lorettas leselampe april 2008 - ruth beckermann film collection (dvd)
ID 23789
Besprechung der jüngst erschienenen 8 DVDs umfassenden Werkausgabe der Filme von Ruth Beckermann. Die österreichische Regisseurin hat unter anderem Filme zu historischen Themen und deren aktueller Verhandlung, insbesondere zum Nationalsozialismus und der Shoah, gemacht wie "Die papierne Brücke", "Jenseits des Krieges", "Wien retour" und "Ein flüchtiger Zug nach dem Orient". Auch das aktuelle jüdische Leben in Wien und Israel ist Thema mehrerer Filme wie "Nach Jerusalem", "Homemad(e)" und "Zorros Bar Mitzwa". Ihre dokumentarischen Filme zeichnen sich durch einen essayistischen persönlichen Stil aus.
Audio
17:30 min, 12 MB, mp3
mp3, 96 kbit/s, Stereo (32000 kHz)
Upload vom 25.08.2008 / 01:32
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Dateizugriffe: 601
Klassifizierung
Beitragsart: Rezension
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur, Politik/Info
Serie: Lorettas Leselampe
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Film Collection Ruth Beckermann
98,- Euro. www.ruthbeckermann.com
Wir haben uns an dieser Stelle schon mehrfach darüber unterhalten, wie selten weiblichen Filmschaffenden eine DVD Veröffentlichung gewidmet wird, während ihren männlichen Kollegen Werkausgaben gewidmet werden. In Österreich scheint mensch da etwas weiter zu sein, vielleicht hat sie auch einfach nur selbst die Initiative ergriffen: letztes Jahr erschien eine Film Collection mit Filmen von Ruth Beckermann. 8 DVDs und ein mehrsprachiges Begleitheft, zu jedem Film gibt es zudem ein Filminterview mit der Regisseurin als Bonus. Für Deutschland wird noch ein ordentlicher Vertrieb gesucht, aber im Internet ist die Kollektion auch hierzulande zu haben – für 95 Euro plus Porto unter www.ruthberckermann.com (Beckermann mit ck und doppel n).
Das erste Mal bewusst wahrgenommen habe ich den Namen Ruth Beckermann auf der Berlinale 2000, als dort ihr Film „Ein flüchtiger Zug nach dem Orient“ seine internationale Premiere hatte. Beckermann wandelt darin auf den Spuren der Kaiserin Elisabeth von Österreich, die von 1837 bis 1898 lebte und vielen als Sisi aus Heimatfilmen ein Begriff ist. Es geht um Geschichte und Repräsentation, Um Imagination und die Funktion des Reisens. Die Kaiserin rang ihrem Mann im Ehevertrag das Recht ab, jederzeit ihren Aufenthaltsort selbst zu bestimmen und nutzte dies weidlich. Weil man nicht in die Vergangenheit reisen kann, so erklärt Beckermann am Beginn ihres Filmes, reist sie nach Ägypten, den vom Habsburger Hof am weitestens entfernten Ort, den die Kaiserin erreichte. Mit 31 verbot sie sich jedes Bildnis und schuf so, durch ihrer verschwinden aus dem Bild, die Grundlage des Mythos der ewig jungen Kaiserin, der in den Sisi Filmen zelebriert und weitergetrieben wird. Beckermann versucht nicht, die Vergangenheit zu rekonstruieren, sie konfrontiert die Bilder der Gegenwart mit auf der Tonspur vorgetragenen Auszügen aus Briefen, Gedichten und anderen Dokumenten der Kaiserin. Die Kamera bewegt sich dazu wie ein stummer Zeuge getrieben von Neugier nach Details des Alltags durch Kairo.
Einmal aufmerksam geworden stellte sich heraus, dass ich schon anderes von Ruth Beckermann gesehen hatte und es noch mehr zu entdecken gab. In „Nach Jerusalem“ von 1991 fährt Beckermann zu Zeiten der ersten Intifada auf der Landstraße auf Jerusalem zu. Eine Momentaufnahme, die sich durch die Lust zu Beobachten, zu Fragen und unterschiedliche Gesichtspunkte zuzulassen auszeichnet.
In „Jenseits des Krieges“ von 1996 begibt sich Beckermann in die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht und fängt die Kommentare und Diskussionen der Besucher und Besucherinnen ein.
