"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Inflation
ID 120165
Eine beliebte, man möchte sagen: klassische Methode, um einen Überschuss an Kaufkraft abzubauen, ist die Inflation. Ich habe schon früher auf die Ökonominnen verwiesen, welche behaupten, dass die Preissteigerungen in den USA darauf zurückzuführen seien, dass die Regierung während der Corona-Zeit an die Bevölkerung bedingungslose Zahlungen geleistet hat, um die anderweitigen Einkommensausfälle auszugleichen.
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12:09 min, 28 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 07.02.2023 / 22:35
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Klassifizierung
Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Politik/Info
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung
AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 07.02.2023
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Eine beliebte, man möchte sagen: klassische Methode, um einen Überschuss an Kaufkraft abzubauen, ist die Inflation. Ich habe schon früher auf die Ökonominnen verwiesen, welche behaupten, dass die Preissteigerungen in den USA darauf zurückzuführen seien, dass die Regierung während der Corona-Zeit an die Bevölkerung bedingungslose Zahlungen geleistet hat, um die anderweitigen Einkommensausfälle auszugleichen.
Die Hälfte dieser Gelder seien nicht in den Konsum geflossen, sondern sonstwohin, zum Beispiel auf die Sparkonten. Allerdings ist es nach meinem Kenntnisstand nicht nachgewiesen, dass ein Anstieg der Sparquote direkt zu einem Anstieg der Inflation führt. Sonst müssten ja Länder mit höheren Sparquoten dauerhaft höhere Inflationsraten haben. Ein Blick in die Statistik widerlegt das umgehend, mir liegen hier Zahlen für das Jahr 2015 vor, die sich abgesehen von Einzelfällen nicht wesentlich geändert haben werden. An der Spitze lag damals Katar mit einer Sparquote von sagenhaften 51.4 Prozent, was ohne Zweifel nicht mit dem sagenhaften Reichtum aller Konsument:innen und noch viel weniger aller Lohnarbeitenden in Katar zusammenhängt, sondern mit dem Erdöl. Auf dem zweiten Platz folgt Singapur, dessen Reichtum nicht in Erdöl begründet liegt, sondern im Finanzsektor; hier beträgt die Sparquote 47.4 Prozent. Für China wird sie ebenfalls mit 47.4 Prozent ausgewiesen, und China war bereits 2015 auf dem Weg zu einem konsumgetriebenen Inlandwachstum. In Südkorea betrug sie 35.7%, dann folgte, ebenso bemerkens- wie unerwarteterweise, Botswana mit einer Sparquote von 35.6%, und erst jetzt taucht das erste europäische Land auf der Liste auf, es ist Norwegen mit 35.2%, hier kann man auch von Erdöl sprechen, vor allem aber vom norwegischen Staatsfonds, wovon man aber nicht sprechen kann, ist eine auch nur halbwegs nennenswerte Inflationsrate. In Nepal, das wiederum ziemlich unerwartet auf dieser Liste aufscheint, werden 33.9% der Einkommen gespart, in Taiwan 33.7% und in Turkmenistan 32.1%, was mich für den Turkmenbashi freut. Indonesien weist 31.7% aus, Algerien 31.4%, der Iran 31.2%, dann kommen wir wieder nach Europa und wieder nach Skandinavien, nach Schweden mit 31.2%, danach scheint Marokko auf mit 31.1%, und endlich fühle ich mich zuhause in der Schweiz mit 31%. Sie liegt auf dem globalen Rang 15. Hinter ihr folgen Usbekistan, die Kapverden, Thailand, Kuwait, Nordmazedonien, Sambia, Indien, Weißrussland, Brunei, Bangladesch, Malaysia, Papua-Neuguinea, auf Rang 28 Äthiopien und auf Rang 29 die nächste Europäerin, die Tschechische Republik mit 28%. Und endlich kommen, nach Kasachstan und Sri Lanka, auch die Niederlande auf Rang 32 mit 27.8% und dann Deutschland auf Platz 33 mit 27.3%. Der Durchschnitt der Europäischen Union liegt bei 21.4%, was Rang 78 ergibt, und in den Vereinigten Staaten beträgt beziehungsweise betrug die Sparquote 18.2%; sie lag damit auf Rang 96, knapp vor Neuseeland mit einer Sparquote von 18%.
