Disziplinarverfahren gegen kritischen Dozenten
ID 24811
Heinz Gess, Professor für Soziologie an der Fachhochschule Bielefeld,bekam ein Disziplinar Verfahren, weil er sich kritisch über die nichtauseinandersetzung der FH mit ihrem ehemaligen Dozenten Werner Georg Haverbeck geäußert hatte. "Dieser war SA-Mitglied, Leiter des Reichsbunds für Volkstum und Heimat, Mitglied der Reichsleitung des NS-Studentenbundes, Unterzeichner des »Heidelberger Manifests« und Gründer des »Collegium Humanum« (CH)"(Zitat Jungle World Nr. 43 2008). Wir haben dazu ein Mitglied des AStAs interviewt.
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06:18 min, 16 MB, oga
vorbis, 350 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 05.11.2008 / 13:00
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Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Text aus Jungle World Nr. 43, 23. Oktober 2008 inland
Schnauze, Herr Dozent!
Kündigung, Disziplinarverfahren – kritische Dozenten haben nichts zu lachen, wie zwei Fälle in Bielefeld und Berlin zeigen.
von Jana Brenner
Als Heinz Gess, Professor für Soziologie an der Fachhochschule Bielefeld, das Vorwort zu dem Text »Grün-braune Liebe zur Natur. Die NSDAP als ›grüne Partei‹ und die Lücken der Naturschutzforschung« schrieb, war ihm nicht klar, dass es zu einem Disziplinarverfahren gegen ihn führen sollte. In dem Text, den Gess nicht selbst verfasste, aber auf der von ihm betriebenen Internetseite kritiknetz.de veröffentlichte, geht es auch um Werner Georg Haverbeck. Dieser war SA-Mitglied, Leiter des Reichsbunds für Volkstum und Heimat, Mitglied der Reichsleitung des NS-Studentenbundes, Unterzeichner des »Heidelberger Manifests« und Gründer des »Collegium Humanum« (CH), das Innenminister Wolfgang Schäuble im Mai dieses Jahres als rechtsextremistische Organisation verbot.
Außerdem war Haverbeck Dozent an der FH Bielefeld. Dort lehrte er von 1972 bis 1975 offenbar unbehelligt. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie hätten sich aus seinen »Unterlagen und seinem Lebenslauf keine Hinweise auf einen Sachverhalt, der einer Einstellung widerspricht«, ergeben. Dass Haverbeck das CH betrieb, sei bekannt gewesen, »ohne dass bereits damals ein Verbot dieser Organisation in Rede stand«. Dabei blieb Haverbeck auch während seiner Lehrzeit politisch umtriebig: 1974 wurde er Vorsitzender des »Weltbunds zum Schutz des Lebens«, eines völkischen Umweltschutzvereins.
Heinz Gess machte in seinem Vorwort unter anderem darauf aufmerksam, dass Haverbeck in Bielefeld unterrichtete, »ohne je dafür an der FH in die Kritik zu geraten und ohne dass das Rektorat der FH es je für nötig gehalten hätte, sich von seinem Tun oder seinen Schriften zu distanzieren«. Die Rektorin leitete daraufhin das Disziplinarverfahren ein. Gess habe dem Ansehen der Hochschule geschadet, weil er die Maßnahmen der früheren Verwaltung öffentlich kritisiert habe, lautete der Vorwurf.
Das ist das dritte Verfahren gegen Gess. »Seit mehr als zehn Jahren versucht die Hochschule nun, meine Arbeit systematisch zu torpedieren«, sagt der 64jährige Professor. So seien Forschungsdaten wegen eines vermeintlichen Server-Fehlers verschwunden, Projekte ohne Angabe von Gründen gestrichen oder nicht genehmigt worden. Als Gess im vergangenen Jahr die Besetzer der Bielefelder Paul-Gerhardt-Kirche kritisierte, die den Verkauf der Kirche an die jüdische Gemeinde verhindern wollten, spitzte sich die Lage zu. »Deren Äußerungen waren voll von antisemitischen Statements«, sagt Gess. Das legte er auch in einem Text auf seiner Internetseite dar. Die FH löschte daraufhin auf ihrer Homepage den Link zu kritiknetz.de. Bisher war jedes Verfahren gegen Gess erfolglos, dieses Mal könnte es anders ausgehen. »Ich befürchte, dass es tatsächlich eröffnet wird. Die leichteste Strafe wäre eine Rüge, die schwerste eine Gehalts- und Rentenkürzung«, sagt er.
Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) steht auf der Seite von Gess und kritisiert das »gewollte Totschweigen der FH« in Sachen Haverbeck. »Mit diesem Vorgehen macht das Rektorat deutlich, dass kritische Wissenschaftler nicht erwünscht sind und es wichtiger ist, den Ruf der FH zu wahren«, heißt es in einer Pressemitteilung. Doch bei vielen Studenten wie bei Dozenten herrsche Desinteresse, sagt ein Vertreter des Asta. »Die Dozenten nehmen das zwar zur Kenntnis, sehen das aber eher als Privatkrieg und verneinen die politische Dimension«, berichtet er. Die FH Bielefeld will sich zu dem Vorfall nicht äußern.
Schnauze, Herr Dozent!
Kündigung, Disziplinarverfahren – kritische Dozenten haben nichts zu lachen, wie zwei Fälle in Bielefeld und Berlin zeigen.
von Jana Brenner
Als Heinz Gess, Professor für Soziologie an der Fachhochschule Bielefeld, das Vorwort zu dem Text »Grün-braune Liebe zur Natur. Die NSDAP als ›grüne Partei‹ und die Lücken der Naturschutzforschung« schrieb, war ihm nicht klar, dass es zu einem Disziplinarverfahren gegen ihn führen sollte. In dem Text, den Gess nicht selbst verfasste, aber auf der von ihm betriebenen Internetseite kritiknetz.de veröffentlichte, geht es auch um Werner Georg Haverbeck. Dieser war SA-Mitglied, Leiter des Reichsbunds für Volkstum und Heimat, Mitglied der Reichsleitung des NS-Studentenbundes, Unterzeichner des »Heidelberger Manifests« und Gründer des »Collegium Humanum« (CH), das Innenminister Wolfgang Schäuble im Mai dieses Jahres als rechtsextremistische Organisation verbot.
Außerdem war Haverbeck Dozent an der FH Bielefeld. Dort lehrte er von 1972 bis 1975 offenbar unbehelligt. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie hätten sich aus seinen »Unterlagen und seinem Lebenslauf keine Hinweise auf einen Sachverhalt, der einer Einstellung widerspricht«, ergeben. Dass Haverbeck das CH betrieb, sei bekannt gewesen, »ohne dass bereits damals ein Verbot dieser Organisation in Rede stand«. Dabei blieb Haverbeck auch während seiner Lehrzeit politisch umtriebig: 1974 wurde er Vorsitzender des »Weltbunds zum Schutz des Lebens«, eines völkischen Umweltschutzvereins.
Heinz Gess machte in seinem Vorwort unter anderem darauf aufmerksam, dass Haverbeck in Bielefeld unterrichtete, »ohne je dafür an der FH in die Kritik zu geraten und ohne dass das Rektorat der FH es je für nötig gehalten hätte, sich von seinem Tun oder seinen Schriften zu distanzieren«. Die Rektorin leitete daraufhin das Disziplinarverfahren ein. Gess habe dem Ansehen der Hochschule geschadet, weil er die Maßnahmen der früheren Verwaltung öffentlich kritisiert habe, lautete der Vorwurf.
Das ist das dritte Verfahren gegen Gess. »Seit mehr als zehn Jahren versucht die Hochschule nun, meine Arbeit systematisch zu torpedieren«, sagt der 64jährige Professor. So seien Forschungsdaten wegen eines vermeintlichen Server-Fehlers verschwunden, Projekte ohne Angabe von Gründen gestrichen oder nicht genehmigt worden. Als Gess im vergangenen Jahr die Besetzer der Bielefelder Paul-Gerhardt-Kirche kritisierte, die den Verkauf der Kirche an die jüdische Gemeinde verhindern wollten, spitzte sich die Lage zu. »Deren Äußerungen waren voll von antisemitischen Statements«, sagt Gess. Das legte er auch in einem Text auf seiner Internetseite dar. Die FH löschte daraufhin auf ihrer Homepage den Link zu kritiknetz.de. Bisher war jedes Verfahren gegen Gess erfolglos, dieses Mal könnte es anders ausgehen. »Ich befürchte, dass es tatsächlich eröffnet wird. Die leichteste Strafe wäre eine Rüge, die schwerste eine Gehalts- und Rentenkürzung«, sagt er.
Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) steht auf der Seite von Gess und kritisiert das »gewollte Totschweigen der FH« in Sachen Haverbeck. »Mit diesem Vorgehen macht das Rektorat deutlich, dass kritische Wissenschaftler nicht erwünscht sind und es wichtiger ist, den Ruf der FH zu wahren«, heißt es in einer Pressemitteilung. Doch bei vielen Studenten wie bei Dozenten herrsche Desinteresse, sagt ein Vertreter des Asta. »Die Dozenten nehmen das zwar zur Kenntnis, sehen das aber eher als Privatkrieg und verneinen die politische Dimension«, berichtet er. Die FH Bielefeld will sich zu dem Vorfall nicht äußern.
Kommentare
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06.11.2008 / 15:40 | Manu, Radio Z, Nürnberg |
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...in Zip-FM am Donnerstag, den 6. Nov 2008 | |