Aus neutraler Sicht von Albert Jörimann "Laktovegetarierinnen"
ID 26010
[5.Kalenderwoche]
Wenn man davon ausgeht, dass heute keine Nahrungsmittel mehr mit Erfolg verkauft werden können, die nicht irgendeinen gesundheitlichen Nutzen versprechen,
Wenn man davon ausgeht, dass heute keine Nahrungsmittel mehr mit Erfolg verkauft werden können, die nicht irgendeinen gesundheitlichen Nutzen versprechen,
Audio
10:27 min, 9799 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 27.01.2009 / 09:22
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Dateizugriffe: 1005
Klassifizierung
Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung
AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 27.01.2009
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
also letztlich in die Kategorie Medikamente fallen, was nicht a priori zu bestreiten ist, indem die Nahrungsaufnahme zweifellos äußerst nützlich ist z.B. gegen Verhungern oder Auszehrung und die Widerstandskraft des Körpers stärkt auch im Arbeitsprozess oder sogar bei niederschwelligen Kampfhandlungen im familiären Umfeld oder sogar bei Raufereien auf der Straße, ganz abgesehen vom Glücksgefühl im Falle einer gut gekochten Mahlzeit, bei einem leckeren Schokoladekuchen nach dem Rezept von Tanja Grandits oder nur schon bei einer ordentlichen Knackwurst, so wird man diese Tendenz ergänzen müssen durch die Deklaration gewisser Erscheinungen im Luft- und Geistesraum zu Krankheiten, gegen die man vielleicht dann auch an-essen kann, wo aber mit Sicherheit ein terminales Besäufnis für Erleichterung sorgt. Auch bei diesen Geistererscheinungen trifft der parazellsche Grundsatz zu: Die Dosis bestimmt den Schaden oder die Nützlichkeit. Wer also bei der Nahrungsmittelaufnahme bzw. bei der Nutrition in Zukunft nur noch die Abwehrkräfte stärken und nur noch Actimel schlürfen würde, die oder der würde im Spital landen. Im intellektuellen Bereich liefert aber nie niemand jene Menschen zur Reparatur oder Pflege ein, welche nur noch ihre geistigen Abwehrkräfte pflegen und dauerkritisch oder sogar dauersatirisch sind. – Naja: Wer wüsste es besser als ich, dass es immer etwas zu kritisieren und zu belächeln gibt, aber ich spreche hier vom großen Wurf, vom Brustton der Überzeugung der fundamentalen bissigen Kritik und Satire, die alles darf und so weiter, und für deren Existenzberechtigung bzw. für ihr Dürfenmüssen habe ich in den letzten Jahren kaum einmal einen Grund gefunden. Aber sie hält sich hartnäckig, die Satire darf mit Volldampf voraus und ihr hinterher oder drum rum die Kritik, die nun just im historischen Moment richtiggehend zwanghaft ausbrach, als der gute alte Barack Obama als Präsident eingesetzt wurde. Die Schwulen- und Lesbenorganisationen waren empört, weil der Pfaffe, der das Inauguralgebet sprach, sich gegen die Heirat von Schwulen und Lesben ausgesprochen hatte. Meine Zweitzeitung aus Genf sprach von einer beschmutzten Weste von Obama, weil er den Krieg im Gazastreifen nicht schon vor Amtsantritt beendet habe. Sie stehen aber wohl nur stellvertretend für all die Vogelbeobachter, Schneckenzüchter, Alternativgeldbefürworter, Angler-Innungen, Lach- und Schießvereine, Laktovegetarierinnen, Sternengucker usw. usf., für die Obama ebenfalls nichts Gutes getan hat schon vor seiner Amtseinsetzung und auch nicht unmittelbar danach und wohl auch während seiner ganzen Amtszeit nicht. Pfui aber auch!, und darum muss heftig und grundsätzlich kritisiert werden, auch wenn zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten ein Schwarzer zum Präsidenten gewählt wurde – na ja: ein Halbschwarzer, aber mit ausgewachsen schwarzer Ehefrau, zwei zu Dreiviertel schwarzen Töchtern und einer vollendeten schwarzen Schwiegermutter, also summa summarum eindeutig ein Schwarzer.
