"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Steuervermeidung Schweizer Art
ID 122098
Vor einer Woche hatte ich davon gesprochen, dass in den letzten Monaten die Multimillionäre aus Norwegen in Scharen in die Schweiz übersiedeln, Steuerflüchtlinge halt, deren Asylgesuche von den Behörden mit großem Wohlwollen behandelt werden. Genaue Zahlen habe ich nicht, aber die norwegischen Medien falten und runzeln ihre Stirnen derart stark, dass es auch bei uns hörbar knistert.
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11:04 min, 25 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 16.05.2023 / 22:43
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Klassifizierung
Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung
AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 16.05.2023
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Vor einer Woche hatte ich davon gesprochen, dass in den letzten Monaten die Multimillionäre aus Norwegen in Scharen in die Schweiz übersiedeln, Steuerflüchtlinge halt, deren Asylgesuche von den Behörden mit großem Wohlwollen behandelt werden. Genaue Zahlen habe ich nicht, aber die norwegischen Medien falten und runzeln ihre Stirnen derart stark, dass es auch bei uns hörbar knistert.
Und ich bleibe dabei: Würde es sich um ein EU-Mitgliedland handeln, so wären verschiedene Arbeitsgruppen am Werk, um sich mit dem Problem zu beschäftigen. Steuerabkommen werden meines Wissens auf bilateraler Ebene beschlossen, gehen also die EU zunächst nichts an; aber der Schutz der Staatseinnahmen im Rahmen einer halbwegs akzeptierten internationalen Steuergeometrie dürfte kaum bestritten sein, auch wenn die EU selber mit den Niederlanden und mit Luxemburg auf zwei sehr schöne Steuerparadiese zählen kann mit Schlupflöcher, so groß wie Scheunentore. Nehme ich mal an, wie gesagt, ich bin kein Spezialist in internationalem Steuerrecht. Bloß geht es mir wie jedem vernünftigen Menschen auf den Keks, wenn die reichsten Menschen und Großkonzerne ihre Steuern nach Belieben minimieren können, und zwar nicht nur durch die Verlagerung von Steuerstandorten, sondern auch durch die Verwendung der erwähnten Schlupflöcher und vor allem mit der Herstellung dieser Schlupflöcher, für welche die Reichen oder der Reichtum an und für sich verschiedene Kasperlefiguren in den Parlamenten und in den parlamentarischen Hinterzimmern beschäftigen. Mir fallen für die Schweiz in diesem Zusammenhang gerade zwei Namen ein, der Nationalrat Christian Lüscher aus Genf und der Nationalrat Oliver Feller aus dem Kanton Waadt, beide Mitglieder der Wirtschaftspartei FDP, was in Deutschland ungefähr der CDU entspricht. Aber diese Lüschers und Fellers sind in allen Parlamenten und Kommissionen am Werk. Umso erfreulicher war es für die internationale Menschengemeinschaft, als sich die OECD vor ein paar Jahren entschloss, für die Großkonzerne einen Mindestsatz für die Gewinnbesteuerung einzuführen. 15 Prozent! Das scheint für einen durchschnittlich intelligenten Zeitgenossen wie mich nicht übertrieben viel, da bekanntlich der Gewinn schon in der Buchhaltung nicht übertrieben hoch angesetzt wird und vernünftigerweise um zahlreiche Beträge wie Zinszahlungen, anderweitige Steuern, Abschreibungen und Amortisationen gekürzt wird. Aber nur schon dieser Mindeststeuersatz versetzte die Wirtschaftslobby in der Schweiz in Aufregung. Tatsächlich ist hier ein Steuersatz von 11% oder 10% durchaus normal, mindestens in steuerparadiesischen Kantonen wie dem Kanton Zug. Aber