"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Aufrüsten bis ans Schwarze Meer

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Jetzt, wo auch Nancy Pelosi bei Volodimir Selenski angetrabt ist, notabene zwei oder drei Tage nach einem Besuch einer Delegation des Schweizer Parlamentes, welche allerdings nicht in offizieller Mission gereist war und auch nur vom Parlamentspräsidenten Stefantschuk empfangen wurde, abgesehen von einem kurzen Apéritif mit dem Ministerpräsidenten; aber jetzt, nach Nancy Pelosis Auftritt, drängt sich der Eindruck auf, dass dieser Volodimir Selenski eigentlich nichts anderes ist als der Gastgeber einer Late-Night-Show, natürlich einer Late-Night-Horror-Show mit der Bekanntgabe der jeweils neuesten Gräueltaten der russischen Bestie, inklusive ausführliches Bild- und Tonmaterial.

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10:21 min, 24 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 03.05.2022 / 10:40

Dateizugriffe: 116

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 03.05.2022
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Jetzt, wo auch Nancy Pelosi bei Volodimir Selenski angetrabt ist, notabene zwei oder drei Tage nach einem Besuch einer Delegation des Schweizer Parlamentes, welche allerdings nicht in offizieller Mission gereist war und auch nur vom Parlamentspräsidenten Stefantschuk empfangen wurde, abgesehen von einem kurzen Apéritif mit dem Ministerpräsidenten; aber jetzt, nach Nancy Pelosis Auftritt, drängt sich der Eindruck auf, dass dieser Volodimir Selenski eigentlich nichts anderes ist als der Gastgeber einer Late-Night-Show, natürlich einer Late-Night-Horror-Show mit der Bekanntgabe der jeweils neuesten Gräueltaten der russischen Bestie, inklusive ausführliches Bild- und Tonmaterial. Und wenn diese Einschätzung gewiss des Respekts für die tausenden Toten im Ukraine Krieg ermangelt, so liegt das nicht zuletzt daran, dass der US-amerikanische Präsident Biden nun ausformuliert hat, worum es in der Ukraine geht: Der Russe soll definitiv geschwächt werden, deswegen sendet man dem ukrainischen Bodenpersonal jedes nur erdenkliche Waffen­system der freien Welt, welches dieses Bodenpersonal auch ohne Einführung zu bedienen vermag, da die Nato es nun seit 8 Jahren ausgebildet hat. Mit anderen Worten: Meine Vermutung, dass EU und Nato seit zwanzig Jahren ununterbrochen versuchen, die Ukraine aus dem russischen Ein­fluss­bereich herauszulösen, wird weiterhin durch nichts widerlegt beziehungsweise durch die jüngsten Enthüllungen aus den Vereinigten Staaten mit schon fast analytischer Schärfe bestätigt. Dabei bestanden, um es zum ix-ten Mal zu wiederholen, die letzten Etappen im Sturz des demokratisch gewählten ukrainischen Präsidenten Janukowitsch, in der Besetzung der Krim und der Ostukraine durch Russland aus, offensichtlich begründeter Furcht davor, dass die Schwarzmeerstützpunkte der russischen Flotte von der Nato übernommen werden könnten, im umfangreichen Ausbildungs­pro­gramm der Nato in der Ukraine und nun seit Jahresbeginn in der Aggression Russlands. Einiger­maßen ironisch in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass der orangene Präsident der Vereinigten Staaten die Nato als obsolet bezeichnete und mit Wladimir Putin Wodka soff, während diese obsolete Nato gerade die Ausbildungslehrgänge für die Ukraine einrichtete. Aber gut – man kann nicht alles haben, orangene Haare und erst noch gut aussehen, das ist schon fast etwas übertrieben. Wo war ich – ja, bei der Late-Night-Show von Volodimir Selenski, und wenn ich schon beim orangenen Präsidenten bin, darf ich es nicht unterlassen, auch noch kurz von der orangenen Revolution auf dem Maidan-Platz zu sprechen, die im Sprachgebrauch des westlichen Medienkonsenses eine friedliche Erhebung der Bevölkerung gegen eine diktatorische Regierung war, eine Regierung, welche die gleiche friedliche Bevölkerung ein paar Monate zuvor selber so demokratisch gewählt hatte, wie man halt in einem korrupten Staat demokratisch wählt.

Krieg ist Scheiße, Putin wird in der Hölle schmoren, aber neben der Kriegshandlung selber gibt es jeweils auch Ursachen dafür, und hier dürfen sich einige EU-Diplomatinnen und Nato-Strategen dicke Scheiben davon abschneiden und auf ihr persönliches Hölle-Konto verbuchen.

