Atomenergie Serie Folge 08 Die stille Katastrophe
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25:44 min, 24 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 25.03.2009 / 17:38
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Klassifizierung
Beitragsart: Reportage
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Umwelt
Serie: Burning Beds
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Info-Serie Atomenergie
Folge 8
Die stille Katastrophe
Bereits der "Normalbetrieb" von Atomkraftwerken ist eine stille Katastrophe. Noch vor einem Vierteljahrhundert wurde von Atom-Industrie und Politik behauptet, aus einem Atomkraftwerk könne keine Radioaktivität entweichen. Doch bereits damals war Fachleuten bekannt, daß radioaktives Tritium, das in Atomreaktoren entsteht, von keinem der in den Kraftwerken eingesetzten Materialien zurückgehalten werden kann.
Das gasförmige Tritium ist ein Isotop des Wasserstoffs. Seine Halbwertzeit beträgt 12 Jahre. Die Ausbreitung dieses Gases ist nahezu unkontrollierbar. Es entweicht durch die Wände sowohl von Stahl-, als auch von Beton- und Kunststoff-Tanks. Und Tritium ist nur einer aus einer Vielzahl radioaktiver Stoffe, die bei der "friedlichen" Nutzung der Atomenergie in die Biosphäre gelangen.
Am 7. Dezember 2007 wurde eine Studie veröffentlicht, die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Auftrag gegeben worden war. Bereits im Juli 2007 lag eine entsprechende US-amerikanische Studie vor, die nach einer Untersuchung an 136 Atomkraftwerke zum Ergebnis kam, daß das Krebsrisiko im näheren Umkreis von Atomkraftwerken um durchschnittlich 24 Prozent erhöht ist. Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2001 ermittelte bei einer Untersuchung dreier bayerischen AKW, daß die kindliche Krebsrate in deren Umkreis hochsignifikant um 30,6 Prozent erhöht ist. Doch erst die im Dezember veröffentlichte Studie schlug in den deutschen Mainstream-Medien Wellen.
Auch die BfS-Studie zeigte auf, daß Kleinkinder, die in der Nähe von Kernkraftwerken leben, signifikant häufiger an Krebs erkranken. Laut der Studie steigt die Zahl krebskranker Kinder, je näher ihr Wohnort an einem der 17 deutschen Reaktorstandorte liegt. Dennoch wurde das Ergebnis von Atom-Industrie und Politik heruntergespielt und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Atomkraftwerk und Krebserkrankung in Abrede gestellt.
Neben der Freisetzung von Radioaktivität beim "Normalbetrieb" der Atomkraftwerke, bei den alterungsbedingt immer häufigeren Pannen und bei den keineswegs seltenen schweren Unfällen, tragen Uran-Abbau, Uran-Anreicherung, der Betrieb von Brennelementefabriken und die Plutoniumfabriken ("Wiederaufarbeitungsanlagen") zur radioaktiven Verseuchung der Umwelt bei.
Die franzäsische Plutoniumfabrik La Hague am Ärmelkanal "entsorgt" ihre Radioaktivität über Kamine und Pipelines. Nach Angaben des 'World Information Service on Energy' (WISE) in Paris gibt La Hague 40mal mehr Radioaktivität in die Umwelt ab als alle rund 440 weltweit betriebenen Reaktoren zusammen. Das Risiko, im Umkreis der Anlage an Leukämie zu erkranken ist "statistisch signifikant erhöht", schrieb bereits 1990 das 'British Medical Journal'.
Nach einem Report von CRIIRAD, einem unabhängigen Forschungslabor, wurden in Luft, Wasser und Boden rund um La Hague hohe Werte an Jod-129 gemessen. Die radioaktiven Abwässer aus La Hague gelangen über den Golfstrom durch den Ärmelkanal in die Nordsee und die Deutsche Bucht. Den Südwesten Norwegens erreichen sie in gut einem Jahr.
Zwischen 1967 und 1969 ließ die französische Atomenergiekommission CEA 46.000 radioaktive Behälter aus Marcoule im Atlantik versenken. Selbst im Mittelmeer, nur 80 Kilometer von der Küste entfernt, wurde trotz der Proteste des bekannten Meeresfoschers Jacques Cousteau, Atommüll versenkt.
1997 entdeckte Greenpeace, daß die Cogema, Betreiberfirma von La Hague, ihren radioaktiven Müll einfach ins Meer leitet. Durch eine Rekordebbe lag eines der Abfallrohre frei. Die damalige französische Umweltministerin, Dominique Voynet, ließ die Angaben von Greenpeace, die von der Cogema heftig abgestritten wurden, überprüfen. Die Messungen ergaben, daß die Werte wesentlich höher waren, als es selbst Greenpeace für möglich gehalten hatte. Der erlaubte EU-Wert von 100.000 Becquerel pro Kilogramm wurde mit gemessenen 155 Millionen Becquerel weit übertroffen. Ein unabhängiges Forschungsteam maß sogar 3.000fache Überschreitungen. Außerdem wiesen sie nach, daß Strände, Meerwasser und Fische in der Nähe der Anlage hoch verseucht waren. Das führte letztendlich dazu, daß die französische Umweltministerin die Strände sperrte und ein Fischfangverbot erließ.