Früher sprach man in der Volkswirtschaft davon, dass die Sparquote in etwa jenes Potential abbilde, das das betreffende Land für seine eigenen Investitionen aufbaue. Das wäre gemäß dieser Liste etwas überraschend beziehungsweise würde vermuten lassen, dass einige Länder ihr Potential nicht besonders effizient ausschöpfen. Was aber die erwähnte These vom Zusammenhang zwischen überschüssiger Kaufkraft und Inflation angeht, so lässt sie sich in dieser Form nicht halten, es handelt sich um einen ökonomischen Furz, der, da er nun mal schon in Worte gefasst wurde von irgendeinem Assistenten an irgendeiner ökonomischen Fakultät irgendeiner Universität, halt auch regelmäßig wiederholt werden muss, das ist auch so ein Gesetz im Universum der universitären Publizistik.
Eine weitere Erklärung für die Inflation, die im Zusammenhang mit den USA immer wieder aufgekocht wird, ist die Arbeitslosenquote. Tiefe Arbeitslosigkeit bedeutet vergleichsweise starke Marktmacht der Arbeitnehmer:innen bedeutet steigende Lohnkosten, welche die Unternehmen auf die Produkte überwälzen, was zu steigenden Preisen führt. Das ist nun mindestens im mechanischen Sinne logisch; ungeklärt bleibt dabei die Frage, ob Preiserhöhungen nicht zu einem Rückgang der Absatzvolumen führen, sodass in der Hälfte der Fälle eher der Unternehmensgewinn leidet unter steigenden Lohnkosten. In der Tendenz kann diese Erklärung aber durchaus zutreffen, nämlich manchmal, und manchmal trifft sie eben nicht zu. Auf dem Markt ereignen sich Dinge, welche mit der ökonomischen Vernunft nicht immer fassbar sind.
Am meisten überrascht hat mich ja die Tatsache, dass die Inflation mehr oder weniger zehn Jahre lang auf sehr niedrige Werte gesunken ist. Dass in einem Moment, in dem sich verschiedene Ereignisse, von der Coronapandemie über den Krieg in der Ukraine bis zu den wild gewordenen Energiepreisen als Erklärungen geradezu aufdrängen, die Preise angehoben werden, entspricht nach meiner Wahrnehmung eher dem Ausgleich einer in dieser Periode aufgebauten Spannung zwischen dem Wunsch der Unternehmen, ihre Produktepreise anzuheben, und einem zugrunde liegenden Konsens auf dem Markt, dass man so etwas im Moment nicht vollziehen kann beziehungsweise dass man so etwas nur vollziehen kann unter der Gefahr, an Marktanteilen einzubüßen. Diese Spannung ist nun weg, und damit dürfte fürs erste auch das Bedürfnis, wo nicht die Notwendigkeit nach weiteren Preissteigerungen deutlich abgenommen haben.
Selbstverständlich spielen in diese Gesamtrechnung immer auch weitere Faktoren hinein. So hat sich zum Beispiel während des Preisstillstandes der innere Wert der Produkte, also die in ihnen vergegenwärtigte gesellschaftliche Arbeit mit Sicherheit weiter reduziert, was eigentlich zu einem Preisrückgang führen müsste, wenn die Preise den Wert repräsentieren, was sie bekanntlich nicht tun. Es geht noch weiter: Die Produkte beinhalten nicht nur weniger gesellschaftliche Arbeit, sie sind gleichzeitig durchgängig mit neuen Technologien angereichert worden, deren ökonomischen Wert wir in den Produktepreisen in keiner Weise repräsentiert sehen, obwohl er da ist. Na gut, ein bisschen sichtbar wird er offenbar doch, wenn wir dem Wehklagen des Allgemeinden Deutschen Automobilclubs Glauben schenken dürfen, der sich über eine Steigerung des Durchschnittspreises der angebotenen Neuwagen in Deutschland um 19 Prozent zwischen 2017 und 2022 beschwert, und zwar von 45'000 Euro auf 53'500 Euro pro Fahrzeug. Die normale Inflation habe in diesem Zeitraum bei 16 Prozent gelegen. Dazu steuerten allerdings die Jahre 2021 und 2022 volle 11 Prozent bei, die Werte für die übrigen Jahre liegen unter 2 Prozent, für 2015 und 2016 sogar bei 0.5%, wir sehen hier mit anderen Worten bereits den erwähnten Spannungsausgleich, auf den zahlreiche Unternehmen sehnsüchtig gewartet haben.