Ihren Film „Homemad(e)“ von 2001 bezeichnet Beckermann selbst als einen Kafeehaus-Film. Es geht um das Leben im ehemaligen jüdisch geprägten Textilviertel von Wien, vor der Haustür der Regisseurin. In kleinen Ausflügen fängt sie das Leben und die Befindlichkeit der heutigen Bewohner ein.
Der jüngste Film in der Box, „Zorros Bar Mizwa“ handelt vom Erwachsenwerden und Initiationsriten. Beckermann folgt den Vorbereitungen vier jüdischer Jungs auf ihre Bar Mizwa.
Die DVD Box erlaubt auch die Reise zurück zu den Anfängen der Regisseurin. Auf der ersten DVD sind mehrere Filme versammelt, die mit Video und 16mm im Kontext sozialer Bewegungen entstanden sind. „Arena besetzt“ handelt von der einen Sommer währenden Besetzung des alten Schlachthofes, um dort ein alternatives selbstorganisiertes Kulturzentrum und Leben entstehen zu lassen. „Auf amol a streik“ und „Der Hammer steht auf der Wies’n da draussen“ handeln von Betriebsauseinandersetzungen, die sich gegen Entlassungen und Betriebsstillegungen wenden. Als Zuschauer aus Deutschland, der mit der österreichischen Geschichte nicht so vertraut ist, wünscht mensch sich manchmal etwas mehr Hintergrundwissen beim schauen – spannend sind diese Filme als Dokumente dennoch.
Mit Wien Retour von 1983 erforscht Beckermann im Interview mit Franz West die Geschichte der jüdischen Bevölkerung und Arbeiterbewegung im Wien vor dem Anschluss. In Archiven gräbt sie zeitgenössisches Bildmaterial aus. Franz West versteht sich in erster Linie als Sozialist und als deswegen Verfolgter, der zunächst im Untergrund, dann im Exil den Nationalsozialismus überlebte. Erst nach Abschluss der Dreharbeiten wendet sich West noch einmal an die Filmschaffenden, um ihnen ein Tonband vorzuspielen, auf dem er die Erinnerung an seine ermordeten jüdischen Verwandten festgehalten hat. Noch bevor Lanzmann die Eisenbahn definitiv zum Symbol der Transporte in die Vernichtungslager gemacht hat, bildet in „Wien Retour“ die Bahnfahrt nach Wien hinein und wieder heraus die Rahmung des Films und damit eine weitaus komplexere Metapher. Es ist auch die Fahrt, mit der die Juden in Wien ankamen, um sich dort niederzulassen.
Die für mich persönlich spannendste Entdeckung aus der DVD-Box ist Der Film „Die papierene Brücke“ von 1987 in dem Beckermann der Geschichte ihrer eigenen jüdischen Familie nachgeht. Ausgehend von Fensterblicken auf das Wien der 1980er Jahre, macht sich Beckermann auf die Reise in die Buckowina, dem Ort an dem ihr Vater einst glücklich lebte.
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98,- Euro. www.ruthbeckermann.com
Wir haben uns an dieser Stelle schon mehrfach darüber unterhalten, wie selten weiblichen Filmschaffenden eine DVD Veröffentlichung gewidmet wird, während ihren männlichen Kollegen Werkausgaben gewidmet werden. In Österreich scheint mensch da etwas weiter zu sein, vielleicht hat sie auch einfach nur selbst die Initiative ergriffen: letztes Jahr erschien eine Film Collection mit Filmen von Ruth Beckermann. 8 DVDs und ein mehrsprachiges Begleitheft, zu jedem Film gibt es zudem ein Filminterview mit der Regisseurin als Bonus. Für Deutschland wird noch ein ordentlicher Vertrieb gesucht, aber im Internet ist die Kollektion auch hierzulande zu haben – für 95 Euro plus Porto unter www.ruthberckermann.com (Beckermann mit ck und doppel n).