Die Auswirkungen der britischen Plutoniumfabrik Sellafield übertreffen selbst die der Anlage in La Hague. Allein zwischen 1979 und 1986 hatten sich 672 Unfälle ereignet. Wie La Hague setzt auch Sellafield auf "Verdünnungsentsorgung" und verseucht bedenkenlos Luft und Wasser. Die norwegische Strahlenschutzbehörde schätzt die freigewordene Radioaktivität auf 40.000 Becquertoniums für die amerikanischen Atomwaffen hergestellt.
Die 'Zeit' schrieb hierüber am 26. Mai 1995:
"In diesem Gebiet wurden 1,6 Milliarden Hektoliter radioaktiv oder chemisch verseuchte Flüssigkeiten in den Boden gekippt. Von hier aus wurde mit radioaktiven Abwässern das Grundwasser und der Columbia River verseucht, wurden mit dem Westwind Krebs und Schilddrüsenerkrankungen in die nahen Dörfer getragen. Hier sind 765.000 Kubikmeter leicht verstrahlten Abfalls flach im Boden verscharrt und wurden 1.400 verseuchte Geländestellen kartographiert - bislang.(...) Die K-Basins zum Beispiel, zwei Betonklötze, keine vierhundert Meter vom Fluß entfernt: Was tun damit? Hinter den fensterlosen Mauern liegen 2.300 Tonnen ausgebrannten Reaktorbrennstoffs in großen Becken. Die Gebäude verfallen. Ihr Ventilationssystem ist so veraltet wie die elektrischen Leitungen und Wasserleitungen. Die mehr als 100.000 Brennstäbe, teils in Aluminium, teils in Stahlbehältern sechs Meter unter der Wasseroberfläche, sollten hier ursprünglich nur für Monate zwischengelagert werden. (...) Dann ging der Kalte Krieg zu Ende und das nahe gelegene Werk zur Wiederaufarbeitung wurde geschlossen. Nun zeigen viele Brennstäbe und Behälter Zersetzungserscheinungen, entlassen Plutonium und Strontium-90 ins Wasser. Ab und zu aufsteigende Blasen beweisen den Zerfallsprozeß. Auf dem Boden des Bassins hat sich tödlicher Schleim gebildet. (...) Oder die 'tank.farm'. Sie ist das andere der beiden schwersten Probleme im Hanford-Gebiet. Nur Betonplatten und Meßgeräte sind jenseits des Zauns zu sehen. Darunter liegen in zwei bis drei Meter Tiefe 177 Tanks. Von diesen 177 haben nur 28 doppelte Wände, aber jeder einzelne ist bis zu zehn Meter Höhe mit hochgradig radioaktiven Abfallflüssigkeiten gefüllt."
In Rußland und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist die Lage noch schlimmer. Auf der Halbinsel Kola, direkt neben Norwegen und 2000 Kilometer von Hamburg entfernt, lagern mehr als 200 verschrottete Atomreaktoren, die überwiegend aus Atom-U-Booten stammen. Hinzu kommen Zwischenlager mit hochradioaktiven Brennelementen. Die Behälter haben Risse, und das Gelände wird nicht überwacht, ja es ist noch nicht einmal eingezäunt. Radioaktivität wird frei. Im 'stern' vom 12. Juni 1997 wurde über die Stadt Murmansk auf der Halbinsel Kola berichtet: Nur noch zwei Prozent der Kinder kommen dort gesund zur Welt.
Nach Berichten des 'stern' vom 20. März 1997 und der 'Hamburger Morgenpost' vom 23. September 1995 kam es in Daurija nahe der chinesischen Grenze beinahe zu einem radioaktiven Inferno. Der Kommandeur der 122. Artilleriegardedivision ließ das örtliche Elektrizitätswerk von 15 mit Maschinenpistolen bewaffneten Soldaten stürmen, weil der Strom für die Atommüll-Deponie abgeschaltet worden war. Da die russische Armee ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlte, stellten die örtlichen Elektrizitätswerke am Polarmeer kurzerhand den Strom ab. Bei einem von vier stillgelegten Atom-U-Booten fiel daraufhin das Kühlsystem aus. Erst Marinesoldaten mit vorgehaltenen Waffen konnten erzwingen, daß der Strom wieder angeschaltet wurde, und so ein Durchgehen des Reaktors verhindern.
Das Meer dient auch den Russen seit Jahrzehnten als Müllschlucker für nuklearen Abfall. Unbrauchbare Atomreaktoren samt anderer nuklearer Hinterlassenschaften werden einfach ins Meer gekippt. Auch in den Gewässern um die Inselkette Nowaja Semlja hatte die Sowjetunion unter Mißachtung aller völkerrechtlichen Verträge jahrzehntelang hochradioaktiven Müll jeglicher Art in der Karasee versenkt. Hinzu kommen die hochradioaktiven Abfälle aus der Plutoniumproduktion in Tomsk, die durch den Fluß Ob in die Karasee entsorgt werden. Nach Angaben von Nikolai Aibulatow, Direktor am Ozeanographischen Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, wurden in der Karasee als auch in der Nähe der Hafenstadt Amderma bedrohliche Strahlenwerte gemessen. Die Fische seien verseucht. Doch ungerührt wird weiterhin Atommüll ins Meer "entsorgt".