Die Inflationsbekämpfung gilt als eine der wichtigsten volkswirtschaftlichen Aufgaben; in der Regel fällt diese Aufgaben den Zentralbanken zu, welche sie mit der Drosselung der Geldzufuhr in die Wirtschaft erledigen, sprich mit der Anhebung der Leitzinsen. Was wir aus ökonomischer Sicht im Nachhinein mit den Null- bis hin zu Negativzinsen der Nationalbanken anstellen sollen, welche trotz florierender Weltwirtschaft über mehrere Jahre Praxis waren, ist im Rahmen einer ökonomischen Rationalität nicht einfach auszumachen. Wir müssen wohl noch etwas warten, bis sich irgendeine Studie irgendeines Assistenten an irgendeiner volkswirtschaftlichen Abteilung irgendeiner Universität damit befasst und ein paar Sprüche prägt, die wir in Zukunft dafür verwenden können. Bis auch diese Sprüche dann wieder von ihrer eigenen Inflation eingeholt werden.
Was will ich damit sagen: Für die USA ist der Spruch von der Inflationstreiberei durch die Direktzahlungen des Zentralstaates an die Einwohner:innen, abgesehen von einzelnen Effekten, welche ihn bestätigen mögen, grundsätzlich nichts weiter als Ideologie. In diesen Rang ist allerdings Ökonomie schon seit ihrer Entstehung und seit ihrem Betrieb als Wissenschaft abgesunken oder auch aufgestiegen, mindestens neben den ernsthaften Bemühungen, die Entwicklungen der Volkswirtschaften im Auge zu behalten. Die Auswirkungen von Direktzahlungen auf die Konsumseite der Wirtschaft müssen dringend von all jenen schlecht gemacht werden, welche die alten Märchen von den Tellerwäschern, von gutem Lohn für gute Arbeit und von den Systemen der sozialen Sicherung als Schmarotzerei am Volkskörper weiter erzählen wollen. – Ich habe übrigens nichts gegen gute Löhne, bewahre, und schon gar nicht für gute Löhne für gute Arbeit, zum Beispiel im Bäcker- und Metzgerinnen-Handwerk; es geht nur darum, dass diese Argumentation auf gesamtökonomischer Ebene absolut unvernünftig ist, so vernünftig sie auch auf der Ebene der Brötchen und der Hammelkeule sein mögen. Damit solche Handwerksleute auch in Zukunft ihrer guten Arbeit nachgehen können, ist es ja ganz im Gegenteil vorteilhaft, wenn die Menschen ausreichend Geld auf ihren Konten haben, sodass sie nicht den Billigangeboten von Tönnies nachjagen müssen, sondern sich eben auch die etwas teureren Produkte aus den Fachgeschäften leisten können. Kaufkraft erzeugen, das ist ein zentrales Motiv der modernen Wirtschaft; dass dazu die bekannten Transferleistungen aus den sozialen Sicherungssystemen gehören, ist schon längstens anerkannt, mindestens von all jenen Menschen, denen es in den letzten Monaten nicht ins Hirn geregnet hat. Der Großteil an Kaufkraft entsteht nach wie vor aus Lohnzahlungen, wie dies auch in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ausgewiesen wird; wofür aber Löhne bezahlt werden, das ist wieder eine andere Sache. Die Beschäftigung entwickelt sich zunehmend in Sektoren, die man nicht mehr im klassischen Sinne produktiv nennen möchte. Seit Menschen Geld machen einfach damit, irgendwie auszusehen, ist dem ökonomischen Verständnis alter Schule sowieso der Stöpsel gezogen; abgesehen davon lebt der moderne Kapitalismus schon seit Jahren von irrationalen Strukturen, die sich zum Beispiel im Bereich der Markenprodukte aufgebaut haben. Hier wird tatsächlich hübsch Kaufkraft abgeschöpft, wenn Kleider und Schuhe zum Hundertfachen ihrer Herstellungskosten über den Ladentisch gehen. Umgekehrt entsteht daraus selber Kaufkraft, zum Beispiel durch die Marketing- und Vertriebsnetze, die für solche Markeninfrastrukturen aufgebaut und erhalten werden müssen.