Davon abgesehen ist mir eigentlich wurscht, wie der russische Einflussbereich aussieht, ich hänge nicht besonders an Großmächten jeglicher Art, weshalb es bei mir auch regelmäßig zu Ausbrüchen von Antiamerikanismus kommt, ich gebe es ja zu. Ich ging bisher einfach davon aus, dass es so etwas wie einen Stabilitätspakt, das berühmte Gleichgewicht des Schreckens zwischen den Atommächten gab, das vielleicht durch das Aufkommen von China als zusätzlicher Supermacht etwas aus seinem Gleichgewichtszustand gebracht wurde, aber ansonsten soweit verlässlich und stabil dafür garantierte, dass die jeweils eigenen Regeln im jeweils eigenen Einflussbereich gegenseitig akzeptiert wurden. Eine erste Abweichung davon habe ich vor zehn Jahren gesehen, als die US-Amerikaner eine weitere völlig friedliche Bürgerbewegung in Syrien dazu benutzen wollten, die Russen aus Latakia hinauszubefördern, was per Saldo nicht so richtig geklappt hat; dass es der Westen aber wirklich mehr oder weniger im Herzland des russischen Imperiums versuchen würden, das erstaunt mich nach wie vor, und ebenso erstaunt mich, dass die russische Armee bisher darauf verzichtet hat, taktische Atomwaffen einzusetzen – denn darum geht es doch in diesem Nato-Sand­kastenspiel. Rechnen die wirklich damit, dass sich die Russinnen so klein machen lassen, dass sie am Schluss die Steuerungscode für das Atomwaffenarsenal an Jens Stoltenberg überreichen? Das scheint mir völlig absurd, aber mir stehen natürlich auch nicht jene Geheimdienstberichte zur Ver­fü­gung, über die Joe Biden verfügt. Und mit der westlichen Presse ist im Moment einfach über­haupt nichts anzufangen; sie triefen von der uralten antirussischen und antikommunistischen Menta­lität, von der Tolpatschigkeit des russischen Geheimdienstes über die Frechheit der russischen Geheimdiensttrolle mit ihren Cyberattacken bis zu den hämischen Berichten über schlecht aus­gerüstete Truppen und misslich vorbereitete Militäraktionen – die im übrigen durchaus korrekt sein mögen, aber das Ende ist bekanntlich noch nicht in Sicht. Nein, im Moment kann man schlicht und einfach keine Zeitung lesen, mindestens nicht die Berichte über den Ukraine-Krieg, die eben mit Berichterstattung überhaupt nichts zu tun haben, noch weniger als die erwähnte Late-Night-Horror-Show von Volodimir Selenski. Und die erstreckt sich ja in die Breite; jetzt hat sich auch noch Angelina Jolie in die Ukraine begeben, um ihre Solidarität mit all den verwaisten Waisenkindern in corpore zu demonstrieren. Das ist nun allerdings nicht Solidarität, sondern das ist Newsgeilheit auf Kosten tatsächlich gestorbener Menschen, ein nicht nur billiger, sondern richtig widerwärtiger Akt. Auf allen vitalen Zahnnerven schmerzt mich auch die Aussage der Journalistin Sonja Zekri, die größte Belastung für viele Journalisten sei die Hilflosigkeit angesichts des grenzenlosen Leids der Opfer – eine derart pervertierte und dicke Lüge liest man nicht alle Tage. Entweder ist man Kriegsjournalistin, oder man lässt es bleiben, aber das billige, massive Re-Enactment von Zweit-Weltkriegs-Betroffenheitsgedudel ist einfach unerträglich.