Ich bin einfach perplex, wie man in diesem einzigartigen historischen Moment kompetent kritisch bleiben kann. Und wie schnell bietet sich nicht die Gelegenheit zu sagen: Ich habs ja immer gewusst. Am liebsten möchte ich gegen sowas stundenlang an-essen. Eigentlich wollte ich ja überhaupt nix mehr sagen zu Barack Obama, aber das muss jetzt noch raus.
A proposito Tanja Grandits: Denen ihre Kochanregungen sind ja mit Sicherheit ausgezeichnet, aber sie eignen sich fast nur für Menschen, die einen Tag lang Zeit haben, um das zuzubereiten, was dann innerhalb von fünfzehn Minuten verspiesen wird, also um eine schmale Randgruppe der ganzen Gesellschaft, und gesund ist das mit Sicherheit auch nicht, höchstens exotisch, und natürlich oberlecker.
Aber sprechen wir von was anderem. Aus Afrika wird gemeldet, dass sich die äthiopische Armee aus Somalia zurückgezogen habe, was heisst, dass jetzt in Mogadiscio eine Mischung aus rivalisierenden Rebellengruppen bzw. ihren politischen Organisationen und rund 3500 Soldaten der Afrikanischen Union das Stadtbild bestimmen, wobei zwischen der Übergangsregierung und den so genannt gemässigten Islamisten ein Friedensabkommen geschlossen wurde. Nun weiß natürlich ein Gringo wie ich nicht wirklich, was da wirklich abgeht; ich vermute bloß, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis sich so etwas wie ein funktionierendes Staatswesen in ganz Somalia oder in Teilen davon etabliert hat. Solange wird oben in Puntland auch weiter piratisiert, was für das Land selber wohl nur von geringer Bedeutung ist. Etwas weiter unterhalb gehen die Kämpfe der offiziellen Truppen von Kongo-Kinshasa und von Rwanda gegen Hutu- und Tutsi-Rebellen bzw. allenfalls gegen Mai-Mai-Milizen weiter, wobei offenbar 5000 rwandische Soldaten im Ostkongo stehen. Sollte sich das Militärbündnis zwischen Rwanda und Kongo-Kinshasa durchsetzen, könnte dies zu einem zweiten stabilen Pol heranwachsen neben den militärisch überlegenen Äthiopiern im Nordwesten Somalias. Der aktuelle Stand der wirtschaftlichen Interessen und die politischen Verflechtungen sind mir im Moment nicht besonders klar; historisch gesehen sind in Rwanda belgisch-französische Verbindungen und in Äthiopien und Somalien italienische Einflüsse vorhanden, aber solche Vektoren verschieben sich mit der Zeit. Insgesamt weiß ich von der Region nicht genug, um eine auch nur halbwegs treffende Diagnose zu fällen außerhalb der grundsätzlichen Feststellung, dass in solchen instabilen Phasen das Militär bzw. paramilitärische Gruppen letztlich eine entscheidende Rolle spielen, wobei die Frage ihrer Auf- und Ausrüstung damit nicht beantwortet ist. Die Gesellschaften in diesen Ländern dagegen sind in voller Bewegung; wie Buschfeuer flackern immer wieder ethnische Konflikte auf, durchzogen von pseudoreligiösen Veranstaltungen und eben den Falllinien bestimmter wirtschaftlicher Interessen nach. Bei all dieser Bewegung gehe ich davon aus, dass, für unsere Augen unsichtbar, irgend eine Form eines Konsolidierungsprozesses stattfindet, und das einzige, was mir hier in die Augen springt, sind das Fernsehen und die Mobiltelefonie. Ich gehe davon aus, dass es demnächst kein Dorf mehr gibt auf dem ganzen afrikanischen Kontinent, aus dem nicht eine Reihe von Onkels, Cousins, Schwestern und Großmüttern in den entwickelten Ländern lebt und regelmäßig Wert- und Preisvorstellungen aus dem Norden in die Verwandtschaft einspeist. Der Gipfel dieser Entwicklung heißt auch hier halt wieder Barack Obama, aber dies nur am Rand. Wenn ich mir da also eine rein abstrakte Rechnung zusammen schustere, dann müsste irgendwann einmal eine Bewegung oder, noch besser, eine Schicht an Menschen entstehen, welche diese Wert- und Preisvorstellungen des Nordens mindestens in gewissen Städten übernehmen möchte. Und wenn das irgendwo gelingt, auf eine Art und Weise, zu der ich mich nicht im Traum äußern könnte, dann kann daraus eine gewaltige Wirkung in die Fläche entstehen. Oder halt eben auch nicht. Im Moment hört man eher weniger vom westlichen Teil Afrikas unterhalb der Sahara; vielleicht ist dieser Prozess dort bereits weiter fortgeschritten, als man gemeinhin annimmt.