Mit anderen Worten: Dort, wo das Geld in die normale Warenzirkulation einfließt, weiß es in der Regel selber, was es anfangen soll. Es ist ziemlich wurscht, ob so etwas im Rahmen von Lohnzahlungen oder aus Transferleistungen der sozialen Sicherung oder direktemang aus staatlichen Direktzahlungen erfolgt. Im Hintergrund hört man bei diesem ökonomischen Theaterbild dann aber auch noch die Milliarden und Billiarden rascheln, welche unterdessen auf den internationalen Kapitalmärkten zirkulieren. Das ist ein anderes Kapitel, das vielleicht auch noch einen Beitrag zum Thema Inflation abgeben täte. Sicher ist es nicht, denn bisher haben sich die Kapitalmärkte abgesehen von ein paar Dellen und Buckeln recht unbeeindruckt gezeigt von den jüngsten Entwicklungen. Im Gegenteil: Aus den Kapitalmärkten fließen regelmäßig und steigende Beträge in den Bereich der Kaufkraft, namentlich dort, wo es so schöne Dinge gibt wie den norwegischen Staatsfonds. Ich habe gehört, dass man sich nun auch in Deutschland langsam daran machen will, einen solchen Fonds aufzubauen. Eigentlich war das mal mit der Riesterrente geplant, was sich aber nicht bewährt hat. Ich bin gespannt, wie es diesmal aussieht. Einen Rat kann ich auf jeden Fall jetzt schon geben: Er mag noch so sehr mit Bundesmitteln angehäuft werden – nehmt aber dem Staat auf jeden Fall die Möglichkeit der Einflussnahme darauf. Ein solcher Fonds oder ein solches Sondervermögen muss unabhängig sein von den Gelüsten der jeweiligen Regierungen, sich daraus zu bedienen.
Die Hälfte dieser Gelder seien nicht in den Konsum geflossen, sondern sonstwohin, zum Beispiel auf die Sparkonten. Allerdings ist es nach meinem Kenntnisstand nicht nachgewiesen, dass ein Anstieg der Sparquote direkt zu einem Anstieg der Inflation führt. Sonst müssten ja Länder mit höheren Sparquoten dauerhaft höhere Inflationsraten haben. Ein Blick in die Statistik widerlegt das umgehend, mir liegen hier Zahlen für das Jahr 2015 vor, die sich abgesehen von Einzelfällen nicht wesentlich geändert haben werden. An der Spitze lag damals Katar mit einer Sparquote von sagenhaften 51.4 Prozent, was ohne Zweifel nicht mit dem sagenhaften Reichtum aller Konsument:innen und noch viel weniger aller Lohnarbeitenden in Katar zusammenhängt, sondern mit dem Erdöl. Auf dem zweiten Platz folgt Singapur, dessen Reichtum nicht in Erdöl begründet liegt, sondern im Finanzsektor; hier beträgt die Sparquote 47.4 Prozent. Für China wird sie ebenfalls mit 47.4 Prozent ausgewiesen, und China war bereits 2015 auf dem Weg zu einem konsumgetriebenen Inlandwachstum. In Südkorea betrug sie 35.7%, dann folgte, ebenso bemerkens- wie unerwarteterweise, Botswana mit einer Sparquote von 35.6%, und erst jetzt taucht das erste europäische Land auf der Liste auf, es ist Norwegen mit 35.2%, hier kann man auch von Erdöl sprechen, vor allem aber vom norwegischen Staatsfonds, wovon man aber nicht sprechen kann, ist eine auch nur halbwegs nennenswerte Inflationsrate. In Nepal, das wiederum ziemlich unerwartet auf dieser Liste aufscheint, werden 33.9% der Einkommen gespart, in Taiwan 33.7% und in Turkmenistan 32.1%, was mich für den Turkmenbashi freut. Indonesien weist 31.7% aus, Algerien 31.4%, der Iran 31.2%, dann kommen wir wieder nach Europa und wieder nach