auch der Kanton Baselstadt hat für die dort ansäßige Pharmaindustrie seine Steuersätze ganz schön runtergefahren. Immerhin ist diese Pharmaindustrie auch tatsächlich dort ansässig und produziert an verschiedenen Standorten in Basel und in der Umgebung ihre Produkte und unterhält verschiedene Forschungsstätten, wodurch die Frage des Steuersatzes als sozusagen lokales oder regionales Problem behandelt werden kann. Im Kanton Zug dagegen konzentrieren sich die Firmensitze von Unternehmen, die keinen wirklichen Standort dort besitzen, es sei denn, man würde den Steuersitz als Standort bezeichnen. Das wohl bekannteste Beispiel ist Glencore, der globale CO2-Produzent par excellence, einer der größten Rohstoffkonzerne mit einem Schweif an Korruptionsskandalen in verschiedenen Ländern der Dritten Welt, der ebenso lang ist wie die produktiven Aktivitäten selber. Aber darum geht es hier ja nicht, einmal abgesehen davon, dass auch ich aus neutraler Sicht anerkennen muss, dass man in gewissen Ländern dieser Erde ohne Korruption gar keine Geschäfte tätigen kann. Es geht eben nicht darum, sondern um den neuen OECD-Mindestsatz für die Gewinnbesteuerung, den man nun auch in der Schweiz anwenden muss, sehr zum Missfallen der Behörden zum Beispiel eben im Kanton Zug. Das nationale Parlament hat eine Gesetzesvorlage zur Umsetzung dieser OECD-Anforderung erarbeitet, und diese Vorlage sieht vor, dass die ein bis zwei Milliarden Franken, die mit dieser Steuererhöhung zusätzlich in die Kassen kommen, zu drei Vierteln an die Kantone verteilt werden, und zwar vermutlich gemäß dem Anteil jener Zusatzeinnahmen, die sie aus der neuen Steuer erhalten. Jetzt können diese Kantone den Not leidenden multinationalen Unternehmen ihre Zusatzsteuern wieder zurückerstatten. Der Zuger Finanzdirektor spricht von Unterstützungsbeiträgen an Glencore für die Verbesserung des Klimaschutzes und der Sozialstandards. Dieser Witz im Zusammenhang mit der größten Klimadreckschleuder des Planeten ist derart dreist, dass ihn nicht mal ein Kabarettist auf der Bühne zu formulieren wagen würde. Es geht schlicht und einfach darum, die Erfüllung der OECD-Vorschriften zu sabotieren.
Der zu erwartende Mehrertrag ist, wie erwähnt, mit ein bis zwei Milliarden nicht übermässig hoch. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die OECD solche Schlaumeiereien tolerieren wird. Ich hoffe es nicht. Das Instrumentarium, mit welchem die OECD die Schweiz unter Druck setzen könnte, ist mir nicht bekannt; aber es handelt sich immerhin um den Zusammenschluss aller wichtigen Industrienationen, welche vermutlich mehr als 100 Prozent des Schweizer Außenhandels und der internationalen Finanzbeziehungen unseres Landes abdecken. Wenn diese Organisation offiziell feststellt, dass die Schweiz die Bemühungen zur Bekämpfung der Steuervermeidung sabotiert, dann wird das doch die eine oder andere Reaktion auslösen. Das ist wirklich zu hoffen und liegt im Interesse der OECD selber. Ich warte mit einer gewissen Spannung auf die entsprechenden Reaktionen, wobei bei uns im Juni zuerst noch über dieses juristische Bubentrickli abgestimmt wird; die fortschrittlichen Kräfte im Parlament haben nämlich das Referendum gegen das Ausführungsgesetz ergriffen. Aber so, wie ich die Schweizer Stimmbevölkerung einschätze beziehungsweise die Aus- und Einwirkungen der Propaganda der Verteidiger des Steuerparadieses, ist es durchaus unsicher, dass sie dieses Paket ablehnen wird. Die OECD wird also aller Voraussicht nach Futter erhalten.