Ruhig, Alter, ruhig. Nehmen wir mal an, es sei so, also dass man den Russen tatsächlich besiegen kann, mindestens soweit, dass man ihm ungefähr die halbe Ukraine abluchst, denn die Schwarz­meer-Küste ist fürs erste kein realistisches Kriegsziel der Nato. Was dann? Wir haben es dann sozusagen amtlich, dass Russland nur noch eine halbe, eine Ein-Viertel- oder eine Ein-Zehntel-Supermacht ist, die zufälligerweise noch das größte Atomwaffenarsenal der Welt ihr eigen nennt, aber das ist offenbar heutzutage nicht mehr relevant. Wenn dem so ist, dann bilden sich nicht nur die Gewichte neu, vor allem im Osten, wo vermutlich Russland und China ihre Zusammenarbeit bereits neu definiert haben, aber durchaus auch gegenüber Europa. Der Wirtschaftskrieg, den der Westen Russland erklärt hat, wird auch irgendwelche tektonische Verwerfungen zur Folge haben, und vor allem ist in den nächsten zehn Jahren nicht mit irgendwelchen Normalisierungen in Russland zu rechnen. – Na gut, damit ist auch ohne Krieg nicht zu rechnen, aber auf jeden Fall ist mit Verän­de­rungen in der Tiefenstruktur zahlreicher internationaler Verhältnisse zu rechnen. Das wiederum sorgt für Spannung auf der Bühne, und was mich angeht, so kann ich endlich aufhören, immer wieder die gleichen Urteile über die gleichen Leute zu fällen, welche den Krieg in der Ukraine ausgelöst haben. Schluss damit! Einen wesentlichen Beitrag zur Befreiung der Menschen in Russland von Putin und seiner Plündererbande hat die Nato damit noch nicht geleistet, und ich zweifle daran, dass dies unter der Oberanleitung der chinesischen kommunistischen Partei erfolgen wird. Vielleicht kapriziert sich ein Teil der russischen Elite darauf, die verbliebene Supermacht mit unorthodoxen Methoden zu triezen; wir erinnern uns in diesem Zusammenhang daran, dass es nicht unbedingt Kommunisten zu sein brauchen, welche eine globale Untergrundbewegung gründen und mit Erdölmilliarden finanzieren, dafür reichen auch ein paar saudische Adelsfamilien. Wieso sollten dies nicht auch ein paar fehlgezündete russische Oligarchen versuchen? – Umgekehrt: Weshalb sollten sie es versuchen, wenn nach dem Waffenstillstand die Waren- und Geldflüsse langsam wieder in eine vergleichbare Form wie vor dem Krieg zurückkehren.

Ihr seht, geschätzte Hörerinnen und Hörer in Erfurt, die aktuelle Lage in der Ukraine überfordert mich, und es ist weniger die Lage selber als die Konzelebration der alten Russenfeindlichkeit in der Öffentlichkeit, welche von den Regierungen und Budgetverantwortlichen nicht mal besonders geschürt zu werden braucht. Nie wieder Krieg, sofort aufrüsten! Es ist ein schwerer und permanenter Artilleriebeschuss meines Verstandes, der mich einfach schon als solcher ärgert.

Was kann ich denn sonst noch melden? Der Rückgriff auf den chronischen Lieferanten von Negativschlagzeilen, also auf den afrikanischen Kontinent, zum Beispiel mit der Nachricht von neuerlichen Massakern im Darfur, welche aber den Sudan nicht zum Spontanbeitritt in die EU berechtigen, oder der Bericht über den Konflikt zwischen Spitz- und Rundköpfen in Eritrea, also zwischen den Tigrina und den Amarisch Sprechenden, machen in diesen Zeiten auch keinen richtigen Spaß, sie machen eigentlich überhaupt nie Spaß, sie werfen letztlich bloß die Frage auf, welche Funktion solche periodischen Meldungen an die europäische öffentliche Meinung haben. Die lasse ich hier aber unbeantwortet, nicht zuletzt deswegen, weil ich fürchte, dass es mich zuviel kosten könnte, eine richtige Antwort zu geben. Immerhin einen Aspekt finde ich im Moment etwas komisch, nämlich den Kampf der Volksrepublik China gegen das Corona-Virus. In Europa haben wir diesen Krieg beendet, meinetwegen durch Kapitulation, nachdem das Virus in einer halbwegs domestizierten Form die Bevölkerung durchseucht hat. Die Chines:innen wollen es nach wie vor komplett eliminieren. Wie soll das auf mittlere Frist hinaus gelingen? Man müsste ja alle Reisenden aus dem verseuchten Westen in Zukunft in Quarantäne stecken, das ist wohl kaum praktikabel. Ich denke, dass die Parteileitung wieder einmal irgend ein vergessenes Wort des großen Vorsitzenden Mao Tse Tung ausgraben und ihre restriktive Politik ändern und auf eine gleitende, maßvolle Durchseuchung der Bevölkerung setzen sollte, und zwar eben mit dem domestizierten Virus, nicht mit jenem, der in Wuhan ausgebrochen ist. Ich denke, diesen Virusstamm kann man auf dem Internet unterdessen auch käuflich erwerben, mindestens auf dem Darknet.

Kommentare
03.05.2022 / 19:36 AL, coloRadio, Dresden
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Ekelhafter Beitrag.
 
05.05.2022 / 13:24 Albert Jörimann, Radio F.R.E.I., Erfurt
Erklärung
Warum genau findest du diesen Beitrag ekelhaft?