Skandinavien, nach Schweden mit 31.2%, danach scheint Marokko auf mit 31.1%, und endlich fühle ich mich zuhause in der Schweiz mit 31%. Sie liegt auf dem globalen Rang 15. Hinter ihr folgen Usbekistan, die Kapverden, Thailand, Kuwait, Nordmazedonien, Sambia, Indien, Weißrussland, Brunei, Bangladesch, Malaysia, Papua-Neuguinea, auf Rang 28 Äthiopien und auf Rang 29 die nächste Europäerin, die Tschechische Republik mit 28%. Und endlich kommen, nach Kasachstan und Sri Lanka, auch die Niederlande auf Rang 32 mit 27.8% und dann Deutschland auf Platz 33 mit 27.3%. Der Durchschnitt der Europäischen Union liegt bei 21.4%, was Rang 78 ergibt, und in den Vereinigten Staaten beträgt beziehungsweise betrug die Sparquote 18.2%; sie lag damit auf Rang 96, knapp vor Neuseeland mit einer Sparquote von 18%.
Früher sprach man in der Volkswirtschaft davon, dass die Sparquote in etwa jenes Potential abbilde, das das betreffende Land für seine eigenen Investitionen aufbaue. Das wäre gemäß dieser Liste etwas überraschend beziehungsweise würde vermuten lassen, dass einige Länder ihr Potential nicht besonders effizient ausschöpfen. Was aber die erwähnte These vom Zusammenhang zwischen überschüssiger Kaufkraft und Inflation angeht, so lässt sie sich in dieser Form nicht halten, es handelt sich um einen ökonomischen Furz, der, da er nun mal schon in Worte gefasst wurde von irgendeinem Assistenten an irgendeiner ökonomischen Fakultät irgendeiner Universität, halt auch regelmäßig wiederholt werden muss, das ist auch so ein Gesetz im Universum der universitären Publizistik.
Eine weitere Erklärung für die Inflation, die im Zusammenhang mit den USA immer wieder aufgekocht wird, ist die Arbeitslosenquote. Tiefe Arbeitslosigkeit bedeutet vergleichsweise starke Marktmacht der Arbeitnehmer:innen bedeutet steigende Lohnkosten, welche die Unternehmen auf die Produkte überwälzen, was zu steigenden Preisen führt. Das ist nun mindestens im mechanischen Sinne logisch; ungeklärt bleibt dabei die Frage, ob Preiserhöhungen nicht zu einem Rückgang der Absatzvolumen führen, sodass in der Hälfte der Fälle eher der Unternehmensgewinn leidet unter steigenden Lohnkosten. In der Tendenz kann diese Erklärung aber durchaus zutreffen, nämlich manchmal, und manchmal trifft sie eben nicht zu. Auf dem Markt ereignen sich Dinge, welche mit der ökonomischen Vernunft nicht immer fassbar sind.
Am meisten überrascht hat mich ja die Tatsache, dass die Inflation mehr oder weniger zehn Jahre lang auf sehr niedrige Werte gesunken ist. Dass in einem Moment, in dem sich verschiedene Ereignisse, von der Coronapandemie über den Krieg in der Ukraine bis zu den wild gewordenen Energiepreisen als Erklärungen geradezu aufdrängen, die Preise angehoben werden, entspricht nach meiner Wahrnehmung eher dem Ausgleich einer in dieser Periode aufgebauten Spannung zwischen dem Wunsch der Unternehmen, ihre Produktepreise anzuheben, und einem zugrunde liegenden Konsens auf dem Markt, dass man so etwas im Moment nicht vollziehen kann beziehungsweise dass man so etwas nur vollziehen kann unter der Gefahr, an Marktanteilen einzubüßen. Diese Spannung ist nun weg, und damit dürfte fürs erste auch das Bedürfnis, wo nicht die Notwendigkeit nach weiteren Preissteigerungen deutlich abgenommen haben.