Davon abgesehen: Steuerflucht, Steuervermeidung, Steuerhinterziehung sind das eine, der Umgang mit den Staatsfinanzen das andere. Die Steuern dienen nur in zweiter Linie dazu, die Ungleichheiten bei Besitz und Einkommen auszugleichen, in erster Linie geht es um die Finanzierung der Staatsausgaben beziehungsweise Staatsaufgaben. Der Umfang solcher Zuständigkeiten ist immer umstritten, weil die, sagen wir mal neoliberale Doktrin möglichst überall, wo eine Aktivität gewisse Überschüsse abzuwerfen verspricht, diese Aktivität an private Unternehmen auslagern möchte, auch wenn es überhaupt keinen Sinn ergibt im Gesamtzusammenhang; anderseits haben sozialdemokratische Politiklinien die Tendenz, dem Staat die Oberaufsicht über immer wachsende Teile der gesamten Gesellschaft zuzuschanzen, sodass aus dem Wettkampf zwischen Neoliberalismus und Sozialdemokratie eine Art Gleichgewicht hervorgehen könnte. Das Resultat fällt je nach Region und je nach zeitlicher Phase, in welcher man sich befindet, ganz unterschiedlich aus. Immerhin haben die letzten Jahrzehnte gezeigt, dass die sozialdemokratische Richtung tendenziell eher für die Einrichtung von Bürokratien steht anstelle von deren Abbau, während die liberale oder die neoliberale Tendenz nicht in erster Linie den Staat, sondern die gesamte Wirtschaft, mindestens im Finanzbereich in den Ruin zu treiben droht. Aber das sind Diskussionen, die ich nicht aus neutraler Sicht und abstrakt einzuordnen habe. Das einzig Vernünftige, was mir hierzu durch den Kopf geht, ist der Hinweis darauf, dass moderne Technologien in der staatlichen Verwaltung tatsächlich keinen Schaden anrichten; ein zweites hat nichts mit Technologie zu tun, sondern ganz einfach mit den Nachwirkungen der Beamtenmentalität, welche man in den staatlichen Institutionen gerne mal gänzlich abschaffen könnte. Der Rest, also die Verteilung der Einnahmen auf die verschiedenen Sektoren auf nationaler Ebene und im EU-Rahmen, bildet eher Gegenstand eines Seminars als eines Kommentars.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Kommentars stand noch nicht fest, ob sich der Erdopampel mit verschiedenen Maßnahmen nicht doch noch den Sieg im ersten Durchgang bei den Präsidentschaftswahlen in der Türkei erschwindeln kann. Seine Partei hat 35% der Sitze im Parlament geholt, die größte Oppositionspartei 25%. Aus längst nicht mehr neutraler, sondern nur noch distanzierter Sicht halte ich immerhin fest, dass die Wahlveranstaltung vom letzten Wochenende mindestens den Anschein erweckte, als wären die demokratischen Formen respektiert worden. Immerhin.
Werfen wir zur Abwechslung wieder mal einen Blick auf die Berichterstattung der Zeitung «Le Monde» über Afrika. Wie mehr oder weniger üblich, prägen die Meldungen von Massakern an der Zivilbevölkerung diese Nachrichten, diesmal an 500 Personen im Dorf Moura in Mali, und zwar im März des letzten Jahres; bei den Tätern soll es sich um Regierungstruppen in Kombination mit Einheiten der russischen Söldnertruppe Wagner handeln. Bevor man die Meldung ganz ins Unterbewusstsein sickern lässt, ruft man sich noch in Erinnerung, dass die Regierung in Mali im letzten Jahr die Franzosen beziehungsweise deren Fremdenlegion aus dem Land hinaus komplimentiert haben, und man ruft sich auch in Erinnerung, dass die Gräueltaten der Wagner-Spezialtruppen ein Dauerbrenner bei den journalistischen Leistungen sind. Überall, wo in Afrika getötet wird, sind Wagner-Truppen dabei. Das tönt immer etwas seltsam für meine Ohren.
Im tunesischen Djerba gab es letzte Woche offenbar einen Anschlag auf eine Synagoge im jüdischen Viertel, welcher fünf Todesopfer forderte, darunter drei Sicherheitskräfte und der Attentäter selber. Die Behörden befürchten nun negative Auswirkungen auf den Tourismus, welcher die Haupteinnahmequelle in Djerba darstellt.
Senegal erhält vom Internationalen Währungsfonds einen Kredit von 2 Milliarden Dollar, der in erster Linie der Ablösung anderer Kredite dient und mit den üblichen Auflagen verbunden ist, konkret die Bekämpfung der Geldwäscherei und des Terrorismus und natürlich der Anpassung des Landes an den Klimawechsel. Mit letzterem Argument haben die Staaten im Süden natürlich ein neues Argument gefunden, um Gelder aller Sorten in Projekte aller Sorten zu leiten, welche am Schluss immer dem gleichen Ziel dienen, nämlich dem Füllen der Taschen der Machthabenden. Aber solange daneben auch noch etwas Positives für die Bevölkerung abfällt, wollen wir nicht mehr rüsseln als nötig.
In Äthiopien scheint trotz den kriegerischen Auseinandersetzungen im Tigré die wirtschaftliche Entwicklung munter weiterzugehen, die schon seit Jahren anhält und ursprünglich vor allem mit Investitionen aus China finanziert wurde. Ein Artikel im Le Monde beschreibt die Verärgerung der Einheimischen über einen Brauerei-Neubau im Vorort Kilinto, dem verschiedene Häuser und Felder weichen mussten. Von hier aus will der Brauerei-Multi Heineken den äthiopischen Markt definitiv erobern; heute ist er bereits mit zwei kleineren Brauereien im Land präsent.