Die Zustände in anderen Ländern wie China, Pakistan, Indien, Israel, Brasilien, Argentinien oder Südafrika, die das Spiel mit dem nuklearen Feuer ebenfalls angefangen haben, sind noch katastrophaler.
1987 sorgten bestochene Atomenergie-Manager und geschmierte Kontrolleure für den größten Skandal in der Geschichte der deutschen Atomindustrie. Der 'spiegel' schrieb am 28. Dezember 1987: "(...) illegale Schiebereien mit falsch deklariertem Atommüll zeigen: Selbst der hochgiftige Bombenstoff Plutonium, angeblich Milligramm für Milligramm scharf überwacht, kann der internationalen Kontrolle entzogen werden." Die gesamte deutsche Atomindustrie hatte zwischen Deutschland und dem belgischen "Atomforschungszentrum" Mol Atommüll hin- und hergeschoben. Angeblich sollte in Mol deutscher Atommüll behandelt werden. Aber in Mol wurden nur weitere Mengen hochgiftigen Mülls wie Plutonium und radioaktives Kobalt-60 in den deutschen Müll gemischt. Dann wurde Zementpulver auf die Oberfläche gestreut. Dadurch kam Feuchtigkeit in die Behälter. Es entwickelten sich Gase , die Fässer blähten sich auf und drohten zu explodieren. Danach ließen die Gangster den Atommüll auf belgischen Müllkippen verschwinden oder transportierten ihn zurück nach Deutschland. Mol war der europäische Rangierbahnhof für Atommüll, in dem in schwachradioaktiven Müll hochradioaktives Reaktormaterial geschmuggelt und dann in die Schweiz, nach Frankreich und Deutschland transportiert wurde.
Die Hanauer Atomfirma Transnuklear, die 80 Prozent aller Transporte strahlender Fracht in Deutschland abwickelte, täuschte die Öffentlichkeit. Erst wurde dementiert, dann schließlich scheibchenweise zugegeben, was nicht mehr zu leugnen war. Aus den "Unkorrektheiten" mit wenigen Fässern wurde der größte Korruptionsskandal der deutschen Atomgeschichte, der bewies, daß Mafiastrukturen in der Atomindustrie alltäglich sind. Aus den "wenigen" Fässern wurden über 2000 Stück, Begleitpapiere waren gefälscht, und über 20 Millionen Mark an Schmiergeldern waren geflossen. Unter anderem wurden rund 100 Mitarbeiter aller deutscher Atomkraftwerke geschmiert.
Ein wahrer Sumpf tat sich auf: Nummernkonten in der Schweiz, Schwarzgeld in den Kassen und Listen mit Namen aus dem gesamten Bereich der Atomindustrie. Honorige Mitarbeiter aus Atomkraftwerken und Elektrizitätsgesellschaften, Strahlenschutzbeauftragte und Sicherheitsexperten verkauften sich an die Atom-Mafia und wurden erpreßbar. Beliefen sich die Bestechungsgelder im April 1987 auf "nur" fünf Millionen Mark, so erhöhte sich nach näherer Durchforstung der Unterlagen diese Summe auf 21 Millionen. Besuche in teuren Luxus-Bordellen, kostbare Geschenke und sehr viel bares Geld kamen zum Einsatz. Auch Mitarbeiter der Atomforschungszentren in Jülich und Karlsruhe, aber auch in Mol und anderen ausländischen Anlagen, die sich an den Manipulationen beteiligten, wurden nicht vergessen.
Die 'Zeit' schrieb am 22. Januar 1988: "Der Transnuklear-Skandal in Verbindung mit dem Atombetrieb in Mol macht augenfällig, wie mühelos Hunderte von Atommüllfässern mit ungenauen oder gar falschen Deklarationen über Grenzen verschoben, gelagert und zurückgenommen werden können."
Auch die Gefahr durch sogenannte Niedrigstradioaktivität wurde über Jahrzehnte hin heruntergespielt. Die "Erkenntnisse" basierten lange Zeit weitestgehend auf den Daten über die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki. Da die US-Regierung aber sämtliches Material über die Strahlungsmenge beschlagnahmen, vernichten oder verfälschen ließ, sind die darauf beruhenden Risikoberechnungen äußerst fragwürdig.
Erste Anzeichen, daß "Niedrigstradioaktivität" für die davon Betroffenen gefährlich ist, zeigten sich in einer Firma im Mittleren Westen der USA. Die Radium Dial Company stellte Leuchtzifferblätter für Uhren her. Reihenweise starben junge Mitarbeiterinnen an Radiumvergriftung oder Krebs. Strahlenschutzexperten stritten einen Zusammenhang ab. Bestochene Anwälte weigerten sich, die Opfer zu vertreten. Erst 1978 wurde die Firma wegen "Gesundheits- und Sicherheitsrisiken" geschlossen.