Selbstverständlich spielen in diese Gesamtrechnung immer auch weitere Faktoren hinein. So hat sich zum Beispiel während des Preisstillstandes der innere Wert der Produkte, also die in ihnen vergegenwärtigte gesellschaftliche Arbeit mit Sicherheit weiter reduziert, was eigentlich zu einem Preisrückgang führen müsste, wenn die Preise den Wert repräsentieren, was sie bekanntlich nicht tun. Es geht noch weiter: Die Produkte beinhalten nicht nur weniger gesellschaftliche Arbeit, sie sind gleichzeitig durchgängig mit neuen Technologien angereichert worden, deren ökonomischen Wert wir in den Produktepreisen in keiner Weise repräsentiert sehen, obwohl er da ist. Na gut, ein bisschen sichtbar wird er offenbar doch, wenn wir dem Wehklagen des Allgemeinden Deutschen Automobilclubs Glauben schenken dürfen, der sich über eine Steigerung des Durchschnittspreises der angebotenen Neuwagen in Deutschland um 19 Prozent zwischen 2017 und 2022 beschwert, und zwar von 45'000 Euro auf 53'500 Euro pro Fahrzeug. Die normale Inflation habe in diesem Zeitraum bei 16 Prozent gelegen. Dazu steuerten allerdings die Jahre 2021 und 2022 volle 11 Prozent bei, die Werte für die übrigen Jahre liegen unter 2 Prozent, für 2015 und 2016 sogar bei 0.5%, wir sehen hier mit anderen Worten bereits den erwähnten Spannungsausgleich, auf den zahlreiche Unternehmen sehnsüchtig gewartet haben.
Die Inflationsbekämpfung gilt als eine der wichtigsten volkswirtschaftlichen Aufgaben; in der Regel fällt diese Aufgaben den Zentralbanken zu, welche sie mit der Drosselung der Geldzufuhr in die Wirtschaft erledigen, sprich mit der Anhebung der Leitzinsen. Was wir aus ökonomischer Sicht im Nachhinein mit den Null- bis hin zu Negativzinsen der Nationalbanken anstellen sollen, welche trotz florierender Weltwirtschaft über mehrere Jahre Praxis waren, ist im Rahmen einer ökonomischen Rationalität nicht einfach auszumachen. Wir müssen wohl noch etwas warten, bis sich irgendeine Studie irgendeines Assistenten an irgendeiner volkswirtschaftlichen Abteilung irgendeiner Universität damit befasst und ein paar Sprüche prägt, die wir in Zukunft dafür verwenden können. Bis auch diese Sprüche dann wieder von ihrer eigenen Inflation eingeholt werden.