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo kommen zu den Rebellenaufständen nun auch noch die Naturkatastrophen: Das Gebiet leidet zum Teil unter massiven Überschwemmungen. Man rechnet mit über 500 Todesopfern. Zahlreiche Menschen sind noch vermisst. Immerhin hat sich die Wetterlage inzwischen wieder stabilisiert.
Und ich bleibe dabei: Würde es sich um ein EU-Mitgliedland handeln, so wären verschiedene Arbeitsgruppen am Werk, um sich mit dem Problem zu beschäftigen. Steuerabkommen werden meines Wissens auf bilateraler Ebene beschlossen, gehen also die EU zunächst nichts an; aber der Schutz der Staatseinnahmen im Rahmen einer halbwegs akzeptierten internationalen Steuergeometrie dürfte kaum bestritten sein, auch wenn die EU selber mit den Niederlanden und mit Luxemburg auf zwei sehr schöne Steuerparadiese zählen kann mit Schlupflöcher, so groß wie Scheunentore. Nehme ich mal an, wie gesagt, ich bin kein Spezialist in internationalem Steuerrecht. Bloß geht es mir wie jedem vernünftigen Menschen auf den Keks, wenn die reichsten Menschen und Großkonzerne ihre Steuern nach Belieben minimieren können, und zwar nicht nur durch die Verlagerung von Steuerstandorten, sondern auch durch die Verwendung der erwähnten Schlupflöcher und vor allem mit der Herstellung dieser Schlupflöcher, für welche die Reichen oder der Reichtum an und für sich verschiedene Kasperlefiguren in den Parlamenten und in den parlamentarischen Hinterzimmern beschäftigen. Mir fallen für die Schweiz in diesem Zusammenhang gerade zwei Namen ein, der Nationalrat Christian Lüscher aus Genf und der Nationalrat Oliver Feller aus dem Kanton Waadt, beide Mitglieder der Wirtschaftspartei FDP, was in Deutschland ungefähr der CDU entspricht. Aber diese Lüschers und Fellers sind in allen Parlamenten und Kommissionen am Werk. Umso erfreulicher war es für die internationale Menschengemeinschaft, als sich die OECD vor ein paar Jahren entschloss, für die Großkonzerne einen Mindestsatz für die Gewinnbesteuerung einzuführen. 15 Prozent! Das scheint für einen durchschnittlich intelligenten Zeitgenossen wie mich nicht übertrieben viel, da bekanntlich der Gewinn schon in der Buchhaltung nicht übertrieben hoch angesetzt wird und vernünftigerweise um zahlreiche Beträge wie Zinszahlungen, anderweitige Steuern, Abschreibungen und Amortisationen gekürzt wird. Aber nur schon dieser Mindeststeuersatz versetzte die Wirtschaftslobby in der Schweiz in Aufregung. Tatsächlich ist hier ein Steuersatz von 11% oder 10% durchaus normal, mindestens in steuerparadiesischen Kantonen wie dem Kanton Zug. Aber auch der Kanton Baselstadt hat für die dort ansäßige Pharmaindustrie seine Steuersätze ganz schön runtergefahren. Immerhin ist diese Pharmaindustrie auch tatsächlich dort ansässig und produziert an verschiedenen Standorten in Basel und in der Umgebung ihre Produkte und unterhält verschiedene Forschungsstätten, wodurch die Frage des Steuersatzes als sozusagen lokales oder regionales Problem behandelt werden kann. Im Kanton Zug dagegen konzentrieren sich die Firmensitze von Unternehmen, die keinen wirklichen Standort dort besitzen, es sei denn, man würde den Steuersitz als Standort bezeichnen. Das wohl bekannteste Beispiel ist Glencore, der globale CO2-Produzent par excellence, einer der größten Rohstoffkonzerne mit einem Schweif an Korruptionsskandalen in verschiedenen Ländern der Dritten Welt, der ebenso lang ist wie die produktiven Aktivitäten selber. Aber darum geht es hier ja nicht, einmal abgesehen davon, dass auch ich aus neutraler Sicht anerkennen muss, dass man in gewissen Ländern dieser Erde ohne Korruption gar keine Geschäfte tätigen kann. Es geht eben nicht darum, sondern um den neuen OECD-Mindestsatz für die Gewinnbesteuerung, den man nun auch in der Schweiz anwenden muss, sehr zum Missfallen der Behörden zum Beispiel eben im Kanton Zug. Das nationale Parlament hat eine Gesetzesvorlage zur Umsetzung dieser OECD-Anforderung erarbeitet, und diese Vorlage sieht vor, dass die ein bis zwei Milliarden Franken, die mit dieser Steuererhöhung zusätzlich in die Kassen kommen, zu drei Vierteln an die Kantone verteilt werden, und zwar vermutlich gemäß dem Anteil jener Zusatzeinnahmen, die sie aus der neuen Steuer erhalten. Jetzt können diese Kantone den Not leidenden multinationalen Unternehmen ihre Zusatzsteuern wieder zurückerstatten. Der Zuger Finanzdirektor spricht von Unterstützungsbeiträgen an Glencore für die Verbesserung des Klimaschutzes und der Sozialstandards. Dieser Witz im Zusammenhang mit der größten Klimadreckschleuder des Planeten ist derart dreist, dass ihn nicht mal ein Kabarettist auf der Bühne zu formulieren wagen würde. Es geht schlicht und einfach darum, die Erfüllung der OECD-Vorschriften zu sabotieren.