Dann folgten die Studien von Thomas Mancuso, Alice Stewart und George Kneal. Alice Stewart wies für Leukämie im Kindesalter eine verursachende Stahlenbelastung von 0,2 Rem nach. In einer weiteren Studie an 30.000 Arbeitern in der US-amerikanischen Hanford-Anlage wurde nachgewiesen, daß Strahenkrebs zehn- bis dreißigmal häufiger auftrat, als nach den Berechnungsgrundlagen der Strahlenschutzbestimmungen angenommen worden war.
Jahrelang wurde in den USA mit Gutachten und Gegengutachten darum gestritten, ob es einen sicheren "Schwellenwert" gäbe. 1980 kam das BEIR-Komitee (Biological Effects of Ionizing Radiation) in seinem BEIR-3-Report zum Schluß, daß kein solcher Schwellenwert existiert. Auch das US-amerikanische NRC (Nuclear Regulatory Commission) gab daraufhin über die Medien bekannt, daß es keinen Strahlenwert gebe, der harmlos sei. So wurde angeregt, den "Toleranzwert" für Arbeiter von 5 Rem auf 0,5 Rem herabzusetzen. Dennoch veröffentlichte die US-Regierung 1985 einen Bericht, den verschiedene Geundheitsbehörden herausgaben, in dem die Strahlung verharmlost und alle neuen Erkenntnisse völlig ignoriert wurden.
1988 veröffentlichte eine amerikanisch-japanische Forschergruppe in der Wissenschaftszeitschrift 'Science', daß bereits niedrige Mengen radioaktiver Strahlung etwa fünfmal gefährlicher für die menschliche Gesundheit sind als bisher angenommen. Die auf den Opferzahlen von Hiroshima und Nagasaki beruhenden Berechnungen seien von einer theoretischen Annahme ausgegangen, die nachweisbar falsch war. Die Atombomben-Opfer hatten erheblich weniger Strahlung abbekommen als berechnet, denn damals sei die Wirkung der Neutronenstrahlen sei viel zu hoch angesetzt worden.
Die US-amerikanische Akademie der Wissenschaften brachte Ende 1989 einen Bericht heraus, wonach das Risiko, durch schwache Strahlung an Krebs zu erkranken viermal höher sei als bisher angenommen. Die ionisierende Strahlung, ob von Atomanlagen, Röntgengeräten oder natürlichem Hintergrund, sei unterschätzt worden. Selbst das BEIR-Komitee mußte 1990 erneut die durch "Niedrigstradioaktivität" verursachten Schäden um das Vierfache anheben.
1991 folgte eine weitere Studie, bei der die Todesursache von 8.318 Männern in der Atomfabrik Oak Ridge untersucht wurde. Noch 1977 war die Anzahl der Krebsfälle im unauffälligen Bereich. Doch inzwischen hatte sich die Lage dramatisch verändert. Die Krebs- und Leukämierate war hochgeschossen. Der 'spiegel' berichtete in seiner Ausgabe vom 25. März 1991: "Fazit der Studie: In allen vorhandenen Untersuchungen in Atomanlagen wurde die Krebsgefahr bei weitem unterschätzt, weil die Beobachtungen zu früh abgebrochen wurden. Offenbar zeigen sich viele Tumore erst nach mehr als 20 Jahren, nachdem die radioaktiven Strahlen auf das Gewebe eingewirkt haben."
Nach wie vor wird auch heute häufig ein wichtiger Unterschied zwischen der Belastung durch die natürliche Hintergrundstrahlung und künstliche Strahlungsquellen unterschlagen: Von außen auftreffende Strahlung dringt zum Teil erst gar nicht durch die Haut ein und strahlt, wenn sie vom Körper absorbiert ist, dort nicht mehr weiter. Die Strahlenquelle liegt im All, in der Sonne oder im Gestein der Erde gebunden. Im Gegensatz zu einer 100-mrem-Belastung durch Fallout sendet eine 100-mrem-Belastung durch eine Röntgenaufnahme keine strahlenden Teilchen aus, die vom Menschen aufgenommen werden können.
Beim "Normalbetrieb" der Atomkraftwerke und erst recht bei Unfällen, werden hunderte verschiedener Isotope als einzelne strahlende Teilchen frei. Sie gelangen beim Atmen, durch Lunge und Hut und durch Nahrungsaufnahme in den Körper und werden dort in unterschiedlichen Konzentrationen in verschiedenen Organen eingebaut. Dort strahlen sie über Jahre hinweg und zerstören natürliche Zellfunktionen, so daß sie Krebs und andere Krakheiten auslösen können.
Dabei ist es unsinnig zu fragen, wieviel Becquerel für einen Menschen schädlich sind. Denn bei der Strahlung ist es, wie wenn jemand mit einem Maschinengewehr blind in die Menge schießt. Da wäre es unsinnig zu fragen, wieviele Kugeln tödlich sind. Aber die Chance, getroffen zu werden, ist um so größer, je mehr Kugeln pro Sekunde in die Menge geschossen werden.