Das erste Mal bewusst wahrgenommen habe ich den Namen Ruth Beckermann auf der Berlinale 2000, als dort ihr Film „Ein flüchtiger Zug nach dem Orient“ seine internationale Premiere hatte. Beckermann wandelt darin auf den Spuren der Kaiserin Elisabeth von Österreich, die von 1837 bis 1898 lebte und vielen als Sisi aus Heimatfilmen ein Begriff ist. Es geht um Geschichte und Repräsentation, Um Imagination und die Funktion des Reisens. Die Kaiserin rang ihrem Mann im Ehevertrag das Recht ab, jederzeit ihren Aufenthaltsort selbst zu bestimmen und nutzte dies weidlich. Weil man nicht in die Vergangenheit reisen kann, so erklärt Beckermann am Beginn ihres Filmes, reist sie nach Ägypten, den vom Habsburger Hof am weitestens entfernten Ort, den die Kaiserin erreichte. Mit 31 verbot sie sich jedes Bildnis und schuf so, durch ihrer verschwinden aus dem Bild, die Grundlage des Mythos der ewig jungen Kaiserin, der in den Sisi Filmen zelebriert und weitergetrieben wird. Beckermann versucht nicht, die Vergangenheit zu rekonstruieren, sie konfrontiert die Bilder der Gegenwart mit auf der Tonspur vorgetragenen Auszügen aus Briefen, Gedichten und anderen Dokumenten der Kaiserin. Die Kamera bewegt sich dazu wie ein stummer Zeuge getrieben von Neugier nach Details des Alltags durch Kairo.
Einmal aufmerksam geworden stellte sich heraus, dass ich schon anderes von Ruth Beckermann gesehen hatte und es noch mehr zu entdecken gab. In „Nach Jerusalem“ von 1991 fährt Beckermann zu Zeiten der ersten Intifada auf der Landstraße auf Jerusalem zu. Eine Momentaufnahme, die sich durch die Lust zu Beobachten, zu Fragen und unterschiedliche Gesichtspunkte zuzulassen auszeichnet.
In „Jenseits des Krieges“ von 1996 begibt sich Beckermann in die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht und fängt die Kommentare und Diskussionen der Besucher und Besucherinnen ein.
Ihren Film „Homemad(e)“ von 2001 bezeichnet Beckermann selbst als einen Kafeehaus-Film. Es geht um das Leben im ehemaligen jüdisch geprägten Textilviertel von Wien, vor der Haustür der Regisseurin. In kleinen Ausflügen fängt sie das Leben und die Befindlichkeit der heutigen Bewohner ein.
Der jüngste Film in der Box, „Zorros Bar Mizwa“ handelt vom Erwachsenwerden und Initiationsriten. Beckermann folgt den Vorbereitungen vier jüdischer Jungs auf ihre Bar Mizwa.
Die DVD Box erlaubt auch die Reise zurück zu den Anfängen der Regisseurin. Auf der ersten DVD sind mehrere Filme versammelt, die mit Video und 16mm im Kontext sozialer Bewegungen entstanden sind. „Arena besetzt“ handelt von der einen Sommer währenden Besetzung des alten Schlachthofes, um dort ein alternatives selbstorganisiertes Kulturzentrum und Leben entstehen zu lassen. „Auf amol a streik“ und „Der Hammer steht auf der Wies’n da draussen“ handeln von Betriebsauseinandersetzungen, die sich gegen Entlassungen und Betriebsstillegungen wenden. Als Zuschauer aus Deutschland, der mit der österreichischen Geschichte nicht so vertraut ist, wünscht mensch sich manchmal etwas mehr Hintergrundwissen beim schauen – spannend sind diese Filme als Dokumente dennoch.
Mit Wien Retour von 1983 erforscht Beckermann im Interview mit Franz West die Geschichte der jüdischen Bevölkerung und Arbeiterbewegung im Wien vor dem Anschluss. In Archiven gräbt sie zeitgenössisches Bildmaterial aus. Franz West versteht sich in erster Linie als Sozialist und als deswegen Verfolgter, der zunächst im Untergrund, dann im Exil den Nationalsozialismus überlebte. Erst nach Abschluss der Dreharbeiten wendet sich West noch einmal an die Filmschaffenden, um ihnen ein Tonband vorzuspielen, auf dem er die Erinnerung an seine ermordeten jüdischen Verwandten festgehalten hat. Noch bevor Lanzmann die Eisenbahn definitiv zum Symbol der Transporte in die Vernichtungslager gemacht hat, bildet in „Wien Retour“ die Bahnfahrt nach Wien hinein und wieder heraus die Rahmung des Films und damit eine weitaus komplexere Metapher. Es ist auch die Fahrt, mit der die Juden in Wien ankamen, um sich dort niederzulassen.
Die für mich persönlich spannendste Entdeckung aus der DVD-Box ist Der Film „Die papierene Brücke“ von 1987 in dem Beckermann der Geschichte ihrer eigenen jüdischen Familie nachgeht. Ausgehend von Fensterblicken auf das Wien der 1980er Jahre, macht sich Beckermann auf die Reise in die Buckowina, dem Ort an dem ihr Vater einst glücklich lebte.
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