In der Zwischenzeit geht die Emigration weiter und ist am besten sichtbar in Lampedusa, der italienischen Insel irgendwo vor der afrikanischen Küste, wo die Einwanderer am letzten Samstag sogar zusammen mit den Bewohnern gegen die misslichen Zustände im Auffanglager demonstriert haben; sie wollen wieder schnell nach Italien transportiert und dort freigesetzt werden wie bisher, während der Lega-Innenminister Maroni die Leute direkt zurückspedieren will nach Afrika. Da treffen wirklich eigenartige Rechtsansprüche und ihre Äußerungen zusammen. Offenbar gilt die bisherige Praxis der italienischen Regierung in Flüchtlingssachen für neue Flüchtlinge bereits als so etwas wie geltendes Recht, das man mindestens mit Demonstrationen, aber vielleicht auch demnächst mal vor Gericht einklagen kann. Hier wird das traditionelle Rechtsverständnis allerdings strapaziert, aber zwangsläufig, wie mir scheint: Die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit ist doch eine zentrale Errungenschaft der modernen Zivilisation, und wenn sich der Norden gegen den Süden abschottet, entstehen hier logischerweise Konflikte. Die klassische Lösung wurde bisher immer in der Modernisierung der Entwicklungsländer gesucht; aber vor allem in Afrika südlich der Sahara hat es bisher für solche Modernisierungen bisher noch keinen tragfähigen Boden gegeben.
Mal sehen. In zehn Jahren präsentiert sich die Lage mit Sicherheit schon wieder anders, und das muss nicht zwangsläufig schlechter sein.
Vor ein paar Wochen habe ich hier darauf hingewiesen, dass der türkisch-kurdische Schriftsteller Yasar Kemal von der Staatsführung die höchste türkische Kulturauszeichnung erhalten habe. In der Zwischenzeit hat sich die Regierung darauf kapriziert, einen offiziellen kurdischsprachigen Fernsehsender ins Leben zu rufen. Das muss man sich mal vorstellen: Noch vor fünf Jahren war nur schon die Behauptung, dass Kurdisch eine eigene Sprache sei, in der Türkei ein Verbrechen. Selbstverständlich sendet dieser Staatssender keine Propagandafilme der PKK, aber es handelt sich eben doch um eine 180°-Kehrtwendung der offiziellen Politik, auch wenn diese Kehrtwendung immer wieder unterbrochen wird durch Rückfälle in militärische Aktionen eben gegen die PKK. Aber so wie gegenwärtig waren die kurdischen Dinge in der Türkei noch nie in Fluss seit Jahrzehnten. Dazu kommt noch die Kampagne gegen den «tiefen Staat», d.h. gegen die mafiose Verfilzung von Staats- und Privatorganisationen, welche den sogenannt laizistischen Bewegungen immer unglaubliche Sonderprofite in die Kasse gespült hat und jetzt systematisch demontiert wird. Das größte Wunder dabei ist, dass die Armee noch keinen Staatsstreich gegen Erdogan durchgeführt hat. Man kann sagen: Die Erde ist rund und bewegt sich, aber in der Türkei hat die Entwicklung definitiv die kreisförmige Bahn verlassen und macht Fortschritte, und zwar unter dem Banner einer sogenannt islamistischen Partei, aber in Richtung eines modernen Staates, was die Türkei halt eben in der Vergangenheit nicht war; vielmehr war es die Parodie eines modernen Staates, die mit dem Vorwand der Bekämpfung des Islamismus sämtliche wünschbaren Korruptionsformen in der Führungsschicht ermöglichte.
Da müsste sich jetzt der Grieche langsam einen Kopf machen. Hier geschah offenbar genau dasselbe, einfach im Namen des griechisch-katholischen Gottes. Wenn Erdogan so weiter macht, kann er demnächst seine Berater nach Athen senden und die ein wenig zu Allah bekehren.