Folge 8
Die stille Katastrophe
Bereits der "Normalbetrieb" von Atomkraftwerken ist eine stille Katastrophe. Noch vor einem Vierteljahrhundert wurde von Atom-Industrie und Politik behauptet, aus einem Atomkraftwerk könne keine Radioaktivität entweichen. Doch bereits damals war Fachleuten bekannt, daß radioaktives Tritium, das in Atomreaktoren entsteht, von keinem der in den Kraftwerken eingesetzten Materialien zurückgehalten werden kann.
Das gasförmige Tritium ist ein Isotop des Wasserstoffs. Seine Halbwertzeit beträgt 12 Jahre. Die Ausbreitung dieses Gases ist nahezu unkontrollierbar. Es entweicht durch die Wände sowohl von Stahl-, als auch von Beton- und Kunststoff-Tanks. Und Tritium ist nur einer aus einer Vielzahl radioaktiver Stoffe, die bei der "friedlichen" Nutzung der Atomenergie in die Biosphäre gelangen.
Am 7. Dezember 2007 wurde eine Studie veröffentlicht, die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Auftrag gegeben worden war. Bereits im Juli 2007 lag eine entsprechende US-amerikanische Studie vor, die nach einer Untersuchung an 136 Atomkraftwerke zum Ergebnis kam, daß das Krebsrisiko im näheren Umkreis von Atomkraftwerken um durchschnittlich 24 Prozent erhöht ist. Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2001 ermittelte bei einer Untersuchung dreier bayerischen AKW, daß die kindliche Krebsrate in deren Umkreis hochsignifikant um 30,6 Prozent erhöht ist. Doch erst die im Dezember veröffentlichte Studie schlug in den deutschen Mainstream-Medien Wellen.
Auch die BfS-Studie zeigte auf, daß Kleinkinder, die in der Nähe von Kernkraftwerken leben, signifikant häufiger an Krebs erkranken. Laut der Studie steigt die Zahl krebskranker Kinder, je näher ihr Wohnort an einem der 17 deutschen Reaktorstandorte liegt. Dennoch wurde das Ergebnis von Atom-Industrie und Politik heruntergespielt und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Atomkraftwerk und Krebserkrankung in Abrede gestellt.
Neben der Freisetzung von Radioaktivität beim "Normalbetrieb" der Atomkraftwerke, bei den alterungsbedingt immer häufigeren Pannen und bei den keineswegs seltenen schweren Unfällen, tragen Uran-Abbau, Uran-Anreicherung, der Betrieb von Brennelementefabriken und die Plutoniumfabriken ("Wiederaufarbeitungsanlagen") zur radioaktiven Verseuchung der Umwelt bei.
Die franzäsische Plutoniumfabrik La Hague am Ärmelkanal "entsorgt" ihre Radioaktivität über Kamine und Pipelines. Nach Angaben des 'World Information Service on Energy' (WISE) in Paris gibt La Hague 40mal mehr Radioaktivität in die Umwelt ab als alle rund 440 weltweit betriebenen Reaktoren zusammen. Das Risiko, im Umkreis der Anlage an Leukämie zu erkranken ist "statistisch signifikant erhöht", schrieb bereits 1990 das 'British Medical Journal'.
Nach einem Report von CRIIRAD, einem unabhängigen Forschungslabor, wurden in Luft, Wasser und Boden rund um La Hague hohe Werte an Jod-129 gemessen. Die radioaktiven Abwässer aus La Hague gelangen über den Golfstrom durch den Ärmelkanal in die Nordsee und die Deutsche Bucht. Den Südwesten Norwegens erreichen sie in gut einem Jahr.
Zwischen 1967 und 1969 ließ die französische Atomenergiekommission CEA 46.000 radioaktive Behälter aus Marcoule im Atlantik versenken. Selbst im Mittelmeer, nur 80 Kilometer von der Küste entfernt, wurde trotz der Proteste des bekannten Meeresfoschers Jacques Cousteau, Atommüll versenkt.
1997 entdeckte Greenpeace, daß die Cogema, Betreiberfirma von La Hague, ihren radioaktiven Müll einfach ins Meer leitet. Durch eine Rekordebbe lag eines der Abfallrohre frei. Die damalige französische Umweltministerin, Dominique Voynet, ließ die Angaben von Greenpeace, die von der Cogema heftig abgestritten wurden, überprüfen. Die Messungen ergaben, daß die Werte wesentlich höher waren, als es selbst Greenpeace für möglich gehalten hatte. Der erlaubte EU-Wert von 100.000 Becquerel pro Kilogramm wurde mit gemessenen 155 Millionen Becquerel weit übertroffen. Ein unabhängiges Forschungsteam maß sogar 3.000fache Überschreitungen. Außerdem wiesen sie nach, daß Strände, Meerwasser und Fische in der Nähe der Anlage hoch verseucht waren. Das führte letztendlich dazu, daß die französische Umweltministerin die Strände sperrte und ein Fischfangverbot erließ.