Was will ich damit sagen: Für die USA ist der Spruch von der Inflationstreiberei durch die Direktzahlungen des Zentralstaates an die Einwohner:innen, abgesehen von einzelnen Effekten, welche ihn bestätigen mögen, grundsätzlich nichts weiter als Ideologie. In diesen Rang ist allerdings Ökonomie schon seit ihrer Entstehung und seit ihrem Betrieb als Wissenschaft abgesunken oder auch aufgestiegen, mindestens neben den ernsthaften Bemühungen, die Entwicklungen der Volkswirtschaften im Auge zu behalten. Die Auswirkungen von Direktzahlungen auf die Konsumseite der Wirtschaft müssen dringend von all jenen schlecht gemacht werden, welche die alten Märchen von den Tellerwäschern, von gutem Lohn für gute Arbeit und von den Systemen der sozialen Sicherung als Schmarotzerei am Volkskörper weiter erzählen wollen. – Ich habe übrigens nichts gegen gute Löhne, bewahre, und schon gar nicht für gute Löhne für gute Arbeit, zum Beispiel im Bäcker- und Metzgerinnen-Handwerk; es geht nur darum, dass diese Argumentation auf gesamtökonomischer Ebene absolut unvernünftig ist, so vernünftig sie auch auf der Ebene der Brötchen und der Hammelkeule sein mögen. Damit solche Handwerksleute auch in Zukunft ihrer guten Arbeit nachgehen können, ist es ja ganz im Gegenteil vorteilhaft, wenn die Menschen ausreichend Geld auf ihren Konten haben, sodass sie nicht den Billigangeboten von Tönnies nachjagen müssen, sondern sich eben auch die etwas teureren Produkte aus den Fachgeschäften leisten können. Kaufkraft erzeugen, das ist ein zentrales Motiv der modernen Wirtschaft; dass dazu die bekannten Transferleistungen aus den sozialen Sicherungssystemen gehören, ist schon längstens anerkannt, mindestens von all jenen Menschen, denen es in den letzten Monaten nicht ins Hirn geregnet hat. Der Großteil an Kaufkraft entsteht nach wie vor aus Lohnzahlungen, wie dies auch in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ausgewiesen wird; wofür aber Löhne bezahlt werden, das ist wieder eine andere Sache. Die Beschäftigung entwickelt sich zunehmend in Sektoren, die man nicht mehr im klassischen Sinne produktiv nennen möchte. Seit Menschen Geld machen einfach damit, irgendwie auszusehen, ist dem ökonomischen Verständnis alter Schule sowieso der Stöpsel gezogen; abgesehen davon lebt der moderne Kapitalismus schon seit Jahren von irrationalen Strukturen, die sich zum Beispiel im Bereich der Markenprodukte aufgebaut haben. Hier wird tatsächlich hübsch Kaufkraft abgeschöpft, wenn Kleider und Schuhe zum Hundertfachen ihrer Herstellungskosten über den Ladentisch gehen. Umgekehrt entsteht daraus selber Kaufkraft, zum Beispiel durch die Marketing- und Vertriebsnetze, die für solche Markeninfrastrukturen aufgebaut und erhalten werden müssen.
Mit anderen Worten: Dort, wo das Geld in die normale Warenzirkulation einfließt, weiß es in der Regel selber, was es anfangen soll. Es ist ziemlich wurscht, ob so etwas im Rahmen von Lohnzahlungen oder aus Transferleistungen der sozialen Sicherung oder direktemang aus staatlichen Direktzahlungen erfolgt. Im Hintergrund hört man bei diesem ökonomischen Theaterbild dann aber auch noch die Milliarden und Billiarden rascheln, welche unterdessen auf den internationalen Kapitalmärkten zirkulieren. Das ist ein anderes Kapitel, das vielleicht auch noch einen Beitrag zum Thema Inflation abgeben täte. Sicher ist es nicht, denn bisher haben sich die Kapitalmärkte abgesehen von ein paar Dellen und Buckeln recht unbeeindruckt gezeigt von den jüngsten Entwicklungen. Im Gegenteil: Aus den Kapitalmärkten fließen regelmäßig und steigende Beträge in den Bereich der Kaufkraft, namentlich dort, wo es so schöne Dinge gibt wie den norwegischen Staatsfonds. Ich habe gehört, dass man sich nun auch in Deutschland langsam daran machen will, einen solchen Fonds aufzubauen. Eigentlich war das mal mit der Riesterrente geplant, was sich aber nicht bewährt hat. Ich bin gespannt, wie es diesmal aussieht. Einen Rat kann ich auf jeden Fall jetzt schon geben: Er mag noch so sehr mit Bundesmitteln angehäuft werden – nehmt aber dem Staat auf jeden Fall die Möglichkeit der Einflussnahme darauf. Ein solcher Fonds oder ein solches Sondervermögen muss unabhängig sein von den Gelüsten der jeweiligen Regierungen, sich daraus zu bedienen.