor, Schriftsteller und Gründer von Africavenir. Das Interview mit ihm führte Judith Strom.
Christian Kopp ist Mitglied von Berlin postkolonial und war Mitveranstalter der letztjährigen Kampagne 125 Jahre Berliner Afrika-Konferenz.
Mit zusätzlichen Informationen unterstützte uns München postkolonial.