Die Auswirkungen der britischen Plutoniumfabrik Sellafield übertreffen selbst die der Anlage in La Hague. Allein zwischen 1979 und 1986 hatten sich 672 Unfälle ereignet. Wie La Hague setzt auch Sellafield auf "Verdünnungsentsorgung" und verseucht bedenkenlos Luft und Wasser. Die norwegische Strahlenschutzbehörde schätzt die freigewordene Radioaktivität auf 40.000 Becquertoniums für die amerikanischen Atomwaffen hergestellt.
Die 'Zeit' schrieb hierüber am 26. Mai 1995:
"In diesem Gebiet wurden 1,6 Milliarden Hektoliter radioaktiv oder chemisch verseuchte Flüssigkeiten in den Boden gekippt. Von hier aus wurde mit radioaktiven Abwässern das Grundwasser und der Columbia River verseucht, wurden mit dem Westwind Krebs und Schilddrüsenerkrankungen in die nahen Dörfer getragen. Hier sind 765.000 Kubikmeter leicht verstrahlten Abfalls flach im Boden verscharrt und wurden 1.400 verseuchte Geländestellen kartographiert - bislang.(...) Die K-Basins zum Beispiel, zwei Betonklötze, keine vierhundert Meter vom Fluß entfernt: Was tun damit? Hinter den fensterlosen Mauern liegen 2.300 Tonnen ausgebrannten Reaktorbrennstoffs in großen Becken. Die Gebäude verfallen. Ihr Ventilationssystem ist so veraltet wie die elektrischen Leitungen und Wasserleitungen. Die mehr als 100.000 Brennstäbe, teils in Aluminium, teils in Stahlbehältern sechs Meter unter der Wasseroberfläche, sollten hier ursprünglich nur für Monate zwischengelagert werden. (...) Dann ging der Kalte Krieg zu Ende und das nahe gelegene Werk zur Wiederaufarbeitung wurde geschlossen. Nun zeigen viele Brennstäbe und Behälter Zersetzungserscheinungen, entlassen Plutonium und Strontium-90 ins Wasser. Ab und zu aufsteigende Blasen beweisen den Zerfallsprozeß. Auf dem Boden des Bassins hat sich tödlicher Schleim gebildet. (...) Oder die 'tank.farm'. Sie ist das andere der beiden schwersten Probleme im Hanford-Gebiet. Nur Betonplatten und Meßgeräte sind jenseits des Zauns zu sehen. Darunter liegen in zwei bis drei Meter Tiefe 177 Tanks. Von diesen 177 haben nur 28 doppelte Wände, aber jeder einzelne ist bis zu zehn Meter Höhe mit hochgradig radioaktiven Abfallflüssigkeiten gefüllt."
In Rußland und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist die Lage noch schlimmer. Auf der Halbinsel Kola, direkt neben Norwegen und 2000 Kilometer von Hamburg entfernt, lagern mehr als 200 verschrottete Atomreaktoren, die überwiegend aus Atom-U-Booten stammen. Hinzu kommen Zwischenlager mit hochradioaktiven Brennelementen. Die Behälter haben Risse, und das Gelände wird nicht überwacht, ja es ist noch nicht einmal eingezäunt. Radioaktivität wird frei. Im 'stern' vom 12. Juni 1997 wurde über die Stadt Murmansk auf der Halbinsel Kola berichtet: Nur noch zwei Prozent der Kinder kommen dort gesund zur Welt.
Nach Berichten des 'stern' vom 20. März 1997 und der 'Hamburger Morgenpost' vom 23. September 1995 kam es in Daurija nahe der chinesischen Grenze beinahe zu einem radioaktiven Inferno. Der Kommandeur der 122. Artilleriegardedivision ließ das örtliche Elektrizitätswerk von 15 mit Maschinenpistolen bewaffneten Soldaten stürmen, weil der Strom für die Atommüll-Deponie abgeschaltet worden war. Da die russische Armee ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlte, stellten die örtlichen Elektrizitätswerke am Polarmeer kurzerhand den Strom ab. Bei einem von vier stillgelegten Atom-U-Booten fiel daraufhin das Kühlsystem aus. Erst Marinesoldaten mit vorgehaltenen Waffen konnten erzwingen, daß der Strom wieder angeschaltet wurde, und so ein Durchgehen des Reaktors verhindern.
Das Meer dient auch den Russen seit Jahrzehnten als Müllschlucker für nuklearen Abfall. Unbrauchbare Atomreaktoren samt anderer nuklearer Hinterlassenschaften werden einfach ins Meer gekippt. Auch in den Gewässern um die Inselkette Nowaja Semlja hatte die Sowjetunion unter Mißachtung aller völkerrechtlichen Verträge jahrzehntelang hochradioaktiven Müll jeglicher Art in der Karasee versenkt. Hinzu kommen die hochradioaktiven Abfälle aus der Plutoniumproduktion in Tomsk, die durch den Fluß Ob in die Karasee entsorgt werden. Nach Angaben von Nikolai Aibulatow, Direktor am Ozeanographischen Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, wurden in der Karasee als auch in der Nähe der Hafenstadt Amderma bedrohliche Strahlenwerte gemessen. Die Fische seien verseucht. Doch ungerührt wird weiterhin Atommüll ins Meer "entsorgt".