Der zu erwartende Mehrertrag ist, wie erwähnt, mit ein bis zwei Milliarden nicht übermässig hoch. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die OECD solche Schlaumeiereien tolerieren wird. Ich hoffe es nicht. Das Instrumentarium, mit welchem die OECD die Schweiz unter Druck setzen könnte, ist mir nicht bekannt; aber es handelt sich immerhin um den Zusammenschluss aller wichtigen Industrienationen, welche vermutlich mehr als 100 Prozent des Schweizer Außenhandels und der internationalen Finanzbeziehungen unseres Landes abdecken. Wenn diese Organisation offiziell feststellt, dass die Schweiz die Bemühungen zur Bekämpfung der Steuervermeidung sabotiert, dann wird das doch die eine oder andere Reaktion auslösen. Das ist wirklich zu hoffen und liegt im Interesse der OECD selber. Ich warte mit einer gewissen Spannung auf die entsprechenden Reaktionen, wobei bei uns im Juni zuerst noch über dieses juristische Bubentrickli abgestimmt wird; die fortschrittlichen Kräfte im Parlament haben nämlich das Referendum gegen das Ausführungsgesetz ergriffen. Aber so, wie ich die Schweizer Stimmbevölkerung einschätze beziehungsweise die Aus- und Einwirkungen der Propaganda der Verteidiger des Steuerparadieses, ist es durchaus unsicher, dass sie dieses Paket ablehnen wird. Die OECD wird also aller Voraussicht nach Futter erhalten.
Davon abgesehen: Steuerflucht, Steuervermeidung, Steuerhinterziehung sind das eine, der Umgang mit den Staatsfinanzen das andere. Die Steuern dienen nur in zweiter Linie dazu, die Ungleichheiten bei Besitz und Einkommen auszugleichen, in erster Linie geht es um die Finanzierung der Staatsausgaben beziehungsweise Staatsaufgaben. Der Umfang solcher Zuständigkeiten ist immer umstritten, weil die, sagen wir mal neoliberale Doktrin möglichst überall, wo eine Aktivität gewisse Überschüsse abzuwerfen verspricht, diese Aktivität an private Unternehmen auslagern möchte, auch wenn es überhaupt keinen Sinn ergibt im Gesamtzusammenhang; anderseits haben sozialdemokratische Politiklinien die Tendenz, dem Staat die Oberaufsicht über immer wachsende Teile der gesamten Gesellschaft zuzuschanzen, sodass aus dem Wettkampf zwischen Neoliberalismus und Sozialdemokratie eine Art Gleichgewicht hervorgehen könnte. Das Resultat fällt je nach Region und je nach zeitlicher Phase, in welcher man sich befindet, ganz unterschiedlich aus. Immerhin haben die letzten Jahrzehnte gezeigt, dass die sozialdemokratische Richtung tendenziell eher für die Einrichtung von Bürokratien steht anstelle von deren Abbau, während die liberale oder die neoliberale Tendenz nicht in erster Linie den Staat, sondern die gesamte Wirtschaft, mindestens im Finanzbereich in den Ruin zu treiben droht. Aber das sind Diskussionen, die ich nicht aus neutraler Sicht und abstrakt einzuordnen habe. Das einzig Vernünftige, was mir hierzu durch den Kopf geht, ist der Hinweis darauf, dass moderne Technologien in der staatlichen Verwaltung tatsächlich keinen Schaden anrichten; ein zweites hat nichts mit Technologie zu tun, sondern ganz einfach mit den Nachwirkungen der Beamtenmentalität, welche man in den staatlichen Institutionen gerne mal gänzlich abschaffen könnte. Der Rest, also die Verteilung der Einnahmen auf die verschiedenen Sektoren auf nationaler Ebene und im EU-Rahmen, bildet eher Gegenstand eines Seminars als eines Kommentars.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Kommentars stand noch nicht fest, ob sich der Erdopampel mit verschiedenen Maßnahmen nicht doch noch den Sieg im ersten Durchgang bei den Präsidentschaftswahlen in der Türkei erschwindeln kann. Seine Partei hat 35% der Sitze im Parlament geholt, die größte Oppositionspartei 25%. Aus längst nicht mehr neutraler, sondern nur noch distanzierter Sicht halte ich immerhin fest, dass die Wahlveranstaltung vom letzten Wochenende mindestens den Anschein erweckte, als wären die demokratischen Formen respektiert worden. Immerhin.