Ich bin einfach perplex, wie man in diesem einzigartigen historischen Moment kompetent kritisch bleiben kann. Und wie schnell bietet sich nicht die Gelegenheit zu sagen: Ich habs ja immer gewusst. Am liebsten möchte ich gegen sowas stundenlang an-essen. Eigentlich wollte ich ja überhaupt nix mehr sagen zu Barack Obama, aber das muss jetzt noch raus.
A proposito Tanja Grandits: Denen ihre Kochanregungen sind ja mit Sicherheit ausgezeichnet, aber sie eignen sich fast nur für Menschen, die einen Tag lang Zeit haben, um das zuzubereiten, was dann innerhalb von fünfzehn Minuten verspiesen wird, also um eine schmale Randgruppe der ganzen Gesellschaft, und gesund ist das mit Sicherheit auch nicht, höchstens exotisch, und natürlich oberlecker.
Aber sprechen wir von was anderem. Aus Afrika wird gemeldet, dass sich die äthiopische Armee aus Somalia zurückgezogen habe, was heisst, dass jetzt in Mogadiscio eine Mischung aus rivalisierenden Rebellengruppen bzw. ihren politischen Organisationen und rund 3500 Soldaten der Afrikanischen Union das Stadtbild bestimmen, wobei zwischen der Übergangsregierung und den so genannt gemässigten Islamisten ein Friedensabkommen geschlossen wurde. Nun weiß natürlich ein Gringo wie ich nicht wirklich, was da wirklich abgeht; ich vermute bloß, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis sich so etwas wie ein funktionierendes Staatswesen in ganz Somalia oder in Teilen davon etabliert hat. Solange wird oben in Puntland auch weiter piratisiert, was für das Land selber wohl nur von geringer Bedeutung ist. Etwas weiter unterhalb gehen die Kämpfe der offiziellen Truppen von Kongo-Kinshasa und von Rwanda gegen Hutu- und Tutsi-Rebellen bzw. allenfalls gegen Mai-Mai-Milizen weiter, wobei offenbar 5000 rwandische Soldaten im Ostkongo stehen. Sollte sich das Militärbündnis zwischen Rwanda und Kongo-Kinshasa durchsetzen, könnte dies zu einem zweiten stabilen Pol heranwachsen neben den militärisch überlegenen Äthiopiern im Nordwesten Somalias. Der aktuelle Stand der wirtschaftlichen Interessen und die politischen Verflechtungen sind mir im Moment nicht besonders klar; historisch gesehen sind in Rwanda belgisch-französische Verbindungen und in Äthiopien und Somalien italienische Einflüsse vorhanden, aber solche Vektoren verschieben sich mit der Zeit. Insgesamt weiß ich von der Region nicht genug, um eine auch nur halbwegs treffende Diagnose zu fällen außerhalb der grundsätzlichen Feststellung, dass in solchen instabilen Phasen das Militär bzw. paramilitärische Gruppen letztlich eine entscheidende Rolle spielen, wobei die Frage ihrer Auf- und Ausrüstung damit nicht beantwortet ist. Die Gesellschaften in diesen Ländern dagegen sind in voller Bewegung; wie Buschfeuer flackern immer wieder ethnische Konflikte auf, durchzogen von pseudoreligiösen Veranstaltungen und eben den Falllinien bestimmter wirtschaftlicher Interessen nach. Bei all dieser Bewegung gehe ich davon aus, dass, für unsere Augen unsichtbar, irgend eine Form eines Konsolidierungsprozesses stattfindet, und das einzige, was mir hier in die Augen springt, sind das Fernsehen und die Mobiltelefonie. Ich gehe davon aus, dass es demnächst kein Dorf mehr gibt auf dem ganzen afrikanischen Kontinent, aus dem nicht eine Reihe von Onkels, Cousins, Schwestern und Großmüttern in den entwickelten Ländern lebt und regelmäßig Wert- und Preisvorstellungen aus dem Norden in die Verwandtschaft einspeist. Der Gipfel dieser Entwicklung heißt auch hier halt wieder Barack Obama, aber dies nur am Rand. Wenn ich mir da also eine rein abstrakte Rechnung zusammen schustere, dann müsste irgendwann einmal eine Bewegung oder, noch besser, eine Schicht an Menschen entstehen, welche diese Wert- und Preisvorstellungen des Nordens mindestens in gewissen Städten übernehmen möchte. Und wenn das irgendwo gelingt, auf eine Art und Weise, zu der ich mich nicht im Traum äußern könnte, dann kann daraus eine gewaltige Wirkung in die Fläche entstehen. Oder halt eben auch nicht. Im Moment hört man eher weniger vom westlichen Teil Afrikas unterhalb der Sahara; vielleicht ist dieser Prozess dort bereits weiter fortgeschritten, als man gemeinhin annimmt.