Die Zustände in anderen Ländern wie China, Pakistan, Indien, Israel, Brasilien, Argentinien oder Südafrika, die das Spiel mit dem nuklearen Feuer ebenfalls angefangen haben, sind noch katastrophaler.
1987 sorgten bestochene Atomenergie-Manager und geschmierte Kontrolleure für den größten Skandal in der Geschichte der deutschen Atomindustrie. Der 'spiegel' schrieb am 28. Dezember 1987: "(...) illegale Schiebereien mit falsch deklariertem Atommüll zeigen: Selbst der hochgiftige Bombenstoff Plutonium, angeblich Milligramm für Milligramm scharf überwacht, kann der internationalen Kontrolle entzogen werden." Die gesamte deutsche Atomindustrie hatte zwischen Deutschland und dem belgischen "Atomforschungszentrum" Mol Atommüll hin- und hergeschoben. Angeblich sollte in Mol deutscher Atommüll behandelt werden. Aber in Mol wurden nur weitere Mengen hochgiftigen Mülls wie Plutonium und radioaktives Kobalt-60 in den deutschen Müll gemischt. Dann wurde Zementpulver auf die Oberfläche gestreut. Dadurch kam Feuchtigkeit in die Behälter. Es entwickelten sich Gase , die Fässer blähten sich auf und drohten zu explodieren. Danach ließen die Gangster den Atommüll auf belgischen Müllkippen verschwinden oder transportierten ihn zurück nach Deutschland. Mol war der europäische Rangierbahnhof für Atommüll, in dem in schwachradioaktiven Müll hochradioaktives Reaktormaterial geschmuggelt und dann in die Schweiz, nach Frankreich und Deutschland transportiert wurde.
Die Hanauer Atomfirma Transnuklear, die 80 Prozent aller Transporte strahlender Fracht in Deutschland abwickelte, täuschte die Öffentlichkeit. Erst wurde dementiert, dann schließlich scheibchenweise zugegeben, was nicht mehr zu leugnen war. Aus den "Unkorrektheiten" mit wenigen Fässern wurde der größte Korruptionsskandal der deutschen Atomgeschichte, der bewies, daß Mafiastrukturen in der Atomindustrie alltäglich sind. Aus den "wenigen" Fässern wurden über 2000 Stück, Begleitpapiere waren gefälscht, und über 20 Millionen Mark an Schmiergeldern waren geflossen. Unter anderem wurden rund 100 Mitarbeiter aller deutscher Atomkraftwerke geschmiert.
Ein wahrer Sumpf tat sich auf: Nummernkonten in der Schweiz, Schwarzgeld in den Kassen und Listen mit Namen aus dem gesamten Bereich der Atomindustrie. Honorige Mitarbeiter aus Atomkraftwerken und Elektrizitätsgesellschaften, Strahlenschutzbeauftragte und Sicherheitsexperten verkauften sich an die Atom-Mafia und wurden erpreßbar. Beliefen sich die Bestechungsgelder im April 1987 auf "nur" fünf Millionen Mark, so erhöhte sich nach näherer Durchforstung der Unterlagen diese Summe auf 21 Millionen. Besuche in teuren Luxus-Bordellen, kostbare Geschenke und sehr viel bares Geld kamen zum Einsatz. Auch Mitarbeiter der Atomforschungszentren in Jülich und Karlsruhe, aber auch in Mol und anderen ausländischen Anlagen, die sich an den Manipulationen beteiligten, wurden nicht vergessen.
Die 'Zeit' schrieb am 22. Januar 1988: "Der Transnuklear-Skandal in Verbindung mit dem Atombetrieb in Mol macht augenfällig, wie mühelos Hunderte von Atommüllfässern mit ungenauen oder gar falschen Deklarationen über Grenzen verschoben, gelagert und zurückgenommen werden können."
Auch die Gefahr durch sogenannte Niedrigstradioaktivität wurde über Jahrzehnte hin heruntergespielt. Die "Erkenntnisse" basierten lange Zeit weitestgehend auf den Daten über die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki. Da die US-Regierung aber sämtliches Material über die Strahlungsmenge beschlagnahmen, vernichten oder verfälschen ließ, sind die darauf beruhenden Risikoberechnungen äußerst fragwürdig.
Erste Anzeichen, daß "Niedrigstradioaktivität" für die davon Betroffenen gefährlich ist, zeigten sich in einer Firma im Mittleren Westen der USA. Die Radium Dial Company stellte Leuchtzifferblätter für Uhren her. Reihenweise starben junge Mitarbeiterinnen an Radiumvergriftung oder Krebs. Strahlenschutzexperten stritten einen Zusammenhang ab. Bestochene Anwälte weigerten sich, die Opfer zu vertreten. Erst 1978 wurde die Firma wegen "Gesundheits- und Sicherheitsrisiken" geschlossen.
