Glosse: Marode Autoverkehrsinfrastruktur lässt FDP-Fraktionschef um Dresdens Ruf als Mikroelektronik-Standort bangen

ID 123877
 
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Anmod: Manchmal schiebt man ja Probleme raus bis sie eskalieren. Das ist in der Verkehrspolitik wie im Privatleben. Im Dresdner Norden wurde jetzt eine Brücke im Industriegebiet für den Autoverkehr um eine Spur eingeengt, weil sie nach knapp vier Jahrzehnten sanierungsbedürftig ist. Der FDP-Fraktionschef Zastrow schämt sich dafür öffentlich und fürchtet deshalb allen Ernstes um Dresdens Ruf als Mikroelektronik-Standort. Jenz Steiner konnte nicht anders und hat dieses Thema in Form einer Glosse aufgearbeitet.
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03:17 min, 7701 kB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (48000 kHz)
Upload vom 28.08.2023 / 13:43

Dateizugriffe: 448

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Arbeitswelt, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Jenz Steiner
Radio: coloradio, Dresden im www
Produktionsdatum: 28.08.2023
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Stadtverkehr Dresden Nord: Achtung Autofahrer*innen auf der Königsbrücker Straße stadtauswärts. Auf der Brücke über die Eisenbahngleise am Industriegebiet steht bis auf Weiteres nur noch ein Fahrstreifen zur Verfügung. Schwerlasttransporte werden gebeten, die Brücke weiträumig zu umfahren. Grund dafür ist der marode Zustand der Brücke.

Nun haben wir ja keinen Verkehrsfunk in unserem Programm und das wird sich auch über kurz oder lang nicht ändern, doch das Thema kann man ruhig einmal aufgreifen, da sich schon jetzt die Gemüter daran erhitzen.

Ja, Brücken sind teuer, Brücken sind wichtig und werden - besonders dann, wenn sie viel von schweren Kraftfahrzeugen befahren werden - auch irgendwann mal störanfällig und marode. Die Brücke am Industriegebiet feiert nächstes Jahr ihren vierzigsten Geburtstag, wahrscheinlich ganz unspektakulär und dennoch mit langer Warteschlange. Und ja, irgendwie ist es bei den Brücken so wie bei uns Menschen. Irgendwann kommen die kleinen Zipperlein, meist, wenn man gar nicht damit rechnet. Und wenn wir nicht zahnlos, halb taub und blind dastehen möchten, wollen Zahnärzt*innen, Hörgeräteakustiker*innen und Optiker*innen horrende Summen von uns haben, um uns wieder alltagstauglich zu machen. Denn leider wurde in den letzten Jahrzehnten, als es uns ja noch so gut ging und wir unbeschwert durchs Leben liefen, der Sozialstaat abgeschafft, mehr oder weniger, klammheimlich. Und wir haben es versäumt, rechtzeitig Rücklagen zu bilden. Und? Wer ist Schuld? Wir natürlich.

Genauso verhält es sich bei der Brücke auf der Königsbrücker Straße. Ein Fahrstreifen für Autos wurde jetzt abmarkiert. So heißt das im Verwaltungs-Slang. Fußgänger*innen und Radfahrer*innen sind nicht betroffen. Richtig Geld für eine Sanierung der Brücke war erst ab 2027 eingeplant, ganze 7,8 Millionen Euro. Für dieses Jahr gibt es nur ein Erste-Hilfe-Trostpflaster-Set für 100.000 Euro aus dem Planungsmitteltopf.

Nun beklagt sich ausgerechnet FDP-Fraktionschef Holger Zastrow in den Dresdner Neuesten Nachrichten über die Brücken-Wehwehchen und ergreift Partei für die ohnehin immer wütenden und unzufriedenen Autofahrer*innen in Dresden. Ist ja auch bald wieder Wahlkampfzeit.
Ich habe die FDP immer als Partei der Deregulierer*innen wahrgenommen, die in die Fußstapfen von Thatcher und Reagan tritt, die sich dafür einsetzt, dass die Rolle des Staates sich aufs Kontrollieren und Sanktionieren beschränkt. Da habe ich mich wohl geirrt. Infrastruktur – ja, da muss der Staat ja doch noch ran. Was macht das denn auch für einen Eindruck auf die Manager*innen der großen Chip-Konzerne, die sich in Saxony Valley mal die Klinke in die Hand geben sollen?

Ach, die kommen gar nicht über die Königsbrücker Straße? Die nehmen die Datenautobahn. Na wenn das so ist! Dann warten wir doch noch geduldig bis 2027 und nehmen bis dahin das Rad, gerne auch das Lastenrad. Außerdem ist eh gerade Haushaltssperre.

Kommentare
30.08.2023 / 10:48 emil, Radio Zett Zittau
Guter Beitrag
Heute kurz vor 16 Uhr. Danke
 
01.09.2023 / 17:56 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 1.9.. Vielen Dank !