In der Zwischenzeit geht die Emigration weiter und ist am besten sichtbar in Lampedusa, der italienischen Insel irgendwo vor der afrikanischen Küste, wo die Einwanderer am letzten Samstag sogar zusammen mit den Bewohnern gegen die misslichen Zustände im Auffanglager demonstriert haben; sie wollen wieder schnell nach Italien transportiert und dort freigesetzt werden wie bisher, während der Lega-Innenminister Maroni die Leute direkt zurückspedieren will nach Afrika. Da treffen wirklich eigenartige Rechtsansprüche und ihre Äußerungen zusammen. Offenbar gilt die bisherige Praxis der italienischen Regierung in Flüchtlingssachen für neue Flüchtlinge bereits als so etwas wie geltendes Recht, das man mindestens mit Demonstrationen, aber vielleicht auch demnächst mal vor Gericht einklagen kann. Hier wird das traditionelle Rechtsverständnis allerdings strapaziert, aber zwangsläufig, wie mir scheint: Die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit ist doch eine zentrale Errungenschaft der modernen Zivilisation, und wenn sich der Norden gegen den Süden abschottet, entstehen hier logischerweise Konflikte. Die klassische Lösung wurde bisher immer in der Modernisierung der Entwicklungsländer gesucht; aber vor allem in Afrika südlich der Sahara hat es bisher für solche Modernisierungen bisher noch keinen tragfähigen Boden gegeben.
Mal sehen. In zehn Jahren präsentiert sich die Lage mit Sicherheit schon wieder anders, und das muss nicht zwangsläufig schlechter sein.
Vor ein paar Wochen habe ich hier darauf hingewiesen, dass der türkisch-kurdische Schriftsteller Yasar Kemal von der Staatsführung die höchste türkische Kulturauszeichnung erhalten habe. In der Zwischenzeit hat sich die Regierung darauf kapriziert, einen offiziellen kurdischsprachigen Fernsehsender ins Leben zu rufen. Das muss man sich mal vorstellen: Noch vor fünf Jahren war nur schon die Behauptung, dass Kurdisch eine eigene Sprache sei, in der Türkei ein Verbrechen. Selbstverständlich sendet dieser Staatssender keine Propagandafilme der PKK, aber es handelt sich eben doch um eine 180°-Kehrtwendung der offiziellen Politik, auch wenn diese Kehrtwendung immer wieder unterbrochen wird durch Rückfälle in militärische Aktionen eben gegen die PKK. Aber so wie gegenwärtig waren die kurdischen Dinge in der Türkei noch nie in Fluss seit Jahrzehnten. Dazu kommt noch die Kampagne gegen den «tiefen Staat», d.h. gegen die mafiose Verfilzung von Staats- und Privatorganisationen, welche den sogenannt laizistischen Bewegungen immer unglaubliche Sonderprofite in die Kasse gespült hat und jetzt systematisch demontiert wird. Das größte Wunder dabei ist, dass die Armee noch keinen Staatsstreich gegen Erdogan durchgeführt hat. Man kann sagen: Die Erde ist rund und bewegt sich, aber in der Türkei hat die Entwicklung definitiv die kreisförmige Bahn verlassen und macht Fortschritte, und zwar unter dem Banner einer sogenannt islamistischen Partei, aber in Richtung eines modernen Staates, was die Türkei halt eben in der Vergangenheit nicht war; vielmehr war es die Parodie eines modernen Staates, die mit dem Vorwand der Bekämpfung des Islamismus sämtliche wünschbaren Korruptionsformen in der Führungsschicht ermöglichte.
Da müsste sich jetzt der Grieche langsam einen Kopf machen. Hier geschah offenbar genau dasselbe, einfach im Namen des griechisch-katholischen Gottes. Wenn Erdogan so weiter macht, kann er demnächst seine Berater nach Athen senden und die ein wenig zu Allah bekehren.