Dann folgten die Studien von Thomas Mancuso, Alice Stewart und George Kneal. Alice Stewart wies für Leukämie im Kindesalter eine verursachende Stahlenbelastung von 0,2 Rem nach. In einer weiteren Studie an 30.000 Arbeitern in der US-amerikanischen Hanford-Anlage wurde nachgewiesen, daß Strahenkrebs zehn- bis dreißigmal häufiger auftrat, als nach den Berechnungsgrundlagen der Strahlenschutzbestimmungen angenommen worden war.
Jahrelang wurde in den USA mit Gutachten und Gegengutachten darum gestritten, ob es einen sicheren "Schwellenwert" gäbe. 1980 kam das BEIR-Komitee (Biological Effects of Ionizing Radiation) in seinem BEIR-3-Report zum Schluß, daß kein solcher Schwellenwert existiert. Auch das US-amerikanische NRC (Nuclear Regulatory Commission) gab daraufhin über die Medien bekannt, daß es keinen Strahlenwert gebe, der harmlos sei. So wurde angeregt, den "Toleranzwert" für Arbeiter von 5 Rem auf 0,5 Rem herabzusetzen. Dennoch veröffentlichte die US-Regierung 1985 einen Bericht, den verschiedene Geundheitsbehörden herausgaben, in dem die Strahlung verharmlost und alle neuen Erkenntnisse völlig ignoriert wurden.
1988 veröffentlichte eine amerikanisch-japanische Forschergruppe in der Wissenschaftszeitschrift 'Science', daß bereits niedrige Mengen radioaktiver Strahlung etwa fünfmal gefährlicher für die menschliche Gesundheit sind als bisher angenommen. Die auf den Opferzahlen von Hiroshima und Nagasaki beruhenden Berechnungen seien von einer theoretischen Annahme ausgegangen, die nachweisbar falsch war. Die Atombomben-Opfer hatten erheblich weniger Strahlung abbekommen als berechnet, denn damals sei die Wirkung der Neutronenstrahlen sei viel zu hoch angesetzt worden.
Die US-amerikanische Akademie der Wissenschaften brachte Ende 1989 einen Bericht heraus, wonach das Risiko, durch schwache Strahlung an Krebs zu erkranken viermal höher sei als bisher angenommen. Die ionisierende Strahlung, ob von Atomanlagen, Röntgengeräten oder natürlichem Hintergrund, sei unterschätzt worden. Selbst das BEIR-Komitee mußte 1990 erneut die durch "Niedrigstradioaktivität" verursachten Schäden um das Vierfache anheben.
1991 folgte eine weitere Studie, bei der die Todesursache von 8.318 Männern in der Atomfabrik Oak Ridge untersucht wurde. Noch 1977 war die Anzahl der Krebsfälle im unauffälligen Bereich. Doch inzwischen hatte sich die Lage dramatisch verändert. Die Krebs- und Leukämierate war hochgeschossen. Der 'spiegel' berichtete in seiner Ausgabe vom 25. März 1991: "Fazit der Studie: In allen vorhandenen Untersuchungen in Atomanlagen wurde die Krebsgefahr bei weitem unterschätzt, weil die Beobachtungen zu früh abgebrochen wurden. Offenbar zeigen sich viele Tumore erst nach mehr als 20 Jahren, nachdem die radioaktiven Strahlen auf das Gewebe eingewirkt haben."
Nach wie vor wird auch heute häufig ein wichtiger Unterschied zwischen der Belastung durch die natürliche Hintergrundstrahlung und künstliche Strahlungsquellen unterschlagen: Von außen auftreffende Strahlung dringt zum Teil erst gar nicht durch die Haut ein und strahlt, wenn sie vom Körper absorbiert ist, dort nicht mehr weiter. Die Strahlenquelle liegt im All, in der Sonne oder im Gestein der Erde gebunden. Im Gegensatz zu einer 100-mrem-Belastung durch Fallout sendet eine 100-mrem-Belastung durch eine Röntgenaufnahme keine strahlenden Teilchen aus, die vom Menschen aufgenommen werden können.
Beim "Normalbetrieb" der Atomkraftwerke und erst recht bei Unfällen, werden hunderte verschiedener Isotope als einzelne strahlende Teilchen frei. Sie gelangen beim Atmen, durch Lunge und Hut und durch Nahrungsaufnahme in den Körper und werden dort in unterschiedlichen Konzentrationen in verschiedenen Organen eingebaut. Dort strahlen sie über Jahre hinweg und zerstören natürliche Zellfunktionen, so daß sie Krebs und andere Krakheiten auslösen können.
Dabei ist es unsinnig zu fragen, wieviel Becquerel für einen Menschen schädlich sind. Denn bei der Strahlung ist es, wie wenn jemand mit einem Maschinengewehr blind in die Menge schießt. Da wäre es unsinnig zu fragen, wieviele Kugeln tödlich sind. Aber die Chance, getroffen zu werden, ist um so größer, je mehr Kugeln pro Sekunde in die Menge geschossen werden.