Werfen wir zur Abwechslung wieder mal einen Blick auf die Berichterstattung der Zeitung «Le Monde» über Afrika. Wie mehr oder weniger üblich, prägen die Meldungen von Massakern an der Zivilbevölkerung diese Nachrichten, diesmal an 500 Personen im Dorf Moura in Mali, und zwar im März des letzten Jahres; bei den Tätern soll es sich um Regierungstruppen in Kombination mit Einheiten der russischen Söldnertruppe Wagner handeln. Bevor man die Meldung ganz ins Unterbewusstsein sickern lässt, ruft man sich noch in Erinnerung, dass die Regierung in Mali im letzten Jahr die Franzosen beziehungsweise deren Fremdenlegion aus dem Land hinaus komplimentiert haben, und man ruft sich auch in Erinnerung, dass die Gräueltaten der Wagner-Spezialtruppen ein Dauerbrenner bei den journalistischen Leistungen sind. Überall, wo in Afrika getötet wird, sind Wagner-Truppen dabei. Das tönt immer etwas seltsam für meine Ohren.
Im tunesischen Djerba gab es letzte Woche offenbar einen Anschlag auf eine Synagoge im jüdischen Viertel, welcher fünf Todesopfer forderte, darunter drei Sicherheitskräfte und der Attentäter selber. Die Behörden befürchten nun negative Auswirkungen auf den Tourismus, welcher die Haupteinnahmequelle in Djerba darstellt.
Senegal erhält vom Internationalen Währungsfonds einen Kredit von 2 Milliarden Dollar, der in erster Linie der Ablösung anderer Kredite dient und mit den üblichen Auflagen verbunden ist, konkret die Bekämpfung der Geldwäscherei und des Terrorismus und natürlich der Anpassung des Landes an den Klimawechsel. Mit letzterem Argument haben die Staaten im Süden natürlich ein neues Argument gefunden, um Gelder aller Sorten in Projekte aller Sorten zu leiten, welche am Schluss immer dem gleichen Ziel dienen, nämlich dem Füllen der Taschen der Machthabenden. Aber solange daneben auch noch etwas Positives für die Bevölkerung abfällt, wollen wir nicht mehr rüsseln als nötig.
In Äthiopien scheint trotz den kriegerischen Auseinandersetzungen im Tigré die wirtschaftliche Entwicklung munter weiterzugehen, die schon seit Jahren anhält und ursprünglich vor allem mit Investitionen aus China finanziert wurde. Ein Artikel im Le Monde beschreibt die Verärgerung der Einheimischen über einen Brauerei-Neubau im Vorort Kilinto, dem verschiedene Häuser und Felder weichen mussten. Von hier aus will der Brauerei-Multi Heineken den äthiopischen Markt definitiv erobern; heute ist er bereits mit zwei kleineren Brauereien im Land präsent.
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo kommen zu den Rebellenaufständen nun auch noch die Naturkatastrophen: Das Gebiet leidet zum Teil unter massiven Überschwemmungen. Man rechnet mit über 500 Todesopfern. Zahlreiche Menschen sind noch vermisst. Immerhin hat sich die Wetterlage inzwischen wieder stabilisiert.
Kommentare
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18.05.2023 / 19:11 | Radio LoRa -- Info Donnerstag, Radio LoRa, Zürich |
Danke!
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Wurde heute im Info Donnerstag, 18.5. gespielt. | |