"Ein monströser Effekt!" | NOAA: Starker Temperaturanstieg der Weltmeere

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Die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) mit Sitz in Washington hat alarmierende Zahlen zum Temperaturanstieg in den Weltmeeren veröffentlicht. Anders Levermann, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sprach von einem "monströsen Effekt". Die Klimakatastrophe naht immer schneller.
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Upload vom 08.05.2023 / 22:47

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Arbeitswelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Burning Beds
Entstehung

AutorInnen: Klaus Schramm
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 08.05.2023
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
"Ein monströser Effekt!" | NOAA: Starker Temperaturanstieg der Weltmeere

Die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) mit Sitz in Washington hat alarmierende Zahlen zum Temperaturanstieg in den Weltmeeren veröffentlicht. Anders Levermann, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sprach von einem "monströsen Effekt". Die Klimakatastrophe naht immer schneller.

Von Mitte März bis Ende April dieses Jahres sind die Weltmeere mit 21,0 Grad im Durchschnitt so warm gewesen wie noch nie seit Beginn der Messungen in den 1980er-Jahren. Was auf den ersten Blick nach gutem Badewetter für den Urlaub klingen mag, ist für WissenschaftlerInnen ein schrilles Alarmsignal in Sachen Klimakrise und Extremwetter – auch für die Situation auf den Kontinenten.

Die NOAA mit Sitz in Washington legt seit 1981 unter anderem mithilfe von Satelliten und speziellen Bojen Messreihen mit den täglichen Oberflächentemperaturen der Weltmeere vor. Der daraus errechnete Mittelwert gilt als globaler Seismograph – regional können die Temperaturen deutlich höher oder niedriger liegen.

Dieses Jahr begann mit 20,6 Grad Celsius durchschnittlicher Wassertemperatur vergleichsweise moderat. Die Werte erreichten nicht die besorgniserregenden Spitzenwerte von 2016, als sich die Messkurve bereits Mitte Februar der 21-Grad-Marke näherte. Doch dafür schnellte sie in diesem Jahr ab Mitte März nach oben wie noch nie seit Beginn der Messungen.

21,0 Grad im Mittel hielten sich auch erstmals bis Ende April, obwohl die Kurve nach den Erfahrungen der vergangenen 40 Jahre – die Durchschnittstemperatur unterliegt saisonalen Schwankungen – längst wieder hätte abflachen sollen. Auch der jüngste Stand vom 3. Mai mit 20,9 Grad liegt über allen bisherigen Messungen für diesen Zeitraum. Zum Vergleich: 1985 lag die Meerestemperatur Ende April im Mittel noch bei 20 Grad.

Bereits ein Anstieg um 0,1 Grad im Ozean entspricht einer gigantischen Energiemenge, so PIK-Wissenschaftler Levermann. "Die Wärmekapazität des Wassers ist sehr viel höher als die der Luft oder des Landes. Man kann daran sehen, dass wir selbst innerhalb der globalen Erwärmung so weit außerhalb der normalen Schwankungen sind, daß das besorgniserregend und beunruhigend ist.“

"Temperaturen im Meer sind ein absoluter Master-Schalter," erklärt Thorsten Reusch, Biologe am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Kleinste Veränderungen können das globale Klimasystem durcheinanderwirbeln. "Was wir jetzt sehen, ist jenseits aller bisher aufgezeichneten Wassertemperaturen. Das ist auf jeden Fall bemerkenswert bis bedenklich."

Für Laien möge sich ein Anstieg von 0,2 Grad nach wenig anhören. Das sei aber der globale Mittelwert. Meerwasser könne sich regional viel stärker erwärmen, in den Tropen bis über 30 Grad Celsius. Das hat Folgen. "Bei vielen Organismen im Meer ist die Wassertemperatur die Körpertemperatur."

Seit Jahrzehnten ist bekannt, daß die Erderwärmung durch die vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen angetrieben wird. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Erdöl oder Kohle und die Entwaldung durch den Menschen haben in den vergangenen Jahrzehnten große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt, die sich in der Atmosphäre anreichern und dazu führen, daß es immer wärmer wird.

"Fische weichen bei einer Erwärmung in kühlere Meeresregionen aus," so Reusch. Dadurch kommt es zu einer Verschiebung der Artenzusammensetzung mit Folgen für die Nahrungsketten. "Es wurde auch beobachtet, daß Fische in wärmerem Wasser nicht mehr so groß werden können – pro Grad bleiben sie um drei Prozent kleiner," erklärt der Biologe.

"Für Korallen, Hotspots der biologischen Vielfalt des Meeres, gibt es eine Grenze: Ab 30 Grad beginnen sie, auszubleichen und abzusterben," erläutert Reusch. "Im Mittelmeer gab es im vergangenen Jahr eine massive Hitzewelle mit bis zu 30 Grad Wassertemperatur. Das war fünf Grad über normal." Dieses Extrem habe zum Absterben von Korallenarten wie Gorgonien und Edelkorallen geführt.

Doch es geht nicht nur um die Meeresbewohner. Physikalische Prozesse wie Verdunstung wirken sich auch auf das Land aus. Die Ozeane als Wärmepuffer seien der große Energielieferant für die Atmosphäre, erläutert Klimaforscher Levermann. "Wenn diese Energie frei wird, gibt es häufiger und intensivere Extreme."

Das seien dann zum Beispiel Taifune und Hurrikans. "Aber es geht auch um Starkregen, denn eine wärmere Atmosphäre kann mehr Wasserdampf halten. Dadurch werden Überschwemmungen verstärkt, auch in unseren Breiten." Für den Wissenschaftler sind die Ozeane, die rund 70 Prozent der Erde bedecken, wie eine gigantische Klimaanlage. "Und die läuft gerade warm."

Auch Reusch, Biologe am Helmholtz-Zentrum sieht die Temperaturkurve der Meere mit Sorge. "Wenn wir wie jetzt von einem höheren Niveau aus starten, haben wir natürlich auch ein höheres Risiko, uns im Sommer auf der Nordhalbkugel neue Extremwerte einzufangen." Und auch für die eisbedeckten Regionen der Meere wird es bei immer wärmerem Wasser enger – Stichwort Schmelze. Steigende Wasserpegel bedrohen dann wiederum das Land.

Neben Wäldern und Böden gehören Ozeane auch zu den größten Kohlenstoffsenken der Erde und dämpfen massiv den Treibhauseffekt – noch. "Bisher verschwanden 30 Prozent des menschengemachten Kohlendioxids über die sogenannte biologische Kohlenstoffpumpe in der Tiefsee," sagt Reusch. Doch dieser abmildernde Effekt geht mit steigenden Meerestemperaturen zunehmend verloren. Dies ist ein weiteres Indiz, daß sich der Planet einem Kipp-Punkt nähert. Ähnlich wie beim Scheitelpunkt einer Achterbahn gibt es danach kein Zurück mehr.

Kommentare
12.05.2023 / 10:33 Attac-Magazin, radio flora, Hannover
Danke!
gesendet am 09.05.